TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/7 W250 2223856-2

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Veröffentlicht am 07.11.2019
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Entscheidungsdatum

07.11.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W250 2223856-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Marokko, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der BF, er gibt an ein Staatsangehöriger von Marokko zu sein, reiste im Jahr 2015 von Libyen nach Spanien und weiter nach Italien, wo er zumindest zwei Jahre lebte. Am 06.03.2019 wurde der BF in einem Zug in Österreich aufgegriffen, als er nach Deutschland weiterreisen wollte. Über Dokumente verfügte der BF nicht. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 06.03.2019 wurde über den BF Schubhaft angeordnet.

2. Gegen den BF wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom XXXX eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 12.03.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt, der BF erhob Beschwerde.

3. Der BF stellte am 13.03.2019 während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, der Bescheid des Bundesamtes vom 12.03.2019 über die aufenthaltsbeendende Maßnahme wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.04.2019 ersatzlos behoben.

4. Am XXXX stellte das Bundesamt einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der marokkanischen Vertretungsbehörde.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 11.04.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen, es wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Marokko zulässig ist und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dem BF wurde keine Frist für eine freiwillige Ausreise eingeräumt.

Dieser Bescheid ist am 11.05.2019 in Rechtskraft erwachsen.

6. Der BF wurde aufgrund einer stationären medizinischen Behandlung am 06.06.2019 aus der Schubhaft entlassen. Nach Durchführung der Operation wurde über den BF mit Bescheid des Bundesamtes vom 09.06.2019 Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF am 10.06.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt und am selben Tag in Vollzug gesetzt.

7. Der BF zeigte sich am 05.09.2019 während der Anhaltung in Schubhaft einer Ärztin gegenüber sehr aggressiv und verletzte einen Polizeibeamten. Um seinen Wunsch auf Verlegung innerhalb des Polizeianhaltezentrums durchzusetzen drohte der BF damit sich selbst zu verletzen. Der BF riss einen Handgriff aus Metall von der Waschtischarmatur, warf diesen mehrmals mit voller Wucht gegen die Zellentür, wodurch ein Sicherheitsglas zersprang, und drohte mehrmals den Handgriff gegen Polizeibeamte zu schleudern. Er drohte auch weiterhin damit, sich selbst zu verletzen.

8. Der BF stellte zwar einen Antrag auf freiwillige Ausreise, zog diesen jedoch wieder zurück, nachdem ihm die von ihm erwartete finanzielle Unterstützung nicht in der von ihm gewünschten Höhe gewährt wurde.

9. Das Bundesamt führte am 07.10.2019 im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts eine Einvernahme des BF zu seiner Anhaltung in Schubhaft durch. Der BF gab im Wesentlichen an, dass es ihm bis auf eine Verletzung seiner Hand gut gehe, diese Verletzung werde während der Anhaltung in Schubhaft medizinisch behandelt. Er wisse nicht, warum er in Schubhaft angehalten werde, er habe keinen Bescheid erhalten, wonach er das Land verlassen müsse. Er würde nach Marokko zurückgehen, wenn er Geld bekäme. Da er keine Verbrechen begangen habe, gebe es aus seiner Sicht keinen Grund ihn weiter in Schubhaft anzuhalten. Er habe betreffend die Vorfälle am 05.09.2019 keinen Polizisten geschlagen, tatsächlich sei er von einem Polizisten geschlagen worden.

10. Das Bundesverwaltungsgericht stellte mit Erkenntnis vom 10.10.2019 fest, dass die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft verhältnismäßig ist.

11. Am 28.10.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt erneut gemäß § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. - I.11.)

Der unter Punkt I.1. bis I.11. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF hat bisher keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bescheinigen, seine Identität steht nicht fest. Er gibt an, ein Staatsangehöriger Marokkos zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten.

2.2. Der BF wird seit 10.06.2019 in Schubhaft angehalten. Davor wurde der BF bereits von 06.03.2019 bis 06.06.2019 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF wurde im Juni 2019 an der linken Hand operiert, die Nachversorgung erfolgt in der Schubhaft durch eine Salbe. Der BF ist gesund und haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

3.1. Der BF reiste am 06.03.2019 unrechtmäßig nach Österreich ein und beabsichtigte unrechtmäßig nach Deutschland weiterzureisen. Davor hielt sich der BF ca. zwei Jahre unrechtmäßig in Italien auf.

3.2. Der BF stellte am 14.03.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zu diesem Zeitpunkt lag auf Grund der mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.03.2019 erlassenen Rückkehrentscheidung eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor, da einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt worden war, und wurde der BF in Schubhaft angehalten.

3.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 11.04.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vollinhaltlich abgewiesen und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.4. Der BF ist nicht kooperativ. Er hat am 05.09.2019 im Zuge einer medizinischen Untersuchung wiederholt gedroht sich selbst zu verletzen, wenn seinem Wunsch auf Verlegung innerhalb des Polizeianhaltezentrums nicht nachgekommen werde. Er hat die diensthabende Ärztin und den polizeilichen Sanitäter beschimpft. Er hat gegen die Tür des Wartezimmers geschlagen und getreten. Er hat einen Polizisten attackiert und diesem Kratzwunden im Gesicht zugefügt. Der BF wurde daraufhin in die Sicherheitsverwahrung Klasse 1 verbracht. Dort riss er einen metallischen Handgriff (203g Messing) der Waschtischarmatur aus der Verankerung und warf diesen mehrmals gegen die Zellentür. Dadurch zerbrach ein Sicherheitsglas. Obwohl der BF aufgefordert wurde sich zu beruhigen stellte sich dieser drohend den Polizeibeamten gegenüber und drohte mehrmals den metallischen Handgriff gegen die Polizisten zu schleudern. Der BF hatte Glassplitter der zerbrochenen Scheibe in der Hand und drohte damit sich selbst zu verletzen. Nach einiger Zeit und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch gelang es den BF zu beruhigen und diesen in einer anderen Sicherheitszelle (Klasse III) unterzubringen. Dort versuchte der BF die gepolsterte Verkleidung herauszureißen und die Sprechanalage zu beschädigen. Der BF wurde daraufhin in ein anderes Polizeianhaltezentrum verlegt.

3.5. Der BF stellte am 25.06.2019 einen Antrag auf freiwillige Ausreise, wobei er angab, dass er sich selbstständig ein Heimreisezertifikat besorgen werde, sobald er EUR 1.000,-- an Reintegrationshilfe erhalte. Diesen Antrag zog der BF jedoch wieder zurück, da ihm keine Geldleistung gewährt wurde.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

4.1. In Österreich leben keine Familienangehörigen des BF, über ein soziales Netz verfügt er nicht. Der BF geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und verfügt über ein existenzsicherndes Vermögen ebensowenig wie über einen gesicherten Wohnsitz.

4.2. Das Bundesamt stellte am XXXX einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der marokkanischen Vertretungsbehörde. Urgenzen erfolgten am XXXX , am XXXX sowie am XXXX . Eine Abschiebung des BF erfolgt, sobald für diesen ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird. Da die Zusammenarbeit mit den marokkanischen Behörden gut ist, ist innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftdauer mit der Abschiebung des BF zu rechnen.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 10.06.2019 und der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2019 wonach die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorliegen hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12.03.2019 betreffend, in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die erste Schubhaftprüfung betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem gegenständlichen Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12.03.2019 sowie die erste Schubhaftprüfung betreffend.

1.2. Aus dem Verwaltungsakt sowie dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde des BF gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 12.03.2019 betreffend ergibt sich, dass der BF bisher keinerlei Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. An seiner Volljährigkeit besteht kein Zweifel. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren bisher nicht hervorgekommen. Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz rechtskräftig vollinhaltlich abgewiesen wurde, ist er weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister.

1.3. Dass der BF seit 10.06.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, dass er bereits von 06.03.2019 bis 06.06.2019 in Schubhaft angehalten wurde ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

1.4. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim BF eine Haftunfähigkeit vorliegen würde. Der BF wurde zwar im Juni 2019 an der linken Hand operiert, eine die Unverhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft oder gar seine Haftunfähigkeit lassen sich daraus nicht ableiten, da der BF selbst in seiner Einvernahme vom 07.10.2019 angab, dass er im Rahmen der Schubhaft medizinisch versorgt wird und lediglich die Behandlung mit einer Salbe erforderlich ist.

2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

2.1. Die Feststellungen zur unrechtmäßigen Einreise des BF, seiner Absicht nach Deutschland weiterzureisen und seinem zweijährigen Aufenthalt in Italien ergeben sich aus den Aussagen des BF in seinen Einvernahmen am 06.03.2019 und 19.03.2019.

2.2. Die Feststellungen zu der im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz durchsetzbaren Rückkehrentscheidung beruhen auf der im Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde des BF gegen den Bescheid vom 12.03.2019 betreffend einliegenden Bescheidausfertigung, dass der BF damals in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich ebenfalls aus diesem Akt.

2.3. Die Feststellungen zur Entscheidung im Asylverfahren des BF sowie der unter einem erlassenen Rückkehrentscheidung ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.

2.4. Die Feststellungen zu den Vorfällen am 05.09.2019 ergeben sich aus dem Bericht der Landespolizeidirektion vom 05.09.2019, dem Amtsvermerkt vom 05.09.2019 sowie aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres. Dass der BF in seiner Einvernahme vom 07.10.2019 nunmehr angibt keinen Polizisten geschlagen zu haben, sondern selber geschlagen worden zu sein, ist nicht mit den im Akt erliegenden Aktenvermerken und dem Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres in Einklang zu bringen. Das Gericht hat keinen Grund an den beigelegten Aktenvermerken der Landespolizeidirektion zu zweifeln, diese sind schlüssig und machen einen glaubhaften Eindruck. Das Gericht geht davon aus, dass der BF tatsächlich keine Verantwortung für sein Verhalten übernimmt und er versucht, seine Beteiligung herunterzuspielen. Bereits aufgrund des Verhaltens des BF am 05.09.2019 sowie seiner diesbezüglichen Verantwortung dazu, geht das Gericht davon aus, dass sich der BF tatsächlich nicht kooperativ verhalten werde, sondern dieser bei einer Freilassung aus der Schubhaft flüchten und sich vor den Behörden verborgen halten werde. Dies ist auch mit der Antragsrückziehung des BF betreffend den Antrag auf freiwillige Ausreise in Einklang zu bringen. Würde der BF tatsächlich freiwillig das Land verlassen und mit den Behörden kooperieren wollen, so hätte er diesen Antrag nicht zurückgezogen. Der BF ist daher nicht als kooperativ und auch nicht als vertrauenswürdig einzustufen. Das Gericht geht daher aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des BF davon aus, dass dieser nicht vertrauenswürdig ist und dass der BF bei einer Entlassung aus der Schubhaft untertauchen und sich vor den Behörden verborgen halten werde.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft

3.1. Die Feststellungen zu den mangelnden Familienangehörigen in Österreich, dem mangelnden sozialen Netz, dem fehlenden Wohnsitz sowie der mangelnden beruflichen Tätigkeit ergeben sich aus den bisherigen übereinstimmenden Angaben des BF im Verwaltungsverfahren.

3.2. Die Feststellungen zu den Heimreisezertifikatsanträgen sowie zur Korrespondenz mit der marokkanischen Vertretungsbehörde ergeben sich aus den vom Bundesamt vorgelegten Schriftstücken sowie aus der Stellungnahme des Bundesamtes. Die diesbezüglichen Angaben und Schriftstücke sind schlüssig und nachvollziehbar, sodass die entsprechenden Feststellungen getroffen werden konnten.

Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates und dem Umstand, dass das Bundesamt einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats gestellt hat und dies regelmäßig urgiert hat.

3.3. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit 10.06.2019 sowie der Schubhaftprüfung am 10.10.2019 ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Es liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor, das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ist anhängig, weshalb die Abschiebung des BF grundsätzlich möglich erscheint.

3.1.5. Im vorliegenden Fall geht das Gericht auch weiterhin von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG aus. Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf. Der BF ist nicht kooperativ, er hat bereits versucht durch aggressives Verhalten seine Verlegung zu erpressen. Er hat einen Polizeibeamten verletzt. Der BF hat sich bereits in mehreren EU-Staaten aufgehalten, ohne dort entsprechende Anträge auf internationalen Schutz zu stellen, der BF wollte durch Österreich durchreisen um in einen anderen Mitgliedstaat zu gelangen. Der BF stellte auch erst während seiner ersten Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Der BF ist im Bundesgebiet überhaupt nicht sozial verankert, er verfügt in Österreich weder über Familienangehörige noch über Freunde noch über einen eigenen Wohnsitz oder über eine berufliche Verankerung. Es liegt eine den BF betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Der BF ist nicht kooperativ. Er ist in Österreich weder beruflich noch sozial verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach. Der BF hat in Österreich einen Haftraum beschädigt, einen Polizisten beschimpft, einen Polizisten verletzt, Polizeibeamte bedroht und eine Amtsärztin beschimpft.

Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist.

Es ist davon auszugehen, dass der BF, insbesondere aufgrund der bevorstehenden Abschiebung, nach einer Freilassung aus der Schubhaft untertauchen werde um sich seiner Abschiebung zu entziehen.

Es liegt daher auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 FPG weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.6. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF hat keinerlei familiäre oder soziale Bindungen in Österreich. Einer legalen Erwerbstätigkeit geht der BF in Österreich nicht nach. Er hat in Österreich keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

Den persönlichen Interessen des BF kommt daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung - zumal der BF bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er sich nicht rechtskonform verhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er dieses Verhalten in Zukunft unter Berücksichtigung der bevorstehenden Abschiebung ändert.

Das Bundesamt hat bereits am XXXX die Ausstellung eines Heimreisezertifikats beantragt und diesen Antrag auch in regelmäßigen Abständen urgiert. Es ist mit einer Abschiebung des BF zu rechnen, sobald ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird. Da die Zusammenarbeit mit den Vertretungsbehörden von Marokko grundsätzlich als gut zu bewerten ist, ist mit einer Abschiebung des BF innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer zu rechnen.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die angeordnete Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, wobei festgehalten wird, dass die Dauer der Schubhaft maßgeblich dadurch bedingt ist, dass der BF keinerlei Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat. Bei einer gemäß § 80 Abs. 4 Z. 1 und Z. 2 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erscheint die seit 10.06.2019 aufrechte Schubhaft auch unter Berücksichtigung der Anhaltung des BF von 06.03.2019 bis 06.06.2019 in Schubhaft als verhältnismäßig.

3.1.7. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung kann auf Grund der fehlenden finanziellen Mittel des BF nicht zur Anwendung kommen. Aber auch die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF besteht. Dies umso mehr, als bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung vorliegt und der BF durch Österreich lediglich durchzureisen beabsichtigte um nach Deutschland zu gelangen.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

3.1.8. Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine "ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre über die Frist von vier Monaten hinausgehende Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.9. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat. Das Bundesamt hat die maßgeblichen Feststellungen sowie die tragende Beweiswürdigung offengelegt. Das Bundesverwaltungsgericht teilt diese Erwägungen.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Ob die weitere Anhaltung in Schubhaft verhältnismäßig ist, ist eine Frage des konkreten Einzelfalles, sodass keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung vorliegt.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf, Überprüfung,
Untertauchen, Verhältnismäßigkeit, Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W250.2223856.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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