Entscheidungsdatum
09.09.2019Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
G314 2213277-2/2Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der norwegischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.08.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen (Spruchteil A) und zu Recht erkannt (Spruchteil B):
A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung
(Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin (BF) hält sich seit dem Frühjahr 2015 oder 2016 im Bundesgebiet auf. Sie spricht Norwegisch. Sie war in Österreich - abgesehen von Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten - nie melderechtlich erfasst und beantragte nie die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung. Sie war im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig. Vor ihrer Einreise befand sich ihr Lebensmittelpunkt in Norwegen, wo sie pensionsberechtigt ist und ein Haus besitzt. Sie ist nicht verheiratet; ihr erwachsener Sohn lebt in Norwegen. Die BF leidet an Hepatitis C und an paranoider Schizophrenie.
Am XXXX.2016 wurde die BF festgenommen. Mit dem seit XXXX.2017 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2016, XXXX, wurde sie gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil sie am XXXX.2016 eine ihr unbekannte Frau, von der sie sich bedroht fühlte, zu Boden riss und mehrmals gegen Kopf und Körper trat, wodurch diese eine an sich schwere Körperverletzung verbunden mit einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung erlitt. Diese Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, wäre ihr bei Zurechnungsfähigkeit als Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB zuzurechnen; die BF war jedoch im Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig.
Die Maßnahme wird aktuell in der Abteilung für Forensische Psychiatrie im Landesklinikum XXXX vollzogen, wo sich der Zustand der BF unter antipsychotischer Medikation stabilisierte, sodass sie in ein Therapieprogramm auf der Subakutstation integriert werden konnte. Ihr psychopathologisches Zustandsbild ist derzeit stabil. Es ist geplant, sie nach Norwegen zu überstellen, wobei noch kein konkreter Termin dafür feststeht.
Am 21.03.2019 wurde die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots vernommen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ das BFA gegen die BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass die BF sonst durch die Einbringung einer Beschwerde einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet erreichen könne, was aufgrund der von ihr (aufgrund ihrer psychischen Erkrankung) ausgehenden Gefährdung unbedingt zu vermeiden sei. Eine Entlassung aus der Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sei noch nicht absehbar. Es sei der BF aber zumutbar, den Verfahrensausgang in ihrem Heimatland, in das sie ungefährdet zurückkehren könne, abzuwarten.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der BF, mit der sie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sowie die Behebung des angefochtenen Bescheids, in eventu die Verkürzung des Aufenthaltsverbots, beantragt. Hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag und bringt zusammengefasst vor, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen sie unzulässig sei, weil sie die Tat während eines Krankheitsschubs ohne Verschulden verübt habe. Sie habe nicht vor, sich in Österreich niederzulassen, sei aber an der Möglichkeit einer Wiedereinreise zu touristischen Zwecken interessiert.
Das BFA legte die Beschwerde dem BVwG unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie einer ausführlichen Stellungnahme zur Beschwerde vor.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Fremdenregister.
Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag der BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Die Beschwerde richtet sich - zumindest implizit - auch gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat darüber gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).
Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise der BF geboten ist.
Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die BF zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (siehe VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053).
Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor, zumal das BFA selbst darauf hinweist, dass eine Entlassung der BF nicht absehbar ist und der Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots gemäß § 70 Abs 1 letzter Satz FPG ohnedies für die Dauer eines Freiheitsentzugs aufgeschoben ist, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde. Dazu gehört auch der Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs 1 StGB. Eine Entlassung der BF aus dem Maßnahmenvollzug setzt wiederum voraus, dass das Vollzugsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme richtet, nicht mehr besteht (§ 47 Abs 2 StGB).
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist hier daher nicht notwendig. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.
Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2213277.2.00Zuletzt aktualisiert am
03.02.2020