TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/4 98/19/0001

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.09.1998
beobachten
merken

Index

27/01 Rechtsanwälte;

Norm

DSt Rechtsanwälte 1990 §26;
DSt Rechtsanwälte 1990 §64 Abs1;
DSt Rechtsanwälte 1990 §64 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des Dr. W K in Baden, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Baden, gegen den Bescheid des Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter vom 14. November 1994, Zl. 7 Bkd 5/94-6, betreffend Befangenheit in Disziplinarsachen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit der vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften, als Beschluß bezeichneten Entscheidung erkannte der Präsident der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK), daß die vom Beschwerdeführer als Beschuldigten in einem gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahren geltend gemachte Befangenheit der näher genannten Mitglieder des Senates 7 der OBDK nicht vorliege.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 11. Dezember 1995, B 2633/94-12, G 58/95-12, V 56/95-12, unter anderem die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Der Beschwerdeführer bekämpft vor dem Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Präsidenten der OBDK wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er erachtet sich in "seinem subjektiven Recht auf fehlerfreie verwaltungsbehördliche Ermessensentscheidung bei Beurteilung des Vorliegens der Befangenheit der Senatsmitglieder der OBDK verletzt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes genügt es auf den hg. Beschluß vom 26. März 1996, Zl. 96/19/0164 und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1997, K I-10/96-13, zu verweisen.

Gemäß § 64 Abs. 5 erster Satz DSt 1990 entscheidet über das Vorliegen von Ausschließungs- oder Befangenheitsgründen der Mitglieder der OBDK der Präsident; die belangte Behörde war daher zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig (vgl. auch das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof vom 9. Oktober 1997).

Gemäß § 59 Abs. 1 DSt 1990 besteht die OBDK einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten aus mindestens 8 und höchstens 16 Richtern des Obersten Gerichtshofes und aus 32 Rechtsanwälten (Anwaltsrichtern). Die Richter werden vom Bundesminister für Justiz nach Anhörung des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes und des Präsidenten der OBDK auf die Dauer von fünf Jahren ernannt. Die Anwaltsrichter werden von den Rechtsanwaltskammern für fünf Kalenderjahre gewählt. Eine neuerliche Ernennung oder Wiederwahl ist zulässig. Die Rechtsanwaltskammern haben das Ergebnis der Wahl dem Bundesminister für Justiz und dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag mitzuteilen (Abs. 2 leg. cit.).

Nach § 59 Abs. 3 letzter Satz DSt 1990 darf ein Mitglied der OBDK nicht zugleich Mitglied des Ausschusses oder Disziplinarrats, Kammeranwalt oder Stellvertreter des Kammeranwalts einer Rechtsanwaltskammer sein. Gemäß § 63 Abs. 1 DSt 1990 verhandelt und entscheidet die OBDK in Senaten, die aus zwei Richtern und zwei Anwaltsrichtern bestehen, wobei jedes Mitglied der OBDK mehreren Senaten angehören darf. Nach Abs. 2 leg. cit. führt den Vorsitz des Senats ein Richter; ein Anwaltsrichter des Senats soll nach Möglichkeit dem Kreis derjenigen Rechtsanwälte angehören, die von der Rechtsanwaltskammer des Beschuldigten gewählt wurden.

§ 64 DSt 1990 lautet auszugsweise wie folgt:

"(1) Die Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission sind in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden. Sie haben ihr Amt unparteiisch auszuüben. ... Die Entscheidungen der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission unterliegen nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg.

(2) Auf die Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission sind die Ausschließungsgründe des § 26 anzuwenden. Ausgeschlossen ist ferner, wer an der angefochtenen Entscheidung teilgenommen oder am vorangegangenen Verfahren als Kammeranwalt, Verteidiger des Beschuldigten oder Vertreter eines sonst Beiteiligten mitgewirkt hat.

(3) Die Generalprokuratur, der Kammeranwalt und der Beschuldigte sind darüber hinaus berechtigt, einzelne Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission unter Angabe bestimmter Gründe wegen Befangenheit abzulehnen.

(4) Die Mitglieder der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission haben sie betreffende Ausschließungs- oder Befangenheitsgründe dem Präsidenten der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission unverzüglich bekanntzugeben..."

Nach § 26 Abs. 1 DSt 1990 ist ein Mitglied des Disziplinarrats von der Teilnahme am Disziplinarverfahren ausgeschlossen, wenn 1. das Mitglied duch das Disziplinarvergehen selbst betroffen oder Anzeiger oder

2. Rechtsfreund oder gesetzlicher Vertreter des Betroffenen oder Anzeigers ist oder 3. der Beschuldigte, der Anzeiger oder Betroffene Angehöriger des Mitglieds im Sinn des § 152 Abs. 1 Z. 1 StPO ist. Nach Abs. 2 leg. cit. ist auch der Untersuchungskommissär von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung oder Entscheidung ausgeschlossen.

Nach § 66 DStG 1990 üben die Anwaltsrichter ihr Amt als Ehrenamt aus. Den außerhalb Wiens wohnenden Anwaltsrichtern werden die notwendigen Reise- und Aufenthaltskosten von der Rechtsanwaltskammer ersetzt, die sie gewählt hat.

Der Beschwerdeführer hat - nach seinen eigenen Angaben in der Beschwerde - mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1994 gegenüber dem Präsidenten der OBDK wie folgt vorgebracht:

"Sehr geehrter Herr Präsident

Ich erlaube mir, sowohl Vorsitzenden, Stellvertreter,

Richter, Ersatzmitglieder, Anwaltsrichter und deren

Ersatzmitglieder laut Liste

abzulehnen,

mit folgender Begründung: Ich habe vor Jahren in Vollversammlungen die Abschaffung von sogenannten Vertrauensschadensversicherungen, Radio-Austria-Prämien, eine Gewährung von Sozialrabatten bei Armenvertretungskosten, Überprüfung des Pensionsfonds durch den Rechnungshof und die Anrechung von Pensionsversicherungsprämienzahlungen bei Beendigung des Anwaltsberufes und Annahme einer unselbständigen Tätigkeit beantragt. Erfolglos.

Ich lasse nun die Rechtmäßigkeit der diesbezüglichen Generalversammlungs- und Ausschußbeschlüsse im Wege der Nichtzahlung und damit verbundener überprüfbarer Rückstandsausweise von unabhängigen Gerichten überprüfen.

Eine andere Möglichkeit besteht nicht.

Daher ist Gegenstand des Disziplinarverfahrens die finanzielle Grundlage der Rechtsanwaltskammerorganisation und somit auch der OBDK. Wer die Kammer nicht zahlt, ist laut OBDK-Spruch nicht imstande, den Anwaltsberuf auszuüben.

Ich

beantrage,

die Sache zur Entscheidung an einen Minister zu übertragen."

Unstrittig ist, daß sich diesem Vorbringen kein Hinweis auf einen der im § 26 DSt 1990 geregelten Ausschließungsgründe entnehmen läßt.

Der Beschwerdeführer bringt weiters nicht vor, daß dem zur Entscheidung in der Disziplinarsache berufenen Senat der OBDK ein Mitglied angehören hätte sollen, das an der angefochtenen Entscheidung teilgenommen oder am vorangegangenen Verfahren als Kammeranwalt, Verteidiger des Beschuldigten oder Vertreter eines sonst Beteiligten mitgewirkt hat.

Ein Ausschließungsgrund ist somit nicht erkennbar.

Der Beschwerdeführer hat in seinem zitierten Schreiben vom 24. Oktober 1994 auch nur erklärt, die Mitglieder des zuständigen Senates der OBDK abzulehnen. Seinen diesbezüglichen Ausführungen im Zusammenhalt mit denjenigen in der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde läßt sich als bestimmter Grund (vgl. § 64 Abs. 3 DSt 1990) gerade noch entnehmen, daß der Vorwurf erhoben wird, als Mitglieder des Senates der OBDK seien die (abgelehnten) Mitglieder gleichzeitig auch Funktionäre der Rechtsanwaltskammer und würden somit, wenn auch nur zu einem geringfügigen Teil, aus Kammermitteln bezahlt; daraus ergebe sich, daß die Senatsmitglieder im konkreten Fall in eigener Sache entschieden (vgl. S 7 der Beschwerde).

Dem ist zu entgegnen, daß die dem Obersten Gerichtshof angehörigen Richter der OBDK jedenfalls nicht "Funktionäre der Rechtsanwaltskammer" sind. Vor allem aber läßt auch dieses Vorbringen keinerlei Anhaltspunkte für eine konkrete Besorgnis erkennen, daß die an keine Weisungen gebundenen Richter der OBDK sich im Fall des Beschwerdeführers von anderen als sachlichen Erwägungen leiten lassen würden. Der Hinweis auf eine Rechtsprechung der OBDK, wonach die jahrelange Nichtzahlung der den Rechtsanwälten obliegenden Kammerbeiträge und Umlagen für die Versorgungseinrichtung Desinteresse an einer weiteren Zugehörigkeit zum Rechtsanwaltstand zum Ausdruck bringe und dadurch der Rechtsanwalt unmißverständlich zu erkennen gebe, daß er den Beruf eines Rechtsanwaltes auszuüben nicht mehr in der Lage sei, vermag eine diesbezügliche Besorgnis gleichfalls nicht erkennen zu lassen, zumal das Vertreten einer bestimmten Rechtsauffassung ganz allgemein keinen Ablehnungsgrund bildet (vgl. hiezu etwa Bertel, Grundriß des österreichischen Strafprozeßrechts5, Rz 192, sowie Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen I, 201, je mit weiteren Nachweisen).

Soweit in dem Gesamtvorbringen des Beschwerdeführers Behauptungen willkürlicher Finanzgebarung im Bereich der Rechtsanwaltskammern enthalten sind, war hierauf schon deshalb nicht näher einzugehen, weil damit kein bestimmter Grund vorgebracht wird, der Anlaß gäbe, an der Unbefangenheit des Senates der OBDK und damit an der Richtigkeit des bekämpften Bescheides zu zweifeln.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998190001.X00

Im RIS seit

21.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten