TE Vwgh Beschluss 2019/11/28 Ra 2017/22/0174

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Veröffentlicht am 28.11.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des S N, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Untere Viaduktgasse 6/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 20. Juli 2017, VGW-151/074/4500/2017-1, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit Bescheid vom 21. Februar 2017 wies die belangte Behörde den Antrag des (nunmehrigen) Revisionswerbers, eines serbischen Staatsangehörigen, vom 28. April 2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ nach § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zum Zweck der Familienzusammenführung mit seiner Ehefrau, einer österreichischen Staatsbürgerin, gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 iVm. § 30 Abs. 1 NAG ab, weil es sich bei der am 6. Februar 2016 in Serbien geschlossenen Ehe um eine Aufenthaltsehe handle.

2.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Das Verwaltungsgericht führte aus, auf Grund der zahlreichen Widersprüche in den Aussagen des Revisionswerbers und seiner Ehefrau überwögen in einer Gesamtbetrachtung jene Umstände, die nahelegten, dass sich der Revisionswerber auf die Ehe (nur) für die Erteilung des Aufenthaltstitels berufe und ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt werde. Folglich sei vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe auszugehen, wobei für deren Annahme auch nicht eine darauf gerichtete Absicht beider Ehegatten erforderlich sei, sondern bereits die Absicht des Fremden allein reiche.

3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung jedoch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt wird.

4.1. Der Revisionswerber macht - unter dem Gesichtspunkt eines Fehlens von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - geltend, das Verwaltungsgericht gehe unter Berufung auf ein vereinzeltes Judikat (VwGH 20.10.2011, 2010/21/0177) davon aus, dass nur der Revisionswerber (für sich allein) das Führen eines Familienlebens nicht beabsichtigt habe. Es stelle sich die Frage, ob dies für die Annahme einer Scheinehe ausreiche, oder ob eine solche nur dann vorliege, wenn auch der andere Ehegatte keine entsprechende Absicht zur Führung einer Ehe habe.

4.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit der Beurteilung der Frage, ob eine Aufenthaltsehe vorliege, bereits wiederholt festgehalten, dass es für diese Beurteilung nicht auf die Beweggründe des österreichischen Ehepartners, sondern allein auf die Absicht des Fremden ankommt (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0033, mwN). Im Hinblick darauf liegt aber zu der vom Revisionswerber aufgeworfenen Rechtsfrage bereits eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor.

4.3. Soweit der Revisionswerber releviert, auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts sei (insofern) nicht einheitlich, übersieht er, dass eine wesentliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegt, wenn Behörden oder Verwaltungsgerichte in verschiedenen Verfahren zu verschiedenen Ergebnissen gelangen, sofern es zu der betreffenden Frage eine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gibt (vgl. VwGH 15.5.2019, Ra 2016/08/0056).

5.1. Der Revisionswerber macht weiters - unter dem Gesichtspunkt eines Abweichens von der Rechtsprechung - geltend, das Verwaltungsgericht habe die Beurteilung seiner Motivlage für die Eheschließung willkürlich vorgenommen, lägen doch keine entsprechenden Beweisergebnisse für eine beabsichtigte Aufenthaltsehe vor. Das Verwaltungsgericht vermeine insbesondere, die Motivlage besser beurteilen zu können, als die Ehefrau, die nie einen diesbezüglichen Verdacht geäußert habe. Die Ehefrau sei dazu auch nicht befragt worden. Die Zeugen seien ebenso davon ausgegangen, dass die Ehegatten tatsächlich eine Ehe führten, liebevoll miteinander verkehrten, sich wechselseitig unterstützten und der Revisionswerber sich auch um die Kinder der Ehefrau liebevoll kümmere.

5.2. Soweit sich der Revisionswerber mit diesem Vorbringen gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, ist ihm entgegenzuhalten, dass diese einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nur insofern zugänglich ist, als es um die ordnungsgemäße Ermittlung der Beweisergebnisse und die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen geht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die diesbezügliche Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 6.8.2019, Ra 2017/22/0020).

5.3. Dass vorliegend die Beweisergebnisse nicht ordnungsgemäß ermittelt worden wären, wird vom Revisionswerber nicht dargetan und ist auch nicht zu sehen. Soweit der Revisionswerber eine unvollständige Befragung seiner Ehefrau rügt, zeigt er die Relevanz des behaupteten Mangels nicht auf, zumal er nicht konkret darlegt, was die Ehefrau im Fall ihrer (ausführlicheren) Vernehmung ausgesagt hätte bzw. welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0138). Im Übrigen wäre es dem Revisionswerber bzw. seinem Rechtsvertreter unbenommen gewesen, in Ausübung ihres Fragerechts auf die ihnen erforderlich erscheinenden Aussagen der Ehefrau hinzuwirken (vgl. VwGH 4.10.2018, Ra 2018/22/0011).

5.4. Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts erweisen sich - in den wesentlichen Zügen - auch nicht als unschlüssig. Das Verwaltungsgericht hat sich mit den Beweisergebnissen auseinandergesetzt und - unter Bedachtnahme auf den in der mündlichen Verhandlung von den Beweispersonen gewonnenen persönlichen Eindruck - eine eingehende Beweiswürdigung vorgenommen. Demnach ist das Verwaltungsgericht - vor allem auf Grund der zahlreichen Widersprüche und Ungereimtheiten in den Aussagen des Revisionswerbers und seiner Ehefrau über die Anbahnung und Gestaltung der Ehe - zum Ergebnis gelangt, dass die Motivlage des Revisionswerbers auf das Eingehen einer Aufenthaltsehe gerichtet war. Die Zeugen haben zwar zum Teil gegenteilige Wahrnehmungen gemacht, dies aber nur partiell und vereinzelt, sodass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht unplausibel erscheint.

Dass die aufgezeigte Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt wäre, kann bei fallbezogener Gesamtbetrachtung nicht gesagt werden.

6. Insgesamt werden daher - in der maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 20.5.2019, Ra 2018/22/0011) - keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 28. November 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017220174.L00

Im RIS seit

08.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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