TE Vwgh Beschluss 2019/12/10 Ra 2019/22/0223

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §69 Abs1 Z1
AVG §69 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des F S, vertreten durch Mag. Nikolaus Rast, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 8. August 2019, VGW-151/089/7706/2019-11, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde) vom 17. April 2019, mit dem - unter amtswegiger Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 AVG - der Erstantrag vom 6. September 2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" abgewiesen sowie der Verlängerungs/Zweckänderungsantrag vom 27. Oktober 2017 auf Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" zurückgewiesen worden war, ab. Dies wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, im Rahmen derer auch die mittlerweile geschiedene Ehefrau des Revisionswerbers als Zeugin vernommen wurde, und umfangreicher Beweiswürdigung mit dem Vorliegen einer Aufenthaltsehe begründet. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

5 Der Revisionswerber wendet sich gegen dieses Erkenntnis und rügt in der Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung "zum grundsätzlichen Gebot der Erledigung von Beweisanträgen". Das VwG habe den mit E-Mail am 31. Juli 2019 übermittelten Chat-Verlauf in serbokroatischer Sprache in seiner Begründung nicht berücksichtigt; dem Revisionswerber sei es innerhalb der vom Gericht in der Verhandlung aufgetragenen Frist von einer Woche nicht möglich gewesen, den 2.210 Seiten umfassenden Chat-Verlauf durch einen gerichtlich beeideten Dolmetscher zu übersetzen. Das VwG hätte dem Revisionswerber eine angemessene Frist zur Übersetzung auftragen, den Chat-Verlauf von Amts wegen übersetzen oder den Akt der Landespolizeidirektion Wien (LPD), welcher den Chat-Verlauf beinhalte, anfordern müssen. Die einzelfallbezogene Beurteilung sei grob fehlerhaft, weil Beweisanträgen grundsätzlich zu entsprechen sei, wenn die Aufnahme des begehrten Beweises möglich sei und im Interesse der Wahrheitsfindung notwendig erscheine (Hinweis auf VwGH 17.2.2016, Ra 2015/08/0006; 21.3.2017, Ra 2016/12/0121; 9.8.2018, Ra 2018/22/0135).

6 Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgrund eines Abweichens von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt nur dann vor, wenn das VwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vornahm. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden. Darüber hinaus muss in den Zulässigkeitsgründen die Relevanz eines gerügten Verfahrensmangels dargelegt werden. Diesbezügliche Verfahrensfehler führen nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn das Verwaltungsgericht bei deren Unterbleiben zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können (vgl. etwa VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0133, Rn. 6, mwN).

7 Vorliegend ist der Revision eine dementsprechende Relevanzdarstellung nicht zu entnehmen. Es wird in keiner Weise dargelegt, welche entscheidungswesentlichen Aussagen der Chat-Verlauf enthalte und inwieweit sich daraus eine für den Revisionswerber günstigere Sachverhaltsgrundlage hätte ergeben können (vgl. den auch in der Zulassungsbegründung zitierten hg. Beschluss VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0135, Rn. 13, betreffend die unterlassene Relevanzdarstellung in Zusammenhang mit der Ablehnung der Vernehmung beantragter Zeugen im Rahmen der Beurteilung einer Aufenthaltsehe; 20.5.2019, Ra 2018/22/0011, mwN). Das VwG konfrontierte die geschiedene Ehefrau des Revisionswerbers, L.K., in der Verhandlung mit zahlreichen Widersprüchen und Ungereimtheiten und begründete auch aufgrund der Aussagen von mehreren Zeugen ausführlich, aus welchen Gründen es zu dem Ergebnis gelangte, dass der Revisionswerber und L.K. niemals eine Wirtschafts-, Wohn- und Geschlechtsgemeinschaft geführt hätten. Durch welche Inhalte des Chat-Verlaufes welche Aspekte eines gemeinsamen Familienlebens - entgegen der Aussage von L.K. in der Verhandlung - nachgewiesen worden wären, bleibt offen.

8 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220223.L00

Im RIS seit

03.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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