TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/17 W168 2130594-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.2019
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Entscheidungsdatum

17.06.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a

Spruch

W168 2130594-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA:

Afghanistan gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2019, FZ: 1050965001 / 190181732 (EAST - West) zu Recht erkannt:

A.)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I.1. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 29.01.2015 einen - ersten - Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen.

2. Hierbei gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari u.a. an, aus der Provinz Maidan Wardak zu stammen, aber in Kabul aufgewachsen zu sein. Er gehöre der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensgemeinschaft an. Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass er wegen seines Grundstückes Probleme mit den Nomaden gehabt habe. In Kabul sei er mehrmals telefonisch mit dem Umbringen bedroht worden.

3. Am 23.02.2016 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen. Dabei gab der BF an, dass es ihm gesundheitlich gut gehen würde. Nach den Fluchtgründen befragt, die den BF bewogen hätten, seine Heimat zu verlassen, gab dieser an, dass er in Afghanistan zwei Probleme haben würde. Einerseits würden die Kutschi- Nomaden Anspruch auf Felder des BF in Beshud erheben und ihn deswegen bedrohen, andererseits würde er in Kabul bedroht werden, der er ein erfolgreicher Geschäftsmann sei, was von den anderen nicht geduldet werden würde, da er Hazara und Schiit sei.

4. Mit dem Bescheid des BFA vom 29.06.2016, Zl. 1050965001-15110267/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_03, dem BF am 01.07.2016 durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gegen den BF wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Mit Schreiben vom 14.07.2016 erhob der BF Beschwerde in vollem Umfang wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften, wobei mangelhafte Länderfeststellungen gerügt wurden. Der BF würde auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der schiitischen Hazara und zur sozialen Gruppe der Menschen, die von den Kutschis bedroht werden würden, verfolgt. Er stellte die Anträge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, Spruchpunkt III. des Bescheides dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt werde und ihm einen Aufenthaltstitel zu erteilen, in eventu den Bescheid ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen. Der Beschwerde beigelegt war ein Zeugnis über die bestandene A2 Prüfung.

5. Am 12.02.2018 wurde durch das BVwG eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, an der der BF als Partei, seine ausgewiesene Rechtsvertreterin teilnahmen und der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari u.a. zu seiner Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat-, und Familienleben in Österreich befragt. Der BF machte dazu grundsätzlich geltend auf Grund seines Wohlstandes in Afghanistan verfolgt zu werden, einer seiner Brüder sei mittlerweile entführt worden, aber gegen hohes Lösegeld wieder freigekommen.

6. Am 21.02.2018 langte im Rahmen der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme zum Bericht "Verfolgung wohlhabender Hazaras in Afghanistan" ein, in der unter Vorlage von Länderberichten wiederum geltend gemacht wurde, der BF werde auf Grund seines Wohlstandes in Verbindung mit der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara in asylrelevanten Ausmaß verfolgt. In eventu wurde vorgebracht, dass der BF bei der Rückkehr auf Grund mehrerer Faktoren einer Verletzung seiner Rechte nach Art 3 EMRK ausgesetzt sei, sodass ihm zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

7. Mit Erkenntnis des BVwG vom 19.03.2018, W158 2130594-1/13E wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis wurde am 28.03.2018 zugestellt.

Im Erkenntnis wurde unter anderem festgehalten, dass der volljährige BF Staatsangehöriger von Afghanistan sei. Er gehöre zur Volksgruppe der Hazara und bekenne sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Identität stehe nicht fest.

Der BF stamme aus der Provinz Maidan Wardak, sei aber in Kabul aufgewachsen, wo er sich bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie aufgehalten habe. Er habe acht Jahre lang die Schule in Kabul besucht und würde Dari und Farsi sprechen. Er entstamme einer wohlhabenden Familie, die über Grundstücke in der Heimatprovinz des BF und über Häuser in Kabul verfügen würde. Seine Brüder würden ein Handygeschäft in Kabul betreiben und stehe er in regelmäßigen Kontakt zu ihnen.

Der BF sei zuletzt 18 Jahre als Teppichhändler tätig gewesen und habe dabei gut verdient, bis seine Konkurrenten die Preise reduziert hätten, wodurch der BF Umsatzeinbußen hätte hinnehmen müssen. Der BF verfüge außerdem über Grundstücksbesitz im Distrikt Beshud in seiner Heimatprovinz. Um diese Grundstücke würde sich ein Verwandter des BF kümmern, da der BF seit seiner Kindheit nicht mehr im Heimatdorf gewesen sei. Der Verwandte sei einmal von den Kutschi Nomaden aufgefordert worden ihnen die Grundstücke zu überlassen. Diese Drohung sei dem BF von seinem Verwandten mitgeteilt worden. Der BF selbst habe nie Kontakt zu den Kutschis gehabt. Der Verwandte des BF würde nach vor die Gewalt über die Grundstücke haben.

Der BF sei im Jahr 2014 im Zeitraum von sechs Monaten aufgrund seiner gut laufenden Geschäfte 15- mal telefonisch von Unbekannten bedroht worden. Der BF habe sich auf Grund dieser Drohungen sechs Monate versteckt in Kabul aufhalten müssen. Der BF sei zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt in Kabul auf der Straße zusammengeschlagen worden. Ob dieser Vorfall mit den Bedrohungen zusammenhänge, könne nicht mehr festgestellt werden.

Ende des Jahres 2017 sei der Bruder des BF entführt worden. Nachdem die Familie des BF $ 120.000 an die Entführer bezahlt habe, sei der Bruder des BF nach 40 bis 50 Tagen wieder aus der Gefangenschaft entlassen worden. Es habe nicht festgestellt werden können, ob die Entführung mit den Vorfällen, die dem BF betreffen würden, im Zusammenhang stehen würden.

Der BF habe sich in Afghanistan weder wegen der Bedrohungen noch wegen des Überfalls an die Polizei gewandt. Er sei in Afghanistan keiner persönlichen konkreten Verfolgung durch den Staat ausgesetzt gewesen.

Den Feststellungen zugrunde gelegt wurde das Vorbringen des BF, wonach er Drohanrufe wegen des geschäftlichen Erfolgs und eine Drohung der Kutschi- Nomaden durch seinen Verwandten erhalten habe, da diese Angaben das ganze Verfahren über gleich geblieben seien. Der persönliche Eindruck des BF vor dem BVwG habe für eine Glaubwürdigkeit diese Erzählungen gesprochen, zumal der BF spontan und konkret geantwortet habe.

Nicht festgestellt werden habe können, dass der BF sechs Monate versteckt leben habe müssen. Er habe vor dem BVwG überhaupt nicht davon gesprochen, dass er aufgrund der Anrufe versteckt leben hätte müssen. Nach den Ausführungen in der Beschwerde sei der gewaltsame Überfall auf den BF passiert, als dieser von einem Versteck bei seiner Schwester zum Versteck bei seiner zweiten Schwester gewechselt habe. Derartiges habe der BF vor dem BVWG auf die Frage, wann der Überfall passiert sei, ebenfalls nicht erwähnt, womit jedoch zu rechnen gewesen sei. Ebenfalls nicht festgestellt werden habe können, ob die Entführung des Bruders des BF etwas mit den Drohungen von ihm zu tun gehabt hätte, da es sich dabei lediglich um Vermutungen von Seiten des BF gehandelt habe, die daher einer Feststellung nicht zugrundegelegt werden hätten können. Ein Zusammenhang scheine jedoch auch bereits deswegen schon unwahrscheinlich, da der Bruder erst mehr als zwei Jahre nach der Ausreise des BF entführt worden sei. Ein Zusammenhang zwischen den Drohungen und dem Überfall auf dem BF habe nicht festgestellt werden können, da der BF selbst angegeben habe, nicht zu wissen, ob der gewaltsame Überfall auf ihn im Zusammenhang mit den gegen ihn ausgesprochenen Drohungen gestanden habe.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF hätten auf dessen eigenen Angaben gegründet, zudem seien im Laufe des Verfahrens keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt worden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des BF hervorgekommen hätten lassen.

Die Länderfeststellungen würden sich auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlichen Einrichtungen gründen. Dies sei dem BF zur Kenntnis gebracht worden und ihm eine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben worden. Die getroffenen Länderfeststellungen würden eine Vielzahl von Berichten enthalten, würden ein ausgewogenes Verhältnis betreffend der allgemeinen Situation in Afghanistan darlegen und sich zudem auch auf die persönlichen Umstände des BF beziehen. Die Länderfeststellungen seien im gegenständlichen Beschwerdeschriftsatz nicht beanstandet worden und seien darüber hinaus dem Verfahren keine Gründe hervorgekommen, aus denen sich Zweifel an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen ergeben hätten. Zu den in der Beschwerde zusätzlich vorgelegten Berichten zur Lage der Hazara sei auszuführen, dass diese oder zumindest ähnliche Berichte, soweit sie Entführungen im Jahr 2015 betreffen würden auch bereits in den Länderfeststellungen berücksichtigt worden seien. Soweit die Beschwerde auch einen Bericht aus dem Jahr 2008 vorlege, sei dieser als veraltet zu bezeichnen und daher den Feststellungen nicht zugrunde zu legen. Die in der Stellungnahme vorgelegten Berichte zu Entführungen von wohlhabenden Männern seien als nicht entscheidungswesentlich, nicht den Feststellungen zugrunde zu legen. Auch die Berichte zur Situation von Rückkehrern seien den Bestellungen nicht zugrunde zu legen, da die darin berichteten Anschläge ebenfalls bereits in den Länderfeststellungen Niederschlag gefunden hätten. Die Anschläge hätten sich auch entgegen der Ansicht der Beschwerde nicht primär gegen Zivilisten gerichtet. Die Berichte zur Situation von Rückkehrern würden auf den BF nicht zutreffen, wie festgestellt worden sei über familiären Rückhalt in Kabul würde und seine Familie zudem wohlhabend sei.

Rechtlich wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abs. A Z 2 der GFK nicht gegeben sei. Nach § 2 Abs. 1 Z 12 AsylG sei ein Verfolgungsgrund ein in Art. 10 Statusrichtlinie genannter Grund. Danach gelte eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht unter verändert werden könne, gemein habe oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teile, die so bedeutsam für die Identität oder des Gewissens sei, dass der Betreffende nicht gezwungen werden solle, auf sie zu verzichten, und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität habe, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werde. Bei der sozialen Gruppe handle es sich um einen Auffangtatbestand, sie könne aber nicht ausschließlich dadurch definiert werden, dass sie Zielscheibe von Verfolgung sei (VwGH 22.03.2017; Ra 2016/19/0350). Da es sich beim Wohlstand weder um angeborene Merkmale noch um einen gemeinsamen Hintergrund handle, der nicht verändert werden könne oder um geteilte Merkmale oder Glaubensüberzeugungen handle, seien wohlhabende Leute nicht als eine soziale Gruppe anzusehen, sodass keine asylrelevante Verfolgung vorliegen könne. Ebenso verhalte es sich auch hinsichtlich der Angriffe der Kutschis. Der Grundstücksbesitz, der offenbar ausschlaggebend für die Drohung gewesen sei, sei weder ein angeborenes Merkmal noch ein gemeinsamer Hintergrund, der nicht verändert werden könne oder geteilte Merkmale oder Glaubensüberzeugungen habe, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen gewesen seien, dass der Betreffende nicht gezwungen werden hätte sollen, auf sie zu verzichten. Zudem fehle es dieser Gruppe, so man davon ausgehen, es handle sich um ein geteiltes Merkmal, das so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sei, an einer deutlich abgegrenzten Identität der Gruppe, da sie von der umgebenden Gesellschaft nicht als andersartig betrachtet werde.

Selbst wenn man davon ausgehe, die Drohungen würden auf einem in der GFK genannten Grund beruhen, würden diese nach Ansicht des BVWG nicht die geforderte Schwelle erreichen, zumal es sich dabei nur um telefonische Drohung handle, die noch dazu relativ vage gewesen seien. Die Preisreduzierungen der Konkurrenten des BF seien keinesfalls asylrelevant, handle es sich dabei doch um alltägliche unternehmerische Handlungen. Auch die-nur durch einen Mittelsmann-überbrachte Drohung der Kutschis habe noch keine asylrelevante Intensität erreicht, zumal es sich dabei um eine einmalige Drohung gehandelt habe, obwohl der BF diese Grundstücke bereits mehr als 20 Jahre besitzen würde. Auch derzeit könnten diese Grundstücke offensichtlich von Verwandten des BF weiter betreut werden, wodurch offensichtlich werden würde, dass die Kutschis kein besonderes Grundstück haben würden und nicht bestrebt seien deren Forderungen gewaltsam durchzusetzen.

Darüber hinaus seien die Drohungen gegen den BF wegen seiner Tätigkeit als Teppichhändler auch nicht mehr aktuell, da seine Brüder das Teppichgeschäft aufgegeben hätten und nunmehr ein Handygeschäft betreiben würden, sodass selbst unter der Annahme diese Drohungen würden eine asylrelevante Intensität erreichen, aktuell keine Bedrohung mehr bestehe. Der Vollständigkeit halber sei auch noch zu erwähnen, dass das BFA feststelle, dass der Staat gegen die Angriffe der Kutschis schutzfähig und schutzwillig sei, was von der Beschwerde auch nicht substantiiert worden sei.

Dass der BF aus persönlichen Gründen aufgrund seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit in Afghanistan eine Verfolgung zu erwarten hätte, sei von BF auf Nachfrage ausdrücklich verneint worden und würde sich eine derartige Verfolgung auch nicht aus den Länderfeststellungen ergeben.

Zur Frage einer etwaigen (generellen) Gruppenverfolgung für alle in Afghanistan lebenden (schiitischen) Hazara gelte es insbesondere auszuführen, dass den Länderfeststellungen nach keine Hinweise auf derartige Verfolgung von (schiitischen) Hazara in Afghanistan zu entnehmen sein. Auch wenn unter Berücksichtigung der getroffenen Länderfeststellungen eine in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der Hazara zwar nicht verkannt werde, erreiche diese jedoch nicht ein derartiges Ausmaß, dass davon ausgegangen werden könne, dass bereits jeder der in Afghanistan lebenden Hazara mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätte. Von der schwierigen Sicherheitslage in Afghanistan seien alle Volksgruppen betroffen. Dass bereits jeder Hazara, der in Afghanistan lebe-es würden sich ca. 2,8 Millionen Hazara derzeit in Afghanistan aufhalten-mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von asylrelevanter Verfolgung bedroht wären, ergebe sich aus den Feststellungen jedenfalls nicht (vgl. auch EGMR 05.07.2016, Fall A.M. gegen die Niederlande, Nr. 29094709 und Verfolgung der Hazara, wo der EGMR eine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan nicht erkannte).

Auch der VwGH habe in den letzten Jahren keine Verfolgung der Hazara in Afghanistan, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048) erkannt. Es sei anzunehmen, dass der VwGH, sollte er der Auffassung sein, dass eine Gruppenverfolgung-auch lokal-in Afghanistan aktuell festzustellen sei, er dies wieder in der zahlreich zu Afghanistan ergangenen Judikatur auch festgestellt hätte (siehe auch BVwG 16.06.2016, W 159 2105321-1/8E).

Letztlich gelte festzuhalten, dass die allgemeine Lage in Afghanistan nicht dergestalt sei, dass bereits jedem, der sich dort aufhalte, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsse (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358. -1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, 1500/11-6). Im Urteil vom 09.04.2013, H. und B. gg. das Vereinigte Königreich, Zl. 70073/10 u. 44539/11, habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgehalten, dass in Afghanistan derzeit keine Situation allgemeiner Gewalt herrsche und Personen, die nur ein sogenanntes "low profile" aufweisen würden, selbst nach vorhergehender Tätigkeit für internationale Truppen oder internationale Organisationen nicht generell eine gezielte Verfolgung durch Talib befürchten müssten.

Auch aus einer wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lasse sich für den BF die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stelle nach ständiger Judikatur des VwGH keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährungen dar (vgl. etwa VwGH vom 14.03.1995, 94720/0798; 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen könnten nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehe (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529, 08.09.1999, 98/01/0614). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkenne, reiche auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährungen zu begründen, solange damit nicht eine Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden sei (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482; vgl. 28.05.1994, 94/20/0034). Selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage sei eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt-nämlich Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung- zusammenhänge, was im vorliegenden Fall zu verneinen sei.

Um von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative sprechen zu können, reiche es nicht aus, dem Asylwerber entgegen zu halten, dass er keine Folter oder unmenschliche Behandlung zu erwarten habe. Es müsse ihm vielmehr möglich sein, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß fassen zu können und dort ein Leben ohne unbillige Härte führen zu können, wie es auch andere Landsleute führen könnten (Vgl. VwGH 23.02.2018, Ra 2018/18/0001). Vor dem Hintergrund der individuellen Person des BF sei diesem die Rückkehr in die Stadt bzw. die Provinz Kabul aus folgenden Gründe zumutbar:

Es handle sich beim BF um einen arbeitsfähigen, gesunden jungen Mann. Er beherrsche die Landessprache und sei vor seiner Ausreise bereit mehrere Jahre erfolgreich als Geschäftsmann tätig gewesen. Seine Brüder würden weiterhin ein gut gehendes Geschäft in Kabul betreiben, wo die Familie des BF auch über zwei Häuser verfüge. Er sei aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut. Zudem gehöre er auch keinem Personenpreis an, von dem anzunehmen sei, dass er es sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstelle als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen könne. Der BF verfüge daher über familiären Rückhalt in Kabul, sowohl im Hinblick auf eine finanzielle Unterstützung, als auch im Hinblick auf eine geeignete Unterkunft.

Außerdem könne der BF durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden. Deshalb sei auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner und noch bevor er in der Lage sei, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Situation geraten könne. Auch die Sicherheitslage in der Stadt Kabul sei-wie den Länderfeststellungen zu entnehmen- als vergleichsweise sicher und stabil zu bezeichnen, auch wenn es zu vereinzelten Anschlägen hauptsächlich im Bereich staatlicher Einrichtungen oder NGO-s kommen würde. Eine derartige Gefährdungsquelle sei jedoch für reine Wohngebiete nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul als ausreichend zu bewerten sei.

In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass selbst fehlende Schul-/und Berufsausbildung bzw. Erfahrungen, drohende Arbeitslosigkeit und nicht ausreichende Kenntnisse über die örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art 3 EMRK zu begründen vermögen würden. Insgesamt würden Probleme hinsichtlich Arbeitsplatz und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht keine exzeptionellen Umstände darstellen.

Zusammengefasst beherrsche der BF die Landessprache Afghanistans, sei mit den kulturellen Gepflogenheiten vertraut, verfüge über Schuldbildung und Berufserfahrung, sowie über familiären Rückhalt in Kabul. Es bestehe daher nicht die reale Gefahr nach Art. 3 EMRK (vgl. VwgH 18.10.2017, Ra 2017/19/0157; VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095 jeweils mwN). Auch dadurch, dass der BF einer wohlhabenden Familie angehöre, könne keine reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK begründet werden, da es sich dabei lediglich um eine bloße Möglichkeit, aber noch keine alle Gefahr handeln würde. Aus den vorgelegten Berichten gehe zudem nicht hervor, dass wohlhabende Familien einer systematischen Verfolgung ausgesetzt wären.

Die Rückverbringung des BF nach Afghanistan stehe unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen nicht in Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005, weshalb dem BF nach den genannten Bestimmungen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuzuerkennen sei.

8. Am 20.04.2018 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz in der Bundesrepublik Deutschland. Nach erfolgter Dublin Zustimmung wurde der BF am 20.02.2019 von Deutschland nach Österreich überstellt.

9. Am 20.02.2019 stellte der BF den (zweiten) gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab im Rahmen der Erstbefragung am selben Tag auf die Frage, warum er neuerlich einen Asylantrag stellen würde und was sich konkret seit der Rechtskraft gegenüber dem bereits entschiedenen Verfahren geändert habe an, dass seine alten Fluchtgründe nach wie vor gelten würden. Er habe keine weiteren Gründe zur Antragstellung auf internationalen Schutz und habe Angst wie sein Bruder umgebracht zu werden.

10. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 08.03.2018 gab der BF an, dass seine Fluchtgründe vom Vorverfahren noch aufrecht sein würden und es neue Vorfälle geben würde, die sich auf sein Vorverfahren beziehen würden. Als er seinen negativen Bescheid in Österreich bekommen habe, sei er nach Deutschland gegangen. Als er eineinhalb Monate in Deutschland gewesen sei habe er erfahren, dass sein Bruder getötet worden sei. Er sei von denselben Leuten ermordet worden. Er meine damit jene Leute, von denen er bereits in seinem Vorverfahren erzählt habe. Sein Bruder sei vor ca. neun Monaten gestorben. Genaueres könne der BF nicht sagen. Zehn Tage nach dem Tode seines Bruders, sei er von seinem zweiten Bruder darüber informiert worden. Die Frage, ob der BF zu diesem Bruder noch Kontakt haben würde, beantwortete dieser damit, dass er seit dem Tod seines Bruders und seiner Mutter zu seinen Familienangehörigen keinen Kontakt mehr zu ihnen haben würde. Er wisse nicht, ob in diesem Falle eine Anzeige erstattet worden sei.

Er wisse nicht wer seinen Bruder umgebracht habe. Es seien entweder die Kutschis oder die Geschäftsmänner gewesen, die den BF bedroht hätten. Von diesen Bedrohungen habe er bereits in seinem Vorverfahren alles erzählt. Beweismittel dazu würde er keine haben.

Befragt zu seinem aktuellen gesundheitlichen Zustand führte dieser aus an Angstzuständen, Panikattacken, Kopfschmerzen und Magenprobleme zu leiden. In Deutschland sei der BF in medizinischer Behandlung gewesen. In Österreich sei er noch nicht bei einem Arzt gewesen. Die Probleme würde er seit drei, vier Monaten haben. Er habe keine Befunde, die er vorlegen könne. Als Beilage wurden zwei Kopien von Medikamentenschachteln und zwei Bestätigungen der Arbeitsunfähigkeit des BF vorgelegt. Im Spital sei der BF gewesen. Es sei ihm gesagt worden, dass er noch nicht versichert sei. Er habe vor zu einem Arzt zu gehen.

Zu den dem BF übermittelten Länderfeststellungen zur Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme, führte dieser in der mit aufgenommen Niederschrift aus, dass das Länderinformationsblatt nicht seine Person, sondern nur das Allgemeine betreffen würde. Er wisse, was in Afghanistan los sei und würde es täglich schlechter werden. Bei einem Raketenangriff seien wieder mehrere Leute ums Leben gekommen. Der Angriff habe in Südkabul stattgefunden. Der Rechtsberater verwies nochmals auf die vom BF vorgebrachten Nachfluchtgründe und wurde die Behörde ersucht sich mit dem psychischen Gesundheitszustand des BF auseinanderzusetzen.

Im Anschluss an die Einvernahme wurde mit mündlich verkündetem Bescheid vom 08.03.2019 gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 den Beschwerdeführer betreffend aufgehoben. Es wurde hinsichtlich des physischen und psychischen Zustandes die Feststellung getroffen, dass der BF bei der Einvernahme am 08.03.2019 angegeben habe, dass er an Angstzuständen, Panickattacken, Kopf-, und Magenschmerzen leiden würde. In Österreich sei er diesbezüglich noch zu keinem Arzt gegangen und habe auch keine Befunde vorlegen können. In Afghanistan sei eine ausreichende medizinische Versorgung gewährleistet. Er würde arbeitsfähig sein und würde der BF an keiner sonstigen schweren psychischen Störung und/oder schweren oder ansteckenden Krankheit leiden.

Zu seinem Fluchtgrund wurde festgestellt, dass der BF im (zweiten) Verfahren vorgebracht habe, dass seine Gründe aus dem vorangehenden Asylverfahren noch gelten würden und es keine neuen Gründe geben würde. In der Einvernahme habe der BF ebenfalls erwähnt, dass er bereits in seinem Vorverfahren alle Fluchtgründe erwähnt hätte. Dazu gekommen sei, dass der Bruder des BF vor neun Monate von den Leuten, die den BF bereits in Afghanistan bedroht hätten, ermordet worden sei. Das neu Vorgebrachte würde sich jedoch auf die Fluchtgründe in seinem Vorverfahren beziehen. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Sein nunmehriges Vorbringen sei nicht glaubwürdig. Der neue Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Nach der mündlichen Verkündung des Bescheides erklärte der BF, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden sei, eine Beschwerde gegen diese Entscheidung einbringen möchte und zur Begründung dieser Beschwerde auf sein Vorbringen von heute verweise.

Die bezughabenden Verwaltungsakten sind am 12.03.2019 bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt und am selben Tag erging die Mitteilung gemäß § 22 Abs 2 BFA- VG.

11. Mit Beschluss des BVwG vom 14.03.2019 wurde die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gem. §12a Abs. 2 AsylG 2005 als nicht rechtmäßig festgestellt und der mündlich verkündete Bescheid des BFA vom 08.03.2019 zu Zl 105096500 / 190181732 aufgehoben.

Begründend wurde zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass der BF im gegenständlichen Verfahren auch ausgeführt hat, dass er nunmehr Medikamente benötigen würde. Im Vorbescheid ist jedoch davon ausgegangen worden, dass es sich bei dem BF um einen gesunden Mann handelt. Somit könne bezüglich der persönlichen Verhältnisse nicht ausgeschlossen werden, dass nunmehr ein diesbezüglich geänderter Sachverhalt vorliegen würde. Mit diesem Umstand hat sich das BFA nicht ausreichend auseinandergesetzt und den Gesundheitszustand des BF nicht abschließend abgeklärt, als auch Abklärungen betreffend der Zumutbarkeit einer Rückkehr des BF nach Masar - e Sharif oder Herat dem gegenständlichen Bescheid zu nicht entnehmen sind.

12. Der Beschwerdeführers wurde mit Datum 10.04.2019 einer neurologischen Untersuchung unterzogen. Dem Neurologisch - Psychiatrischen Gutachten des ausgewiesenen Facharztes für Neurologie und Psychiatrie ist zu entnehmen (As. 527 ff.) das der Beschwerdeführer unter einer leichtgradigen depressiven Reaktion leidet (F43.2), von einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit des Krankheitsbildes nicht auszugehen ist, bzw. keine weitere Behandlungsbedürftigkeit besteht. Bei einer Überstellung wäre eine kurz- bis mittelfristige Verschlechterung des Krankheitsbildes möglich. Aus neurologisch - psychiatrischer Sicht würde jedoch im Falle einer Überstellung nicht die reale Gefahr bestehen, dass der Antragsteller aufgrund psychischer Störung in einen lebensbedrohliche Zustand geraten würde oder sich die Krankheit in einem lebensbedrohlichen Zustand verschlechtern würde. Spezifisch medizinische Maßnahmen würden nicht vorliegen und wären während der Überstellung nicht erforderlich.

13. Mit Datum 09.05.2019 wurde mit dem Beschwerdeführer einer weitere Einvernahme durchgeführt in der dieser das Ergebnis der Untersuchung zu Kenntnis gebracht ausführte, dass er schon den Arzt gesagt habe, dass er nur Angst hätte, dass er nach Afghanistan zurückgeschickt werde. Sein Leben wäre dort in Gefahr. Dem BF die Möglichkeit geboten weitere Ausführungen zu erstatten führte dieser hierbei aus, dass er wisse, dass man seinen Antrag ablehnen wolle, seine Gründe bearbeitet worden wären und sein Akt geschlossen wäre. Dies wäre die gesetzliche Seite. Menschlich gesehen wer wäre jedoch verantwortlich dafür wenn ihm etwas nach einer Rückkehr in Afghanistan geschehen würde. Es gäbe keine andere Möglichkeit als dass er in Österreich bleiben würde. Sonstige Ausführungen wurden nicht erstattet.

14. Mit Bescheid des BFA vom 28.05.2019 wurde der Folgeantrag des BF hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.), gem. §53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von 2 Jahren erlassen, sowie die Unterkunftnahme im Quartier BS Ossiach aufgetragen (Spruchpunkt VIII.)

Hierzu wurde seitens des BFA im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF keine neuen Gründe vorgebracht hätte, bzw. sich kein neuer objektiver Sachverhalt betreffend der Spruchpunkte I und II im Vergleich zu den Feststellungen des Erstverfahrens ergeben hätte. Der BF hätte insbesondere keinen neuen relevanten Sachverhalt glaubwürdig vorgebracht. Der BF hätte vorgebracht, dass die Gründe des vorangehenden Asylverfahrens noch gelten würden und es keine neuen Gründe gäbe. Neu wäre zwar angegeben worden, dass ein Bruder des BF getötet worden wäre. Dieses Vorbringen würde sich jedoch auch auf das Vorverfahren beziehen. In diesem Vorverfahren wäre das sich bereits hierauf bezogene Vorbringen jedoch als unglaubwürdig qualifiziert worden. Auch im Folgeantragsverfahren wäre es durch die Steigerung des Vorbringens nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass dem BF im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne der GFK drohe. Der BF hätte im Bundesgebiet kein schützenswertes Privat und Familienleben. Dem BF würde bei einer Überstellung nach Afghanistan und insbesondere in eine der großen Städte Afghanistans wie Masar - e Sharif oder Herat kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK drohen. Bei einer Rückkehr nach Mazar-e-Scharif kann grundlegende und notwendige LebensbedürfnisseEine nachhaltige Integration im Bundesgebiet wäre nicht ersichtlich. Der BF hätte die im Vorverfahren aufgetragene Frist für die Ausreise in das Heimatland nicht eingehalten. Damit hätte der BF eine behördliche Anordnung nicht Folge geleistet und gröblich missachtet. Zur Begründung der Erlassung des Einreiseverbotes wurde ausgeführt, dass der BF seit seiner illegalen Einreise ausschließlich aus Mitteln der Grundversorgung lebe und er könne Mittel für seinen Unerhalt nicht nachweisen. Zur Anordnung der Unterkunftnahme wurde ausgeführt, dass gegen den BF bereits eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen worden wäre.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid des BFA fristgerecht Beschwerde. In dieser wird zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass sich die Behörde nicht in ausreichender Weise mit dem Vorbringen des BF auseinandergesetzt hätte. Die Beweiswürdigung bzw. die rechtliche Beurteilung des BFA wäre widersprüchlich. Dies, da dem BF einerseits vorgeworfen würde, dass die von ihm vorgebrachten Ereignisse nicht glaubwürdig wären, bzw. gleichzeitig behauptet worden wäre, dass eine Beurteilung der neuen Fluchtgründe sich erübrigen würde, da kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden hätte können, bzw. keine Abänderungen sei dem Vorverfahren vorliegen würden. Zwar wäre die inhaltlich beweiswürdigende Überlegung des BFA auch unrichtig, aber offensichtlich hätte das Vorbringen des BF einen "glaubwürdigen Kern", anderenfalls es nicht erkennbar wäre, was das BFA damit bezwecken wolle. Hätte sich das BFA mit dem Vorbringen und den Länderinformationen zum Herkunftsstaat auseinandergesetzt, so hätte es zum Schluss kommen müssen, dass ein solcher maßgeblich veränderter Sachverhalt sehr wohl vorliegen würde und eine inhaltliche Überprüfung des Asylantrages nicht unterlassen werden könne. Der BF hätte in seiner Einvernahme ausführlich dargelegt, dass die Ermordung seines Bruders in Zusammenhang mit seinen eigenen Verfolgungsbefürchtungen stehen würde. Dies wäre jedenfalls zu überprüfen gewesen. Das Vorhandensein eines "glaubwüdigen Kerns" in den diesbezüglichen Erklärungen des BFA wäre nicht zu leugnen und auch nicht, das Vorhandensein einer wesentlichen Neuerung seiner Befürchtungen. Eine Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der afghanischen Behörden würde nicht vorliegen. Mit dem zentralen Vorbringen hätte sich das BFA nicht einmal in rudimentärer Weise auseinandergesetzt. Auch wäre die Sicherheitslage in Afghanistan eine wesentlich schlechtere und die persönliche Situation eine völlig andere, da er keine Anknüpfungspunkte in der Heimat mehr hätte, die ihn eine innerstaatliche Fluchtalternative bzw. eine menschenwürdige Existenz ermöglichen würden. Auch hätte er Gründe seine Integration betreffend vorgebracht, die beurteilt hätten werden müssen. Auch aus den Länderinformationen würde hervorgehen, dass das Vorbringen des BF glaubwürdig wäre. Zur gegenwärtigen Situation in Afghanistan wäre auszuführen, dass sich die Situation sei dem ersten Asylverfahren gravierend verändert hätte. Das BFA würde sich begnügen mit einen lapidaren Hinweis darauf, dass sich die Lage nicht geändert hätte darauf einzugehen. Der Bescheid würde damit einen Begründungsmangel leiden. Der Behördlichen Ermittlungspflicht wäre insgesamt nicht adäquat Rechnung getragen worden. Die Rückkehrbefürchtungen des BF wären wohl begründet. Eine Abschiebung würde Art. 2 und Art 3. EMRK widersprechen und es wäre jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren gewesen. Dies umso mehr in Hinblick auf die psychiatrischen Schwierigkeiten des BF, da Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, bzw. psychiatrische Erkrankungen in Afghanistan besonders stigmatisiert wären. Auch hinsichtlich des Privat und Familienlebens wäre eine unzureichende Abklärung vorgenommen worden. Der BF würde sehr gut Deutsch sprechen und hätte sich in Österreich gut eingelebt. Er wäre selbsterhaltungsfähig und hätte zahlreiche soziale und familiäre Kontakte in Österreich. Warum das BFA das Gegenteil behaupten würde, wäre nicht nachzuvollziehen. Alleine die Dauer des Aufenthaltes wäre kein überzeugender Grund für eine Ablehnung der Schutzwürdigkeit. Das BFA hätte somit auch in Bezug auf die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gegenständliches Verfahren keiner adäquaten Beurteilung unterzogen. Das BFA hätte feststellen müssen, dass die Rückkehrentscheidung gegen Art. 8 EMRK verstoßen würde. Auch betreffend das Einreiseverbot hätte das BFA nicht dargelegt, warum der BF eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit darstellen würde und es bestehe kein dringender Anlasse für die Verhängung eines solchen. Die Dauer des Einreiseverbotes wäre im angefochtenen Bescheid auch nicht adäquat begründet. Der BF würde einen Nachteil durch die Nichtgewährung der Aufschiebenden Wirkung erleiden. Daher würde eine Zuerkennung weniger schwer ins Gewicht fallen als die Aberkennung. Hinsichtlich der Wohnsitzauflage würde anzuführen sein, dass hierfür kein Bedarf ersicht wäre. Das vom BF entwickelte Privat und Familienleben könnte dieser in der Betreuungseinrichtung nicht fortsetzen. Die belangte Behörde würde es nicht vermögen darzulegen, warum dies verhältnismäßig wäre, zumal der Ausgang des Asylverfahrens offen wäre. Ais diesem Grund würde sich die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr nicht stellen. Die Wohnsitzauflage würde keinen geringfügigen Eingriff, sondern eine unzumutbar große Änderung im Leben des BF darstellen. De facto würde den BF die Freiheit genommen sein Leben selbständig zu führen und seinen Wohnort entsprechend seinen Bedürfnissen frei zu wählen. Es wurden die Anträge gestellt, den Antrag inhaltlich zu behandeln, dem BF die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, allenfalls subsidiären Schutz zu erteilen, das Verfahren an das BFA zurückzuverweisen, aufschiebende Wirkung zu gewähren, einen landeskundigen Sachverständigen betreffend der Situation in Afghanistan zu beauftragen, einen mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, den BF einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, allenfalls die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären, die Anordnung der Unterkunft in Rappitsch aufzuheben, das Einreiseverbot aufzuheben, bzw. allenfalls die Dauer des Einreiseverbotes zu senken.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Der BF führt den im Spruch ersichtlichen Namen, ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara an.

Das vom BF initiierte Asylverfahren wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 19.03.2018, zugestellt am 20.03.2018, rechtskräftig negativ abgeschlossen. Der Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, subsidiärer Schutz wurde in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht eingeräumt und wurde dem BF letztlich kein Aufenthaltstitel gewährt und eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen.

Der BF ist seiner Ausreiseverpflichtung bis dato nicht nachgekommen.

Der BF stellte in der Folge am 20.02.2019 einen neuerlichen (den gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen einerseits damit, dass die Fluchtgründe, die er im ersten Verfahren dargelegt hatte nach wie vor bestehen würde und sich die neuen Vorfälle auf sein Vorverfahren beziehen würden. Demnach sei einer seiner Brüder von denselben Leuten ermordet worden, die den BF bereits bedroht hätten. Von diesem Ereignis habe der BF vor ca. neun Monaten über ein Telefonat seines anderen Bruders erfahren.

Die telefonische Bedrohung des BF durch die Geschäftsleute wegen des gut gehenden Geschäftes des BF bzw. der einmaligen Drohung der Kutschis über einen Verwandten des BF ihnen die Grundstücke zu überlassen, wurde im Erstverfahren als nicht asylrelevant erachtet.

Die nunmehr im gegenständlichen Verfahren behauptete Ermordung des Bruders des BF durch die Feinde von diesem, die den BF bereist in Afghanistan bedroht hätten, wird als insgesamt nicht glaubhaft angesehen.

Der BF brachte im gegenständlichen Asylverfahren somit keine entscheidungsrelevanten neuen Fluchtgründe vor, denen zumindest ein glaubhafter Kern innewohnt.

Der BF ist ein junger, insgesamt gesunder und arbeitsfähiger volljähriger Mann. Der aktuelle Gesundheitszustand steht daher einer Rückkehr nicht entgegen.

In Bezug auf den BF besteht weiterhin kein schützenswertes Privatund/oder Familienleben im Bundesgebiet. Eine Überstellung des BF nach Afghanistan stellt keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 8 EMRK geschützte Rechte dar.

Das Vorliegen einer besonderen Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist aus dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht ersichtlich.

Zwischen rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens und der Zurückweisung des gegenständlichen Folgeantrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache mit ist keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten.

Die individuelle Situation des BF hinsichtlich seines Herkunftsstaates Afghanistan hat sich nicht in einem Umfang verändert, dass von einer wesentlichen Änderung des Sachverhalts auszugehen ist. Auch die Rechtslage blieb, soweit entscheidungsrelevant, unverändert.

Dem BF droht bei einer Überstellung nach Afghanistan und insbesondere in eine der großen Städte Afghanistans wie Masar - e Sharif oder Herat kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit. Bei einer Rückkehr nach Mazar-e-Scharif kann grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Eine Überstellung des BF nach Afghanistan stellt keinen unzulässigen Eingriff in besonders durch Art. 3 EMRK geschützte Rechte dar.

Die Anordnung der Unterkunftnahme des BF gem. 15 b Abs. 1 AsylG erfolgte zu Recht.

Die Verhängung des Einreiseverbotes gem. §53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Ziffer 6 FPG in der Dauer von 2 Jahren erfolgte zu Recht.

Die belangte Behörde hat ein insgesamt mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen bzw. substantiiert begründeten Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffene Entscheidung in Frage zu stellen

Die wesentlichen Feststellungen zu Afghanistan lauten:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 23.11.2018 - LIB 23.11.2018, S.42).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 23.11.2018, S. 42).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 23.11.2018, S. 45).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 23.11.2018, S. 53).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 23.11.2018, S. 46).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 19.10.2018, S. 40). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 23.11.2018, S.46 ff).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 23.11.2018, S. 85).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 23.11.2018, S. 86).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 23.11.2018, S. 86).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 23.11.2018, S. 85f).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 23.11.2018, S. 359f).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad (LIB 19.10.2018, S. 334 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden (LIB 23.11.2018, S. 342f).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 23.11.2018, S. 336).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 23.11.2018, S. 336f).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./IV, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 23.11.2018, S. 349).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 23.11.2018, S. 350f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 23.11.2018, S. 351f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 23.11.2018, S. 352f).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 23.11.2018, S. 353f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 23.11.2018, S. 354).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozia

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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