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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §66 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, den Hofrat Mag. Dr. Köller, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der R AG, vertreten durch
1. Dr. Bettina Hörtner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landhausgasse 4, und 2. die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 2019, Zl. W230 2195157-1/33E, betreffend Übertretung des FM-GwG (Behörde gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Finanzmarktaufsichtsbehörde; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 23. März 2018 sprach die FMA aus, die revisionswerbende Partei habe es als juristische Person gemäß § 35 FM-GwG zu verantworten, näher genannte Verstöße ab 1. Jänner 2014 bis zu bestimmten Zeitpunkten begangen zu haben. Die Verantwortlichkeit der revisionswerbenden Partei ergebe sich daraus, dass die zur Vertretung nach außen berufenen Mitglieder des Vorstandes der revisionswerbenden Partei (Hinweis auf eine Beilage) "selbst gegen die angeführten Verpflichtungen verstoßen beziehungsweise durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle die Begehung der angeführten Verstöße durch eine für die (revisionswerbende Partei) tätige Person ermöglicht" hätten. 2 Sie hätten dadurch § 6 Abs. 1 Z 2 oder Z 7 FM-GwG oder § 40 Abs. 2a Z 1 BWG jeweils in Verbindung mit § 35 Abs. 3 erster oder zweiter Strafsatz FM-GwG iVm § 34 Abs. 1 Z 2 FM-GwG oder § 34 Abs. 2 FM-GwG (schwerwiegender Verstoß) verletzt. Deswegen wurde über die revisionswerbende Partei gemäß § 35 Abs. 3 zweiter Strafsatz FM-GwG iVm § 34 Abs. 2 FM-GwG (schwerwiegender Verstoß) iVm § 22 Abs. 8 FMABG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.748.000,- verhängt.
3 Die dagegen von der revisionswerbenden Partei erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht als unbegründet mit "Maßgaben" dahin ab, dass im Spruch diverse Wortfolgen zu entfallen hätten bzw. einzufügen wären und am Ende des Ausspruchs über die Schuld folgende Passage zu ergänzen wäre:
"Dabei handelt es sich konkret um folgende Personen während dieser Tatzeiträume in jeweils folgendem zeitlichen Ausmaß als Vorstandsmitglieder:
Das Vorstandsmitglied Dr. K. vom 27.10.2015 bis zum 18.3.2017 (Ende seiner Vorstandsfunktion) als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 VStG
und als Vorstandsmitglieder, sohin zur Vertretung nach außen berufene Organe (unter Ausklammerung des soeben genannten Zeitraums, in dem Dr. K. als verantwortlicher Beauftragter bestellt war):
von 01.01.2014 bis zum Ende der jeweiligen Tatzeiträume:
Mag. P., Mag. M., Dr. J. und K. (Letzterer bis 31.10.2017).
von 01.01.2014 bis 18.03.2017: Dr. K.
von 01.01.2014 bis 31.03.2015: A.
von 18.03.2017 bis zum Ende der jeweiligen Tatzeiträume:
Mag. Dr. H.
von 01.07.2015 bis zum Ende der jeweiligen Tatzeiträume:
Mag. A."
4 Weiter werde ein Tatzeitraum von 1.1.2014 bis 15.9.2017 ersetzt durch "01.01.2014 bis 26.04.2017".
5 Zudem habe die revisionswerbende Partei gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20%, somit EUR 549.600,-- zu leisten. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.
6 Begründend hielt das Verwaltungsgericht - soweit für das vorliegende Verfahren von Bedeutung - fest, dass das Vorstandsmitglied Dr. K. vom 27.10.2015 bis zum 18.3.2017 gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 VStG für die Einhaltung der Bestimmungen zur Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im BWG als verantwortlicher Beauftragter bestellt gewesen sei. Das Vorstandsmandat des Dr. K. habe am 18. März 2017 geendet. Das Vorstandsmitglied A. sei am 31. März 2015 aus dem Vorstand ausgeschieden. Ihm gegenüber sei die Verfolgungsverjährung bereits unter dem Regime der früher geltenden 18-monatigen Frist am 1. Jänner 2017 eingetreten, weshalb ihm gegenüber die Verlängerung der Frist auf drei Jahre (§ 36 FM-GwG) nicht wirksam habe werden können. Bei den übrigen Genannten sei die Verfolgungsverjährung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der dreijährigen Verfolgungsverjährungsfrist am 1. Jänner 2017 noch nicht abgelaufen gewesen.
7 Als zulässig erachtet das Verwaltungsgericht die Revision, weil fraglich sei, ob die im Erkenntnis des VwGH vom 29.3.2019, Ro 2018/02/0023, geforderte genaue Umschreibung der Tathandlung der natürlichen Person gebiete, dass die Behörde sich auf einen der beiden Fälle des § 35 Abs. 1 und 2 FM-GwG festlege (Begehung durch eine Führungsperson oder Ermöglichung durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle). In Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Führungspersonen zugleich Verantwortliche nach § 9 VStG seien, erscheine es naheliegender, Derartiges nicht zu fordern, weil in diesem Fall die Begehung und das Kontroll- oder Überwachungsversagen zusammenfielen. Ungelöst sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch die Frage des Verhältnisses zwischen dem Lauf der Verjährung gegenüber einzelnen Führungspersonen und dem Lauf der Verjährungsfrist gegenüber der juristischen Person. Die bisherige Rechtsprechung erlaube auch keine ausreichende Aussage darüber, ob in einem System der Gesamtstrafe eine partielle Einengung des Tatzeitraumes für eine einzelne der mit Gesamtstrafe bestraften Übertretungen bereits dazu führe, dass die Rechtsfolge des § 52 Abs. 8 VwGVG eintrete, obwohl das festgestellte Unrecht in Summe gleich bewertet und auch die Strafe als solche gleich hoch bewertet würden. Schließlich sehe das Verwaltungsgericht eine wesentliche Rechtsfrage noch in einem hier nicht mehr relevanten näher dargestellten Problem zu § 42 VwGVG.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
9 Die FMA hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Ab- allenfalls Zurückweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Das Verwaltungsgericht hat in Übernahme des Spruchs des Straferkenntnisses der FMA vom 23. März 2018 die Verantwortlichkeit der revisionswerbenden Partei damit begründet, dass die zur Vertretung nach außen berufenen Mitglieder des Vorstandes selbst gegen die angeführten Verpflichtungen verstoßen hätten bzw. durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle die Begehung der angeführten Verstöße durch eine für die revisionswerbende Partei tätige Person ermöglicht hätten. 11 Dazu führt das Verwaltungsgericht in der Zulässigkeitsbegründung des angefochtenen Erkenntnisses aus, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in dem die Führungspersonen zugleich verantwortliche Beauftragte nach § 9 VStG seien, es naheliegender erscheine, dass sich die Behörde nicht auf einen der beiden Fälle des § 35 FM-GwG (Abs. 1 oder Abs. 2) festlege, weil in diesem Fall die Begehung und das Kontroll- oder Überwachungsversagen zusammenfielen.
12 Nach der Rechtsprechung ist ein verantwortliches Vertretungsorgan (§ 9 Abs. 1 VStG) ex lege umfassend und kumulativ neben anderen Vertretungsorganen strafrechtlich verantwortlich. Seine Bestellung nach § 9 Abs. 2 erster Satz VStG lässt seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Vertretungsorgan unberührt, sie bewirkt nur (nach Maßgabe ihres Umfanges) den Entfall der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der übrigen Vertretungsorgane bzw. deren Einschränkung auf den Fall vorsätzlicher Nichtverhinderung (VwGH 23.3.2016, Ra 2016/02/0002). 13 Ist somit ein Vertretungsorgan auch als verantwortlicher Beauftragter bestellt, ist er weiter als Vertretungsorgan verwaltungsrechtlich strafbar und kann - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes - nicht in beiden Funktionen zur Verantwortung gezogen werden. Der darauf gegründete Vorwurf, die Führungsperson hätte beide Tatbestände erfüllt, erwiese sich demnach als rechtswidrig.
14 Die revisionswerbende Partei erachtet die Revision als zulässig, weil das Verwaltungsgericht keinen Alternativvorwurf erheben hätte dürfen, sondern sich auf einen der beiden Tatbestände des § 35 FM-GwG (Abs. 1 oder Abs. 2) hätte festlegen müssen (Hinweis auf VwGH 14.5.1997, 95/03/0083, sowie 29.3.1995, 90/10/0147).
15 Die Revision ist zu dieser Frage zulässig und erweist sich
auch schon deshalb als berechtigt.
16 § 35 Abs. 1 und Abs. 2 FM-GwG lautet:
"(1) Die FMA kann Geldstrafen gegen juristische Personen verhängen, wenn eine Pflichtverletzung gemäß § 34 Abs. 1 bis 3 zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurde, die allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt hat und die auf Grund einer der folgenden Befugnisse eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person innehat:
1. Befugnis zur Vertretung der juristischen Person,
2. Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person
zu treffen oder
3. Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person.
(2) Juristische Personen können wegen Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 1 bis 3 auch dann verantwortlich gemacht werden, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine in Abs. 1 genannte Person die Begehung einer in § 34 Abs. 1 bis 3 genannten Pflichtverletzungen zugunsten der juristischen Person durch eine für sie tätige Person ermöglicht hat."
17 Bei § 35 Abs. 1 und Abs. 2 FM-GwG handelt sich um unterschiedliche Tatbestände: Während die gemäß Abs. 1 der juristischen Person zuzurechnende Pflichtverletzung direkt von der Führungsperson begangen wird, sieht Abs. 2 vor, dass die Pflichtverletzung durch einen Mitarbeiter begangen wird, was erst dann der juristischen Person zurechenbar ist, wenn eine Führungsperson die Pflichtverletzung durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle ermöglicht hat.
18 Umschreibt das Verwaltungsgericht in Übernahme des Spruchs des Straferkenntnisses vom 23. März 2018 die Tathandlung als Erfüllung des Tatbestandes des § 35 Abs. 1 FM-GwG "beziehungsweise" jenes des Abs. 2 leg. cit., enthält diese Umschreibung einen unzulässigen Alternativvorwurf. Eine solche Tatumschreibung widerspricht dem Bestimmtheitsgebot des § 44a VStG und entspricht demnach nicht den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG, der eine entsprechende Eindeutigkeit und Genauigkeit der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat fordert (vgl. VwGH 17.9.1992, 92/18/0180, und erneut 29.3.1995, 90/10/0147).
19 Das angefochtene Erkenntnis war schon deshalb mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet ist und gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
20 Es erübrigt sich daher, auf das weitere Revisionsvorbringen näher einzugehen.
21 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. Dezember 2019
Schlagworte
AllgemeinBerufungsverfahrenBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme VerwaltungsstrafrechtBesondere Rechtsgebiete"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)Verantwortlichkeit (VStG §9)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019020011.J00Im RIS seit
04.02.2020Zuletzt aktualisiert am
04.02.2020