TE Vwgh Beschluss 2019/12/12 Ra 2019/14/0242

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Veröffentlicht am 12.12.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z5
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
BFA-VG 2014 §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. April 2019, W235 2128259-1/16E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie rechtliche davon abhängende Aussprüche nach dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Guinea, stellte am 30. März 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Mit Bescheid vom 6. Mai 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Guinea zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 4. April 2019 die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer Verhandlung (mit einer hier nicht weiter wesentlichen Maßgabeentscheidung) als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Der Revisionswerber stellte in der Folge den Antrag, ihm zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen dieses Erkenntnis die Verfahrenshilfe zu bewilligen. Diesem Antrag wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 3. Juni 2019 keine Folge gegeben.

5 Der Revisionswerber erhob gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. September 2019, E 1789/2019-9, ablehnte und über nachträglichen Antrag mit Beschluss vom 15. November 2019, E 1789/2019-11, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision, die sich ausdrücklich nur gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (sowie die rechtlich von diesem Ausspruch abhängenden Entscheidungen) richtet, eingebracht.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Der Revisionswerber macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe bei der im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommenen Interessenabwägung keine Gesamtschau vorgenommen. Die für die Integration des Revisionswerbers sprechenden und somit zu seinen Gunsten zu berücksichtigenden Umstände hätten nicht als unerheblich eingestuft werden dürfen. Diese Umstände seien bei der Abwägung mit dem einzigen Gegenargument, dass die das Privatleben des Revisionswerbers "betreffenden Aufenthaltsverfestigungen" während eines Zeitraums eingetreten seien, in welchem dem Revisionswerber sein unsicherer Aufenthaltsstatus habe bewusst sein müssen, behandelt worden. Daraus ergebe sich eine "Unvertretbarkeit dieser Interessenabwägung und eine einseitige Unausgewogenheit der rechtlichen Abwägungsbeurteilung" zu Lasten des Revisionswerbers. Es hätte außerdem berücksichtigt werden müssen, dass der Revisionswerber wegen der "prekären, allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse in Guinea" keine "realistische Möglichkeit" habe, sich im Heimatland eine Existenzgrundlage zu schaffen, sowie dass er der Volksgruppe der Fulla angehöre, die in Guinea Benachteiligung und Diskriminierung erfahre.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. etwa VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0478, mwN).

11 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 24.9.2019, Ra 2019/20/0420, mwN).

12 Mit seinem Vorbringen bekämpft der Revisionswerber die vom Bundesverwaltungsgericht bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG vorgenommene Gewichtung der dabei nach dem Gesetz zu berücksichtigenden Umstände.

13 Es gelingt der Revision nicht, aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei seinen im Rahmen der Interessenabwägung vorgenommenen Erwägungen die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien nicht beachtet und in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte. Im Besonderen ist der Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen hat, wonach bei der Gewichtung der für den Fremden sprechenden Umstände im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend einbezogen werden darf, dass er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 14.10.2019, Ra 2019/18/0396, dort auch mit Hinweis darauf, dass dies insbesondere auch im Fall einer Eheschließung mit einer in Österreich aufenthaltsberechtigten Person zu gelten hat, wenn dem Fremden zum Zeitpunkt des Eingehens der Ehe die Unsicherheit eines gemeinsamen Familienlebens in Österreich in evidenter Weise klar sein musste).

14 Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch der Frage, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann, im Rahmen der Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) Bedeutung zukommen kann (vgl. VwGH 11.2.2019, Ra 2018/20/0479, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht ist allerdings aufgrund der näher von ihm beleuchteten Umstände - zudem erkennbar auch vor dem Hintergrund seiner Erwägungen zur Frage, ob dem Revisionswerber subsidiärer Schutz zustehe - davon ausgegangen, dass sich der Revisionswerber in Guinea "problemlos wieder eingliedern" könne. Dem setzt die Revision nichts Substantiiertes entgegen. 15 Dass das Bundesverwaltungsgericht (nach Durchführung einer Verhandlung) und nach ausführlicher Abwägung sämtlicher maßgeblicher Umstände im vorliegenden Fall zum Ergebnis gekommen ist, es müsse unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht akzeptiert werden, dass der Revisionswerber mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt etwa VwGH 2.9.2019, Ra 2019/20/0407, mwN), ist nicht zu beanstanden. Die zum Ausdruck kommende Auffassung des Verwaltungsgerichts, es lägen auch unter Bedachtnahme auf die Dauer des Aufenthalts in Österreich keine derart außergewöhnlichen Umstände vor, die zu einem gegenteiligen Ergebnis zu führen hätten, steht - entgegen dem Vorbringen des Revisionswerbers - mit dem Gesetz im Einklang.

16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140242.L00

Im RIS seit

04.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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