TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/25 G314 2221609-1

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Veröffentlicht am 25.09.2019
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Entscheidungsdatum

25.09.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2

Spruch

G314 2221609-1/5E

ENDERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des rumänischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2019,Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu Recht:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahin abgeändert, dass es in Spruchpunkt I. zu lauten hat:

"Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen."

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2019, XXXX, wurde der Beschwerdeführer (BF) wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit dem Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14.05.2019 wurde der BF aufgefordert, sich zu der deshalb beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern und konkrete Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich und zu seinen privaten und familiären Verhältnissen zu beantworten. Dieser Aufforderung kam er nicht nach.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung des BF und dem Fehlen entgegenstehender sozialer, familiärer und beruflicher Anknüpfungspunkte begründet.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, mit der er primär die Behebung des angefochtenen Bescheids und hilfsweise die Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbots beantragt. Eventualiter wird auch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt und die Zulassung der (ordentlichen) Revision beantragt. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Behörde das Parteiengehör durch die Unterlassung seiner Einvernahme verletzt habe. Sein Privat- und Familienleben sei nicht berücksichtigt worden, zumal er, seine Lebensgefährtin und seine Geschwister mit ihren Familien seit 2018 in XXXX lebten und er selbst bis zu seiner Verurteilung hier erwerbstätig gewesen sei. Strafrechtliche Verurteilungen würden nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot notwendig machen, zumal der BF seine Taten sehr bereue und in Rumänien nicht vorbestraft sei. Er sei hier wegen Depressionen und Angstzuständen in ärztlicher Behandlung.

Das BFA legte die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Teilerkenntnis vom 07.08.2019 wies das BVwG den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zurück und die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III.) ab. Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

Am 12.08.2019 langte beim BVwG der ECRIS-Auszug des BF ein.

Feststellungen:

Der Beschwerdeführer (BF) ist ein am XXXX in der rumänischen Stadt XXXX geborener rumänische Staatsagehöriger. Er spricht Rumänisch. XXXX wurde er von einem Gericht in XXXX wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren verurteilt; gleichzeitig wurde ihm vorübergehend das (aktive und passive) Wahlrecht aberkannt.

Ab März 2018 hielt sich der BF im österreichischen Bundesgebiet auf. Er war hier zwischen XXXX.05.2018 und XXXX.12.2018 mit Unterbrechungen (insgesamt ca. drei Monate lang) als Arbeiter vollversichert erwerbstätig. Am XXXX.11.2018 wurde ihm eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt. Zwischen 07.12.2018 und 06.06.2019 bezog er Krankengeld. Aktuell geht er keiner Erwerbstätigkeit nach und ist in Österreich auch nicht mehr krankenversichert.

Der BF ist ledig und kinderlos. Ab XXXX.03.2018 war er an einer Adresse in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet, von wo er jedoch mit XXXX.08.2019 amtlich abgemeldet wurde, weil er an einen unbekannten Ort verzogen war. Aktuell besteht in Österreich keine Wohnsitzmeldung des BF. Diverse Angehörige des BF sowie seine Lebensgefährtin, die an derselben Adresse wie er mit Hauptwohnsitz gemeldet waren, sind mittlerweile ebenfalls von dort abgemeldet und in Österreich nicht mehr meldebehördlich erfasst.

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2019, XXXX, wurde der BF wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX.2018 seinem Opfer eine Glasflasche mit dem Boden voran ins Gesicht rammte, was zum Bruch von drei Schneidezähnen führte. Besondere Milderungs- oder Erschwerungsgründe lagen nicht vor, ebensowenig die Voraussetzungen für eine diversionelle Erledigung.

Der BF war in Österreich wegen Angstzuständen und Depressionen in fachärztlicher Behandlung und erhielt in eine Psychopharmakatherapie.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich ohne relevante Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus den Angaben im Strafurteil sowie aus dem Beschwerdevorbringen, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR).

Die Feststellungen zur Identität des BF, zu seinem Geburtsort und seinem Familienstand beruhen auf dem ZMR-Auszug und auf den entsprechenden Feststellungen im Strafurteil. Rumänische Sprachkenntnisse sind aufgrund seiner Herkunft plausibel, zumal er sich erst ab Anfang 2018 in Österreich aufhielt. Eine Verständigung mit der im Strafverfahren beigezogenen Dolmetscherin für Rumänisch war offenbar problemlos möglich. Anhaltspunkte für Deutschkenntnisse des BF sind im Verfahren nicht hervorgekommen und werden insbesondere auch von ihm selbst nicht behauptet.

Die rumänische Vorstrafe des BF geht aus dem ECRIS-Auszug vom 12.08.2019 hervor.

Die vom BF im Bundesgebiet ausgeübte Erwerbstätigkeit ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass er aktuell wieder erwerbstätig oder anderweitig krankenversichert ist, wie insbesondere der Versicherungsdatenauszug zeigt. Die dem BF erteilte Anmeldebescheinigung ist im Fremdenregister dokumentiert.

Die Feststellungen zu der vom BF in Österreich begangenen Straftat, zu seiner Verurteilung und zu den Strafzumessungsgründen basieren auf dem Strafurteil. Die Rechtskraft der Verurteilung wird durch den entsprechenden Eintrag im Strafregister, in dem keine weiteren Verurteilungen aufscheinen, und im ECRIS belegt.

Aus dem ZMR geht insbesondere auch hervor, dass der BF und die anderen rumänischen Staatsangehörigen, die 2018 wie er an der AdresseXXXX in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet waren (siehe Seiten 61 und 63 der Akten des Verwaltungsverfahrens), aktuell dort nicht mehr gemeldet sind und auch keine andere Wohnsitzmeldung im Inland aufweisen. Dies steht im Einklang mit der auf der Sachverhaltsdarstellung der Polizeiinspektion XXXX vom 26.06.2019 basierenden Feststellung, dass der BF an seiner früheren Meldeadresse nach den Angaben des angeblichen Unterkunftgebers unbekannt war. Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei den an derselben Adresse wie der BF in XXXX angemeldeten Personen um seine Lebensgefährtin und seine anderen in der Beschwerde genannten Angehörigen handelt, zumal in der Beschwerde geschildert wird, dass seine Schwägerin hier Zwillinge zur Welt gebracht habe und an der Adresse zwei Kinder gemeldet waren, die jeweils am XXXX.08.2018 zur Welt gekommen waren. Aktuell sind an dieser Adresse jedenfalls überhaupt keine rumänischen Staatsangehörigen mehr gemeldet.

Die medizinische Behandlung des BF ergibt sich aus dem mit der Beschwerde vorgelegten Befundbericht vom 15.05.2019; dies steht im Einklang mit dem Bezug von Krankengeld, zumal laut dem Befundbericht eine Entlastung durch Krankenstand notwendig war.

Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung des BF in Österreich.

Rechtliche Beurteilung:

Die in der Beschwerde behauptete Verletzung des Parteiengehörs liegt nicht vor, zumal der BF von der Behörde aufgefordert worden war, zum konkret dargelegten Ergebnis des Beweisverfahrens schriftlich Stellung zu nehmen und dazu Fragen zu beantworten. Seine persönliche Einvernahme war nicht zwingend geboten. Selbst eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs im Verfahren vor dem BFA wurde jedenfalls durch die mit der Beschwerde an das BVwG verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert, zumal der angefochtene Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergibt (siehe VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0104).

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG und Art 16 Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs 4 Z 18 FPG) erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots der in Art 28 Abs 2 Freizügigkeitsrichtlinie und § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab - der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs 1 FPG angesiedelt ist - heranzuziehen (VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH Ra 2016/21/0075).

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Als Staatsangehöriger von Rumänien ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Aufgrund seines deutlich unter fünfjährigen Aufenthalts in Österreich ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden. Dabei hat das BFA hier zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots bejaht, zumal sich die Gefährlichkeit des BF in der schwerwiegenden Verletzungshandlung (Stoß mit dem Boden einer Glasflasche, die zum Bruch von drei Zähnen des Opfers führte) besonders nachdrücklich manifestiert hat (siehe VwGH 10.09.2018, Ra 2018/19/0169) und auch die vorangegangene (wenn auch nicht einschlägige) Verurteilung in Rumänien und die dort verhängte empfindliche Freiheitsstrafe ihn nicht von der neuerlichen Straftat abhalten konnten. Der BF wurde nur wenige Monate nach seiner Einreise in das Bundesgebiet straffällig und zu einer mehrmonatigen, die Grenze des § 53 Abs 3 Z 1 FPG deutlich übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt. Aktuell kann ihm daher keine positive Zukunftsprognose attestiert werden. In diesem Zusammenhang ist auch aus der bedingten Nachsicht der Strafe für sich genommen nichts zu gewinnen (vgl VwGH 22.05.2014, Ro 2014/21/0053). Er wird den Wegfall der durch die strafgerichtliche Verurteilung indizierten Gefährlichkeit erst durch einen längeren Zeitraum des Wohlverhaltens in Freiheit unter Beweis stellen müssen (vgl VwGH 22.03.2018, Ra 2017/22/0194). Die seit der Tat und der Verurteilung des BF vergangene Zeit reicht dafür noch nicht aus, zumal er seine Legalbewährung erst durch die Vermeidung eines Rückfalls während der Probezeit unter Beweis stellen muss. Dazu kommt, dass er aktuell weder erwerbstätig noch krankenversichert ist und im Inland keine Wohnsitzmeldung mehr besteht.

Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF ist verhältnismäßig, weil er im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht und keinen Krankenversicherungsschutz hat. Er hielt sich erst ab März 2018 in Österreich auf und war hier zwischen Mai und Dezember 2018 mit Unterbrechungen jeweils nur ganz kurz erwerbstätig. Die Psychopharmakatherapie kann auch in Rumänien fortgesetzt werden. Die Angehörigen des BF, die mit ihm nach Österreich gekommen waren, sind mittlerweile nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet.

Das Aufenthaltsverbot gegen den BF ist zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte Dritter) dringend geboten. Seinem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich steht das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung entgegen, dem aufgrund seiner Straffälligkeit ein sehr großes Gewicht beizumessen ist. Unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftat und auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, überwiegt das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung sein gegenläufiges persönliches Interesse.

Die vom BFA mit fünf Jahren festgelegte Dauer des Aufenthaltsverbots ist jedoch angesichts des Umstands, dass der Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft und dem BF zur Gänze eine bedingte Strafnachsicht gewährt wurde, unverhältnismäßig, zumal er erstmals wegen eines Gewaltdelikts verurteilt wurde. Die Dauer des Aufenthaltsverbots ist auf ein dem Fehlverhalten des BF und seinen persönlichen Verhältnissen angemessenes Maß zu reduzieren. Das Gericht geht davon aus, dass aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der von ihm begangenen Straftaten unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe und der dreijährigen Probezeit ein dreijähriges Aufenthaltsverbot ausreicht, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einer nachhaltigen Abkehr von Straftaten zu bewegen. Während dieser Zeit sollte es dem BF möglich sein, seine Lebenssituation nachhaltig zu stabilisieren und seinen Gesinnungswandel durch die Vermeidung eines Rückfalls zu untermauern. Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit in teilweiser Stattgebung der Beschwerde auf drei Jahre herabzusetzen.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Nach dieser Bestimmung ist einem EWR-Bürger grundsätzlich ein einmonatiger Durchsetzungsaufschub zu gewähren, wovon nur ausnahmsweise Abstand genommen werden darf (VwGH 12.09.2013, 2013/21/0094). Im Hinblick auf die Gewaltkriminalität des BF und das Fehlen von Erwerbstätigkeit, Krankenversicherung und Wohnsitzmeldung ist es nicht zu beanstanden, dass ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt wurde. Die Gründe dafür decken sich im Wesentlichen mit den im Teilerkenntnis dargelegten Gründen für die Abweisung der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem Hintergrund nicht korrekturbedürftig.

§ 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt das Unterbleiben einer Verhandlung sogar dann, wenn deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC. Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zwar besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art 8 EMRK sonst relevanten Umstände. Daraus ist aber noch keine generelle Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Verfahren über aufenthaltsbeendende Maßnahmen abzuleiten. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH Ra 2016/21/0233).

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, unterbleibt die beantragte Verhandlung, von deren Durchführung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte.

Der Beschwerdeantrag auf Zulassung der (ordentlichen) Revision durch das BVwG ist angesichts der jedenfalls bestehenden Möglichkeit, eine außerordentliche Revision an den VwGH zu erheben, nicht zielführend, zumal die Beschwerde keine durch diesen Fall aufgeworfene Rechtsfrage von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG aufzeigt.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Gefährdungsprognose, Herabsetzung,
Interessenabwägung, Milderungsgründe, unverhältnismäßiger Eingriff

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2221609.1.01

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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