TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/11 G314 2198293-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.10.2019
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Entscheidungsdatum

11.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G314 2198293-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des kosovarischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Peter LECHENAUER und Dr. Margrit SWOZIL, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2018, Zl.: XXXX, betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK zu Recht:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 09.05.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 Abs 1 AsylG, konkret einer "Aufenthaltsberechtigung plus", weil Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt sei. In der Folge legte er dazu diverse weitere Urkunden vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag vom 09.05.2018 abgewiesen und gegen den BF gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Kosovo zulässig sei (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt (Spruchpunkt III.).

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, mit der der BF primär die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels, die Aufhebung der Rückkehrentscheidung und den Ausspruch, dass seine Abschiebung unzulässig sei, anstrebt. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass der Bescheid in die serbische Sprache übersetzt worden sei, die er nicht beherrsche, und in der Begründung (entgegen dem Spruch) dargelegt worden sei, dass seine Abschiebung nach Serbien zulässig sei. Es habe keine Einvernahme stattgefunden; er habe sich nicht zum Sachverhalt äußern können. Die von der Behörde vorgenommene Interessenabwägung sei mangelhaft. Der BF halte sich seit mehr als vier Jahren in Österreich auf, wo er sich stets wohlverhalten habe. Er besitze ein Sparbuch, sei finanziell abgesichert, habe Nebenjobs (etwa als Kellner) ausgeübt und verfüge über eine Einstellungszusage. Er habe hier während seines Studiums (durch Empfehlungsschreiben dokumentierte) Sozialkontakte geknüpft und spreche einwandfrei Deutsch. Sein Lebensmittelpunkt befinde sich in Österreich. Im Kosovo habe er aufgrund der angespannten Lage am Arbeitsmarkt keine Möglichkeit, seine Existenz dauerhaft zu sichern. Er habe wegen privater Probleme (das Kind seines Bruders sei nach einer problematischen Schwangerschaft, während der der BF der Familie beigestanden sei, kurz nach der Geburt verstorben) den geforderten Studienerfolg nicht erbringen können.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, erstattete eine Gegenäußerung zur Beschwerde und beantragte, sie und den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abzuweisen.

Mit den Eingaben vom 08. und 09.08.2019 legte der BF dem BVwG ein Konvolut von Empfehlungsschreiben, ein Arbeitszeugnis und eine Einstellungszusage vor.

Feststellungen:

Die BF wurde am XXXX in XXXX geboren. Er ist kosovarischer Staatsangehöriger und verfügt über einen am XXXX03.2013 ausgestellten und bis XXXX03.2023 gültigen kosovarischen Reisepass. Seine Muttersprache ist Albanisch.

Der BF hält sich seit Mai 2014 im Bundesgebiet auf und war seither immer wieder besuchsweise im Kosovo, wo seine Eltern nach wie vor leben. Er war in Österreich von Mai 2014 bis April 2015 an verschiedenen Adressen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Zwischen XXXX09.2015 und XXXX03.2016 bestand eine Nebenwohnsitzmeldung in einem Studentenheim in XXXX. Seither ist der BF dort durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Zwischen XXXX04.2014 und XXXX04.2017 verfügte der BF über Aufenthaltsbewilligungen als Studierender. Sein letzter Verlängerungsantrag vom 22.03.2017 wurde mit Bescheid vom 26.09.2017 abgewiesen, weil er den erforderlichen Studienerfolg nicht erreicht hatte. Der dagegen erhobenen Beschwerde des BF, die er im Wesentlichen damit begründete, dass der Studienerfolg wegen privater Probleme (sein Bruder habe einen Autounfall erlitten und das Kind seines anderen Bruders sei kurz nach der Geburt verstorben) nicht erreicht worden sei, gab das Landesverwaltungsgericht XXXX mit Erkenntnis vom 11.09.2017 keine Folge. Der Verfassungsgerichtshof erkannte der vom BF dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 13.11.2017 die aufschiebende Wirkung zu, lehnte aber mit Beschluss vom 13.12.2017 die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der BF brachte keine Revision ein. Obwohl er seither keine Aufenthaltsgenehmigung mehr hat, verließ er Österreich nicht.

Ab dem Wintersemester 2014/15 besuchte der BF als außerordentlicher Hörer einzelne Lehrveranstaltungen an der Universität XXXX. Am 29.01.2015, am 29.01.2016 und am 29.06.2017 absolvierte er jeweils einen Kurs "Deutsch als Fremdsprache" im Ausmaß von 9 ECTS (6 Semesterstunden) positiv, zuletzt für das Sprachniveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Im Wintersemester 2017/18 besuchte er einen weiteren Kurs "Deutsch als Fremdsprache" für das Sprachniveau B2. Die Ergänzungsprüfung aus dem Fach Deutsch hat er bislang nicht erfolgreich abgelegt.

Der BF verfügte zwischen Dezember 2014 und Juli 2015 im Bundesgebiet über eine Selbstversicherung nach § 16 Abs 2 ASVG. Von September 2015 bis April 2017, von November 2017 bis März 2018 und wieder ab April 2018 war der BF mit kurzen Unterbrechungen (zum Teil mehrfach) geringfügig beschäftigt; zwischen Juli und August 2016 und zwischen Jänner und März 2018 bestand eine Selbstversicherung gemäß § 19a ASVG. Im Juli 2017 wurde der Antrag, für ihn eine Beschäftigungsbewilligung für eine berufliche Tätigkeit als Gartenarbeiter zu erteilen, abgewiesen. Er hat (bei Vorliegen der entsprechenden Genehmigungen) eine Vollzeitstelle bei einem Hausbetreuungsunternehmen in XXXX in Aussicht, bei dem er bereits zuvor sehr zufriedenstellend als Winterdienstarbeiter beschäftigt gewesen war.

Ein Bruder des BF lebt mit seiner Familie in der Schweiz. In Österreich hat der BF keine nahen Angehörigen. Er wird von Freunden finanziell unterstützt und hatte bei der Antragstellung im Mai 2018 Ersparnisse von über EUR 11.000.

Der BF ist alleinstehend und kinderlos. Er hat in Österreich einen Freundeskreis und ist in einem Fußballverein aktiv. Er ist gesund und arbeitsfähig und in strafrechtlicher Hinsicht unbescholten.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der Gerichtsakten des BVwG.

Die Feststellungen beruhen vorwiegend auf den Angaben des BF in seinem ursprünglichen Antrag sowie auf den von ihm vorgelegten Urkunden.

Die Identität des BF wird durch den (dem BVwG in Kopie vorliegenden) unbedenklichen Reisepass belegt, aus dem sich sein Geburtsort ergibt. Auch seine Geburtsurkunde liegt vor.

Der Inlandsaufenthalt des BF ergibt sich aus seinen Angaben und aus den Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR). Der Gastvertrag mit dem Studentenheim wurde vorgelegt. Aus dem Empfehlungsschreiben der XXXX vom XXXX08.2019 geht (im Einklang mit dem ZMR) hervor, dass der BF noch immer dort wohnt. Da der BF zwischen April und September 2015 laut ZMR in Österreich keine Wohnsitzmeldung aufweist und von September 2015 bis März 2016 nur mit Nebenwohnsitz gemeldet war, ist davon auszugehen, dass er nach seiner Einreise im Mai 2014 das Bundesgebiet immer wieder verließ, um seine Familie zu besuchen. Auch der mit 03.06.2016 datierte Einreisestempel in den Schengenraum in seinem Reisepass spricht dafür, dass er zwischendurch in den Kosovo zurückkehrte.

Die dem BF erteilten Aufenthaltsbewilligungen sind im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert, aus dem sich auch die Abweisung des letzten Verlängerungsantrags ergibt. Die Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofs vom 13.11.2017 und vom 13.12.2017 wurden vorgelegt.

Die Feststellungen zum Studium des BF an der Universität XXXX beruhen auf den von ihm dazu vorgelegten Urkunden (Bestätigung des Studienerfolgs, Bestätigung vom 17.10.2017, Studienzeitbestätigung, Lehrveranstaltungszeugnisse). Die Feststellung, dass er die Ergänzungsprüfung aus Deutsch bislang nicht bestanden hat, basiert auf der entsprechenden Bestätigung vom 23.04.2018. Ein Beweis, dass der BF die Ergänzungsprüfung mittlerweile positiv absolviert hat, wurde nicht erbracht. Dies steht damit im Einklang, dass der BF keine Deutschprüfung für das Sprachniveau B2 nachgewiesen hat, was für ein ordentliches Studium an der Universität XXXXerforderlich ist (siehe XXXX, Zugriff am 03.10.2019), zumal seine letzte erfolgreich abgelegte Deutschprüfung das Sprachniveau B1 betraf.

Die Zeiten der Sozialversicherung und der Erwerbstätigkeit des BF ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug sowie aus dem Arbeitszeugnis vom 05.03.2018. Der Bescheid vom 28.07.2017 betreffend die Versagung einer Beschäftigungsbewilligung wurde vorgelegt. Eine Einstellungszusage für eine Vollzeitbeschäftigung bei der XXXX Liegenschaftsbetreuung Ges.m.b.H. & Co KG vom 07.08.2019 liegt vor. Da diese aktuell ist, muss auf die Frage, ob die zuvor vorgelegte Einstellungszusage der XXXX Hausbetreuung vom 04.10.2017 noch aufrecht ist, nicht eingegangen werden.

Der BF hat seine Ersparnisse durch Vorlage eines entsprechenden Kontoauszugs nachgewiesen. Die finanzielle Unterstützung ergibt sich aus dem dazu vorgelegten Schreiben. Der BF wies in der Beschwerde darauf hin, dass sein Bruder mit Familie in der Schweiz (und nicht in Österreich) lebt. Bei der Antragstellung verneinte der BF in Österreich lebende Familienangehörige. Es gibt keine Hinweise darauf, dass er Kinder hat oder verheiratet ist. Sein österreichischer Freundeskreis wird durch die zahlreichen vorgelegten Empfehlungsschreiben belegt und ist aufgrund des Studiums und der Erwerbstätigkeit hier plausibel. Sein sportliches Engagement wird durch das Schreiben vom 14.08.2017 untermauert und auch in Empfehlungsschreiben erwähnt. Es gibt keine Anhaltspunkte für ein ehrenamtliches Engagement des BF oder eine aktive Teilnahme bei anderen Vereinen.

Die Unbescholtenheit des BF geht aus dem Strafregister hervor. Im Verfahren sind keine Hinweise für gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit hervorgekommen.

Anhaltspunkte für über die getroffenen Feststellungen hinausgehende Integrationsmomente oder Anbindungen des BF in Österreich sind nicht aktenkundig, sodass von deren Fehlen auszugehen ist.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Da diese hier nicht ausgeschlossen wurde, kann sie der Beschwerde auch nicht zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag des BF ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Wenn die Beschwerde moniert, dass der angefochtene Bescheid (gemeint wohl: dessen Spruch und Rechtsmittelbelehrung) in eine dem BF nicht verständliche Sprache (Serbisch) übersetzt worden sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass eine unrichtige Übersetzung gemäß § 12 Abs 1 letzter Satz BFA-VG lediglich das Recht begründet, unter den Voraussetzungen des § 71 AVG wiedereingesetzt zu werden. Dies ist hier angesichts der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde nicht relevant.

Bei der Erwähnung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheids handelt es sich offenbar um einen unschädlichen Schreibfehler, zumal im Spruch richtig die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Kosovo festgestellt wird und eindeutig ist, dass dieser normative Inhalt von der Behörde auch so gewollt war, zumal entsprechende Feststellungen getroffen wurden.

Die Beschwerde begründet die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids unter anderem damit, dass dem BF keine Gelegenheit zur Äußerung geboten worden sei und keine Einvernahme stattgefunden habe. Eine allfällige Verletzung des Parteiengehörs durch das BFA ist aber als saniert anzusehen, weil der BF Gelegenheit hatte, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens in der Beschwerde gegen den (eine ausreichende Darstellung der Beweisergebnisse enthaltenden) erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen (siehe VwGH 12.08.2019, Ra 2019/20/0192).

Der BF ist als Staatsangehöriger des Kosovo Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 55 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.

§ 58 AsylG regelt das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß §§ 55 ff AsylG. Gemäß § 58 Abs 8 AsylG hat das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abzusprechen. Gemäß § 10 Abs 3 AsylG und § 52 Abs 3 FPG ist die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG grundsätzlich mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Bei der Beurteilung, ob die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF geboten ist, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Dabei muss ein Ausgleich zwischen dem Interesse des BF auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden werden. In die gebotene Gesamtbeurteilung sind alle gemäß Art 8 EMRK relevanten Umstände seit seiner Einreise einzubeziehen.

Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist hier gemäß § 9 Abs 2 Z 1 BFA-VG zu berücksichtigen, dass sich der BF nunmehr seit über fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält. Der VwGH hat wiederholt ausgesprochen, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0191). Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt ist dagegen regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen, außer wenn die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht zur soziale und beruflichen Integration genützt wurde (vgl. VwGH 08.11.2018, Ra 2016/22/0120). Der Inlandsaufenthalt des BF war bis Dezember 2017 rechtmäßig. Im Zusammenhang mit § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG ist dabei zu berücksichtigen, dass dem BF von Anfang bewusst sein musste, dass ihm die erteilten Aufenthaltstitel nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht vermitteln konnten (siehe VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0016), zumal ihm Aufenthaltsbewilligungen für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck des Studiums iSd § 8 Abs 1 Z 12 NAG erteilt wurden. Er konnte somit nie von einer Zulässigkeit des dauerhaften Verbleibs im Bundesgebiet ausgehen. Das relativiert die während seines Aufenthalts erlangte soziale Integration und die Dauer des Aufenthalts, der seit der endgültigen Abweisung seines letzten Verlängerungsantrags nicht mehr rechtmäßig war, entscheidend. Weder ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG noch die Beschwerde gegen die Entscheidung darüber begründen ein Aufenthalts- oder Bleiberecht (vgl. §§ 58 Abs 13 AsylG, 16 Abs 5 BFA-VG).

Im Inland besteht kein gemäß § 9 Abs 2 Z 2 BFA-VG zu berücksichtigendes Familienleben des erwachsenen, alleinstehenden und kinderlosen BF.

Unter Privatleben iSd Art 8 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR das Netzwerk persönlicher, sozialer und ökonomischer Beziehungen zu verstehen, die das Privatleben eines jeden Menschen ausmachen. Ein schutzwürdiges Privatleben ist nach § 9 Abs 2 Z 3 BFA-VG bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, ebenso nach § 9 Abs 2 Z 4 BFA-VG der Grad der Integration, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schul- und Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert. Zugunsten des BF sind dabei neben den durch Empfehlungsschreiben dokumentierten Bekanntschaften und Freundschaften sowie seiner sportlichen Aktivität zu berücksichtigen, dass er mittlerweile gute Deutschkenntnisse erworben hat, geringfügigen Beschäftigungen nachging und einen Vollzeitarbeitsplatz in Aussicht hat. Diese integrationsbegründenden Umstände werden jedoch gemäß § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG dadurch relativiert, dass sie im Bewusstsein eines unsicheren Aufenthalts entstanden, zumal er angesichts der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen (siehe oben) und des zuletzt ausbleibenden Studienerfolgs nicht von einer Erlaubnis zu einem nicht bloß vorübergehenden Verbleib im Bundesgebiet ausgehen durfte. Der Umstand, dass es ihm über mehrere Jahre hinweg nicht möglich war, zumindest die Ergänzungsprüfung in Deutsch erfolgreich abzulegen, wirkt sich jedenfalls nicht zu seinen Gunsten aus.

Der BF kann den Kontakt zu im Bundesgebiet lebenden Bezugspersonen auch ohne die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels durch wechselseitige Besuche in Österreich, im Kosovo oder in anderen Staaten sowie über diverse Kommunikationsmittel (Telefon, Internet) aufrecht halten.

Der BF hat nach § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG maßgebliche Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er den weitaus überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens verbrachte, zumal seine Eltern dort leben. Er spricht eine übliche Sprache und ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut. Mit seinen Ersparnissen, seiner Ausbildung und den bisher gesammelten Berufserfahrungen wird es ihm möglich sein, im Kosovo trotz schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen eine Existenz aufzubauen, zumal die finanzielle Unterstützung, die er während des Aufenthalts in Österreich erhielt, auch nach der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat fortgesetzt werden kann.

Die nach § 9 Abs 2 Z 6 BFA-VG relevante strafrechtliche Unbescholtenheit des BF vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Abgesehen vom unrechtmäßigen Aufenthalt seit Dezember 2017 liegen keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung iSd § 9 Abs 2 Z 7 BFA-VG vor.

Die vom BF vorgebrachten tragischen Ereignisse in seiner Familie (Unfall eines Bruders, schwierige Schwangerschaft und Tod des Kindes eines anderen Bruders kurz nach der Geburt) sind nicht geeignet, sein privates Interesse an einem Verbleib in Österreich maßgeblich zu verstärken.

Dem persönlichen Interesse des BF an einer Fortsetzung seines Privatlebens in Österreich steht das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber, wobei letzterem im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt - bei Berücksichtigung der starken Bindungen des BF zu seinem Heimatstaat und des von Anfang an bestehenden Bewusstseins eines unsicheren Aufenthalts - das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Die Integration des BF ist nicht so weit fortgeschritten, dass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung seines Privatlebens geboten wäre. Da er vor seinem nunmehrigen Aufenthalt in Österreich im Kosovo lebte, wo er familiäre Anknüpfungspunkte hat, ist davon auszugehen, dass ihm in seiner Heimat keine großen Hindernisse bei der Wiedereingliederung begegnen werden, zumal er alleinstehend, gesund und arbeitsfähig ist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Aufenthaltsberechtigung liegen somit nicht vor, sodass gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 52 Abs 3 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist. Die Gründe, warum diese nicht auf Dauer unzulässig ist, decken sich mit den Überlegungen zur Abweisung des Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG.

Der BF kann für einen neuerlichen Aufenthalt in Österreich, z.B. zur allfälligen Fortsetzung des Studiums, von seinem Heimatstaat aus einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG stellen. Es ist ihm zumutbar, einen allfälligen neuerlichen Aufenthalt im Bundesgebiet nach den gesetzlichen Vorgaben des NAG von dort aus zu legalisieren.

Für die gemäß § 52 Abs 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist die Abschiebung des BF in den Kosovo zulässig. Es liegen unter Berücksichtigung der stabilen Situation dort und der Lebensumstände des gesunden und arbeitsfähigen BF, der die Universitätsreife und erste Berufserfahrungen hat und dessen Eltern dort leben, keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden. Der BF wird in der Lage sein, in seiner Heimat, wo er auch Zugang zu den vorhandenen (wenn auch allenfalls bescheidenen) öffentlichen Leistungen und zur Gesundheitsversorgung hat, wieder für seinen Lebensunterhalt aufzukommen, ohne in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, unter Umständen auch mit Hilfe seiner Angehörigen. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen könnte, liegt aktuell im Kosovo - auch bei Berücksichtigung der schwierigen wirtschaftlichen Lage - jedenfalls nicht vor.

Gemäß § 55 FPG wird zugleich mit einer Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Diese beträgt - abgesehen von Fällen, in denen besondere Umstände vorliegen, die hier aber nicht behauptet wurden - 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheids. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.

Im Ergebnis ist der angefochtene Bescheid daher nicht korrekturbedürftig; die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Nach § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen - trotz Vorliegens eines Antrags - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des oder der Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm oder ihr einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.01.2019, Ra 2018/18/0272).

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt, der Sachverhalt anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung denkbar ist, unterbleibt die beantragte Beschwerdeverhandlung. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal in der Beschwerde kein von den nunmehr getroffenen Feststellungen abweichender Sachverhalt behauptet wurde und keine entscheidungserheblichen Widersprüche in den Beweisergebnissen bestehen.

Zu Spruchteil C):

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zu lösen waren. Bei der Interessenabwägung gemäß Art 8 EMRK, die das Schwergewicht der Beschwerde bildet, handelt es sich um eine typische Einzelfallbeurteilung.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Interessenabwägung, öffentliche
Interessen, Resozialisierung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2198293.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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