Index
L82307 Abwasser Kanalisation Tirol;Norm
B-VG Art7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fischer, über die Beschwerde des P in A, vertreten durch D, M und D, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. Jänner 1998, Zl. Ib-8256/1, betreffend Befreiung von der Kanalanschlußpflicht gemäß § 10 Tiroler Kanalisationsgesetz (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Anras, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Februar 1997 wurde gemäß § 9 Abs. 1 Tiroler Kanalisationsgesetz für das auf dem näher bezeichneten Grundstück des Beschwerdeführers befindliche Wohnhaus die Kanalanschlußpflicht ausgesprochen. In der Folge beantragte der Beschwerdeführer eine Befreiung im Sinne des § 10 Tiroler Kanalisationsgesetz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Oktober 1997 abgewiesen. Der Beschwerdeführer führte in der Berufung aus, daß er eine behördlich genehmigte private Abwasserbeseitigungsanlage besäße. Das in dieser Anlage gereinigte Abwasser würde zu Düngezwecken in der Landwirtschaft verwendet. Der landwirtschaftliche Betrieb H. sei 60 bis 70 m von seinem Wohnhaus entfernt und der Beschwerdeführer könne als "Sachverwalter" für den Eigentümer dieses Grundstückes Entscheidungen treffen. Es würden daher die Abwässer einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt. Der Anschluß an den öffentlichen Kanal sei für ihn finanziell nicht zumutbar. Weiters würde er eine Pflanzenkläranlage auf eigenem Grund errichten. Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 1. Dezember 1997 wurde ausgesprochen, daß die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Anschlußpflicht im Sinne des § 10 Abs. 1 Tiroler Kanalisationsgesetz nicht vorlägen.
Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung ist nach Anführung des § 10 Abs. 1 Tiroler Kanalisationsgesetz im wesentlichen damit begründet, daß es sich bei dem von den Beschwerdeführer bewohnten Objekt um ein Einfamilienwohnhaus samt Garage handle, das vier ständige Bewohner und keine Gästebetten habe. Bei einem solchen Gebäude seien daher die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 lit. a, b und c Tiroler Kanalisationsgesetz von vornherein nicht anwendbar. Daß dieses Wohnhaus - wie der Beschwerdeführer meine - ein landwirtschaftliches Wohn- und Wirtschaftsgebäude darstelle, sei nicht nachvollziehbar. Zu diesem Wohnhaus gehörten keine Felder, es gebe keinen Stall, keine landwirtschaftlichen Maschinen bzw. sonstigen Einrichtungen, die das Einfamilienwohnhaus als landwirtschaftliches Betriebsgebäude erscheinen lassen könnten. Aber selbst wenn man das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Gebäudes annehme, fehlte eine weitere Voraussetzung für die Befreiung vom Anschluß, da die Abwässer der bestehenden Kläranlage nicht in einer flüssigkeitsdichten Anlage gesammelt, sondern über die Anlage zur Versickerung gebracht würden. Es bleibe sohin lediglich die Ausnahme gemäß § 10 Abs. 1 lit. d leg. cit. zu prüfen. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 2. August 1995 sei der mitbeteiligten Gemeinde die wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung der Kanalisationsanlage G.-F. erteilt worden. Das Wohnobjekt liege ca. 15 m nördlich der Gemeindestraße, in der sich der Schmutzwasserkanal der mitbeteiligten Gemeinde befinde. Der Erdgeschoßfußboden liege augenscheinlich ca. 1,5 m über dem Niveau der Gemeindestraße. Laut Bewilligungsprojekt weise die Sohle des Schmutzwasserkanales im Bereich der Schächte S 11 bis S 13 eine Mindesttiefe von 1,70 m unter Wegniveau auf. Bei der Errichtung des Schmutzwasserkanales seien in den angeführten Schächten keine ungünstigen Bodenverhältnisse (Fels, Grundwasser etc.) vorgefunden worden. Die Errichtung eines lediglich 15 m langen Anschlußkanales stelle nach Auffassung der belangten Behörde keinen unvertretbaren hohen Aufwand dar, um zu verhindern, daß weiterhin Abwässer in den Untergrund versickerten. Dies umso mehr, als gemäß § 3 Abs. 1 lit. b der Kanalordnung der mitbeteiligten Gemeinde diese auf ihre Kosten die Verbindungsleitung zwischen dem Anschlußkanal und dem Auslauf der bestehenden Klärgrube herstelle. Die Voraussetzung für eine Befreiung von der Kanalanschlußpflicht liege somit nicht vor.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 lit. a Tiroler Kanalisationsgesetz, LGBl. Nr. 40/1985, sind Gebäude sowie private Straßen und befestigte Stellplätze mit einer Fläche von mehr als 50 m2 auf Grundstücken, die ganz oder teilweise im Anschlußbereich liegen anschlußpflichtig. Gemäß § 8 Abs. 1 Tiroler Kanalisationsgesetz ist für jede öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit der Anschlußbereich durch Verordnung des Gemeinderates in der Weise festzulegen, daß der Abstand zwischen der Achse des jeweiligen Sammelkanals und der Grenze des Anschlußbereiches festgesetzt wird. Dieser Abstand ist für den gesamten Anschlußbereich einer öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage einheitlich festzusetzen. Er darf 200 m nicht übersteigen und ist nach der horizontalen Entfernung zu messen. Gemäß § 10 Abs. 1 lit. d leg. cit. hat die Behörde Anlagen, deren Anschluß an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage nur mit einem im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg unvertretbar hohen Aufwand hergestellt werden könnte, auf Antrag des Eigentümers der Anlage von der Anschlußpflicht nach § 9 Abs. 1 mit schriftlichem Bescheid zu befreien. Die Befreiung einer Anlage von der Anschlußpflicht darf gemäß § 10 Abs. 3 leg. cit. nur erteilt werden, wenn eine sonstige unschädliche und hygienisch einwandfreie Beseitigung der bei dieser Anlage anfallenden Abwässer, die auch keine unzumutbare Geruchsbelästigung hervorruft, sichergestellt ist und die Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage nicht gefährdet wird.
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß weder im Berufungsbescheid noch im angefochtenen Bescheid in ausreichendem Maße Feststellungen darüber getroffen worden seien, wie hoch der Aufwand im Falle der Errichtung einer Pflanzenkläranlage bzw. im Falle des Anschlusses an die öffentliche Kanalanlage sei. Es gebe auch keine Feststellungen über die jährlich anfallenden Kosten und über den jeweiligen erzielbaren Erfolg. Als Aufwand seien lediglich die Kosten des 15 m langen Anschlußkanales erwähnt worden. Die belangte Behörde hätte daher im Rahmen ihrer Rechtmäßigkeitskontrolle diese Feststellungsmängel wahrnehmen müssen, da sie ohne diese Feststellungen nicht beurteilen könnte, ob die Voraussetzungen für die Befreiung von der Anschlußpflicht im Sinne des § 10 Abs. 1 lit. d Tiroler Kanalisationsgesetz vorlägen. Es werde der belangten Behörde zugestimmt, daß lediglich der Befreiungstatbestand des § 10 Abs. 1 lit. d Tiroler Kanalisationsgesetz zu prüfen sei. Unter Aufwand im Sinne dieses Gesetzes seien nicht nur technische Schwierigkeiten, sondern vor allem die finanziellen Belastungen der betroffenen Personen zu verstehen. Es reiche daher nicht aus, wenn die belangte Behörde im Bescheid darlege, daß der Anschluß an die öffentliche Kanalanlage vom bautechnischen Standpunkt aus gesehen unproblematisch sei. Die belangte Behörde hätte vielmehr die jeweiligen finanziellen Aufwendungen des Beschwerdeführers und den jeweils erzielbaren Erfolg erheben müssen. Da die belangte Behörde dies unterlassen habe, sei es nicht möglich zu beurteilen, ob der im § 10 Abs. 1 lit. d leg. cit. normierte Befreiungsgrund von der Anschlußpflicht vorliege oder nicht.
Es ist unbestritten, daß das verfahrensgegenständliche Wohnobjekt 15 m vom Schmutzwasserkanal der mitbeteiligten Gemeinde entfernt liegt. Der Erdgeschoßfußboden des Wohnhauses liegt ca. 1,5 m über dem Niveau der Gemeindestraße. Es ist der belangten Behörde wie der Berufungsbehörde zuzustimmen, daß die Errichtung eines Anschlußkanales in einem Umfang von 15 m in einen zum anzuschließenden Objekt tiefer gelegenen Kanalstrang nicht einen im Verhältnis zum erzielbaren Erfolg unvertretbaren Aufwand erfordert. Im Hinblick auf diese geringe Entfernung des Wohnobjektes vom öffentlichen Kanal bedurfte es keiner näheren Feststellungen über die konkreten Kosten des Anschlußkanales. Dem Beschwerdeführer ist zu folgen, daß unter Aufwand im Sinne des § 10 Abs. 1 lit. d leg. cit. nicht nur technische Schwierigkeiten bei der Errichtung des Anschlußkanales, sondern vor allem die finanziellen Belastungen der betroffenen Personen zu verstehen sind. Die Baubehörde hat sich nun nicht nur darauf berufen, daß der maßgebliche Kanalstrang unter dem Niveau des Erdgeschoßfußbodens des verfahrensgegenständlichen Wohnobjektes liegt und daß somit der Anschluß an die öffentliche Kanalanlage vom bautechnischen Standpunkt aus gesehen unproblematisch sei, sondern sich auch darauf bezogen, daß die Entfernung von dem in Frage stehenden Kanalstrang nur 15 m ausmacht. Der Beschwerdeführer behauptet für den erforderlichen Anschlußkanal in einer Länge von 15 m selbst keinen unvertretbar hohen Aufwand. Der belangten Behörde kann in diesem Zusammenhang kein Verfahrensmangel angelastet werden.
Der Beschwerdeführer ist weiters der Auffassung, daß im Rahmen des Kriteriums des erzielbaren Erfolges in § 10 Abs. 1 lit. d leg. cit. jener erzielbare Erfolg berücksichtigt werden müsse, der von einer vom Beschwerdeführer geplanten Pflanzenkläranlage zu erwarten sei. Der Beschwerdeführer ist offensichtlich der Ansicht, daß im Rahmen dieses Kriteriums die Alternative einer eigenen Kläranlage des jeweils Anschlußpflichtigen zu berücksichtigen sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Mit dem erzielbaren Erfolg in § 10 Abs. 1 lit. d Tiroler Kanalisationsgesetz ist jener erzielbare Erfolg gemeint, der mit dem Anschluß an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage erreicht wird, nämlich die unschädliche und einwandfreie Beseitigung von Abwässern, dem der für den Anschlußkanal erforderliche Aufwand des Anschlußpflichtigen gegenüberzustellen ist.
Weiters meint der Beschwerdeführer, daß im Rahmen des Kriteriums des finanziellen Aufwandes nicht nur jener Aufwand zu berücksichtigen sei, der für die Errichtung des Anschlußkanales erforderlich ist, sondern auch der sich in der Folge bei Inanspruchnahme des Kanals aufgrund der Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde ergebende Aufwand. Das Kriterium des Aufwandes im § 10 Abs. 1 lit. d Tiroler Kanalisationsgesetz bezieht sich - entgegen dieser Auffassung des Beschwerdeführers - nur auf jenen Aufwand, den der Anschluß einer Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage verursacht. Im Rahmen des Kriteriums des unvertretbar hohen Aufwandes kann allerdings der Aufwand, der für die Errichtung einer eigenen Kläranlage als Vergleichsmaßstab mit zur Beurteilung herangezogen werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch keine gleichheitsrechtlichen Bedenken gegen den angewendeten § 10 Abs. 1 lit. d Tiroler Kanalisationsgesetz aus dem Grund, daß § 10 Abs. 1 lit. c leg. cit. für gewerbliche und industrielle Betriebe eine Ausnahme vorsieht, wenn diese Betriebe über eine ausreichende private Abwasserbeseitigungsanlage verfügen. Die Art der Abwässer, die typischerweise bei gewerblichen und industriellen Betrieben anfallen, sind grundsätzlich nicht (insbesondere im Hinblick auf die Menge und Art) vergleichbar mit jenen aus privaten Haushalten. Im Hinblick darauf, daß Abwässer von gewerblichen und industriellen Betrieben häufig besonders belastet sind und in großer Menge anfallen, aufgrund dessen auch die Einbeziehung dieser Abwässer die öffentliche Kanalanlage oft besonders in Anspruch nimmt, erscheint es gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber für diese Bauwerke eine Ausnahme vorsieht, wenn eine ausreichende private Abwasserbeseitigungsanlage vorhanden ist. Es bestehen aber auch keine Bedenken im Hinblick auf das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art. 5 StGG, da die Vorsorge einer öffentlichen Kanalanlage und die Verpflichtung zum Anschluß möglichst vieler im Anschlußbereich gelegener Objekte ohne Zweifel im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 3. September 1998
Schlagworte
Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998060133.X00Im RIS seit
09.10.2001