TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/20 G314 1234426-4

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Veröffentlicht am 20.09.2019
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Entscheidungsdatum

20.09.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G314 1234426-4/5Z

G314 1257565-4/6Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der nordmazedonischen Staatsangehörigen 1. XXXX, geboren am XXXX und 2. XXXX, geboren am XXXX, beide vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 07.06.2019, Zl. XXXX (zu 1.) und XXXX (zu 2.), beschlossen (A und B) sowie betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht erkannt (C):

A) Die Beschwerdeverfahren werden gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs 2

AVG, § 34 Abs 4 AsylG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

B) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

C) Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

(Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

D) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer (BF) sind seit den 1990er Jahren miteinander verheiratet. Sie halten sich seit 2002 (Erstbeschwerdeführer BF1) bzw. 2003 (Zweitbeschwerdeführerin BF2) im Bundesgebiet auf. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2016, XXXX, in der Fassung des Urteils des Oberlandesgerichts XXXX vom XXXX.2017, XXXX, wurde der BF1 wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen á EUR 4 verurteilt, weil er Angehörige seiner damaligen Lebensgefährtin mit der Zufügung von Körperverletzungen bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen. Die Strafe wurde mit XXXX.2017 vollzogen.

Nachdem sie bereits zwei erfolglose Asylanträge gestellt hatten, beantragten die BF2 am 26.01.2015 und der BF1 am 02.02.2015 neuerlich internationalen Schutz. Befragt zu den Fluchtgründen verwiesen sie im Wesentlichen auf das ihren früheren Anträgen zugrundeliegende Fluchtvorbringen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies die neuerlichen Folgeanträge der BF jeweils mit Bescheid vom 30.102.018 ab und erließ Rückkehrentscheidungen. Diese Bescheide wurden vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 20.12.2018 bzw. vom 21.02.2019 aufgehoben und die Angelegenheiten an das BFA zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang wurde die BF jeweils am 12.04.2019 vor dem BFA vernommen. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge auf internationalen Schutz jeweils zur Gänze abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), den BF kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.), jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nordmazedonien festgestellt (Spruchpunkt V.), keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt VI.), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 1 Z 1 und 4 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VII.). Betreffend den BF1 wurde die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auch auf § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG gestützt und gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG der Verlust des Aufenthaltsrechts ab 28.02.2017 ausgesprochen (Spruchpunkt VIII.). Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass die BF aus einem sicheren Herkunftsstaat stammten und kein Hinweis auf einen Sachverhalt vorliege, der gegen ihre Abschiebung dorthin spräche. Außerdem hätten sie keine Verfolgungsgründe vorgebracht. In Bezug auf den BF1 legte die Behörde dar, dass seine strafgerichtliche Verurteilung zusammen mit weiteren Eintragungen im Kriminalpolizeilichen Aktenindex (KPA) die Annahme rechtfertige, dass sein Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

In der gemeinsamen Beschwerde der BF und ihres am XXXX.1994 geborenen Sohnes, der ebenfalls am 26.01.2015 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, über den eine Negativentscheidung des BFA ergangen war, wird unter anderem die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Die Beschwerde wird auf die insbesondere dem BF1 in Nordmazedonien drohende asylrelevante Verfolgung und die dort herrschenden bürgerkriegsähnlichen Zustände hingewiesen. Außerdem werden der langjährige Aufenthalt der BF im Bundesgebiet, ihre daraus resultierende Integration und die Unbescholtenheit der BF2 hervorgehoben.

Das BFA legte dem BVwG die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, wo sie am 16.07.2019 (und am nächsten Tag in der zuständigen Gerichtsabteilung der Außenstelle Graz) einlangten, und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für das Teilerkenntnis maßgebliche Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG. Die strafgerichtliche Verurteilung des BF1 ergibt sich aus den vorliegenden Strafurteilen. Sie ist auch im Strafregister ersichtlich. Es sind keine Hinweise auf weitere Strafverfahren gegen den BF1 aktenkundig.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Da die Ehe der BF bereits vor ihrer Einreise in das Bundegebiet bestanden hat, sind sie Familienangehörige iSd § 2 Abs 1 Z 22 AsylG, sodass insoweit ein gemäß § 34 Abs 4 und 5 AsylG gemeinsam zu führendes Familienverfahren vorliegt.

Da XXXX, der Sohn der BF, zum Zeitpunkt der nunmehrigen Antragstellung bereits volljährig war, ist er nicht als Familienangehöriger iSd § 2 Abs 1 Z 22 AsylG anzusehen, sodass insoweit kein Familienverfahren iSd § 34 AsylG vorliegt.

Zu Spruchteil B):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil C):

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG grundsätzlich binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Soweit hier relevant, kann das BFA gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (Z 1), wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt (Z 2) oder wenn er keine Verfolgungsgründe vorgebracht hat (Z 4). Die Entscheidung über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 1 BFA-VG ist nicht zwingend, sondern das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Die BF stammen aus einem sicheren Herkunftsstaat gemäß § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 Z 4 HStV. Die Behörde hat aber eine einzelfallbezogene Abwägung der für und gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sprechenden Interessen unterlassen. Aus der einmaligen Verurteilung des BF1 zu einer Geldstrafe kann nicht auf eine solche aktuell von ihm ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit geschlossen werden, die die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung notwendig machen würde. Der vom BFA in diesem Zusammenhang ergänzend herangezogene Kriminalpolizeiliche Aktenindex (KPA) enthält Informationen über die wegen des Verdachts einer vorsätzlich begangenen, von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung an die Staatsanwaltschaften erstatteten Abschlussberichte der Kriminalpolizei (siehe § 57 SPG iVm § 100 Abs 2 StPO), ist aber für sich genommen kein taugliches Beweismittel dafür, dass der BF1 die den Eintragungen zugrunde liegenden Taten tatsächlich begangen hat oder dass es sich dabei um ein (strafbares bzw. die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdendes) Fehlverhalten handelt.

Zwar haben die BF keine maßgeblichen neuen Verfolgungsgründe vorgebracht, aufgrund ihres weit über zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet kann jedoch eine Verletzung von Art 8 EMRK durch die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht ausgeschlossen werden. Spruchpunkt VII. der angefochtenen Bescheide ist daher jeweils zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Von der Behörde wurden bei der Vorlage der Akten an das BVwG umfangreiche Aktenbestandteile von der Akteneinsicht ausgenommen, wobei der Grund dafür zum Teil nicht nachvollzogen werden kann. In diesem Zusammenhang wird auf § 17 Abs 3 AVG und § 21 Abs 2 VwGVG hingewiesen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.1234426.4.00

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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