Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §7 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des F B, geboren 1974, in Wien, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. September 1995, Zl. 302.504/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte im Dezember 1991 bei der Bezirkshauptmannschaft Baden einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Am 2. Dezember 1991 wurde ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung bis zum rechtskräftigen Abschluß seines Asylverfahrens erteilt (vgl. OZ 26 des Verwaltungsaktes). Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. Jänner 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen (vgl. OZ 37 des Verwaltungsaktes).
Der Beschwerdeführer stellte am 16. August 1994 bei der Bezirkshauptmannschaft Baden einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Aufgrund eines Wohnsitzwechsels wurde der Antrag zuständigkeitshalber dem Magistrat der Stadt Wien abgetreten, wo er am 9. Dezember 1994 einlangte. Mit Bescheid vom 7. Februar 1995 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 13 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Begründend wurde u.a. ausgeführt, der Antrag sei als Erstantrag zu werten, weil im Hinblick auf das Ablaufdatum des mit dem seinerzeitigen Asylantrag verbunden gewesenen Aufenthaltsrechtes (bis zur Rechtskraft des Bescheides des Bundesministeriums für Inneres vom 13. Jänner 1994) und das Datum der Antragstellung (16. August 1994) keine Kontinuität des Aufenthaltsrechtes gegeben sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung und brachte vor, als Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin und Inhaber eines Befreiungsscheines halte er sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Diese Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 14. September 1995 gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. In der Begründung wies der Bundesminister für Inneres einerseits auf eine niederschriftliche Befragung der Ehegattin des Beschwerdeführers hin, aus welcher sich ergebe, daß dieser mit seiner Ehegattin nur eine Scheinehe eingegangen sei. Die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen stelle jedoch ein Verhalten dar, welches dazu führe, daß die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet sei.
Anderseits führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer sei ab Rechtskraft des Bescheides des Bundesministeriums für Inneres vom 13. Jänner 1995 bis zur Antragstellung um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mehr als sechs Monate "illegal" im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Der angeführte Sachverhalt verwirkliche den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, welcher durch § 5 Abs. 1 AufG direkt Anwendung finde.
Bei Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten Interessen des Beschwerdeführers im Rahmen des Art. 8 MRK sei aufgrund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. In dieser Beschwerde bestreitet der Beschwerdeführer das Vorliegen einer Scheinehe. Es habe sich um eine Liebesheirat gehandelt und ein gemeinsamer Wohnsitz sei geplant.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 3. Oktober 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.
§ 5 Abs. 1 AufG lautete in der Fassung dieser Novelle:
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Der Beschwerdeführer verfügte weder nach der Aktenlage noch nach dem Beschwerdevorbringen jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Sein Antrag war daher nicht als Verlängerungsantrag zu werten. Im Hinblick auf § 13 Abs. 1 und 2 AufG schied in seinem Fall jedoch auch eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen über Verlängerungsanträge aus, weil er als abgewiesener Asylwerber über keine der Verlängerung im Sinne des § 13 Abs. 1 AufG zugängliche Aufenthaltsberechtigung verfügte. Der angefochtene Bescheid ist daher auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, ist der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG bereits dann verwirklicht, wenn ein Asylwerber nach rechtskräftigem Abschluß seines Asylverfahrens seinen Inlandsaufenthalt unrechtmäßig fortsetzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 95/19/1491).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellung der belangten Behörde, er habe sich nach rechtskräftigem Abschluß seines Asylverfahrens bis zur Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten. Er bringt auch nicht vor, nach der Antragstellung das Bundesgebiet verlassen zu haben. Im Hinblick darauf kann die Auffassung der belangten Behörde, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet werde die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, wie auch in der Beschwerde erkannt wird, bei Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG 1993 (im Regelfall) auf die privaten und familiären Interessen des Fremden in der Weise Bedacht zu nehmen, daß sie zu prüfen hat, ob ein Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Recht auf Privat- und Familienleben rechtfertigen.
Ungeachtet des Umstandes, daß die belangte Behörde diese Prüfung im angefochtenen Bescheid in äußerst knapper Form vorgenommen hat, erweist sich dieser auch im Hinblick auf Art. 8 MRK nicht als rechtswidrig. Nach der Rechtskraft des das Asylverfahren abschließenden Bescheides des Bundesministers für Inneres wäre der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, das Bundesgebiet zu verlassen. Er hat dies unbestritten nicht getan. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Versagung einer erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung überhaupt in ein (behauptetes) Recht eines abgewiesenen Asylwerbers auf Familiengemeinschaft (im Falle des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin) eingreift. Im Hinblick auf die Zielsetzung des Aufenthaltsgesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch die Stellung von Asylanträgen derart zu verhindern, daß abgewiesene Asylwerber nicht darauf sollen zählen können, bei Ablehnung ihrer Asylanträge im Bundesgebiet zu verbleiben und Niederlassungsanträge stellen zu können (vgl. die RV 525 BlgNR 18. GP), wäre ein (allfälliger) Eingriff in das durch Art. 8 MRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Interesse eines geordneten Fremdenwesens, und damit der öffentlichen Ordnung jedenfalls nach Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf die Frage eingegangen zu werden brauchte, ob die belangte Behörde zurecht das Eingehen einer "Scheinehe" angenommen hat.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995191483.X00Im RIS seit
02.05.2001