TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/4 95/19/1265

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.09.1998
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AufG 1992 §6 Abs1;
AVG §37;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der beschwerdeführenden Parteien

1. M M, geb. 1956, 2. F M, geb. 1981 und 3. G M, geb. 1987, letztere vertreten durch die erstbeschwerdeführende Partei, sämtliche in Wien, die erstbeschwerdeführende Partei vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 26. Juli 1995, 1. Zl. 104.283/2-III/11/95, 2. Zl. 104.283/4-III/11/95 und 3. Zl. 104.283/3-III/11/95, je betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit den jeweils angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Im wesentlichen gleichlautend verwies die belangte Behörde in der Bescheidbegründung darauf, daß der Lebensunterhalt der beschwerdeführenden Parteien "lediglich aufgrund der Verpflichtungserklärung" eines näher genannten Dritten bestritten werden solle; dadurch sei die dauernde Sicherung des Unterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG nicht gewährleistet, besonders deshalb, da der "Verpflichter" für zwei getrennte Haushalte aufzukommen hätte und selbst Familie habe. Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der beschwerdeführenden Parteien führte die belangte Behörde aus, daß durch den Aufenthalt seit 1991 und den Schulbesuch (bei der zweit- und drittbeschwerdeführenden Partei) nicht "absprechbare Bindungen zur Republik Österreich" bestünden. Diese seien jedoch gegenüber den öffentlichen Interessen hintanzustellen. Die öffentlichen Interessen würden durch die mögliche finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft durch den weiteren Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien gefährdet.

Mit Beschluß vom 11. Oktober 1995, B 2875-2877/95-3, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Die beschwerdeführenden Parteien verfügten nach der Aktenlage über einen am 22. September 1993 ausgestellten Wiedereinreisesichtvermerk bis zum 28. Februar 1994, nicht jedoch über eine Aufenthaltsbewilligung nach dem AufG. Die Anträge der beschwerdeführenden Parteien vom 9. Februar 1994 bzw. vom 18. Februar 1994 waren daher nicht als Verlängerungsanträge zu werten. Die angefochtenen Bescheide sind demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 und 7 FrG 1997 mit Ablauf des 31.Dezember 1997 außer Kraft getreten. Infolge des erwähnten Wiedereinreisesichtvermerks nach dem FrG 1992 hatten auch die ab dem 18. Februar 1991 erteilten und bis zum 30. April 1994 gültigen Wiedereinresichtvermerke außer Betracht zu bleiben; ein dem hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475, vergleichbarer Sachverhalt liegt insoweit nicht vor.

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung unter anderem dann nicht erteilt werden, wenn deren Lebensunterhalt in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

In ihren Anträgen auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verwiesen die beschwerdeführenden Parteien auf das Einkommen eines "Verpflichters"; sonstige zur Bestreitung des Unterhaltes verfügbare Mitteln wurden im Verwaltungsverfahren nicht angeführt.

Aus dem der Verpflichtungserklärung angeschlossenen Einkommensnachweis ergibt sich für den "Verpflichter" ein monatliches Nettoeinkommen von S 18.121,28 für den Monat Jänner 1994. Dieser Betrag stimmt mit dem in den Anträgen auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung jeweils genannten überein.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Fremde von sich aus (initiativ) zu belegen, daß sie über die zur Bestreitung ihres Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügen. Nur dadurch kommen sie ihrer Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund im Sinn des § 5 Abs. 1 leg. cit. vorliegt. Aufforderungen durch die Behörde an die Antragsteller, dieser Darlegungspflicht entsprechend zu handeln, sind demnach ebensowenig geboten, wie die Durchführung entsprechender amtswegiger Ermittlungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1998, Zl. 96/19/0787, mwN).

Soweit die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vorbringt, sie werde durch die "Schwiegereltern"(nach der Aktenlage ist die Beschwerdeführerin geschieden) ausreichend unterstützt, unterliegt dieses - im übrigen nicht näher bezifferte - Vorbringen dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.

§ 1 der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 13/1973, in der Fassung der am 28. Dezember 1994 herausgegebenen und am 1. Jänner 1995 in Kraft getretenen Verordnung LGBl. Nr. 68/1995 lautete:

"§ 1 (1) Die Richtsätze für Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes werden mit folgenden monatlichen Beträgen festgesetzt:

     1. Für den Alleinunterstützten .................. S 4.770,--

     2. für den Hauptunterstützten ................... S 4.652,--

     3. für den Mitunterstützten

         a) ohne Anspruch auf Familienbeihilfe........ S 2.388,--

         b) mit Anspruch auf Familienbeihilfe......... S 1.431,--."

Gemäß § 4 Abs. 4 leg. cit. gilt als durchschnittlicher Mietbedarf für das Jahr 1995 ein Betrag von S 794,-- monatlich.

Weder dem Akteninhalt noch dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien ist zu entnehmen, daß für die zweit- und die drittbeschwerdeführende Partei Anspruch auf Familienbeihilfe bestünde. Demzufolge ergibt sich unter Heranziehung der oben erwähnten Richtsätze als Orientierungshilfe ein Bedarf für die beschwerdeführenden Parteien (ohne durchschnittlichen Mietbedarf) von S 9.428,-- monatlich.

Im Verwaltungsverfahren unstrittig war, daß die beschwerdeführenden Parteien zur Deckung ihres Lebensunterhaltes allein auf das Einkommen des "Verpflichters" angewiesen sind. Wobei hier - obwohl sich die Verpflichtungserklärung nur auf die Erstbeschwerdeführerin bezieht - bereits unterstellt wird, daß sich die Verpflichtungserklärung auch auf die zweit- und drittbeschwerdeführende Partei erstreckt. Die Erstbeschwerdeführerin hat zu den Lebensumständen des "Verpflichters" in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 29. März 1994 angegeben, daß dieser in einer Familie mit einer Frau und zwei Kindern lebe. Die Beschwerde tritt der erkennbaren Annahme der belangten Behörde im bekämpften Bescheid, wonach der "Verpflichter" für die soeben genannten Personen sorgepflichtig ist, nicht entgegen, sodaß auch der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht. Unter Berücksichtigung der bereits genannten Richtsätze ergibt sich somit ein monatlicher Unterhaltsbedarf in der Höhe von S 11.816,-- (ohne durchschnittlichen Mietbedarf). Zusammen mit dem für die beschwerdeführenden Parteien anzusetzenden Lebensunterhalt in der Höhe von S 9.428,-- ergäbe dies den Betrag von S 21.244,--. Dabei ist aber - wie erwähnt - zu berücksichtigen, daß die Sozialhilferichtsätze nur eine Orientierungshilfe für den tatsächlichen Bedarf sein können. Dieser Orientierungsbetrag wird bei der Berücksichtigung des

13. und 14. Monatsgehaltes unter Bedachtnahme auf die steuerliche Begünstigung desselben in etwa - ohne Berücksichtigung des von der belangten Behörde nicht herangezogenen Mietbedarfes - erreicht, sodaß die rechtliche Folgerung der belangten Behörde, daß im Falle der beschwerdeführenden Parteien der Ausschließungsgrund des nicht gesicherten Unterhalts gemäß § 5 Abs. 1 AufG verwirklicht sei, nicht geteilt werden kann.

Die beschwerdeführenden Parteien rügen bei dieser Aktenlage zu Recht, daß die belangte Behörde die vorgelegte Verpflichtungserklärung als nicht ausreichend angesehen habe, ohne hiezu Parteiengehör einzuräumen.

Der angefochtene Bescheid war daher aus den genannten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß einerseits die Umsatzsteuer bereits in der Pauschalgebühr für den Schriftsatzaufwand enthalten ist und andererseits der Ersatz

von Stempelgebühren für die ursprünglich beim Verfassungsgerichtshof eingebrachte Beschwerde im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht zusteht.

Wien, am 4. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995191265.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten