Entscheidungsdatum
10.09.2019Norm
AsylG 2005 §57Spruch
G314 2205396-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX,
StA.: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch den XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt
Einreiseverbot zu Recht:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid
ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.2017 im Bundesgebiet festgenommen und bis zu seiner bedingten Entlassung am XXXX.2019 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2018, XXXX, wurde er wegen diverser Verbrechen und Vergehen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 1/2 Jahren verurteilt. Es handelt sich um seine einzige strafgerichtliche Verurteilung in Österreich; in seinem Herkunftsstaat weist er aber bereits mehrere Vorstrafen auf.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde ausgesprochen, dass dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt werde und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina festgestellt (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Dies wurde ua mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF durch das Landesgericht XXXX begründet.
Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, mit der der BF primär die Behebung des angefochtenen Bescheids, insbesondere des Einreiseverbots, anstrebt. Hilfsweise werden die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, die Reduktion der Dauer des Einreiseverbots, die Festlegung einer Frist zur freiwilligen Ausreise sowie die Aufhebung der Rückkehrentscheidung und des Ausspruchs über die Zulässigkeit der Abschiebung beantragt.
Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 11.09.2018 einlangten.
Das BVwG holte eine bosnisch-herzegowinische Strafregisterauskunft des BF ein, die den Parteien im Dezember 2018 zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme übermittelt wurde.
Mit Schreiben vom 08.07.2019 informierte das BFA das BVwG über den am 05.07.2019 bei der Polizeiinspektion XXXX gestellten Antrag des BF auf internationalen Schutz.
Am 09.09.2019 übermittelte das BFA dem BVwG auftragsgemäß den Bescheid vom 15.07.2019, Zl. XXXX, mit dem der Antrag auf internationalen Schutz vom 05.07.2019 vollinhaltlich abgewiesen, dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen wurde, gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina festgestellt, gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt, einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen wurde. Das Einreiseverbot wurde ua mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF durch das Landesgericht XXXX begründet. Dieser Bescheid ist aufgrund des Beschwerdeverzichts des BF vom 15.07.2019 rechtskräftig.
Am 06.08.2019 wurde der BF in seinen Herkunftsstaat abgeschoben.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich ohne relevante Widersprüche aus dem Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG. Die Zeiten der Anhaltung des BF in Untersuchungs- bzw. Strafhaft basieren auf den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut dem Zentralen Melderegister, der Vollzugsinformation, dem Strafurteil und dem Strafregister, aus dem insbesondere auch die bedingte Entlassung hervorgeht. Seine Vorstrafen in Bosnien und Herzegowina können anhand der Auskunft aus dem dortigen Strafregister festgestellt werden. Die Abschiebung des BF ist im Fremdenregister (IZR) dokumentiert.
Rechtliche Beurteilung:
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist nicht zulässig, bevor über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen; zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG zu treffen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies bedeutet aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - , das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, in unzulässiger Weise vorwegzunehmen; die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist daher grundsätzlich nicht zulässig (vgl. VwGH 25.09.2018, Ra 2018/21/0107).
Nach der mit dem FNG 2014 geschaffenen Systematik der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung - und demnach auch die Erlassung eines Einreiseverbotes, die die Erlassung einer Rückkehrentscheidung voraussetzt - nicht zulässig, bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen. Eine bereits von der Behörde erlassene, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom BVwG ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre (siehe VwGH 20.09.2018, Ra 2018/20/0349).
Ausgehen von diesen Grundsätzen ist der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben, weil der BF während des Beschwerdeverfahrens einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den auch bereits rechtskräftig eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot ergangen ist.
Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG.
Die Revision ist nicht zu zulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2205396.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.02.2020