TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/21 W124 2212322-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.2019
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Entscheidungsdatum

21.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W124 2212322-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , zu Recht erkannt:

A) XXXX .

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am XXXX den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme, der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Jat angehöre. Er spreche die Sprachen Punjabi und Hindi. Im Herkunftsstaat würde noch die Mutter des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, dass sein Vater einen politischen Streit mit einem namentlich genannten mächtigen Mann gehabt habe. Dieser hätte wollen, dass sein Vater der Partei beitreten und wählen solle. Die Leiche seines Vaters sei in einem anderen Bezirk aufgefunden worden. Einige Jahre später sei der Bruder des BF ebenfalls im Auftrag dieses Mannes ermordet worden. Als er dann älter geworden sei und in ein College gegangen sei, habe ihn dieser Mann ebenfalls bedroht. Die Mutter des BF habe davon erfahren und Angst um ihr Leben gehabt. Deshalb habe diese beschlossen, dass er Indien verlassen solle.

2. Am XXXX fand in der Folge eine niederschriftliche Einvernahme statt, welche folgenden Verlauf nahm:

(.......)

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP: Nein.

LA: Werden Sie in gegenständlichem Verfahren vertreten? Liegt diesbezüglich eine Vollmacht vor? In welchem Umfang?

VP: Ich werde nicht vertreten.

LA: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten?

VP: Ja.

LA: Stehen Sie derzeit in ärztlicher Behandlung?

VP: Nein.

LA: Müssen Sie derzeit Medikamente einnehmen?

VP: Nein.

LA: Sollten Sie eine Pause einlegen wollen, kann die Einvernahme jederzeit unterbrochen werden. Sie können sich auch selbstständig beim Wasserkrug bedienen.

VP: Danke.

LA: Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und wahrheitsgemäß darlegen. Sollte die Behörde auf Unwahrheiten oder Verheimlichungen stoßen, kann dies negative Folgen auf das Verfahren haben.

Alles was Sie im Asylverfahren vorbringen wird vom Bundesamt vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet.

LA: Haben Sie das verstanden?

VP: Ich habe das verstanden.

LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

VP: Ja ich verstehe ganz gut.

LA: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

VP: Ja, habe ich.

LA: Wurden Ihnen Ihre Angaben der EB jeweils rückübersetzt und korrekt protokolliert?

VP: Ja, alles war richtig.

LA: Möchten sie zu den gemachten Angaben Ergänzungen machen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie ein Dokument, das Ihre Identität nachweisen könnte?

VP: Nein.

LA: Wo sind Ihre Dokumente?

VP: Mein Reisepass ist in Russland beim Schlepper geblieben. Sonst habe ich keine Dokumente gehabt. In Indien habe ich einen Führerschein, den ich Ihnen zukommen lassen kann. Sonst habe ich nichts vorzulegen.

LA: Wer hat Ihren Führerschein?

VP: Ein Bekannter in Indien hat meinen Führerschein. Er hat mir das gesagt.

LA: Warum hat Ihr Bekannter den Führerschein?

VP: Der Führerschein ist nicht bei ihm, er war zufällig bei uns zu Hause und hat gesagt, dass mein Führerschein bei uns zu Hause liegt.

LA: Warum schicken dann nicht Ihre Eltern den Führerschein?

VP: Meine Mutter wohnt nicht zu Hause und kommt selten nach Hause. Mein Vater ist schon gestorben.

LA: Wann ist Ihr Vater gestorben?

VP: Da war ich noch ein Kind, ich weiß es nicht genau.

LA: Wer wohnt in dem Haus, wo sich Ihr Führerschein befindet?

VP: Niemand wohnt dort.

LA: Was macht Ihr Bekannter in Ihrem Heimathaus, wenn niemand dort wohnt?

VP: Ich habe ihn einmal gebeten, dass er in unserem Haus schaut, ob alles in Ordnung ist und deshalb war er dort.

LA: Wo wohnt Ihre Mutter?

VP: Sie ist alleinstehend und wechselt von einer Verwandten zur anderen.

LA: Warum wohnt sie nicht in ihrem Haus?

VP: Weil sie alleine ist und was soll sie alleine im Haus machen. Früher war ich zu Hause und wir haben gemeinsam gewohnt.

LA: Haben Sie Geschwister?

VP: Ich hatte nur einen Bruder, der schon verstorben ist vor ca. 4-5 Jahren. Die genaue Todesursache wissen wir nicht, aber wir haben den Verdacht, dass die Leute, die mit meinem Vater Streit gehabt haben, dies verursacht haben.

LA: Wie ist Ihr Bruder umgekommen?

VP: Er wurde entführt, man hat nicht gewusst wo er ist und dann später fand man seine Leiche.

LA: Wie alt war Ihr Bruder da?

VP: Es war mein älterer Bruder und er war bei der Entführung ca. 24-25 Jahre alt.

LA: Welches Jahr war das als er starb?

VP: Vor ungefähr 6-7 Jahren wurde er getötet.

LA: Wie heißen Sie, wann und wo wurden Sie geboren? Schildern Sie Ihren Lebenslauf!

VP: Ich heiße XXXX und bin am XXXX in Bezirk XXXX geboren im Bundesstaat Punjab geboren. Ich bin ein einem Nachbardorf XXXX , 12 Jahre, in die Schule gegangen und habe diese abgeschlossen. Dann habe an einem College in der Stadt XXXX begonnen. Ich war im letzten Jahr, als ich Indien verlassen habe.

LA: Welches College war das?

VP: Es war ein Bak-Studium, Fachrichtung Sprache Punjabi, Geschichte und Wirtschaft.

LA: Welche Staatsangehörigkeit haben Sie?

VP: Die Staatsangehörigkeit vom Indien.

LA: Welcher Volksgruppe und welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

VP: Ich bin Sikh und bin Jat.

LA: Sind Sie nun zum ersten Mal im Ausland?

VP: Ja.

LA: Haben Sie in Indien gearbeitet?

VP: Ich habe nur in der Landwirtschaft meiner Familie mitgeholfen während meines Studiums.

LA: Wie groß war die Landwirtschaft?

VP: Es war eine kleine Landwirtschaft nicht einmal ein halber Hektar.

LA: Wie bestreite Ihre Mutter Ihren Lebensunterhalt?

VP: Manchmal schicke ich Ihr Geld und sonst bekommt Sie Unterstützung von den Verwandten.

LA: Was hat Ihr Vater gearbeitet?

VP: Er war nur in der eigenen Landwirtschaft tätig.

LA: Wie gut konnte die Familie leben?

VP: Er hat zusätzlich Land gepachtet und bewirtschaftet und es war einigermaßen genug um ein normales Leben zu führen als Familie.

LA: Nachdem Ihr Vater starb, wer hat dann die Familie versorgt?

VP: Die Verwandten haben immer geholfen, ich weiß es nicht, ich war noch so klein.

LA: Wer hat Sie finanziell unterstützt beim Studium?

VP: Es war ein öffentliches College, wo man ganz wenig Studiengebühren zahlen musste.

LA: Wer hat nach dem Tod des Vaters und Bruders die Landwirtschaft bewirtschaftet?

VP: Ich und meine Mutter haben die kleine Landwirtschaft weitergeführt. Wir haben Milch verkauft und hatten Tiere.

LA: Wie haben Sie ihre Flucht finanziert, was hat diese gekostet?

VP: Meine Mutter hat dies alles organisiert. Sie hat die Landwirtschaft verkauft und hat alles bezahlt. Nachgefragt gebe ich an, dass meine Mutter für die Landwirtschaft ca. 600.000 Rupien (ca. 9000 €) bekommen hat und dies hat meine Flucht gekostet.

LA: Wie ist Ihre Mutter zum Schlepper gekommen?

VP: Das hatte Sie über einen Freund meines Vaters, der in XXXX wohnte durchgeführt.

LA: Welche Angehörigen haben Sie noch im Heimatland?

VP: Meine Mutter, Cousinen und Cousins.

Väterlicherseits habe ich die Schwester meines Vaters mit Familie und ich habe noch zwei Onkel, die älteren Brüder meines Vaters mit ihrer Familie.

LA: Sind Sie verheiratet? Wenn ja, wie lauten die Daten (Name, Geburtsdatum) Ihrer Gattin?

VP: Nein ich bin nicht verheiratet und habe keine Kinder.

LA: Hatten Sie seit der Ausreise Kontakt zu Ihrer Familie?

VP: Nur mit meiner Mutter hin und wieder telefonischen Kontakt. Mit den anderen Verwandten fast gar nichts.

LA: Was berichtet Ihre Mutter über die Situation im Heimatland?

VP: Sie hat gesagt, dass die Situation gleich wäre, wie damals, als ich Indien verlassen habe.

LA: Erklären Sie dies bitte näher?

VP: Meine Gegner mit denen ich Probleme hatte noch immer den gleichen Einfluss dort haben und können machen was sie wollen.

LA: Was meinen Sie mit dort?

VP: In meinem Dorf.

LA: Wo wohnt Ihre Mutter gerade?

VP: Letztes als ich zu ihr Kontakt hatte war Sie in Ihrem Elternhaus.

LA: Wo ist das Haus?

VP: Im Dorf XXXX , was sich ca. 40 km von meinem Heimatdorf befindet.

LA: Wer wohnt in diesem Haus?

VP: Die Großeltern sind schon verstorben. Es wohnt dort mein Onkel und meine beiden Cousins.

LA: Hatten Sie ein Haus oder eine Wohnung im Indien?

VP: Wir hatten ein eigenes Haus, was leer steht und meiner Mutter gehört.

LA: Von welcher Adresse sind Sie geflüchtet?

VP: Von meinem Heimatort.

LA: Haben Sie auch hier in Österreich Verwandte?

VP: Nein.

LA: Haben Sie familiäre oder private Bindungen an Österreich?

VP: Nein. Ich habe nur Freunde, indische Leute.

LA: Wann haben Sie den Entschluss gefasst zu flüchten?

VP: Ich habe das nicht selbst entschieden, meine Mutter hat dies entschieden, denn sie meinte, dass es nicht gut ist, wenn ich in Indien bleibe. Das war ca. im XXXX .

LA: Wann sind Sie dann geflüchtet?

VP: Ich bin dann auch im XXXX geflüchtet.

LA: Wovon leben Sie bzw. wie bestreiten Sie hier in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

VP: Ich arbeitet als Zeitungszusteller für die Zeitung Presse und es ist vertraglich geregelt, dass ich ca. 450 € im Monat bekomme.

LA: Wo wohnen Sie?

VP: Im 16. Bezirk privat mit andere Inder und zahle monatlich 200 €. Sonst habe ich keine Einkünfte. Der Hauptmieter ist ein Inder namens XXXX und er hat einen Mietvertrag befristet für 3. Jahre.

LA: Besuchen Sie in Österreich Kurse, Schule, Vereine oder die Universität?

VP: Nein, noch nicht aber ich habe vor irgendwas in diese Richtung zu machen z.B. Deutschkurs.

LA: Sie sind seit XXXX in Österreich. Warum haben Sie noch keinen Deutschkurs gemacht?

VP: Ich habe diesbezüglich keine Information gehabt und meine Freunde haben mir jetzt Informationen gegeben, wo ich einen Deutschkurs besuchen kann.

LA: Sprechen Sie Deutsch?

VP: Ja ein wenig

Anmerkung: Der AW spricht einige Wörter wie Heute, Morgen, Dankeschön...

LA: Haben Sie sonst irgendwelche Integrationsmaßnahmen gesetzt?

VP: Ich versuche Deutsch zu lernen, am Handy, mittels eines Übersetzungsprogramms.

LA: Wie gestaltet sich Ihr Tagesablauf?

VP: Ich arbeite von ca. 0200 - ca. 0600/0700 Uhr. Dann lege ich mich hin um zu schlafen. Am Nachmittag gehe ich in den Sikh-Tempel. Danach gehe ich nach ‚Hause esse was und lege mich hin.

LA: Haben Sie in Ihrem Heimatland, in Österreich oder in einem anderen Land strafbare Handlungen begangen bzw. sind Sie vorbestraft oder waren Sie schon einmal in Haft?

VP: Nein.

LA: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder gehörten Sie einer politischen Partei an?

VP: Nein. Ich persönlich nicht.

LA: War ein anders Familienmitglied bei einer Partei?

VP: Ja, mein Vater war politisch aktiv.

LA: Was machte Ihr Vater?

VP: Das weiß ich nicht genau, er war aktiv in der Gemeindeverwaltung.

LA: Hatten Sie persönlich jemals Probleme mit den Behörden (oder staatsähnlichen Institutionen) Ihres Heimatlandes?

VP: Nein, mit der Behörde nicht, es war privater Dorfbewohner, der seit dem Tod meines Vaters und Bruders uns Probleme macht.

LA: Sind Sie jemals persönlich bedroht worden?

VP: Ja, als ich am Heimweg vom College war, hat mich der Dorfbewohner bedroht und sagte, dass er mich dort hinschicken wird wo mein Vater und mein Bruder sind. Sonst hat er mich überall beobachtet wo ich unterwegs war und was ich tue.

LA: Wann war diese Bedrohung?

VP: Das war ca. ein Monat vor meiner Ausreise aus Indien.

LA: Aus welchem Grund verließen Sie Ihr Heimatland? Schildern Sie dies bitte möglichst lebensnah, d.h. mit sämtlichen Details und Informationen, sodass die Behörde Ihr Vorbringen nachvollziehen kann! Nehmen Sie sich dafür ruhig Zeit!

VP: Meine Mutter erzählte mir, als ich noch klein war, war mein Vater aktiv in der Gemeindepolitik und war Mitglied einer Partei. Einer der Gegner, er hieß XXXX , war sehr einflussreich und wollte, dass mein Vater mit ihm zusammenarbeitete. Mein Vater wollte dies nicht, da er der Meinung war, dass dieser Mann nicht alles legal machte. Deshalb wurde mein Vater entführt und später ist er an einem anderen Ort tot aufgefunden worden. Das gleiche passierte später mit meinem Bruder. Als ich aus dem College nach Hause ging, traf er mich und stoppte mich, ich war mit dem Motorrad unterwegs, bedrohte mich und sagte, dass du jetzt alleine von der Familie übrig bist und was hast du in deinem Leben vor. Er hat gesagt, dass er das gleiche unternehmen wird, und ich zu meinem Vater und Bruder geschickt werde. Ich erzählte dies meiner Mutter und sie hatte große Angst und meinte ich sei alleine in der Familie, und sagte, dass ich in Indien nicht sicher bin und dass es besser wäre Indien zu verlassen. Meine Mutter hat dann mit einem engen Freund meines Vaters gesprochen und dieser sagte, dass ich nach XXXX kommen soll. Meine Mutter sagte ich soll nach XXXX fahren und ich kam in einem Hotel unter und nach einigen Tagen sagte man mir, dass ich ins Ausland geschickt werde. Dann bin ich nach Russland gekommen und war 10 Tage dort. Dann fuhr ich mit verschiedenen Autos, mit drei andern Personen, über den Landweg mit dem Schlepper per Auto nach Österreich.

LA: Haben Sie somit alle Ihre Gründe für die Asylantragstellung genannt?

VP: Das sind alle Gründe, mehr kann ich nicht dazu angeben.

LA: Waren der Dorfbewohner und dieser XXXX eine Person?

VP: Ja.

LA: Warum haben Sie sich nicht an die Polizei gewandt?

VP: Meine Mutter war bei der Polizei, aber die Polizei macht nichts, da der Gegner einen großen Einfluss hat.

LA: Wie alt ist dieser XXXX ?

VP: So zwischen 50-55 Jahre.

LA: War die erste und letzte Bedrohung im XXXX ?

VP: Ja.

LA: Als ihr Vater und ihr Bruder umgebracht wurden, hat Ihre Mutter dies angezeigt?

VP: Ja, sie hat alles unternommen, aber die Polizei machte nichts. Sie hat Anzeige erstattet, dass mein Vater und mein Bruder nicht zu finden waren.

LA: Was machte die Polizei wegen der Ermordung Ihres Vaters und Bruders.

VP: Es wurde keine Anzeige wegen Mord erstattet, da nicht festzustellen war, ob sie ermordet wurden, weil der Gegner hat die beiden auf eine Weise umgebracht die nicht festzustellen war.

LA: Weiß man wer diese ermordet haben?

VP: Wir wissen es genau, wer es war, da der XXXX es verursacht hat, weil er es selbst es bei uns behauptet hat, aber bei der Behörde ist es ungeklärt, weil es keinen Beweis gibt. Die Polizei hat nicht alles im Detail untersucht.

LA: An welchem Tag hat dieser XXXX Sie bedroht?

VP: Ich kann mich nicht mehr erinnern.

LA: Wissen Sie die Jahreszeit?

VP: Es war Winter und es war kalt.

LA: Warum sind Sie nicht bei Ihrem Onkel in XXXX geblieben?

VP: Ein Fremder nimmt doch nicht irgendjemand mit nach Hause.

LA: Aber er war doch der beste Freund Ihres Vaters und nicht fremd. Was sagen Sie dazu?

VP: Das Problem ist, der XXXX hätte mich in ganz Indien finden können.

LA: Wie sollte er Sie in ganz Indien finden können? Es gibt kein Meldesystem und Millionen von Einwohnern in den Städten.

VP: Wo hätte ich wohnen sollen, wo hätte ich arbeiten sollen.

LA: Haben Sie jemals erwogen, an einen anderen Ort in Ihrem Heimatland zu ziehen, um den Problemen zu entgehen?

VP: Nein.

LA: Wie sind Sie nach Russland gekommen?

VP: Ich bin mit dem Flugzeug von XXXX nach Moskau geflogen.

LA: Mit welchen Dokumenten?

VP: Ich hatte einen Reisepass.

LA: Woher hatten Sie den Reisepass?

VP: Der Reisepass wurde vom Passamt in Jalandhar ausgestellt.

LA: Wann wurde dieser ausgestellt?

VP: Vor ca. 3-4 Jahren.

LA: Waren Sie dort um den Pass ausstellen zu lassen.

VP: Nein ich war nicht selbst dort. Es gibt private Firmen, die das erledigen

LA: Warum hat Ihnen der Schlepper Ihren Pass abgenommen?

VP: Das weiß ich nicht, er meinte ein Reisepass kann für mich Probleme verursachen.

LA: Wollten Sie nach Österreich?

VP: Nein, das wusste ich nicht. Man sagte mir nur, dass ich in ein sicheres Land geschickt werde.

LA: Welche Befürchtungen haben Sie für den Fall einer Rückkehr in Ihr Heimatland?

VP: Mein Leben dort ist gefährdet.

LA: Würde Ihnen im Fall der Rückkehr etwas von Seiten der staatlichen Behörden drohen?

VP: Nein, nur von dem privaten Mann aus meinem Dorf.

LA: Wie haben Sie den Dolmetscher verstanden?

VP: Sehr gut.

Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen gegen die Niederschrift selbst, wurde alles richtig und vollständig protokolliert?

VP: Ich habe keine Einwendungen, es wurde alles richtig protokolliert.

Anmerkung: Die Verfahrenspartei wird über den weiteren Verlauf des Verfahrens aufgeklärt.

...................

LA: Möchten Sie noch weitere Angaben machen? Konnten Sie zum Verfahren alles umfassend vorbringen und gibt es zur Einvernahme irgendwelche Einwände?

VP: Ich möchte keine weiteren Angaben machen. Ich konnte alles umfassend vorbringen. Ich habe keine Einwände. Ich kann eine schriftliche Bestätigung von der Dorfverwaltung bringen, dass mein Leben dort von XXXX bedroht ist. Mein Freund sagte mir, dass er das besorgen kann ohne, dass XXXX etwas davon erfährt.

LA: Was macht XXXX in Ihrem Dorf?

VP: Er ist sehr reich und hat sehr enge Beziehungen mit namhaften Politikern.

LA: Wünschen Sie die Ausfolgung einer schriftlichen Ausfertigung?

VP: Ja.

LA: Bestätigen Sie nunmehr durch Ihre Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift und die erfolgte Rückübersetzung!

Anmerkung LA: Es wird jetzt mit Ihnen das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom XXXX , zu Ihrem Heimatland Indien erläutert.

Wollen Sie dazu Stellung nehmen?

VP: Ich kann darüber nicht sagen, und möchte noch sagen, dass es in Indien so ist, wer Geld hat, hat auch Macht und Recht.

(.........).

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Der Beschwerdeführer habe zur behaupteten Gefährdungslage nicht den Tatsachen entsprechende gemacht. Dies sei aus der allgemeinen Vagheit des Vorbringens hervorgegangen und seien die Ausführungen auch in keiner Weise plausibel gewesen.

Der Beschwerdeführer habe in der Einvernahme selbst angegeben, dass ihm im Herkunftsstaat keine Verfolgung von staatlicher Seite drohen würde. Er habe Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und würde die Behörde davon ausgehen, dass ihm im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen würden, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtsfertigen würde. Unterstellt werden könne auch eine innerstaatliche Fluchtalternative. Aus den Länderberichten würde überdies hervorgehen, dass es selbst für unqualifizierte, gesunde Menschen zu Folge der Länderfeststellungen nach in der Regel aber möglich sei, sich durch Gelegenheitsjobs (im schlechtesten Falle als Tellerwäscher, Abfallsammler, Lagerarbeiter; Rischka Fahrer etc.) den Lebensunterhalt zu sichern. Zudem würde die Reisefreiheit garantiert werden. Es würden keine Hinderungsgründe vorliegen sich auch allenfalls ohne die Unterstützung der Familie eine Existenzgrundlage in einem anderen Teil Indiens zu schaffen. Der Beschwerdeführer erfülle überdies nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Begründet wurde dies Im Wesentlichen damit, dass die vom BF dargelegten religiösen Unruhen vor dem Hintergrund der Berichtslage nachvollziehbar sein würden. Konkrete Recherchen seien von Seite der Behörde nicht angestellt worden. Aus Berichten würde sich ergeben, dass Dinge, wie der Beschwerdeführer diese schildern würde, vorkommen würden. Politische Konflikte würden auf Grund der Machtverhältnisse oft auf einer gewalttätigen Ebene ausgetragen werden. Dabei sei der effektive Schutz durch staatliche Stellen fraglich.

Im gegenständlichen Fall sei die Frage der richtigen Beweiswürdigung und der ausreichenden Erhebung und Überprüfung der berührten Umstände strittig.

Der Beschwerdeführer habe sich in Österreich immer vorbildlich verhalten und sei unbescholten. Er spreche die deutsche Sprache und habe sich in die österreichische Gesellschaft eingefügt. Er würde keine staatlichen oder sozialen Hilfen in Anspruch nehmen, sondern sei selbsterhaltungsfähig. Er sei seit langem als Zeitungszusteller tätig und so ein Gewinn für die österreichische Gesellschaft.

Er würde krankenversichert sein und über eine ortsübliche Unterkunft verfügen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Jat an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprache Punjabi, Hindi, sowie etwas Deutsch. Im Herkunftsstaat besuchte er zwölf Jahre die Grundschule und ging anschließend aufs College. Während des Studiums hat der BF in der Landwirtschaft seiner Familie mitgeholfen. Er ist ledig und hat keine Kinder.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Der Beschwerdeführer hatte im Herkunftsstaat niemals persönlich Probleme mit den heimatlichen Behörden.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen Familienangehörigen in Österreich und lebt mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Gemeinschaft. Er betätigt sich in Österreich als Zeitungszusteller und erwirtschaftet dafür ca. 450.- Euro im Monat. Er hat keine Kurse oder Ausbildungen absolviert und ist nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen. Er beherrscht die grundlegenden Kenntnisse der deutschen Sprache und hat keinen Deutschkurs besucht. Der Beschwerdeführer bezieht keine Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten.

Im Herkunftsstaat leben weiterhin die Mutter des Beschwerdeführers, mit der er immer wieder einmal in Kontakt ist bzw. die Verwandten des Beschwerdeführers, mit denen er seltener kommuniziert. Der Beschwerdeführer ist gesund und steht im erwerbsfähigen Alter.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70% aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 16.8.2016).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 16.8.2016).

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 16.8.2016).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Hierbei kann die ethnische oder religiöse Zugehörigkeit sowie die politische Überzeugung des Opfers eine Rolle spielen. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben beispielsweise 80% aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein (AA 16.8.2016).

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 13.4.2016). Das Gesetz erlaubt den Angeklagten in den meisten Zivil- und Kriminalfällen den Zugang zu relevanten Regierungsbeweisen, aber die Regierung behält sich das Recht vor, Informationen zurückzuhalten und tut dies auch in Fällen, die sie für heikel erachtet. Die Angeklagten haben das Recht, sich dem Ankläger zu stellen und ihre eigenen Zeugen und Beweismittel zu präsentieren, jedoch konnten Angeklagte dieses Recht manchmal aufgrund des Mangels an ordentlicher Rechtsvertretung nicht ausüben. Gerichte sind verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 13.4.2016).

Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt sein, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein.

Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist, oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2016).

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 7.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 6.12.2016

Sicherheitsbehörden

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 6.2016) und untersteht den Bundesstaaten (AA 16.8.2016). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 6.2016).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 6.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt. (USDOS 13.4.2016). Versprochene Polizeireformen verzögerten sich 2015 erneut (HRW 27.1.2016).

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 13.4.2016).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2016). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 16.8.2016; vgl. auch: BICC 6.2016), wie etwa beim Kampf gegen bewaffnete Aufständische, der Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie dem Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2016).

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Als Unruhegebiete gelten zurzeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir und die nordöstlichen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Mizoram und Nagaland (AA 16.8.2016 vgl. USDOS 25.6.2015).

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 16.8.2016). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rahtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) - die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze -, die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz), als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesh und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles - zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten-, die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force, zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2016). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sogenannte Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen (AA 24.4.2015; vgl. auch USDOS 25.6.2015).

Der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) wurde verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Möglichkeit zur Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 24.4.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 7.12.2016

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 21.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 4.1.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 7.12.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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