TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/26 G314 2223533-1

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Veröffentlicht am 26.09.2019
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Entscheidungsdatum

26.09.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs3 Z5

Spruch

G314 2223533-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des serbischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2019, Zl. XXXX, nach der Beschwerdevorentscheidung vom 29.08.2019 aufgrund des Vorlageantrags vom 16.09.2019 betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen (A) und zu Recht erkannt (B):

A)

Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids und der Beschwerdevorentscheidung) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

C)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.04.2016 festgenommen und mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2016, XXXX, zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis XXXX.2019 verbüßte. Am XXXX.2019 wurde er nach Serbien abgeschoben.

Mit Schreiben vom 11.11.2016 und vom 14.06.2019 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den BF auf, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot Stellung zu nehmen. Er erstattete jeweils eine entsprechende Stellungnahme.

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass dem BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt werde, und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt I.), stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Serbien fest (Spruchpunkt II.), erließ ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.), erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.) und sah von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise ab (Spruchpunkt V.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit dem seiner strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Fehlverhalten begründet, zumal der Tatbestand des § 53 Abs 3 Z 5 FPG erfüllt sei. Mangels einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr sei es ihm zumutbar, den Verfahrensausgang in seinem Herkunftsstaat abzuwarten. Sein Interesse an einem Verbleib in Österreich trete hinter das öffentliche Interesse an einer raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

Der BF erhob eine Beschwerde gegen diesen Bescheid und beantragte (unter anderem) die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Er begründete die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass er sich seit mehr als 14 Jahren im Bundesgebiet aufhalte und hier familiär und sozial integriert sei. Es sei nicht zulässig, die aufschiebende Wirkung wegen eines einmaligen, bereits sanktionierten Fehlverhaltens abzuerkennen. Die Rückkehr in seinen Herkunftsstaat verletze den BF in seinem Recht auf Privat- und Familienleben.

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 29.08.2019 stützte das BFA die Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs 5 FPG und verkürzte das Einreiseverbot auf acht Jahre, gab der Beschwerde aber im Übrigen keine Folge.

Aufgrund des Vorlageantrags des BF legte das BFA die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 18.09.2019 einlangte.

Feststellungen:

Der am XXXX in der serbischen Stadt XXXX geborene BF lebte bis September 2005 in seinem Herkunftsstaat, wo er zunächst auch die Schule besuchte. Seither hält er sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wo ihm zuletzt am XXXX.09.2015 ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" erteilt wurde. Auch seine Mutter und sein Bruder leben in Österreich. Der BF schloss hier die Pflichtschule ab und absolvierte anschließend eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann, wobei er die Lehrabschlussprüfung am XXXX.2012 bestand. Am XXXX.2011 heiratete er in Serbien die serbische Staatsangehörige XXXX (geborene XXXX). Der Ehe entstammen der am XXXX.2011 geborene XXXX und der am XXXX.2016 geborene XXXX, die beide serbische Staatsangehörige sind. Die Ehefrau des BF und sein älterer Sohn leben seit 2013 im Bundesgebiet; sein jüngerer Sohn kam bereits in XXXX zur Welt. XXXX, XXXX verfügen jeweils über Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" und lebten mit dem BF bis zu seiner Verhaftung in einem gemeinsamen Haushalt zusammen. Vor seiner Inhaftierung führte der BF gemeinsam mit seiner Ehefrau in XXXX einen Gastronomiebetrieb. Das Unternehmen wurde mittlerweile geschlossen und die Ehefrau des BF ist nunmehr als Hausbesorgerin erwerbstätig.

Am XXXX.2016 wurde der BF verhaftet und anschließend in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2016, XXXX, wurde er wegen des Verbrechens des schweren Raubes (§§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB) und des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt (§§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB) zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe (ausgehend von einem Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren Freiheitsstrafe) verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX.2016 in XXXX wegen finanzieller Schwierigkeiten aufgrund von übermäßigem Automatenglücksspiel und Sportwetten einen Raubüberfall unter Verwendung einer Waffe auf eine Trafik in der Nähe seines Wohnorts beging, indem er den Trafikanten mit einer CO2-Pistole und einem Hammer bedrohte, die Herausgabe von Bargeld forderte, dem Trafikanten zwei Mal eine Stoß versetzte, wodurch dieser zu Sturz kam, androhte, er werde ihm die Knie zerschlagen, den Tresorschlüssel wegnahm, den Tresor öffnete und EUR 139,10 in bar entnahm, wobei der Trafikant durch die vom BF ausgeübte Gewalt eine schwere Verletzung (Deckplatteneinbruch eines Brustwirbels sowie Zerrung eines Kniegelenks) erlitt. Aufgrund eines vom Trafikanten ausgelösten Alarms traf die Polizei ein, die dem BF den Weg versperrte, als er aus dem Geschäft flüchten wollte. Er versuchte, einen Polizisten mit der Hand wegzustoßen, um an ihm vorbeizulaufen und ihn so mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, zu hindern. Bei der Strafbemessung wurden die verstärkte Tatbildmäßigkeit beim Raub und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend berücksichtigt, der bisher untadelige Lebenswandel, das Geständnis, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, sowie die teilweise Schadensgutmachung durch Sicherstellung des erbeuteten Bargelds dagegen als mildernd. Dies ist die erste und bislang einzige strafgerichtliche Verurteilung des BF.

Er verbüßte die Freiheitstrafe bei tadellosem Vollzugsverhalten bis zu seiner bedingten Entlassung am XXXX.08.2019 in den Justizanstalten XXXX und XXXX, wo er im gelockerten Vollzug angehalten wurde, eine sehr gute Arbeitsleistung erbrachte, eine Lehre zum Elektroinstallationsgebäudetechniker abschloss und bei Besuchen und Vollzugslockerungen Kontakte zu nahen Angehörigen pflegte.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung relevante Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus dem Strafurteil, dem Beschwerdevorbringen und den vom BF vorgelegten Urkunden, sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR). Mangels widerstreitender Beweisergebnisse erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.

Aufgrund der in Österreich absolvierten Schul- und Berufsausbildung des BF und seines langen Inlandsaufenthalts ist von ausreichenden Deutschkenntnissen auszugehen, sodass dieser Entscheidung keine Übersetzung von Spruch und Rechtsmittelbelehrung iSd § 12 Abs 1 BFA-VG angeschlossen wird.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Die Beschwerde richtet sich auch gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids bzw. der Beschwerdevorentscheidung, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat über eine derartige Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier aufgrund der Verurteilung des BF zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe, unter anderem wegen eines Raubüberfalls mit einer Waffe, der eine schwere Verletzung des Opfers zur Folge hatte, erfüllt, auch wenn die erhöhte spezialpräventive Wirksamkeit des Erstvollzugs und das positive Vollzugsverhalten des BF berücksichtigt werden.

Einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, hat das BVwG diese gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG vom Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des oder der Fremden in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, Art 3 oder Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn oder sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Solche konkreten Gründe liegen hier nicht vor. Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die aktuelle Lage im Herkunftsstaat des BF (Serbien) ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG, zumal es sich gemäß § 1 Z 6 HStV um einen sicheren Herkunftsstaat handelt, in dem die Todesstrafe gänzlich abgeschafft ist und kein bewaffneter internationaler oder innerstaatlicher Konflikt herrscht.

Auch bei Berücksichtigung der intensiven privaten und familiären Bindungen des BF in Österreich, wo er seit vielen Jahren lebt und daueraufenthaltsberechtigt ist, ist keine Verletzung von Art 8 EMRK durch einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben zu befürchten, obwohl seine Kernfamilie und weitere Angehörige hier leben, zumal der Tatbestand des § 53 Abs 3 Z 5 FPG erfüllt ist und aufgrund der äußerst schwerwiegenden Delinquenz ein besonders großes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung besteht. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat. Für den Wegfall der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit ist in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich, wobei dieser Zeitraum umso länger anzusetzen ist, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden manifestiert hat (siehe z.B. VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0027). Da der BF erst vor kurzem aus der Haft entlassen wurde, kann (ungeachtet seines untadeligen Vorlebens) noch nicht von einem Wegfall oder einer maßgeblichen Minderung der durch seine Straffälligkeit indizierten Gefährlichkeit ausgegangen werden, zumal sich diese durch den mehrfach qualifizierten Raubüberfall besonders nachdrücklich manifestiert hat.

Trotz der gelockerten Bindungen zu seinem Herkunftsstaat, wo er aber immerhin bis zu seinem 13. Lebensjahr lebte und mehrere Jahre lang die Schule besuchte, ist es dem BF zumutbar, den Verfahrensausgang dort abzuwarten. Gegen ein völliges Abreißen der Verbindung dorthin spricht nicht zuletzt die Eheschließung mit einer serbischen Staatsangehörigen, die bis 2013 in ihrem Herkunftsstaat lebte. Der BF kann den (ohnehin seit Jahren haftbedingt eingeschränkten) Kontakt zu seiner Ehefrau und anderen in Österreich lebenden Bezugspersonen über Telefonate und andere Kommunikationsmittel (E-Mail, Internet) pflegen. Der persönliche Kontakt zu seinen Söhnen, für die dies altersbedingt noch nicht geeignet ist, kann im Rahmen von Treffen in Serbien oder in anderen Staaten, für die die Rückführungsrichtlinie nicht gilt, aufrecht bleiben, zumal der BF auch schon während der Haft nicht mehr dauerhaft mit ihnen zusammengelebt hat.

Die Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerdevorentscheidung ist im Hinblick auf die schwerwiegende Straftat des BF und die kurze seit seiner Haftentlassung verstrichene Zeit ausreichend. Der Beschwerde ist im Ergebnis derzeit - vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt - die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2223533.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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