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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §3Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/14/0543Ra 2019/14/0544Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in den Revisionssachen 1. der A B, 2. der C D und
3. der E F, alle in X, alle vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 10, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2019,
1. L515 2160621-5/5E, 2. L515 2160618-4/5E und 3. L515 2160625- 4/5E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- und Drittrevisionswerberin, alle sind Staatsangehörige von Georgien. Die Erst- und Drittrevisionswerberin stellten erstmals am 10. Februar 2009 Anträge auf internationalen Schutz, die mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 22. März 2010 rechtskräftig abgewiesen wurden. Danach stellten die Revisionswerberinnen in den Jahren 2012, 2014, 2016 und 2017 vier weitere Anträge auf internationalen Schutz, die jeweils ab- bzw. zurückgewiesen wurden. Seit dem dritten Antrag berufen sich die Revisionswerberinnen darauf, dass ihnen auf Grund eines vom Bruder der Erstrevisionswerberin an seiner Frau begangenen Mordes Blutrache seitens der Familie der Schwägerin drohe. Dieses Vorbringen wurde im Rahmen des vierten Antrags meritorisch behandelt und als unglaubwürdig angesehen, insbesondere werde nach den damaligen Feststellungen Blutrache in Georgien nicht mehr praktiziert, sie stehe unter Strafe und werde von den staatlichen Behörden geahndet, welche die Bürger auch regelmäßig vor Kriminalität schützten.
2 Am 21. Mai 2019 stellten die Revisionswerberinnen die nunmehr gegenständlichen - insgesamt sechsten - Anträge auf internationalen Schutz. Diese wurden damit begründet, dass die Erstrevisionswerberin im Zuge der Vorbereitung ihrer Rückkehr erfahren habe, dass weiterhin nach ihren zur Vollziehung der Blutrache gesucht werde, diesbezüglich hätten ihre Eltern sie gewarnt.
3 Mit Bescheid vom 9. August 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte den Revisionswerberinnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Die Behörde sprach weiters aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
4 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerberinnen - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden außerordentlichen Revisionen, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit dem neuen Vorbringen der Revisionswerberinnen auseinandergesetzt und daher seine Ermittlungspflicht verletzt. Die lange Aufenthaltsdauer der Erstrevisionswerberin hätte im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtigt werden müssen. Es sei keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden, sodass der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht festgestellt worden sei. Durch das Unterlassen der Einholung entscheidungsrelevanter Informationen habe sich das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfernt. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es gemäß § 28 Abs. 3 VwGG dem Revisionswerber, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist dabei konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Eine Zulässigkeitsbegründung, die bloß pauschale Behauptungen, jedoch keine konkrete Rechtsfrage und auch keine Bezugnahme auf (allenfalls fehlende) Judikatur enthält, entspricht diesen Anforderungen nicht (vgl. VwGH 10.9.2019, Ra 2019/14/0258, mwN).
10 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich die gegenständliche Revision als nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil die Revision im Rahmen der Begründung der Zulässigkeit keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konkret bezeichnet, von der abgewichen worden sein soll, und auch das Fehlen einer solchen nicht behauptet.
11 Im Hinblick darauf ist auf die Ausführungen in der Zulassungsbegründung lediglich ergänzend Nachfolgendes kurz zu erwidern:
12 Soweit die Revision geltend macht, das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen zu neuerlichen - und damit einen geänderten Sachverhalt darstellenden - "Verfolgungshandlungen in Georgien zur Vollziehung der Blutrache" auseinandergesetzt, fehlt es dem damit geltend gemachten Verfahrensmangel schon deshalb an Relevanz, weil das Bundesverwaltungsgericht - insofern unbekämpft - auch hinsichtlich der bestehenden Schutzfähigkeit und -willigkeit der staatlichen Behörden von einem unveränderten Sachverhalt ausgegangen ist, der einer Schutzgewährung entgegensteht.
13 Hinsichtlich der Prüfung nach § 9 BFA-VG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 16.10.2019, Ra 2019/14/0487, mwN). Dass das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall die Interessenabwägung, in deren Rahmen auch die lange Aufenthaltsdauer der Revisionswerberinnen (welche jedoch "zu einem wesentlichen Teil nur durch beharrliche Nichtbeachtung fremdenrechtlicher Bestimmungen und wiederholte unbegründete bzw. unzulässige Antragstellung zustande kam") berücksichtigt wurde, unvertretbar vorgenommen hätte, legt die Revision nicht dar.
14 Soweit sich die Revision gegen das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass die Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren - wozu auch Beschwerden gegen eine vor Zulassung des Verfahrens ausgesprochene Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz nach § 68 AVG zählen - besonderen Verfahrensvorschriften, nämlich § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA-VG, folgt (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2018/14/0293, mwN). Abgesehen davon hat das Bundesverwaltungsgericht eingehend begründet, warum es von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-G ausgegangen ist und deshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen hat.
15 Dass das Bundesverwaltungsgericht dabei von den in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht (insbesondere im Zulassungsverfahren) abgewichen wäre, zeigt die Revision mit der bloßen Behauptung von vorgreifender Beweiswürdigung und fehlender Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes nicht auf.
16 Wenn die Revisionswerberinnen schließlich Verfahrensmängel aufgrund fehlender einschlägiger Länderfeststellungen und nicht durchgeführter Ermittlungen geltend machen, verabsäumen sie die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerberinnen günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (vgl. VwGH 11.9.2019, Ra 2019/20/0436, mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 18. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019140542.L00Im RIS seit
04.02.2020Zuletzt aktualisiert am
04.02.2020