TE Vfgh Beschluss 1996/9/30 B1932/96, V76/96

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Veröffentlicht am 30.09.1996
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Index

63 Allgemeines Dienst- und Besoldungsrecht
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art139 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art144 Abs1 / Bescheid

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde gegen ein Schreiben des Innenministers betreffend Zulassung zu einem Auswahlverfahren bzw Aufnahme in den Gendarmeriedienst mangels Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung; Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung eines Erlasses des Innenministers betreffend Aufnahmevoraussetzungen in den Gendarmeriedienst mangels Eingriffs in die Rechtssphäre des Antragstellers; kein Anspruch auf Aufnahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Einschreiter wurde aufgrund einer bei einem Unfall erlittenen Verletzung bei der Stellung für untauglich zur Leistung des Präsenzdienstes befunden. Nach Absolvierung des Gymnasiums bewarb er sich zunächst beim Landesgendarmeriekommando für Vorarlberg erfolglos um die Ausbildung zum Gendarmeriebeamten. Anschließend stellte er beim Bundesministerium für Inneres einen Antrag auf Aufnahme in die Gendarmerieschule. Daraufhin erging vom Bundesminister für Inneres folgendes (an die Rechtsvertreter des Bewerbers gerichtete) Schreiben vom 24. April 1996:

"Auf Ihre Eingabe vom 16.4.1996 ... betreffend die Zulassung des Aufnahmewerbers B H zu einem Auswahlverfahren, bedauern wir Ihnen mitteilen zu müssen, daß Ihr Mandant mangels Erfüllung der Ausschreibungsbedingungen - Nichterfüllung der Bedingung des abgeleisteten Präsenzdienstes - für eine Zulassung zu einem Auswahlverfahren bzw. eine Aufnahme in die österreichische Bundesgendarmerie nicht in Betracht gezogen wird.

Im Hinblick darauf, daß im Bereich der Bundesgendarmerie, so auch im Bundesland Vorarlberg, genügend Bewerber vorhanden sind, die dieses Ausschreibungskriterium erfüllen, wird auch keine Veranlassung zu einer abändernden Maßnahme gesehen."

2.a) Dieses Schreiben wird vom Einschreiter als Bescheid qualifiziert. Er erhebt dagegen mit der vorliegenden Eingabe beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde gemäß Art144 B-VG und beantragt (mit näherer Begründung), den "Bescheid" kostenpflichtig aufzuheben. Für den Fall einer Abweisung der Beschwerde oder einer Ablehnung ihrer Behandlung wird die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

b) Mit derselben Eingabe stellt der Einschreiter in eventu einen Individualantrag gem. Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG:

Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof der vom Einschreiter vertretenen Rechtsansicht nicht zustimme, wonach das oben erwähnte Schreiben des Bundesministers für Inneres als Bescheid zu qualifizieren sei, wird beantragt, die "Verordnung des Bundesministeriums für Inneres vom 26.2.1993, Zl.6362/98-II/4/93" zur Gänze wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben. Es handle sich dabei um einen Erlaß, demzufolge Bewerbern, die noch keinen Präsenzdienst geleistet haben, mitzuteilen sei, daß sie vor Aufnahme in den Gendarmeriedienst den achtmonatigen Präsenzdienst abzuleisten hätten. Dieser Erlaß liege dem (primär) angefochtenen Schreiben des Bundesministers für Inneres vom 24. April 1996 zugrunde. Mit näherer Begründung wird vorgebracht, daß der Erlaß "zweifelsfrei als Verordnung einzustufen" sei.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Bescheidbeschwerde:

a) Zunächst ist festzuhalten, daß das angefochtene Schreiben nicht in der äußeren Form eines Bescheides erging; es ist nämlich weder mit "Bescheid" überschrieben noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert.

Allerdings ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für den Bescheidcharakter einer Erledigung nicht nur die äußere Form, sondern auch der Inhalt maßgebend: Eine formlose Erledigung ist dann ein Bescheid, wenn sie nach ihrem deutlich erkennbaren objektiven Gehalt eine Verwaltungsangelegenheit normativ regelt, also für den Einzelfall Rechte oder Rechtsverhältnisse bindend gestaltet oder feststellt. Der Wille der Behörde, einen Bescheid zu erlassen, müßte deutlich objektiv erkennbar sein. Ob dies der Fall ist, kann sich auch daraus ergeben, ob die Behörde von Rechts wegen zur Erlassung eines Bescheides verpflichtet ist. Wenn nach der anzuwendenden Rechtslage überhaupt kein Bescheid zu erlassen war, ist nicht anzunehmen, daß einem formlosen Schreiben Bescheidqualität innewohnt (s. zu all dem z.B. VfSlg. 13099/1992, 13641/1993, S 697, und 13642/1993, S 705, sowie die jeweils zitierte Vorjudikatur).

b) Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die im vorliegenden Fall bekämpfte Erledigung nicht als Bescheid iS des Art144 B-VG einzustufen:

Das Schreiben ist seinem Wortlaut nach als bloße Mitteilung abgefaßt (arg.: "Auf Ihre Eingabe ... bedauern wir Ihnen mitteilen zu müssen ..."). Auch die Rechtslage sieht im gegebenen Zusammenhang die Erlassung eines Bescheides nicht vor: Nach der ständigen Rechtsprechung besteht weder ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis noch ein Anspruch auf ein Verfahren über einen darauf abzielenden Antrag (s. z.B. VfSlg. 5918/1969, 6806/1972, 7843/1976, 8558/1979; vgl. auch die im Beschluß VfGH 30.11.1995, B665/95, S 7, und die in Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, II. Bd., Wien 1992, S 743 ff., zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen).

In Anbetracht dessen besteht auf eine Aufnahme in die österreichische Bundesgendarmerie ebensowenig ein Rechtsanspruch wie auf die Zulassung zu einem - einer solchen allfälligen Aufnahme vorangehenden - Auswahlverfahren.

c) Die bekämpfte Erledigung ist somit kein Bescheid iS des Art144 B-VG. Es fehlt daher an einem tauglichen Beschwerdegegenstand.

Die Beschwerde ist deshalb gem. §19 Abs3 Z2 lita VerfGG wegen offenbarer Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.

d) Eine Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof kommt nicht in Frage, weil kein Fall der Abweisung oder der Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde vorliegt.

2. Zum Individualantrag:

a) Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

b) Ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre des Antragstellers liegt jedoch nach dem zuvor (Pkt. 1.b) Gesagten nicht vor:

Da der Einschreiter keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme in den Gendarmeriedienst hat, wird seine Rechtssphäre auch nicht durch eine Regelung berührt, welche bestimmte Personengruppen - etwa Bewerber, "die noch keinen Präsenzdienst geleistet haben" - von einer solchen Aufnahme ausschließt; dies ungeachtet dessen, ob eine solche Regelung als Erlaß oder als Verordnung zu qualifizieren ist.

c) Der (in eventu erhobene) Individualantrag war daher mangels Legitimation des Antragstellers gem. §19 Abs3 Z2 lite VerfGG gleichfalls zurückzuweisen.

Schlagworte

Bescheidbegriff, Dienstrecht, VfGH / Individualantrag, RechtsV, VerwaltungsV

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1996:B1932.1996

Dokumentnummer

JFT_10039070_96B01932_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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