TE Lvwg Erkenntnis 2019/11/27 VGW-151/007/14823/2019

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Veröffentlicht am 27.11.2019
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Entscheidungsdatum

27.11.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §13 Abs3
AVG §13 Abs8
NAG §19 Abs1
NAG §23 Abs1
NAG §47
NAG §54

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Köhler über die Beschwerde der A. B. (geb.: 1983, StA: Nigeria) gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Magistratsabteilung 35) vom 25.09.2019, Zl. ..., mit welchem der Antrag vom 03.12.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehörige“ gemäß § 19 Abs. 1 NAG iVm § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Entscheidungsrelevanter Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin stellte persönlich am 03.12.2018 bei der ÖB in Abuja/ Nigeria einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Familienangehörige (Erstantrag).

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 28.03.2019 wurden der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin Ermittlungsergebnisse und die vorläufige Rechtsansicht hierzu mitgeteilt. Es sei beabsichtigt, den Antrag abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 04.04.2019 wurde durch die Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin eine Antragsmodifikation mitgeteilt. Statt des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ werde eine Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 54 NAG begehrt. Es liege iSd § 13 Abs. 8 AVG der gleichbleibende Zweck der Familienzusammenführung vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25.09.2019 wies die belangte Behörde den Antrag vom 03.12.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“, den sie am 04.04.2019 auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts modifiziert habe, mangels persönlicher Antragstellung vor der Behörde gemäß § 19 Abs. 1 NAG und § 13 Abs. 3 AVG zurück.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem unstrittigen Inhalt des mit der Beschwerde vorgelegten Verwaltungsaktes. Darin sind sämtliche entscheidungsrelevanten Eingaben der Beschwerdeführerin selbst und Schreiben ihrer Rechtsvertreterin sowie die Zwischenerledigungen und Erledigungen der belangten Behörde enthalten.

Rechtliche Beurteilung

Hat eine behördliche Entscheidung eine auf § 13 Abs. 3 AVG gestützte Zurückweisung des Antrags des Fremden zum Gegenstand, darf das Verwaltungsgericht nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden. Es ist daher lediglich zu prüfen, ob die sachliche Behandlung des Antrages mangels fristgerechter Befolgung des Verbesserungsauftrages seitens der Behörde zu Recht verweigert worden ist. Das setzt voraus, dass dem Antrag ein „Mangel“ anhaftete, dieses also von für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes oder des AVG an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abwich (VwGH 29.04.2010, 2008/21/0302).

§ 19 Abs. 1 NAG lautet: „Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder auf Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind persönlich bei der Behörde zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter persönlich einzubringen.“

§ 23 Abs. 1 NAG lautet: „Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Fremde für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel oder eine andere Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.“

Eine fehlende persönliche Antragstellung wäre ein verbesserungsfähiger Mangel eines Formalerfordernisses (VwGH 17.06.2019, Ra 2018/22/0197). Der Mangel der fehlenden persönlichen Antragstellung könnte dadurch beseitigt werden, dass der Fremde persönlich zur Behörde kommt (VwGH 26.02.2015, Ra 2014/22/0145).

Eine „Präzisierung“ eines bereits eingebrachten Antrags stellt keinen neuen Antrag dar. Dies gilt auch für nach dem NAG zulässige Antragsänderungen (VwGH 31.05.2011, 2011/22/0075; 13.10.2011, 2010/22/0065). Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung hat der VwGH ausdrücklich die Zulässigkeit einer „Antragsmodifikation“ angesprochen (VwGH 30.07.2014, 2013/22/0268).

Ein neuerliches persönliches Erscheinen war im Beschwerdefall und ist bei einer Antragsmodifikation generell aufgrund des Gesetzeszwecks des § 19 Abs. 1 NAG auch nicht erforderlich (siehe VwGH 14.10.2008, 2008/22/0118; 21.06.2011, 2008/22/0744, mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).

Eine Antragsmodifikation ist kein neuerlicher Antrag, der wiederum persönlich einzubringen wäre (VwGH 10.12.2008, 2008/22/0873).

Im Beschwerdefall wurde ein formgerecht eingebrachter Antrag (nämlich vom 03.12.2018) gestellt; die Modifikation vom 04.04.2019 bezog sich auf diesen Antrag. Die vorgenommene Modifikation stellt keinen neuen Antrag dar. Die Einbringung der Eingabe vom 04.04.2019 durch die Rechtsvertreterin begründete somit keinen Formmangel. Es lag daher kein Mangel vor, der eine Vorgangsweise gemäß § 13 Abs. 3 AVG gerechtfertigt hätte.

Die Modifikation von Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ (§ 47 NAG) auf eine Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers (§ 54 NAG) ist auch keine Antragsänderung, die die Sache ihrem Wesen nach ändert oder die sachliche und örtliche Zuständigkeit berührt (§ 13 Abs. 8 AVG). Es liegt jeweils der gleichbleibende Zweck der Familienzusammenführung vor (vgl. zu einem § 13 Abs. 8 AVG entsprechenden Wesensvergleich etwa VwGH 14.04.2016, Ra 2016/21/0077). Schließlich ist eine Antragsmodifikation nicht nur zulässig, sondern im Sinne der Effizienz auch gesetzlich eine entsprechende behördliche Anleitungspflicht normiert (§ 23 Abs. 1 NAG). Wenn eine Antragsänderung nach einer Belehrung durch die Behörde zulässig ist, kann eine solche ohne vorangegangene Belehrung nicht anders beurteilt werden (VwGH 16.09.2015, Ro 2015/22/0026).

Der angefochtene Bescheid erging nicht zu Recht.

Aufgrund dieser inhaltlichen Rechtswidrigkeit ist der Zurückweisungsbescheid ersatzlos zu beheben.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Rechtslage ist aufgrund der eindeutigen Gesetzeslage klar und durch die angeführte Rechtsprechung geklärt. Der gegenständlich vorgenommenen Würdigung – nämlich die Auslegung von Eingaben an die Behörde – kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Schließlich liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Eine (weitere) Klärung der entscheidungsrelevanten Rechtsfragen durch den VwGH ist nicht erforderlich; es besteht eine einheitliche und ständige Rechtsprechung.

Schlagworte

Verbesserungsauftrag, Mangel der persönlichen Antragstellung; Antragsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.007.14823.2019

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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