Entscheidungsdatum
16.09.2019Norm
AsylG 2005 §55 Abs2Spruch
G314 2223023-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der serbischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2019, Zl. XXXX, betreffend die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG zu Recht:
A) Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid
ersatzlos behoben und der Behörde die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Feststellungen:
Die aktuell 17-jährige XXXX, geborene XXXX (im Folgenden als Beschwerdeführerin, kurz BF, bezeichnet), reiste am XXXX.02.2019 (mit einem am 25.01.2019 bereits auf den Familiennamen XXXX ausgestellten serbischen Reisepass) in das Bundesgebiet ein, wo sie an nächsten Tag den österreichischen Staatsbürger XXXX ehelichte und seinen Familiennamen annahm. Seither hält sie sich im Bundesgebiet auf. Mit dem Beschluss des Amtsgerichts in XXXX (Serbien) vom 16.11.2018, GZ XXXX, war die Eheschließung vor der Volljährigkeit der BF gerichtlich genehmigt worden.
Am 18.03.2019 beantragte die BF persönlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs 2 AsylG. Der Antrag wurde im Beisein ihres gesetzlichen Vertreters abgeben, enthält aber weder dessen Namen und Anschrift noch dessen Unterschrift.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag vom 18.03.2019 gemäß § 47 Abs 2 iVm § 3 NAG wegen Unzuständigkeit der Behörde als unzulässig zurückgewiesen, weil eine Zuwanderung nach dem NAG (Familienzusammenführung gemäß § 47 NAG) angestrebt werde, für die das BFA nicht zuständig sei.
Dagegen richtet sich die vom Rechtsanwalt XXXX als Vertreter der BF unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht eingebrachte Beschwerde, mit der die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung und die Behebung des angefochtenen Bescheids beantragt werden. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass kein Verfahren nach dem NAG vorliege, sondern ein Antrag nach § 55 Abs 2 AsylG. Eine Antragstellung nach dem NAG sei erst möglich, wenn die BF das 21. Lebensjahr vollendet habe.
Die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am 02.09.2019 einlangten. Im Vorlagebericht beantragt das BFA, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten.
Die Identität der BF geht aus ihrem Reisepass hervor. Auch ihre Geburtsurkunde und die Heiratsurkunde wurden vorgelegt.
Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet seit Anfang Februar 2019 ergibt sich aus ihrem Vorbringen, das im Einklang mit dem Grenzkontrollstempel in ihrem Reisepass und der Hauptwohnsitzmeldung laut dem Zentralen Melderegister steht.
Die Identität des gesetzlichen Vertreters der BF, in dessen Beisein sei laut dem behördlichen Vermerk auf der ersten Seite des Antrags vom 18.03.2019 diesen abgab, ist nicht aktenkundig. In den anwaltlichen Schreiben und Schriftsätzen scheint keine gesetzliche Vertretung der BF auf. Der Gerichtsbeschluss über die Genehmigung der Eheschließung vor der Volljährigkeit der BF liegt vor.
Rechtliche Beurteilung
Da die BF das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist zunächst ihre Prozessfähigkeit zu prüfen. Darüber ist gemäß § 9 AVG unter Heranziehung der Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Rechts- und Handlungsfähigkeit zu entscheiden (siehe zuletzt VwGH 28.05.2019, Ra 2018/05/0188). Dieser Grundsatz ist gemäß § 17 VwGVG iVm § 9 AVG auch vom BVwG anzuwenden, das die Frage der Prozessfähigkeit im Hinblick auf die Zulässigkeit der Beschwerde als Vorfrage (§ 38 AVG) selbständig zu beurteilen hat (VwGH 20.12.2016, Ra 2015/01/0162).
Gemäß § 12 IPRG sind die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach deren Personalstatut zu beurteilen. Für die Beurteilung der Handlungsfähigkeit der BF ist demnach gemäß § 9 Abs 1 IPRG serbisches Recht heranzuziehen. Nach Art 11 des Familiengesetzes der Republik Serbien vom 24.02.2005 wird die Volljährigkeit mit dem 18. Lebensjahr erworben (Abs 1). Die vollständige Geschäftsfähigkeit wird mit der Volljährigkeit und mit der Eheschließung vor der Volljährigkeit mit Genehmigung des Gerichts erworben (Abs 2). Da die BF vor ihrer Volljährigkeit mit gerichtlicher Genehmigung eine Ehe schloss, rwarb sie damit die vollständige Geschäftsfähigkeit, zumal keine Hinweise auf anderweitige Einschränkungen aktenkundig sind. Die BF konnte daher dem für sie einschreitenden Rechtsanwalt wirksam eine Vollmacht erteilen. Die Beschwerde ist daher zulässig.
Hat die Behörde - wie hier - einen Antrag zurückgewiesen, dann ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (siehe zuletzt VwGH 04.07.2019, Ra 2017/06/0210). Die BF hat keinen Antrag nach dem NAG gestellt, sondern ausdrücklich und unmissverständlich einen solchen nach § 55 AsylG, für den das BFA gemäß § 3 Abs 2 Z 2 BFA-VG zuständig ist. Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Antragszurückweisung wegen Unzuständigkeit war daher rechtswidrig, sodass der Bescheid in Stattgebung der Beschwerde zu beheben ist. Das weitere Verfahren wird unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu führen sein.
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfällt eine mündliche Verhandlung, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von über den Einzelfall hinausgehender grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG nicht zu lösen waren.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2223023.1.00Zuletzt aktualisiert am
04.02.2020