TE Bvwg Beschluss 2019/9/23 W247 2213073-2

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Veröffentlicht am 23.09.2019
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Entscheidungsdatum

23.09.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W247 2213073-2/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch RA XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.08.2019, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende

Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Dem Beschwerdeführer (BF) wurde von 13.06.2013 bis 14.09.2013 und von 16.05.2014 bis 10.11.2014 ein Visum C erteilt. Der BF reiste zuletzt im Jahr 2014 legal nach Österreich ein, da seine Mutter ( XXXX ) einen Österreicher geheiratet habe ( XXXX . Am 09.09.2014 stellte der BF einen Erstantrag eines Aufenthaltstitels Familienangehöriger. Derzeit ist der BF im Besitz einer Rot-Weiß-Rot Karte plus. Diese ist bis 01.12.2019 gültig. Seit 18.08.2014 hat der BF seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich.

1.2. Mit Urteil des LG Wels am 06.08.2019 (RK 06.08.2019) unter der GZ: XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens des schweren Raubs nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1, 2. Fall, StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt nachgesehen unter der Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

1.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 25.10.2018, VZ: XXXX wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG in die Ukraine zulässig ist. Zeitgleich wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 6 Jahren befristetes Einreiseverbot gegen ihn erlassen. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt. Eine fristgerecht gegen die Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 02.04.2019, Zl. XXXX hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., III. als unbegründet abgewiesen und erwuchs mit 03.04.2019 in Rechtskraft. Mit Beschluss des VfGH vom 29.04.2019, E 1521/2019-4, wurde dem Antrag der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge gegeben. Mit Beschluss des VfGH vom 12.06.2019, E 1521/2019-8 wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde dem VwGH zur Entscheidung abgetreten.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 12.07.2019 hat der BF bei der belangten Behörde den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt am gleichen Tag polizeilich ersteinvernommen. Zusammengefasst gab der BF im Wesentlichen an: Er habe sein Heimatland zuletzt am 17.04.2014 legal verlassen und sei über die Türkei nach Österreich eingereist. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab der BF an, dass er nicht geflüchtet sei. Er habe nach Österreich kommen wollen um bei seiner Familie zu sein. Befragt nach seinem Zielland Österreich gab er an, dass sein Stiefvater eine Firma habe und der BF einen Beruf habe erlernen wollen. Zuvor habe er sich aber behandeln lassen, da er an verschiedenen Krankheiten leide. So leide der BF Epilepsie und seit Geburt an psychischen Problemen. Sein Vater habe ihn ignoriert und der BF wisse über dessen Verbleib nicht Bescheid. Der BF gehöre der russischen Volksgruppe, könne kein Ukrainisch und werde bestraft, wenn er in öffentlichen Gebäuden Russisch sprechen würde. Des Weiteren müsse der BF in der Ukraine gegen die eigene Volkgruppe in der Ostukraine in den Krieg ziehen, wäre in Österreich sozialisiert worden und wäre somit mit Neid der ehemaligen Freunde und Bekannte konfrontiert. Er habe in der Ukraine niemanden und habe von einem Nachbarn in der Ukraine Morddrohungen erhalten, welcher gerade in der Ukraine im Gefängnis säße. In Österreich würde er seit 7 Monaten in einer Lebensgemeinschaft leben.

2.2. Am 28.02.2019 fand die niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA statt. Hier gab der BF, befragt nach ihrem Fluchtgrund, im Wesentlichen Folgendes an: Seine Oma, seine Mutter und seine Schwester würden jetzt in Österreich wohnen und in der Ukraine habe er niemanden. Befragt nach dem Grund für seinen Asylantrag gab der BF an: "Erstens ist es so, dass ich hier nicht bleiben darf und man will mich in die Ukraine schicken. In der Ukraine werden die Russen nicht gemocht. Noch dazu habe ich gesundheitliche Problem. Hier ist meine Familie dort habe ich niemanden. Als ich in Kharkov war, wurde ich von einem Pädophilen misshandelt. Falls ich meiner Familie jemals wem erzählen sollte, wird er die ganze Familie abstechen". Dieser Vorfall habe sich in einem Zeitraum ereignet, als die Familie schon vor gehabt habe, nach Österreich zu ziehen. Der BF würde regelmäßig zu einem Psychiater gehen, wäre in der Ukraine nur wegen seiner Epilepsie behandelt worden. Er bekäme in Österreich Tabletten, welche es in seiner Heimat nicht gäbe und man habe ihn in seiner Heimat in den Krieg schicken wollen. Ob er einen Einberufungsbefehl erhalten habe, wisse der BF nicht, glaube aber schon.

2.3. Am 02.08.2019 langte eine schriftliche beschwerdeseitige Stellungnahme zu den am 25.07.2019 übermittelten Länderfeststellungen zur Ukraine (Gesamtaktualisierung vom 29.05.2019) ein. Im Wesentlichen wurde auf die derzeitige unsichere politische Situation hingewiesen und den Umstand, dass immer noch Personen eingezogen würden. Weiters wurde auf den Gesundheitszustand des BF hingewiesen und den Mangel an Medikamenten für den BF im Herkunftsstaat bzw. dass dem BF diese immer verweigert worden wären. Auch würden viele Ersatzpräparate nicht den entsprechenden Wirkungsgrad haben und seien oftmals gefälscht. Auch sei die Grundversorgung nur auf dem Papier kostenlos. Weiters wäre die Behandlung der Russischen Volksgruppe in der Ukraine menschenunwürdig und diskriminierend.

2.4. Am 05.08.2019 wurde der BF vor der belangten Behörde im Beisein des Rechtsberaters und seines Stiefvaters einvernommen. Hierbei berichtete der BF von einem weiteren Anfall und legte medizinische Unterlagen vor. Der BF leide neben seiner Epilepsie auch seit Geburt an psychischen Krankheiten.

2.5. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.08.2019, wurde unter Spruchpunkt III. gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, BFA-VG), idgF., einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

1.5. Der nähere erstbehördliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

1.6. Mit Eingabe vom 16.09.2019 brachte der gewillkürte Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde ein.

1.7. Die Beschwerdevorlage wurde von der belangten Behörde am 17.09.2019, mit 19.09.2019 hg. einlangend, an das BVwG übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Zuständigkeit und Verfahren

Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet gemäß § 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, unter anderem über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z 1).

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen nicht getroffen, weswegen gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchteil A): Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

2. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Aufgrund der Tatsache, dass im vorliegenden Fall ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in ihr Herkunftsland eine reale Gefahr einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Bestimmungen bedeuten würde, war der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Aufgrund des derzeitigen sprunghaften Anstiegs des Einganges von Fristakten war binnen Wochenfrist in casu nur eine Grobprüfung des Falles möglich.

3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylverfahren, aufschiebende Wirkung, Menschenrechtsverletzungen,
Mitwirkungspflicht, real risk, reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W247.2213073.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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