TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/18 G314 1257568-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.09.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1

Spruch

G314 1257568-4/6Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, nordmazedonischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids) beschlossen (A) und zu Recht erkannt (B):

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

(Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF) hält sich seit 2003 im Bundesgebiet auf. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2014, XXXX, wurde er als junger Erwachsener wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 130 erster Fall, 15 StGB) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG zu einer sechsmonatigen, zunächst bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt, die 2017 endgültig nachgesehen werden konnte. Die Tilgung wird voraussichtlich mit 25.09.2019 eintreten.

Der BF stellte (nach erfolglosen Asylanträgen am 22.08.2003 und am 25.02.2013) am 26.01.2015 einen weiteren Folgeantrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er zusammengefasst an, dass es - wie in den Vorverfahren - um Blutrache gehe, die seinem Vater in Nordmazedonien drohe. Auch er selbst fürchte, bei einer Rückkehr dorthin umgebracht zu werden. Er habe bei einer Benefizveranstaltung für Flutopfer in XXXX geholfen und an einer Demonstration für den kosovarischen Politiker XXXX, dem Kriegsverbrechen vorgeworfen würden, teilgenommen.

Nachdem der Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.10.2018, mit dem der Antrag des BF vom 26.01.2015 abgewiesen und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen worden war, mit dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 06.12.2018 aufgehoben und die Angelegenheit an das BFA zurückverwiesen worden war, wurde der BF am 12.04.2019 neuerlich vor dem BFA vernommen. Mit dem nunmehr angefochtenen, in zweiten Rechtsgang ergangenen Bescheid wurde sein Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), ihm kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nordmazedonien festgestellt (Spruchpunkt V.), keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 1 Z 1, 2 und 4 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VII.) und gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG der Verlust des Aufenthaltsrechts ab 26.01.2015 ausgesprochen (Spruchpunkt VIII.). Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass der BF aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme und kein Hinweis auf einen Sachverhalt vorliege, der gegen seine Abschiebung dorthin spräche. Seine strafgerichtliche Verurteilung rechtfertige zusammen mit weiteren Eintragungen im Kriminalpolizeilichen Aktenindex (KPA) die Annahme, dass sein Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Außerdem habe er keine Verfolgungsgründe vorgebracht.

In der gemeinsamen Beschwerde des BF und seiner Eltern, deren Anträge auf internationalen Schutz ebenfalls abgewiesen und gegen die ebenfalls Rückkehrentscheidungen erlassen worden waren, wird unter anderem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Die Beschwerde wird in Bezug auf den BF im Wesentlichen mit der ihm in Nordmazedonien drohenden Blutrache und den dort herrschenden bürgerkriegsähnlichen Zuständen begründet. Außerdem wird auf die Integration des BF, der sich seit 17 Jahren im Bundesgebiet aufhalte, hier die Schule besucht habe, einen Freundeskreis und eine Verlobte habe, Deutsch spreche und als Profiboxer tätig sei, hingewiesen.

Das BFA legte dem BVwG die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo sie am 16.07.2019 (und am nächsten Tag in der zuständigen Gerichtsabteilung der Außenstelle Graz) einlangten, und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Am 13.09.2019 urgierte das BFA eine Entscheidung des BVwG über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für das Teilerkenntnis maßgebliche Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG. Die strafgerichtliche Verurteilung des BF, die endgültige Strafnachsicht und die voraussichtliche Tilgung sind im Strafregister ersichtlich. Es sind keine Hinweise auf weitere Strafverfahren gegen den BF aktenkundig.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG grundsätzlich binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Soweit hier relevant, kann das BFA gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (Z 1), wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt (Z 2) oder wenn er keine Verfolgungsgründe vorgebracht hat (Z 4). Die Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG ist nicht zwingend, sondern das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Der BF stammt aus einem sicheren Herkunftsstaat gemäß § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 Z 4 HStV. Die Behörde hat aber eine einzelfallbezogene Abwägung der für und gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sprechenden Interessen unterlassen. Aus der einmaligen Verurteilung des BF zu einer bereits endgültig nachgesehenen Freiheitsstrafe kann angesichts des mehrjährigen Wohlverhaltenszeitraums in Freiheit nicht auf eine aktuell von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung notwendig machen würde, geschlossen werden. Der vom BFA in diesem Zusammenhang ergänzend herangezogene Kriminalpolizeiliche Aktenindex (KPA) enthält Informationen über die wegen des Verdachts einer vorsätzlich begangenen, von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung an die Staatsanwaltschaften erstatteten Abschlussberichte der Kriminalpolizei (siehe § 57 SPG iVm § 100 Abs 2 StPO), ist aber für sich genommen kein taugliches Beweismittel dafür, dass der BF die den Eintragungen zugrunde liegenden Taten tatsächlich begangen hat oder dass es sich dabei um ein (strafbares bzw. die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdendes) Fehlverhalten handelt.

Zwar hat der BF keine maßgeblichen neuen Verfolgungsgründe vorgebracht, aufgrund seines weit über zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet und des Vorhandenseins weiterer integrationsbegründender Merkmale (Schulbesuch, Deutschkenntnisse, sportliches Engagement, Sozialkontakte) kann jedoch eine Verletzung von Art 8 EMRK durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht ausgeschlossen werden. Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheids ist daher zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Von der Behörde wurden bei der Vorlage der Akten an das BVwG umfangreiche Aktenbestandteile von der Akteneinsicht ausgenommen, wobei der Grund dafür zum Teil nicht nachvollzogen werden kann. In diesem Zusammenhang wird auf § 17 Abs 3 AVG und § 21 Abs 2 VwGVG hingewiesen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.1257568.4.00

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten