TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/2 W242 2219538-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.09.2019
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Entscheidungsdatum

02.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §53 Abs3
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W242 2219538-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HEUMAYR als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Tadschikistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis V. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben und dieser ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß § 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein tadschikischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Am nächsten Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass seine Eltern sehr oft von der Polizei nach ihm gefragt würden. 2018 habe er von der Ukraine aus via Internet mit seinen Eltern Kontakt aufgenommen. Daraufhin seien diese von der Polizei 10 Tage festgenommen worden. Er werde in Tadschikistan als "Feind des Volkes" bezeichnet, wisse aber nicht warum. Seine Eltern hätten ihm per WhatsApp mitgeteilt, dass er für mindestens 20 oder 25 Jahre verhaftet werde, wenn er nach Tadschikistan zurückkomme. Die Polizei vermute nämlich, dass er Kontakt zum Chef der Islamische Partei der Wiedergeburt Tadschikistan (infolge: "IPWT"), der in Deutschland lebe, habe. Er wisse aber nicht, ob er mit ihm Kontakt aufgenommen habe oder nicht.

Am 20.03.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich zum Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Er gab dabei an, dass er Mitglied einer politischen Partei namens "Hezbe Nohzate Islami" sei. In Tadschikistan werde man als Mitglied dieser Partei verhaftet und für 25 Jahre verurteilt, weil die Partei als terroristische Partei eingestuft werde. Dies sei aber nicht richtig, sie richte sich lediglich gegen den aktuellen Präsidenten und das aktuelle politische System. Es handle sich um eine religiöse Partei, weshalb der Beschwerdeführer auch aufgrund seiner Religion verfolgt werde.

Am 23.04.2019 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und führte aus, dass er einer Volksgruppe angehöre, die sich Yazgulyamsky nenne und der Präsident davon ausgehe, dass es sich dabei um einen Feind des tadschikischen Staates handle. Seine Großmutter sei während der Sowjetunion bis 1991 offizielles Mitglied der IPWT gewesen. Er selbst habe den Leiter des örtlichen Parteibüros als Helfer unterstützt. Der Präsident habe die Partei aus Tadschikistan entfernen wollen, weshalb er eine Show inszeniert habe. Am 04.09.2015 sei der erste Verteidigungsminister Tadschikistans getötet worden, was der IPWT angelastet worden sei. Daraufhin seien zwei Repräsentanten der Partei festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er selbst habe bei Wahlen Stimmzettel verteilt und am Parteikongress teilgenommen. Er sei zweimal von der Polizei vorgeladen worden, sei aber nicht hingegangen, weil er befürchtet habe, verhaftet zu werden. Deshalb habe er schließlich das Land verlassen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Tadschikistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.). Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Tadschikistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.) und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VIII.).

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, die von ihm vorgebrachten Fluchtgründe glaubhaft zu machen. Er spreche Russisch, Tadschikisch, Dari und Farsi und habe 10 Jahre die Schule besucht. Trotz der fehlenden Berufsausbildung könne ihm daher zugemutet werden, zumindest Hilfstätigkeiten zu verrichten und bestehe im Falle der Rückkehr sohin keine Gefährdung des Beschwerdeführers. Da der Beschwerdeführer kein schützenswertes Familienleben in Österreich habe und trotz privater Anknüpfungspunkte auch kein schützenswertes Privatleben bestehe, sei die Rückkehrentscheidung zulässig. Gegen den Beschwerdeführer bestehe zudem eine INTERPOL-Fahndung, wonach er über soziale Netzwerke den Aufruf gestartet habe, sich dem IS anzuschließen. Er habe sich dadurch der Beteiligung an einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht und stelle eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, weshalb auch das Einreiseverbot gerechtfertigt sei.

Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang und brachte vor, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe keine ausreichenden Ermittlungen angestellt, um das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers abschließend beurteilen zu können. Auch die Länderfeststellungen würden sich mit dem konkreten Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers wenig auseinandersetzen und seien daher zur Abweisung unzureichend, weshalb auch die Beweiswürdigung mangelhaft sei. Schließlich verwies der Beschwerdeführer auf rechtliche Erwägungen und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Teilerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zl. XXXX wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Schreiben vom 18.06.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Verständigung der Staatsanwaltschaft XXXX vom XXXX übermittelt, wonach das gegen den Beschwerdeführer wegen § 278b Abs. 2 StGB eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt wurde.

Am 16.07.2019 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um Stellungnahme zur von diesem getroffenen Identitätsfeststellung, der fehlenden Übereistimmung zwischen den in der INTERPOL-Fahndung enthaltenen Namen der Eltern und Passdaten einerseits und den diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers bzw. der vorgelegten Passkopie andererseits sowie um Bekanntgabe der dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekannten Informationen zu Haftbedingungen in Tadschikistan.

In der Stellungnahme vom selben Tag führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass der INTERPOL-Treffer aufgrund der korrekten Angabe und Schreibweise des vom Beschwerdeführer angegebenen Namens erzielt worden sei. Eine Nachfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung habe ergeben, dass der Beschwerdeführer und die gesuchte Person ident seien, weshalb die unterschiedlichen Angaben zu den Eltern nicht weiter hinterfragt worden seien. Zudem sei nach der Einschätzung des zuständigen Referenten das Fahndungsfoto mit dem Aussehen des Beschwerdeführers ident und habe dieser auch angegeben, dass er von INTERPOL gesucht werde. Den unterschiedlichen Passdaten sei keine besondere Wertigkeit zugeordnet worden, weil es in Asylverfahren bereits wiederholt vorgekommen sei, dass Antragsteller zeitgleich mehrere Reisepässe beantragt hätten (etwa aufgrund eines Diebstals oder Verlustes). Hinsichtlich der Haftbedingungen verwies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf die im Bescheid angeführten Länderfeststellungen.

Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers sowie eines Vertreters des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat, seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt wurde und legte einen Wikipedia-Auszug zu den Bezirken im Oblast Chatlon vom 15.07.2019, eine handschriftliche Aufzeichnung des Beschwerdeführers zu seinem Wohnsitz in Russland sowie die Stellungnahme zu den Länderberichten vom 16.07.2019 vor.

Mit Schreiben vom 23.07.2019 übermittelte der Beschwerdeführer mehrere Lichtbilder, auf welchen er selbst mit dem Vorsitzenden sowie weiteren Mitgliedern der IPWT bei einem Treffen am XXXX abgebildet ist.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer verwendet den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Seine Identität steht nicht fest. Er ist tadschikischer Staatsangehöriger und sunnitischer Moslem, gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und spricht Tadschikisch, Russisch, Dari sowie Farsi.

Der Beschwerdeführer ist im Oblast XXXX im Dorf XXXX in Tadschikistan geboren, wo er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2014 lebte und insgesamt 10 Jahre die Grund- und Mittelschule besuchte. Anschließend ging der Beschwerdeführer nach Russland, wo er seinen Lebensunterhalt mit Hilfstätigkeiten verdiente. Ende 2017 übersiedelte er in die Ukraine, wo er sich bis März 2019 aufhielt.

Die Eltern, die Schwägerin und eine Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Tadschikistan. Zudem hat der Beschwerdeführer in Tadschikistan mehrere Onkel und Tanten.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Zum (Privat-)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest XXXX durchgehend in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer hat an einem Deutschkurs teilgenommen, beherrscht die deutsche Sprache aber nicht.

Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er betreibt Sport und unterstützt Leute beim Laufen, indem er Wasser und Äpfel verteilt sowie die Anzahl der absolvierten Runden aufschreibt.

Der Beschwerdeführer trifft sich in Österreich regelmäßig mit anderen tadschikischen Staatsangehörigen. Verwandte oder sonstige enge Bindungen hat er allerdings nicht im Bundesgebiet.

Gegen den Beschwerdeführer wurde von der Staatsanwaltschaft XXXX ein Ermittlungsverfahren wegen § 278b Abs. 2 StGB eingeleitet, das wieder eingestellt wurde, weil der Tatvorwurf nicht mit der erforderlichen Intensität nachgewiesen werden konnte. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.

Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Es wird festgestellt, dass das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen nicht der Wahrheit entspricht.

Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Tadschikistan keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt ist, aufgrund eines etwaigen Naheverhältnisses zur Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistan mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Darüber hinaus wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Tadschikistan keiner konkreten und individuellen Gefahr ausgesetzt ist, aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seiner Religion mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat weder eine Verfolgung von asylrelevanter Intensität noch ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem auch keine Haftstrafe und daher auch kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).

Zur maßgeblichen Situation in Tadschikistan:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 05.06.2018 wiedergegeben:

1. Politische Lage

Die Republik Tadschikistan hatte laut offizieller Statistik 2016 8,74 Millionen Einwohner, was ein Wachstum von ca. 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr ausmachte (TAJSTAT 23.5.2018). Unter dem herrschenden präsidentiellen System wird das Land seit 1994 von Emomali Rachmon (Rakhmon) streng geführt (BBC 22.4.2018). Der Einfluss des Parlaments insgesamt ist gering. Die politische Macht ist beim Präsidenten, seinen engsten Vertrauten und der Präsidialverwaltung konzentriert (AA 20.10.2017). Tadschikistan befindet sich in einer starken Abhängigkeit von Russland, sowohl ökonomisch als auch in Hinblick auf den Umgang mit Sicherheitsfragen, wie den Kampf gegen Drogenschmuggel und dem radikalen Islam (BBC 22.4.2018).

Nach der Unabhängigkeit von der UdSSR am 9. September 1991 wuchsen die Spannungen zwischen der kommunistischen Regierung unter Präsident Nabiev und oppositionellen Gruppen. In diesem Konflikt entluden sich politischen, religiösen und regionale Gegensätze. Im Zuge der gewaltsamen Eskalation 1992 verlor Nabiev seine Macht. Nach einer kurzen Übergangszeit wurde Emomali Rahmon zuerst Vorsitzender des Obersten Sowjets Tadschikistans (1992), später Staatspräsident (1994). Innertadschikische Gespräche unter russischer und iranischer Vermittlung führten am 17.09.1994 zu einem Waffenstillstand (Dokument von Teheran). Der Bürgerkrieg wurde mit Unterzeichnung des 'Allgemeinen Abkommens über Frieden und Nationale Versöhnung in Tadschikistan' durch Präsident Rahmon und Oppositionsführer Nuri am 27.06.1997 in Moskau beendet. Zum Vorsitzenden der mit der Umsetzung der Friedensvereinbarungen beauftragten Nationalen Versöhnungskommission (NVK) wurde der 2006 verstorbene UTO-Chef Nuri gewählt. Zu den wichtigsten Ergebnissen der NVK-Tätigkeit zählen die Rückführung der Mehrzahl aller tadschikischen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Afghanistan, der Austausch der Kriegsgefangenen und eine Amnestie für bürgerkriegsbedingte Straftaten. Der Opposition wurde eine 30-Prozent-Quote an hohen Regierungsämtern eingeräumt. Nach Aufhebung des Verbots der Parteien und politischen Gruppierungen der UTO am 12.08.1999 konnten sich diese und andere Parteien registrieren und am politischen Leben teilnehmen (AA 3.2018a).

Die Republik Tadschikistan ist von ihrer 1994 angenommenen Verfassung vordergründig ein eng an westlichen Vorbildern und Werten orientiertes Staatswesen - mit Gewaltenteilung, Parlament, Mehrparteiensystem und freien Wahlen, mit Presse-, Meinungs-, und Versammlungsfreiheit. Lediglich die starke, überwiegend in den Händen des Präsidenten konzentrierte Exekutive sticht bei den Bestimmungen der Verfassung ins Auge (GIZ 3.2018a).

Tadschikistan hat ein Zweikammer-Parlament mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren. Die 34 Mitglieder der Nationalversammlung (Majlisi Milli), das Oberhaus, werden indirekt bestimmt: 25 durch lokale Körperschaften und acht durch den Präsidenten. Die Versammlung der Repräsentanten (Majlisi Namoyandagon), das Unterhaus, wird direkt gewählt, wobei 41 Mitglieder durch absolute Mehrheit in Einer-Wahlkreisen und 22 proportional unter Erreichen einer Fünf-Prozent-Hürde bestimmt werden (IFES 2016, vgl. AA 3.2018a).

Der Staatspräsident wird alle sieben Jahre gewählt. Der gegenwärtige Präsident, Emomali Rachmon, wurde infolge einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 2003, die eine zweimalige Wiederwahl ermöglicht, im November 2013 wiedergewählt (IFES 2016, vgl. GIZ 3.2018a). Der Präsident ist laut Verfassung Staats- und Regierungsoberhaupt. Er kontrolliert die Exekutive, Legislative und Judikative, ernennt und entlässt die Provinzgouverneure und ist oberster Armeechef. Im Parlament hält seine Partei (Volksdemokratische Partei Tadschikistans) die für Verfassungsänderungen notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Alle wesentlichen Entscheidungen werden von dem parallel zu den staatlichen Strukturen agierenden Präsidialapparat getroffen. Alle Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen sind mit Familienangehörigen (sieben Töchter und zwei Söhne, sowie deren Ehepartner) und engen Vertrauten des Präsidenten besetzt. Diese stammen, wie der Präsident selbst, aus der Region Danghara/Kulob. Durch Ämtervergabe an Angehörige der eigenen Loyalitätsgruppe hat Rachmon seine Herrschaft bis hinunter auf die lokale Ebene gefestigt und präsentiert sich als alleinigen Stabilitätsgarant und Friedensstifter (bpb 11.2.2018).

Ende Dezember 2015 unterzeichnete Präsident Rachmon ein Gesetz, das ihn zum Führer der Nation auf Lebenszeit erhebt. Beide Parlamentskammern hatten zuvor das Gesetz ohne Gegenstimmen gebilligt (UB 29.1.2016). Das Gesetz verleiht Rachmon und seinen Verwandten überdies lebenslange Immunität. Im Jänner 2016 wurde eine Verfassungsänderung beschlossen, die eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten ermöglicht und das Mindestalter für das Präsidentenamt von 35 auf 30 Jahre herabsetzt. So wäre Rachmons ältester Sohn Rustam Emomali in der Lage bei der Präsidentenwahl 2020 zu kandidieren, er wäre dann 33 Jahre alt (RFE/RL 10.2.2016). Zu diesem Gesetz wurde am 22. Mai 2016 eine Volksabstimmung durchgeführt und 95 % der Wahlberechtigten stimmten für die Annahme des Gesetzes (Guardian 23.5.2016).

Bei den Parlamentswahlen vom 1.3.2015 gewann die regierende Volksdemokratische Partei Tadschikistans (PDPT) 51 der 63 zu vergebenden Sitze. Die OSZE bemängelte die Restriktionen hinsichtlich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie den Zugang zu den Medien während des Wahlkampfes. Die Chancengleichheit im Wahlkampf wurde nicht gewährleistet. Der Wahlgang inklusive die Auszählung war von zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekennzeichnet (OSCE 15.5.2015).

Während eines Auslandsaufenthalts im Juni 2015 verkündete der Vorsitzende der "Islamische Wiedergeburt" (PIW), Muhiddin Kabiri, nicht mehr nach Tadschikistan zurückzukehren. Kabiri befürchtete, verhaftet zu werden und befindet sich seither im Exil. Nach blutigen Unruhen wurde Ende September 2015 die PIW als letzte Oppositionspartei verboten und als terroristische Vereinigung eingestuft (bpb 11.2.2018, vgl. Standard 29.9.2015). Somit verlor Tadschikistan die letzte echte Oppositionspartei. Bis 2015 war Tadschikistan das einzige postsowjetische Land Zentralasiens mit einer legal agierenden "islamischen" Partei. Die derzeit fünf im Parlament vertretenen Parteien wahren nach außen hin den Schein einer funktionierenden Demokratie im De-facto-Einparteienstaat (bpb 11.2.2018). Es herrscht derzeit ein repressives Klima, das vor oppositionellem Handeln abschrecken soll (AA 20.10.2017), die Regierung unterbindet weiterhin politischen Pluralismus (USDOS 20.4.2018).

2. Sicherheitslage

Als mit dem Zerfall der Sowjetunion Subventionen aus Moskau ausblieben und Tadschikistan "unfreiwillig" die Unabhängigkeit erhielt, entwickelte sich rasch ein Konflikt um die politische und wirtschaftliche Macht entlang regionaler und ideologischer Linien. Die trennenden Gruppenloyalitäten und Solidaritäten haben durch den Bürgerkrieg zusätzlichen Auftrieb erhalten und sich weiter verfestigt. Als Sieger aus diesen Machtkämpfen ging die "Kulober" Fraktion hervor. 1994 wurde Emomali Rachmon als Repräsentant dieser Fraktion zum Präsidenten gewählt (bpb 11.2.2018).

Die Sicherheitsprobleme der jüngsten Jahre waren heimischer Natur, trotz des Versuches seitens der Regierung diese als aus dem Ausland herrührend darzustellen. Die Sicherheitslage in Afghanistan und im Nahen Osten hat wenig Wirkung auf die innere Stabilität Tadschikistans, trotz der Behauptungen der Regierung, dutzende Terroranschläge aus dem Lager der ausländischen Opposition verhindert zu haben. Die Sicherheitskräfte unterdrücken weiterhin alle Dissidentenbewegungen in den periphären Regionen des Rasht-Tales und Gorno-Badachschan (BTI 2018).

Es gibt keine bedeutenden und nachhaltig operierenden Aufständischengruppierungen oder gewalttätige Gruppierungen, die den Staat in den territorialen Enklaven herausfordern. Obwohl die Behörden häufig auf eine Bedrohung durch radikal-islamistische Gruppierungen oder den IS hinweisen, hat sich diese Bedrohung bisher noch nicht manifestiert und scheint auch weitgehend übertrieben (BTI 2018).

Gewalttätige Vorfälle mit Oppositionellen gab es 2009 und 2011 in Rasht und 2012 und 2014 in Gorno-Badachschan (ICG 9.10.2017). Im Herbst 2015 kamen bei einer von der Regierung als "Umsturzversuch" bewerteten Schießerei im Stadtzentrum von Duschanbe acht Polizisten und neun Angreifer ums Leben. Der Hauptverantwortliche, der einen Tag zuvor entlassene stellvertretende Verteidigungsminister General Abduhalim Nazarzoda, wurde wenige Tage später in der Bergregion unweit der Hautstadt von Spezialkräften aufgespürt und getötet (bpb 11.2.2018; vgl. BTI 2018) Bei der in diesem Zusammenhang durchgeführten Anti-Terror-Aktion wurden rund 40 Menschen getötet und etwa 140 festgenommen (Standard 29.9.2015).

Die Regierung konzentriert sich auf die Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus und beobachtet die mögliche Rückkehr tadschikischer Kämpfer aus dem Ausland. Gemäß Open-Source-Berichten haben sich ca. 1.000 Tadschiken dem IS und andere terroristische Gruppen in Irak und Syrien angeschlossen. Die potentielle Gefahr durch die Instabilität in Nordafghanistan ist der Regierung bewusst und aus Besorgnis, dass terroristische Gruppen aus Afghanistan die durchlässige Grenze nach Tadschikistan überqueren könnten, hat die Regierung die Militär- und Polizeipräsenz verstärkt und führt taktische Operationen durch. Die Regierung hat dafür Unterstützung von den USA und deren Partnern erbeten (USDOS 19.7.2017).

An der Grenze zu Afghanistan kommt es vereinzelt zu Schusswechseln zwischen afghanischen Drogenschmugglern und Angehörigen der tadschikischen Grenztruppen und der Drogenkontrollbehörde (AA 3.4.2018b; vgl. ICG 9.10.2017), insbesondere in Gorno-Badachschan. Bei Vorfällen im Jahr 2017 wurden einige Menschen verletzt (GOV.UK 13.3.2018). Diese Vorfälle stellen i.d.R. keine gezielten Angriffe auf das Territorium oder die Institutionen Tadschikistans dar. Die Afghanischen Taliban haben kein territoriales Interesse außerhalb der Grenzen Afghanistans (ICG 9.10.2017).

Die Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgisistan ist umstritten (GOV.UK 13.3.2018). Nur etwa 50 Prozent der etwa 970 Kilometer langen Grenze zwischen den beiden Staaten sind eindeutig festgelegt (KAS 1.2014; vgl. TA+ 4.4.2018). Seit Anfang 2014 ist es im Grenzgebiet zwischen Tadschikistan und Kirgisistan wiederholt zu bewaffneten Auseinandersetzungen teilweise mit Todesopfern gekommen (AA 3.4.2018b). Insbesondere in der Nähe der Enklave Vorukh kommt es gelegentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen lokalem Ausmaßes (GOV.UK 13.3.2018).

3. Rechtsschutz/Justizwesen

Obgleich das Gesetz eine unabhängige Gerichtsbarkeit vorsieht, übt die Exekutive Druck auf Staatsanwälte, Verteidiger und Richter aus. Korruption und Ineffizienz stellen erhebliche Probleme dar (USDOS 20.4.2018, vgl. BTI 2018). Der Staatspräsident kontrolliert die Justiz durch sein verfassungsmäßiges Prärogativ und kann Richter und den Generalstaatsanwalt ernennen oder entlassen. Die Gerichte werden zudem durch die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft beeinflusst. Die Staatsanwaltschaft rangiert über den Gerichten, was den Einfluss und die politische Macht betrifft. In politisch heiklen Fällen urteilen die Richter gemäß den Anweisungen mächtiger Offizieller aus der Präsidialverwaltung oder dem Sicherheitsdienst (BTI 2018). Niedrige Gehälter für Richter und Staatsanwälte führen dazu, dass Bestechung weit verbreitet ist (USDOS 20.4.2018).

Für Angeklagte gilt in der Praxis nicht die Unschuldsvermutung, denn die Gerichte befinden fast alle Angeklagten für schuldig. Im Allgemeinen erlauben die Gerichte den Angeklagten zeitgerecht einen Anwalt zu konsultieren, doch wird ihnen das Recht auf einen Verteidiger während der Untersuchungshaft bzw. der Zeit der Ermittlungen oft vorenthalten, insbesondere in politisch heiklen Fällen. Angeklagte und Nichtregierungsorganisationen beklagen, dass die Regierung manchmal einen Pflichtverteidiger ernennt, um zu verhindern, dass der Angeklagte einen Rechtsbeistand nach eigener freier Wahl bekommt. Angeklagte und Verteidiger haben das Recht, alle behördlichen Beweismittel einzusehen und die Zeugen damit zu konfrontieren bzw. diese zu befragen. Die Gerichte verleihen jedoch den Aussagen der Staatsanwaltschaft weit mehr Bedeutung als jenen der Verteidigung. Obschon alle Prozesse öffentlich sind, sieht das Gesetz die Möglichkeit von Geheimprozessen vor, wenn die nationale Sicherheit betroffen ist. Vertretern der Zivilgesellschaft wird der Zugang zu Gerichtsprozessen gegen hochrangige Persönlichkeiten verwehrt, weil diese Prozesse durch die Regierung als geheim eingestuft werden (USDOS 25.6.2015).

Aufgrund der starken Einflussnahme der Politik auf die Justiz, den geheimen und intransparenten Verfahren gegen politische Gegner und der sehr selektiven Justiz, stufte Freedom House 2017 die Bewertung Tadschikistans in Bezug auf die Unabhängigkeit und das Funktionieren der Justiz auf 7,0 herab (2014: 6,25; 2015: 6,50; 2016: 6,75; 2017:

7,0; 2018: 7,0). Auf einer Skala von 1 bis 7 entspricht die Bewertung 1 die höchste Ebene demokratischen Fortschritts und 7 den niedrigsten (FH 11.4.2018).

Aufgrund von Änderungen im Gesetz für Rechtsanwälte mussten alle Anwälte bis Juni 2016 eine Prüfung ablegen, um ihre Lizenz zu erneuern. Da viele Anwälte nicht in der Lage waren, diese Prüfung rechtzeitig abzulegen, sank die Zahl der Strafverteidiger im Land von ca. 2.000 auf 532 (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 11.4.2018: von 1.500 auf 600 im Mai 2017). Eine förmliche Verweigerung des Rechtsschutzes ist nicht bekannt. De-facto wird der Rechtsschutz für politische Straftäter dadurch eingeschränkt, dass ihre Prozesse hinter verschlossenen Türen stattfinden und Rechtsanwälte wegen der ihnen selbst drohenden Gefahren immer weniger bereit sind, politisch heikle Fälle zu übernehmen (AA 20.10.2017). Seit 2014 wurden sieben Menschenrechtsanwälte verhaftet und zwei von ihnen, die Mitglieder der "Gruppe 24" verteidigten, in nicht öffentlichen Verfahren zu 21 bzw. 23 Jahren Haft verurteilt (FH 11.4.2018).

4. Sicherheitsbehörden

Das Innenministerium ist vorrangig für die Erhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig und kontrolliert die Polizei. Die Drogenkontrollbehörde, die Antikorruptionsbehörde, die staatliche Steuer- sowie die Zollbehörden können spezifischen Straftaten nachgehen und berichten dem Präsidenten. Das Staatskomitee für Nationale Sicherheit ist für den Nachrichtendienst verantwortlich, kontrolliert den Grenzschutz und untersucht Fälle von vermeintlichen extremistischen Aktivitäten im politischen oder religiösen Bereich, sowie Fälle von Menschenschmuggel und politisch sensible Fälle. Die Generalstaatsanwaltschaft beaufsichtigt die strafrechtlichen Untersuchungen der zuständigen Behörden. Es kommt zu beträchtlichen Überlappungen bei der Zuständigkeit. Die Gesetzesvollzugsbehörden fügen sich jedoch dem Staatskomitee für Nationale Sicherheit. Die Vollzugsbehörden sind in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität nicht effizient, da kriminelle Banden über Beziehungen zu hohen Regierungskreisen und Sicherheitsbehörden verfügen (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 20.10.2017).

Straffreiheit der Behörden stellt ein gravierendes Problem dar. Während die Behörden begrenzte Schritte gegen Straftäter unternehmen, gibt es weiterhin Berichte von Folter und Misshandlungen von Häftlingen. Die Kultur der Straflosigkeit und der Korruption schwächen die Ermittlungen und die Strafverfolgung (BTI 2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Die Polizei kann eine Person zwölf Stunden lang festhalten, bevor die Behörden Strafanklage erheben. Wenn letzteres nicht geschieht, muss die Person freigelassen werden. Allerdings informiert die Polizei die Festgenommenen oft nicht über die konkreten Vorwürfe. Falls die Polizei Strafanzeige erhebt, kann eine Person bis zu 72 Stunden festgehalten werden, bevor die Polizei die Anzeige einem Richter zwecks Einvernahme unterbreiten muss (USDOS 20.4.2018).

5. Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter. Trotz der Änderung des Strafgesetzbuches im Jahr 2012, als Folter in Übereinkunft mit dem internationalen Recht definiert wurde, gibt es Fälle von Gewalt, Folter und anderen Zwängen, um bei Verhören Geständnisse zu erpressen (USDOS 20.4.2018). Menschenunwürdige Behandlung kommt vor allem während der Untersuchungshaft vor, aber auch in den Streitkräften entsprechend sowjetischer Tradition. Sie reicht von grober Behandlung bis zu Misshandlung mit Todesfolge. Lt. IKRK ist Folter in Tadschikistan derzeit nicht als systematisch zu betrachten (AA 20.10.2017). Seit 2012 wurden die Strafen für Folter verschärft und seither wurden auch einzelne Fälle vor Gericht gebracht und abgeurteilt (AA 3.2018a); die Täter kamen aber häufig in den Genuss von raschen Amnestien (AA 20.10.2017).

Einerseits hatte Tadschikistan 2012 den Sonderberichterstatter für Folter sowie den Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit der Hochkommissarin für Menschenrechte eingeladen und gewährte ihnen im Rahmen ihrer Besuche weitgehend freien Zugang zu Haftanstalten und anderen geschlossenen Institutionen (AA 3.2018a). Andererseits schränkt das Justizministerium den Zutritt zu Haftanstalten für Vertreter der Internationalen Gemeinschaft ein. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat seit 2004 keinen Zutritt, da es kein diesbezügliches Übereinkommen mit der Regierung gibt. Die einheimische Organisation, "Koalition gegen Folter" und der Ombudsmann konnten Haftanstalten besuchen, doch wurde ihnen die Befragung von Häftlingen und Akteneinsicht verweigert (USDOS 20.4.2018).

Die NGO "Koalition gegen Folter" berichtet für das Jahr 2016 von Verbesserungen im Kampf gegen die Folter in Tadschikistan (CaT 2017). Für das Jahr 2016 wurden 57 Fälle dokumentiert (AA 20.10.2017; vgl. CaT 2017), die vermutlich nicht die Gesamtheit aller Fälle erfassen (AA 20.10.2017). Im Jahr 2016 wurden fünf Armeemitglieder wegen unmenschlicher Behandlung verurteilt, erstmals erhielt ein Bürger eine offizielle Entschuldigung wegen Polizeigewalt und 25 Personen erhielten psychosoziale Hilfe (davon zehn Folteropfer und 15 Angehörige) (CaT 2017).

6. Allgemeine Menschenrechtslage

Sämtliche Bürgerrechte sind im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsstandards in der nationalen Gesetzgebung verankert. Allerdings werden in der Praxis die Bürgerrechte regelmäßig verletzt. Willkürliche Festnahmen, lange Untersuchungshaft, Folter und Missbrauch sind systematisch. Folter und Todesfälle während der Gefängnishaft kommen weiterhin vor. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind wegen der Überbelegung, den unhygienischen Zuständen und dem hohen Niveau an Tuberkulose und HIV/AIDS lebensbedrohlich. Häusliche Gewalt gegen Frauen ist weit verbreitet. Speziell religiöse Gruppen, die nicht der von der Regierung propagierten Interpretation des Islam folgen, sind Zielscheiben (BTI 2018).

Die Situation der Menschenrechte verschlechterte sich 2017 weiter, als die Behörden die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, friedliche politische Oppositionsarbeit, freie Berufsausübung und die Religionsfreiheit unterbanden (HRW 18.1.2018, AI 22.2.2018). Dutzende Mitglieder und Sympathisanten illegaler Oppositionsgruppen wie die Partei der Islamischen Wiedergeburt und die Gruppe 24 berichten, dass als Vergeltung für oppositionelle Aktivitäten im Ausland in Tadschikistan zurückgebliebene Familienmitglieder von den Behörden bedroht, verhaftet, befragt und in manchen Fällen geschlagen wurden, in einzelnen Fällen auch ältere Personen und Kinder. Die örtlichen Behörden stigmatisierten Verwandte öffentlich als "Verräter" und "Staatsfeinde" (AI 22.2.2018).

Unabhängige Rechtsanwälte stehen zunehmend im Visier der Regierung. So wurden einige Verteidiger von Angeklagten der Islamischen Wiedergeburt-Partei selbst angeklagt (IWPR 21.1.2016). Strafverteidiger, die politisch heikle Fälle übernahmen, werden im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung belästigt, eingeschüchtert und unter Druck gesetzt. Menschenrechtsanwälte sind von willkürlichen Verhaftungen, politischen Strafverfolgungen und strengen Gefängnisstrafen betroffen; viele von ihnen haben aus Sicherheitsgründen das Land verlassen (AI 22.2.2018)

USDOS gibt als schwerwiegenste Menschenrechtsverletzungen an: Folter und Missbrauch von Häftlingen, willkürliche Verhaftungen - auch von Familienmitgliedern, schlechte Haftbedingungen, politisch motivierte Verfolgungen von Menschenrechtsanwälten, Einschränkungen der Freiheiten in Bezug auf Meinung, Presse, Information und Vereinigung, schlechte Religionsfreiheit, Einschränkung der politischen Partizipation, Nepotismus und Korruption, Gewalt und Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und sexueller Orientierung, und Zwangsarbeit. Es gibt nur wenige Strafverfahren von Regierungsbediensteten wegen Menschenrechtsverletzungen. Beamte in den Sicherheitsdiensten und in anderen Regierungsorganisationen genießen Straffreiheit (USDOS 20.4.2018).

Freedom House stufte Tadschikistan Anfang 2016 hinsichtlich der politischen Rechte von sechs auf sieben herab. Das Land wird als nicht frei bezeichnet mit einem Trend zum Schlechteren (FH 2016), der Wert blieb auch 2017 auf Stufe 7; auf einer Skala von 1 bis 7 entspricht die Bewertung 1 die höchste Ebene demokratischen Fortschritts und 7 den niedrigsten (FH 2017).

Im Oktober 2017 hielten die Europäische Union und Tadschikistan einen Menschenrechtsdialog ab. Die Teilnehmer stimmten überein, dass es gute Fortschritte im Bereich der Frauenrechte, insbesondere bei der Prävention häuslicher Gewalt, gemacht wurde. Gute Fortschritte machte die Tadschikische Regierung bei der Vorbeugung von Folter und Misshandlungen. Jedoch bleiben Defizite bestehen und die EU benannte dabei bestimmte Fälle von Folter in der Armee, in Untersuchungshaft und im Strafvollzug. Die EU erwartet von den tadschikischen Behörden, sicherzustellen, dass kein Druck auf Familienmitglieder von Oppositionellen, auch jenen, die im Ausland leben, ausgeübt wird (EU 13.10.2017).

Aufgrund von Änderungen im Gesetz für Rechtsanwälte mussten alle Anwälte bis Juni 2016 eine Prüfung ablegen, um ihre Lizenz zu erneuern. Da viele Anwälte nicht in der Lage waren, diese Prüfung rechtzeitig abzulegen, sank die Zahl der Strafverteidiger im Land von ca. 2.000 auf 532 (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 11.4.2018: von 1.500 auf 600 im Mai 2017). Somit wurde es für Bürger schwieriger, ihr Recht durchzusetzen (AI 22.2.2018).

7. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Das von der Verfassung vorgesehene Recht auf Versammlungsfreiheit wird in der Praxis von der Regierung eingeschränkt. Die Regierung verlangt von Einzelpersonen die Einholung einer Erlaubnis zur Abhaltung öffentlicher Demonstrationen (USDOS 20.4.2018; vgl. BTI 2018). Es wurde berichtet, dass Einzelpersonen, die die Abhaltung eines friedlichen Protests erwägen, davon Abstand nehmen, weil sie Repressionen fürchten (USDOS 20.4.2018). Die Genehmigung für Demonstrationen ist bei der Lokalregierung einzuholen, die praktisch in allen Fällen eine solche verweigert, wodurch Versammlungen illegal werden (BTI 2018). Trotzdem kommt es zu Demonstrationen, wobei die Behörden diese nicht gewaltsam niederschmettern, sondern versuchen den Demonstranten entgegenzukommen (BTI 2016).

Die Verfassung schützt die Vereinigungsfreiheit, doch wird diese in der Praxis eingeschränkt. Das Gesetz gewährt das Recht, freie Gewerkschaften zu gründen und diesen beizutreten. Es verlangt jedoch die Registrierung. Das Gesetz sieht auch vor, dass gewerkschaftliche Aktivitäten frei von Einmischung bleiben, außer in Fällen, die durch das Gesetz spezifiziert werden. Das Gesetz definiert jedoch nicht jene Fälle, in denen die gewerkschaftlichen Aktivitäten eingeschränkt sind. Zwar besteht das Streikrecht, doch verlangt das Gesetz, dass Versammlungen und andere Aktionen zuvor genehmigt werden müssen, wodurch Zusammenkünfte und Demonstrationen eingeschränkt werden. Die Regierung gebraucht informelle Mittel, um ihren Einfluss auf die Gewerkschaften geltend zu machen. Dazu gehört auch die Einflussnahme auf die Wahl der Gewerkschaftsführer. Die Föderation der Gewerkschaften Tadschikistans vertritt nicht effektiv die Arbeitnehmerinteressen. Es gibt Berichte, wonach die Regierung manche Bürger gezwungen hat, den staatstreuen Gewerkschaften beizutreten, bzw. die Gründung unabhängiger Gewerkschaften verhindert hat (USDOS 20.4.2018).

7.1. Opposition

Die Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition sind in den letzten Jahren massiv eingeschränkt worden. Gleichzeitig ist es schwierig, die Agenden der Oppositionsakteure nachzuvollziehen und zu bewerten. Auch ihre Verbindungen untereinander oder zu ausländischen Staaten und Organisationen sind schwer einzuschätzen. Exilpolitischen Oppositionsakteuren kommt eine wachsende Bedeutung zu. Die wichtigste Oppositionspartei, die Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (PIW), wurde im September 2015 nach Einschätzung der meisten unabhängigen Beobachter unter Vorwänden - als terroristische Organisation verboten. Dies gilt auch für die außerparlamentarische Oppositionsbewegung "Gruppe 24", deren Gründer unter ungeklärten Umständen im türkischen Exil gewaltsam ums Leben kam. Die Sozialdemokratische Partei Tadschikistan (SDPT), die zweite, sehr viel unbedeutendere Oppositionspartei, ist weitgehend in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Staatlich tolerierte politische Opposition ist nur noch in den zunehmend vorsichtiger agierenden Organisationen der Zivilgesellschaft existent (AA 20.10.2017).

Dutzende Mitglieder und Aktivisten verbotener Oppositionsgruppen und ihre Familien fanden Schutz im Ausland, doch sie berichten, dass als Vergeltung für ihre politischen Aktivitäten im Ausland, beispielsweise die Abhaltung friedlicher Proteste bei internationalen Kongressen, ihre zurückgebliebenen Familienmitglieder, darunter ältere Personen und Kinder, von der Polizei und örtlichen Behörden bedroht, verhaftet, befragt und in manchen Fällen auch geschlagen wurden. Örtliche Behörden stigmatisieren öffentlich Verwandte als "Verräter" und "Staatsfeinde" (AI 22.2.2018; vgl. HRW 18.1.2018). Dutzende Familienmitglieder von Exilaktivisten wurden 2017 aufgrund falscher oder aufgeblasener Anschuldigungen in Haft genommen (USDOS 20.4.2018). Im Juni 2017 drückte der UNO-Sonderberichterstatter David Kaye Besorgnis über die Unterdrückung der Opposition aus, insbesondere über die inhaftierten Mitglieder der PIW. Kaye forderte die Regierung auf, alle unrechtmäßig inhaftierten politischen Aktivisten, Anwälte und Journalisten freizulassen (HRW 18.1.2018).

Am 1. März 2015 fanden die letzten Parlamentswahlen statt, und wie in den Jahren zuvor waren bereits im Vorfeld Maßnahmen zu erkennen, die mögliche Wahlerfolge der Opposition verhindern sollten. Im Bericht der Wahlbeobachter ist diesbezüglich von "Schikanen und Behinderungen einiger Oppositionsparteien" die Rede. Entsprechend fiel das Ergebnis der Wahlen aus, die laut OSZE unter viel schlechteren Bedingungen als die vorangehenden verlaufen sind. Die PIW und die Kommunistische Partei schafften mit 2,3 Prozent bzw. 1,5 Prozent der Stimmen nicht mehr den Sprung ins Parlament, in dem sich nunmehr lediglich Abgeordnete der präsidialen Volksdemokraten (65,2 Prozent) und einiger ihnen nahestehender Splitterparteien finden (GIZ 3.2018). Bereits im Vorfeld der Parlamentswahlen ordnete die Regierung an, dass die Imame in den staatlich registrierten Moscheen in ihren Predigten dazu aufriefen, die PIW, die als "Partei des Krieges" tituliert wurde, nicht zu wählen (ICG 11.1.2016).

Bei den Parlamentswahlen im März 2015, die von internationalen Beobachtern erneut als "nicht frei und undemokratisch" bezeichnet wurden, verlor die Partei der Islamischen Wiedergeburt auch ihre letzten beiden Sitze. Damit war der letzte Kanal für den offiziellen Dialog zwischen Regierung und Opposition geschlossen. Gleichzeitig wurde der Druck auf die Mitglieder der PIW erhöht. Bei einer von der Regierung als "Umsturzversuch" bewerteten Schießerei im Stadtzentrum von Duschanbe [am 4. September 2015; vgl. Telegraph 4.9.2015] kamen acht Polizisten und neun Angreifer ums Leben. Der Hauptverantwortliche (der einen Tag zuvor entlassene stellvertretende Verteidigungsminister General Abduhalim Nazarzoda) wurde wenige Tage später in der Bergregion unweit der Hautstadt von Spezialkräften aufgespürt und getötet. Die Regierung beschuldigte daraufhin den im Ausland befindlichen Vorsitzenden der PIW, Muhiddin Kabiri, Drahtzieher der "Unruhen" gewesen zu sein. Dieser bestritt alle Vorwürfe, die ihn und seine Partei mit den Ereignissen im September in Verbindung bringen. Die Regierung blieb jedoch bei ihrer Darstellung. Ende September erfolgte das Verbot der PIW und ihre Einstufung als terroristische Vereinigung. (bpb 11.2.2018). Die PIW hatte zu diesem Zeitpunkt 40.000 Mitglieder (Standard 29.9.2015).

Im Februar 2016 begannen erste Gerichtsverfahren gegen Mitglieder der PIW. Die Anklage lautete: "Teilnahme an einem versuchten Staatsstreich". Insgesamt sollten 199 vor Gericht gestellt werden (EN 10.2.2016). Im Juni 2016 erhielten zwei stellvertretende Vorsitzende der PIW lebenslange Haftstrafen und andere Angeklagte erhielten Haftstrafen zwischen zwei und 25 Jahren (USOSCE 9.6.2016).

Eine wichtige Exilorganisation ist die "Gruppe 24". Sie wurde 2012 von Umarali Quvvatov, einem Geschäftsmann, der einst mit dem Schwiegersohn des Staatspräsidenten zusammenarbeitete, gegründet. AAls 2014 die Gruppe 24 aus dem Exil zu einer Demonstration in Duschanbe aufrief, kam es zum Verbot der Gruppe als "extremistische Organisation". Die Regierung warf Quvvatov vor, zur Gewalt und Umsturz aufzurufen. Infolge wurden Sympathisanten der Gruppe 24 massenhaft verhaftet. Deren exilierte Anhänger in Russland verschwanden entweder spurlos oder wurden festgenommen und - in manchen Fällen trotz russischer Staatsbürgerschaft - an die tadschikischen Behörden ausgeliefert. Anfang März 2015 wurde Quvvatov im Istanbuler Exil auf offener Straße ermordet. Anhänger der Gruppe 24 wurden zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt (ENet 27.2.2016). Im März 2015 wurde Sharofiddin Gadoev, der im spanischen Exil lebt, zu Quvvatovs Nachfolger als Vorsitzender (RFE/RL 12.3.2015) und am 31.1.2016 Suhrob Zafar zum Vorsitzenden der Gruppe 24 gewählt (G24 30.12.2016). Im März 2018 wurde Suhrob Zafar, der aktuelle Vorsitzende der Gruppe 24, und ein weiterer leitender Funktionär, Nasimjon Sharipov, auf Antrag der Republik Tadschikistan mit dem Wunsch nach Auslieferung in Istanbul verhaftet (HRW 13.4.2018; vgl. G24 19.3.2018). Am 30.5.2018 meldete die Gruppe 24 auf ihrer Webseite, dass Nasimjon Sharipov am 29.5.2018 nach 70 Tagen in Gewahrsam von den türkischen Behörden freigelassen wurde. Suhrob Zafar befände sich noch immer in Gewahrsam der türkischen Behörden (G24 30.5.2018).

8. Haftbedingungen

Die Regierung betreibt zehn Gefängnisse, davon ein Gefängnis für Frauen, und zwölf Untersuchungshaftzentren. Die exakten Zustände in den Gefängnissen sind nicht bekannt, aber gemäß den Angaben von ehemaligen Inhaftierten sind die Bedingungen schlecht und lebensbedrohend. Die Gefängnisse sind überfüllt und die hygienischen Bedingungen sind schlecht (USDOS 20.4.2018); mangelhafte Ernährung und Tuberkulose-Ansteckungsgefahr stellen weitere Probleme dar (EDA 6.3.2017), die Infektionsrate mit HIV ist hoch und der Zugang zu medizinischer Versorgung ist mangelhaft (USDOS 20.4.2018). Folter und andere Misshandlungen sind in Gefängnissen an der Tagesordnung (FH 11.4.2018). Es liegen Berichte darüber vor, dass die Haftbedingungen für politische Straftäter noch schlechter sind als für "normale" Strafgefangene, vor allem zu Beginn der Haftzeit (AA 20.10.2017).

Tadschikistan hat bislang nicht das "Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe" (OPCAT) unterzeichnet. (UNTC 27.5.2018). Menschenunwürdige Behandlung kommt vor allem während der Untersuchungshaft vor und reicht von grober Behandlung bis zu Misshandlung mit Todesfolge. Lt. IKRK ist Folter in Tadschikistan derzeit nicht als systematisch zu betrachten (AA 20.10.2017).

Einerseits hatte Tadschikistan 2012 den Sonderberichterstatter für Folter sowie den Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit der Hochkommissarin für Menschenrechte eingeladen und gewährte ihnen im Rahmen ihrer Besuche weitgehend freien Zugang zu Haftanstalten und anderen geschlossenen Institutionen (AA 3.2018a). Andererseits schränkt das Justizministerium den Zutritt zu Haftanstalten für Vertreter der Internationalen Gemeinschaft ein. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat seit 2004 keinen Zutritt, da es kein diesbezügliches Übereinkommen mit der Regierung gibt. Die einheimische Organisation, "Koalition gegen Folter" und der Ombudsmann konnten Haftanstalten besuchen, doch wurde ihnen die Befragung von Häftlingen und Akteneinsicht verweigert (USDOS 20.4.2018).

In regelmäßigen Abständen kommt es zu Amnestien, die z. T. der Entlastung der Strafanstalten dienen, vermutlich auch zur Generierung von Einkommen für die Verantwortlichen (AA 20.10.2017; vgl. EIU 13.9.2018); viele Familien zahlen Bestechungsgelder, um ihre inhaftierten Mitglieder auf die Amestieliste zu setzen (EIU 13.9.2016). Zur 15. Massenamnestie vom August 2016 wurde, ebenso wie zur vorherigen Amnestie 2014, ca. 10.000 Personen die Haftstrafe erlassen oder verkürzt (EIU 13.9.2016).

Von Amnestien profitieren primär unpolitische Gefangene. Gelegentlich werden aber auch andere "Straftäter" amnestiert, wie einer der Rechtsanwälte des ehemaligen Innenministers Zaid Saidov. Er war unter Vorwänden zu einer neunjährigen Haftstrafe verurteilt worden; seine Haftstrafe wurde inzwischen auf knapp vier Jahre verkürzt (AA 20.10.2017).

9. Todesstrafe

Tadschikistan hat die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe kraft Gesetz mit Rückwirkung zum 30. April 2004 ausgesetzt. 2003 wurde für Frauen die Todesstrafe gänzlich abgeschafft (AA 20.10.2017; vgl. GIZ 3.2018a ).

Die Todesstrafe gilt für schweren Mord, Terrorakte mit Todesfolge, Vergewaltigung von Minderjährigen unter 14 Jahren, Genozid und Biozid. Verhängte Todesstrafen vor Inkrafttreten des Moratoriums wurden in eine 25-jährige Gefängnisstrafe umgewandelt, für neuere Fälle, die ansonsten mit der Todesstrafe geahndet würden, gilt eine langjährige bis lebenslange Haft (OSCE/ODHIR 2014, vgl. CLS 4.4.2011)

10. Religionsfreiheit

Die Verfassung gewährt Religionsfreiheit; wozu das individuelle Recht zählt, die Religion frei zu wählen, bzw. keine Religion zu haben, sowie an religiösen Zeremonien teilzunehmen (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 20.10.2017). Mehr als 90 Prozent der Bevölkerung ist muslimisch, wobei der Großteil der Muslime der Hanafi-Schule des sunnititschen Islam folgt. Etwa vier Prozent der Muslime sind ismailitische Shia, die größtenteils in der Autonomen Region Gorno-Badachschan leben. Andere religiöse Minderheiten sind Christen, Bahais, Hare Krishnas, Zeugen Jehowas und Juden. Unter den Christen ist die russisch-orthodoxe Gemeinde die größte (USDOS 15.8.2017). Die "Normale Religionsausübung" des traditionellen hanafitischen Islam ist weitgehend uneingeschränkt möglich (AA 20.10.2017).

Religiöse Gruppen, die sich nicht an die staatlicherseits bevorzugte Auslegung des Islam halten, werden besonders ins Visier genommen. Hunderte nicht-gewalttätige Muslime wurden festgenommen und wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen islamischen Gruppierung zu langen Haftstrafen verurteilt, meist ohne faires, öffentliches Gerichtsverfahren. Nicht-muslimische Gruppen, mehrere christliche Kirchen mit eingeschlossen, waren weiterhin Opfer von bürokratischer und administrativer Verfolgung (BTI 2018).

Staatliche Repressionen gegen bestimmte Personen wegen ihrer Ethnie, Religion oder Nationalität sind die Ausnahme. Repression wegen politischen Überzeugungen sind jedoch nicht selten; diese dienen primär dazu, präventiv möglichen Gefahren für den Machterhalt entgegenzuwirken (AA 20.10.2017). Repression gibt es aus Sorge vor Radikalisierung auch gegen Vertreter extremistischer Spielarten des Islam, vor allem gegen Salafisten. Moscheen und Imame unterliegen daher einer engen Kontrolle (Videoüberwachung, Vorgabe für und Abhören von Predigten) (AA 20.10.2017; vgl. USDOS 15.8.2017);

Laut Menschenrechtsaktivisten wollen die Behörden die totale Kontrolle aller muslimischen Aktivitäten im Land herstellen. Die Regierung setzt Maßnahmen, um Personen daran zu hindern, laut Regierungssicht "extremistischen Organisationen" beizutreten oder dort zu partizipieren. Im Jahr 2016 wurden über 100 Personen als "Extremisten" verhaftet, insbesondere solche, die verdächtig sind, salafistische Ideen zu unterstützen (USDOS 15.8.2017). Als extremistisch und potentiell terroristisch eingestufte Personen laufen Gefahr, zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden (AA 20.10.2018), u.a. Personen mit mutmaßlicher Mitgliedschaft oder Unterstützung von von der Regierung deklarierten extremistischen Gruppen wie Hizb ut-Tahrir, al-Qaida, the Muslim Brotherhood, the Taliban, Jamaat Tabligh, Islamic Group (Islamic Community of Pakistan), Islamic Movement of Eastern Turkestan, Islamic Party of Turkestan (ehem. Islamic Movement of Uzbekistan - IMU), Lashkar-e-Tayba, Tojikistoni Ozod, Sozmoni Tablighot, Salafiya, Jamaat Ansarullah, Islamic Revival Party of Tajikistan (IRPT) und Gruppe 24. Nach einer Volksabstimmung 2016 ist das Gründen von politischen Parteien, die auf Religion basieren, verboten (USDOS 15.8.2017).

Das Gesetz beschränkt islamische Gebete auf Moscheen, Friedhöfe, Schreine und Privatwohnungen. Von Gesetz her werden Feiern, auch Hochzeiten, Trauerfeiern, eingeschränkt. Es gibt gesetzliche Einschränkungen für die religiöse Ausbildung im Ausland. Personen unter 18 Jahren ist der Besuch von Moscheen untersagt (AA 20.10.2017). Eine Fatwa des Ulema-Rates, des höchsten Gremiums tadschikischer islamischer Gelehrter, wonach Frauen der Hanafi-sunnitischen Gemeinschaft von der Teilnahme an religiösen Diensten ausgeschlossen werden, wird weitgehend umgesetzt (USDOS 15.8.2017). Frauen haben nur Zugang zu Moscheen, wenn diese über einen abgetrennten Frauenbereich verfügen (AA 20.10.2018). Zwangsmaßnahmen gibt es gelegentlich auch gegen Frauen, die den Hidschab tragen, und junge Männer mit langen Bärten, wobei solche in der Hauptstadt häufig auf den Straßen zu sehen sind (AA 20.10.2018).

Laut NGOs verweigern die Behörden manchen religiösen Gruppen die Registrierung. Die einzige Synagoge des Landes ist nicht registriert (USDOS 15.8.2017). Es gibt im Jahr 2017 keine Berichte über anti-semitische Übergriffe, wobei die jüdische Gemeinde weiterhin stark von Abwanderung ins Ausland betroffen ist (USDOS 20.4.2018). Extremistisch eingestufte Spielarten wie Salafismus, Zeugen Jehovas und z. T. protestantische Freikirchen unterliegen starken Einschränkungen (AA 20.10.2018). Die Zeugen Jehovahs wurden 2007 u. a. wegen der Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissensgründen verboten. Ein koreanischer Pastor der Kirche Sunmin Sunbogym in Khujand wurde im Juli 2017 wegen extremistischer Predigten zu drei Jahren Haft verurteilt (USCIRF 4.2018)

11. Ethnische Minderheiten

Laut letzter Volkszählung aus dem Jahr 2010 waren von den Bewohnern Tadschikistans: 84,3 Prozent ethnische Tadschiken und 13,8 Prozent Usbeken. Die restlichen zwei Prozent bildeten vor allem Kirgisen, Russen, Turkmenen, Tataren und Araber (CIA 1.5.2018). Der Anteil von Ethnien, die zum Großteil unter sowjetischer Ägide nach Tadschikistan kamen (Russen, Weißrussen, Ukrainer, Koreaner etc.) ist stark abnehmend. Im Großen und Ganzen ist deren Lage zufriedenstellend. Gelegentlich kommt es aber zu öffentlichen Anpöbeleien (AA 20.10.2018).

Das Verhältnis zu den zahlenmäßig größten nationalen Minderheiten (Usbeken, Kirgisen, Pamiris) ist weitgehend frei von Unterdrückung, auch wenn diese sicherlich nicht in allen Bereichen die gleichen Chancen haben wie ethnische Tadschiken, so z. B. beim Zugang zu einflussreichen oder lukrativen Positionen im öffentlichen Dienst. Dieser steht aber auch ethnischen Tadschiken zumeist nur gegen Bestechung oder gute persönliche Beziehungen offen. Einflussreiche Positionen sind zunehmend Angehörigen der Clans aus Kuljab/Dangara, der Heimat des Präsidenten, vorbehalten; aus anderen Regionen stammende hohe Beamte müssen mit Entlassung rechnen. Gleichzeitig findet ein vornehmlich, aber nicht ausschließlich zu Lasten der früheren usbekischen städtischen Eliten gerichteter Verdrängungsprozess zugunsten dieser Clans statt. Eine Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis, die sich nach Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung richtet, ist nicht festzustellen (AA 20.10.2018). Es gibt gelegentlich Berichte, dass die Polizei ethnische Afghanen oder Usbeken schikaniert (USDOS 20.4.2018).

Die Pamiri, die vorwiegend in der autonomen Region Gorno-Badakhshan leben, werden von den Behörden als ethnische Tadschiken angesehen, ansonsten jedoch werden die Pamiri als separate Ethnie betrachtet, die sich sprachlich, religiös und kulturell von den Tadschiken unterscheidet. Innerhalb der autonomen Region Gorno-Badakhshan verfügen die Pamiri über gewisse Rechte, und sie sind im öffentlichen Leben und bei der politischen Teilhabe präsent, was sie von anderen Minderheiten im Lande unterscheidet. Die Situation in der Region bleibt jedoch angespannt, weil es aktive Guerilla-Gruppen der Pamiris gibt, die eine stärkere Autonomie anstreben. Überdies werden der Vorsitzende der autonomen Region sowie die Richter infolge der vagen Formulierungen in der Verfassung vom tadschikischen Präsidenten bestellt, wodurch die Zentralmacht in kontrollierender Weise die Autonomierechte umgeht (MRGI 4.2018).

Gharmi aus dem Rasht- und dem Vakhshtal [Wachsch] und Pamiri werden wie die turksprachigen Usbeken bei der Besetzung von Ämtern und in der Wirtschaft benachteiligt. Mitglieder ethnischer Minderheiten werden oft bei der Arbeitssuche abgewiesen, weil sie die tadschikische Sprache unzureichend beherrschen (BTI 2018, vgl. MRGI o. D.).

Das Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen zeigte sich 2015 ob der sinkenden Zahl an Schulklassen besorgt, in denen die Minderheitensprachen unterrichtet werden. Dies sei auf den Mangel an Lehrpersonal und Schulbüchern für die Minderheitensprachen zurückzuführen (CESCR 25.3.2015).

12. Arbeitsmigranten, Exilanten und Flüchtlinge

Am Höhepunkt im Jahr 2013 befanden sich ca. 1,3 Millionen Arbeitsmigranten aus Tadschikistan in der Russischen Föderation, die 4,2 Milliarden USD an Rücküberweisungen nach Tadschikistan leisteten (OSW 25.4.2017), das waren über 40 Prozent des tadschikischen BIP (WB o.D.). Die Zahl der Arbeitsmigranten aus Tadschikistan in der Russischen Föderation ist bis 2016 auf 879.000, die Rücküberweisungen durch tadschikische Arbeitsmigranten sind bis 2016 auf 1,9 Milliarden USD (OSW 25.4.2017) bzw. ca. 27 Prozent des tadschikischen BIP zurückgegangen (WB o.D.).

Die Russische Föderation nutzt rechtliche und administrative Instrumente, darunter die Vergabe von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, Drohungen mit Abschiebungen und soziale Faktoren - eine Abneigung der russischen Gesellschaft gegen zentralasiatische Migranten - um Arbeitsmigranten unter Druck zu setzen (OSW 25.4.2017). Nach mehrfachen Änderungen des Einwanderungsgesetzes in die Russische Föderation ist es nun schwieriger, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen und für das Jahr 2017 drohte ca. 90.000 Tadschiken die Ausweisung (DND 18.7.2017). Gemäß inoffizieller Quellen waren im Jahr 2016 ca. 400.000 Tadschiken mit einem Wiedereinreiseverbot für die Russische Föderation belegt (2013: 100.000; 2014: 200.000). Das Risiko einer erzwungenen Ausweisung betrifft mindestens 30 Prozent aller zentralasiatischen Arbeitsmigranten in der Russischen Föderation (IA 3.2016).

Die vom Obersten Gericht Tadschikistans als terrori

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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