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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
ABGB §1332Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Rechtssache des Antrages des X Y in Z, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. März 2019, L512 2209923-1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG und dem FPG, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 19. Oktober 2018 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (unter anderem) aus, dass der am 6. August 2015 vom Wiedereinsetzungswerber, einem Staatsangehörigen von Pakistan, gestellte Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen werde.
2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht - unter Abänderung des Ausspruches betreffend die Frist für die freiwillige Ausreise - mit Erkenntnis vom 12. März 2019 als unbegründet ab. Es erklärte die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. 3 Der Antragsteller begehrt mit seiner - (erkennbar) von der Caritas/Flüchtlingshilfe abgefassten und von ihm selbst gezeichneten - Eingabe vom 25. Juli 2019 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes. Unter einem wird der Antrag gestellt, ihm die Verfahrenshilfe zu bewilligen.
4 Der Antragsteller bringt zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages vor, dass er erst am 16. Juli 2019 im Zuge einer Vorsprache beim Arbeitsmarktservice über den rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens Kenntnis erlangt habe. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts sei der B, der er auch als Rechtsberaterin eine Vollmacht erteilt habe, übersendet worden. Seine Rechtsberaterin habe ihm zwar das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes auf dem Postweg an seine Wohnadresse übermittelt. Jedoch habe er sich zu dieser Zeit nicht mehr an dieser Adresse aufgehalten, weil er sich im Rahmen einer Beschäftigung als Saisonarbeiter für vier Monate in C aufgehalten habe. Dort sei er auch gemeldet gewesen. Seine vorherige Unterkunft sei daher keine Abgabestelle mehr gewesen. Da die B keinen Zugang zum Zentralen Melderegister habe, sei das Poststück von ihr an jene Unterkunft gesendet worden, an der der Antragsteller nicht mehr aufhältig gewesen sei. Wo das Schriftstück letztlich hingekommen sei, wisse er nicht. Die B setze üblicherweise von sich aus keine Schritte, um außerordentliche Rechtsmittel zu erheben.
5 Gemäß § 24 Abs. 1 zweiter Satz VwGG sind Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen, der gemäß § 61 Abs. 3 leg. cit. über derartige Anträge entscheidet. Mangels diesbezüglicher näherer Vorschriften im VwGG - § 46 Abs. 3 und 4 VwGG enthält Regelungen betreffend die Wiedereinsetzung nach erfolgter Einbringung der Revision sowie für den Fall der Versäumung der Revisionsfrist - sind auch Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Verfahrenshilfeantrages in derartigen Angelegenheiten beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen, der über diese Anträge zu entscheiden hat (vgl. etwa VwGH 31.1.2019, Ra 2018/14/0318, mwN).
6 In jenen Fällen, in denen ein fristgebundenes Anbringen bei einer unzuständigen Stelle eingebracht wird, erfolgt die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (vgl. VwGH 3.10.2018, Ra 2018/07/0428, mwN).
7 Der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde entgegen der oben dargestellten Rechtslage beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Er stellt sich allerdings nach § 46 Abs. 3 Z 2 VwGG infolge der innerhalb der zweiwöchigen Frist auf dem Postweg erfolgten Weiterleitung durch das Verwaltungsgericht als rechtzeitig dar.
8 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. 9 Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 1.3.2018, Ra 2017/19/0583, mwN). An berufliche rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen (vgl. VwGH 22.6.2017, Ra 2017/20/0050, mwN).
10 Sofern der Revisionswerber behauptet, es liege keine gültige Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vor, weil diese nicht an seine neue Adresse, sondern an eine Adresse vorgenommen worden sei, die keine Abgabestelle mehr gewesen sei, ist er darauf hinzuweisen, dass er - schon nach seinem weiteren Vorbringen - der ihm zugewiesenen Rechtsberaterin Vollmacht zur Vertretung im Beschwerdeverfahren erteilt hat. Das ergibt sich zudem auch aus der vom Antragsteller vorgelegten Kopie der Ausfertigung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts. Aufgrund dessen wurde die Zustellung der Ausfertigung der vom Bundesverwaltungsgericht über die Beschwerde getroffenen Entscheidung dem Gesetz entsprechend an die Vertreterin des Antragstellers vorgenommen.
11 Der Antragsteller bringt weiters vor, seine Vertreterin habe ihm die Ausfertigung des Erkenntnisses an eine Adresse übersendet, an der er nicht mehr aufhältig, und obwohl er bereits an einer anderen Adresse gemeldet gewesen sei. Dass der Antragsteller seine Vertreterin von der Aufgabe der bisherigen Unterkunft und seinem Wechsel an eine andere Unterkunft verständigt gehabt hätte, behauptet er nicht. Ebensowenig behauptet er, dass er trotz längerer Abwesenheit von der ursprünglichen Unterkunft Vorkehrungen getroffen hätte, dass ihm Poststücke, die an seine bisherige Adresse gesendet würden, zur Kenntnis hätten gelangen können.
12 Es ist somit vom Antragsteller selbst zu vertreten, dass die von ihm Bevollmächtigte mit ihm nicht (mehr) erfolgreich in Kontakt treten konnte. Dass aber solche Kontaktaufnahmen - im Besonderen zwecks Vornahme von Verständigungen durch den Vertreter über den weiteren Verfahrensverlauf sowie zwecks Abklärung, ob und allenfalls welche weiteren Verfahrensschritte, wie etwa das Ergreifen von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen, zu setzen wären - zu erwarten sind, ist auch für eine rechtsunkundige Partei - umso mehr, wenn ihr bekannt ist, dass ein (hier zudem: von ihr selbst betriebenes) Verfahren anhängig ist - ohne Weiteres leicht einsichtig. Dass der Antragsteller seine Vertreterin nicht vom Wechsel seiner Unterkunft (und damit verbunden seiner Unerreichbarkeit an der alten Unterkunft) verständigt hat, führt somit dazu, dass nicht mehr davon gesprochen werden könnte, der Fristversäumnis läge ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zugrunde, das lediglich auf einem minderen Grad des Versehens beruht hätte (vgl. dazu, dass ein Mangel in der Kommunikation zwischen der Partei und seinem Vertreter grundsätzlich kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG darstellt, VwGH 27.4.2016, Ra 2016/05/0015, 0016, mwN).
13 Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt somit keine Berechtigung zu, weshalb er nach § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
14 Sohin war es auch entbehrlich, einen Auftrag zur Behebung des dem Wiedereinsetzungsantrag anhaftenden Mangels - dieser wurde entgegen der Bestimmung des § 24 Abs. 2 VwGG nicht durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abgefasst und eingebracht - zu erteilen. Ein solcher Auftrag erübrigt sich nämlich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn - was hier der Fall ist - der Antrag zweifelsfrei erkennen lässt, dass keinerlei Anhaltspunkte für die Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages gegeben sind und somit auch nach Behebung des Mangels die Bewilligung der Wiedereinsetzung ausgeschlossen wäre (vgl. VwGH 31.1.2019, Ra 2018/14/0318, mwN).
15 Über die gemeinsam mit dem Wiedereinsetzung eingebrachten Anträge auf Gewährung der Verfahrenshilfe wird vom zuständigen Berichter (§ 14 VwGG) gesondert entschieden werden.
Wien, am 28. August 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140375.L00Im RIS seit
04.02.2020Zuletzt aktualisiert am
04.02.2020