TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/9 W187 2177373-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W187 2177373-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ZEIGE Zentrum für Europäische Integration und Globalen Erfahrungsaustausch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1 und § 10 Abs 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005, iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste schlepperunterstützt unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung am selben Tag wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers zu seiner Identität, seiner Reiseroute und seinen Fluchtgründen einvernommen. Als Beweggrund für seine Ausreise gab er an, dass bereits zehn seiner Bekannten von den Taliban entführt und sieben dieser Bekannten umgebracht worden seien. Aus Furcht, dass auch er und seine Familie umgebracht werden könnten, habe er das Land verlassen.

3. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Befragt nach seinem Fluchtgrund schilderte er, dass er eines Tages in einem Kleintransporter, in dem sich zehn Personen befanden, auf dem Weg von XXXX nach XXXX gewesen sei. Dabei sei das Auto von den Taliban gestoppt worden. Alle Personen hätten sich auf den Boden legen müssen und seien von den Taliban befragt worden, wer sie seien und wohin sie wollten. Dabei habe der Beschwerdeführer ein Telefonat eines Talib mit einer Person namens XXXX belauscht. Der Talib habe zu dieser Person gesagt, sie hätten die Leute, die XXXX verraten habe, festgenommen. Es habe dann Schießereien gegeben und sei der Beschwerdeführer gemeinsam mit drei anderen Personen von der Polizei befreit worden. Sieben Personen seien von den Taliban mitgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe den Vorfall bei der Distriktbehörde geschildert. Dabei habe er auch von dem belauschten Telefonat berichtet. Vier Monate später sei er von zwei bewaffneten Personen zu Hause bedroht worden, weil er sich weigerte, seine Aussage das Telefonat mit Herrn XXXX betreffend vor der Polizei zu widerrufen. Deswegen sei er dann mit seiner Familie geflüchtet.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

5. Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

6. Mit Schreiben vom XXXX , eingelangt am XXXX , erhob der Beschwerdeführer, unterstützt durch seine Rechtsvertretung, fristgerecht vollumfängliche Beschwerde gegen den spruchgegenständlichen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerde wendet eine Verfolgung des Beschwerdeführers durch die Taliban ein, verweist auf die Situation von Hazara und Schiiten und trifft Ausführungen zur Sicherheitslage

In Afghanistan.

7. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt. Unter einem beantragte die belangte Behörde, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

8. Mit Eingabe vom XXXX nahm der Beschwerdeführe zur letztaktuellen Berichtslage Stellung.

9. Die belangte Behörde verzichtete mit Schreiben vom XXXX auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und beantragte (nochmals) die Abweisung der Beschwerde sowie die Übersendung des aufgenommenen Verhandlungsprotokolls.

9. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer der Beschwerdeführer im Beisein des ausgewiesenen Rechtsvertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari vom erkennenden Richter zu seinem Antrag auf internationalen Schutz und seinen Beschwerdegründen einvernommen wurde. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

Die Verhandlungsschrift lautet auszugsweise:

"[...]

Richter: Verstehen Sie die Dolmetscherin gut?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen? Liegen Gründe vor, die Sie daran hindern?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente, befinden Sie sich in medizinischer Behandlung?

Beschwerdeführer: Nein.

[...]

Richter: Können Sie sich an Ihre Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erinnern? Waren diese richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: Ich wurde in Ghazni, im Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren. XXXX .

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer: Ich spreche Dari und ein wenig Deutsch, Dari kann ich nicht schreiben und lesen, Deutsch lesen und schreiben habe ich hier gelernt.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Ich bin Afghane und Hazara, ich bin schiitischer Moslem und verheiratet.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer: Ich habe einen Sohn und eine Tochter. Damals war mein Sohn ein Jahr und 3 Monate alt, mittlerweile ist er 4 Jahre alt, meine Tochter ist jetzt 5 Jahre und 6 Monate alt. (Beschwerdeführer weint)

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben.

Beschwerdeführer: Ich habe immer in Ghazni, in XXXX , im Dorf XXXX , gelebt.

Richter: Wie haben Sie in Afghanistan gewohnt?

Beschwerdeführer: In meinem eigenen Haus habe ich gelebt.

Richter: Was haben Sie in Afghanistan gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: Ich habe keine Schule besucht, ich habe gearbeitet, ich habe als Möbel-lackierer gearbeitet, habe auch Fensterrahmen und Türen angestrichen. Meine eigentliche Tätigkeit war Autolackierer.

Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführer: Ich habe gar keine Schule besucht.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: Meine Familie lebt seit 6 Monaten im Iran. Ein Freund von mir hatte meine Familie ein Haus organisiert und angemietet.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Ja. Seit 7 Monaten habe ich Kontakt zu meiner Familie. Sie haben jetzt ein Telefon und ich kann mit der Familie Kontakt halten.

Richter: Haben Sie in Afghanistan Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Ich hatte einen Onkel väterlicherseits. Sie hat mit ihren Kindern dort gelebt. Es gab einen Angriff der Taliban. Bei diesem Angriff wurden sie und ihr Sohn getötet. Der andere Sohn ist geflüchtet.

Richter: Will Ihre Familie auch nach Österreich kommen?

Beschwerdeführer: Wenn es geht, ja.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Ich lebe im Burgenland, in XXXX . Seit 2 Jahren und 7 oder 8 Monaten lebe ich in XXXX . Wir leben in einem Dorf. Dieses Dorf ist von der Stadt weit entfernt. Daher gibt es dort in der Umgebung keinen Deutschkurs. Ich lerne selbständig in der Unterkunft die Sprache. Ich habe 3 Deutschkurse besucht. Einen Alphabetisierungskurs und 2 Mal den A1 Kurs. Ich habe den A1 Kurs abgeschlossen. Für die Prüfung musste ich eine Gebühr zahlen. Das Geld hatte ich dafür nicht. Mein Lehrer sagte, dass ich auch die Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt ablegen kann, wenn ich das Geld dafür habe.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführer: Ja, habe ich. Ich habe sehr viele österreichische Freunde. Mittlerweile kann ich gut Deutsch sprechen und habe auch viele Österreicher kennengelernt.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer: Nein, leider nicht. Unser Dorf liegt sehr abgelegen. Nur im Sommer spiele ich mit meinen österreichischen Freunden Fußball.

Richter: Hatten Sie Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Ich bin nach XXXX gefahren, um Autolack zu kaufen. Ich war wieder dann auf dem Weg nach XXXX , habe in XXXX übernachten müssen, die Familie meines Freundes namens XXXX lebte dort. Er hat mir angeboten, bei seiner Familie zu übernachten und morgen gemeinsam nach XXXX zu fahren. Außerhalb der Stadt XXXX gab es einen kleinen Bazar, dort haben wir für die Familie des Freundes Geschenke gekauft. In der Region XXXX haben die Taliban unser Fahrzeug angehalten. 4 oder 5 Minuten zuvor hatten sie ein anderes Auto angehalten. Wir mussten aus dem Auto aussteigen und uns auf den Boden legen. Wir wurden nach unseren Namen gefragt. Von wo wir kommen und wohin wir fahren. Wir sagten ihnen unsere Namen und auch, dass wir in XXXX waren und auf dem Weg nach XXXX sind. Die Taliban haben uns aufgefordert, uns nicht zu bewegen. Einer von den Taliban hat den Herrn XXXX angerufen. Mit diesem Mann hat er gesprochen und hat gefragt, was er mit den Leuten, die er angehalten hat, machen soll. Es seien die Leute, die uns gemeldet wurden. Ein Auto, das vor uns unterwegs war, hat die Straße passiert und hatte beim nächsten Stützpunkt der Polizei gemeldet, dass ein anderes Auto von den Taliban angehalten wurde. Wir sind auf dem Boden gelegen. Wir durften uns nicht bewegen. Unsere Hände wurden auf unseren Rücken gefesselt und wurden einzeln in ein Auto hineingebracht. Wir waren noch auf dem Boden. Dann gab es einen Angriff der Polizei. Es wurde geschossen, die Taliban sind mit 7 Personen geflüchtet. Die Polizei ist gekommen und hat uns gesagt, dass wir uns nicht fürchten sollen, nun sei die Polizei da. Insgesamt 10 Personen konnten von der Polizei von dort weggebracht werden. Wir wurden dann von der Polizei über diesen Vorfall befragt. Es war sehr wichtig für die Polizei zu erfahren, was passiert ist, denn 7 Personen wurden von den Taliban mitgenommen. Wir wurden von der Polizei von XXXX nach XXXX gebracht. Der Kriminalleiter ist gekommen und hat uns aufgefordert, den gesamten Vorfall zu schildern. Wir erzählten, dass wir von XXXX nach XXXX unterwegs waren und auf dem Weg von den Taliban angehalten wurden. Die Taliban fragten uns nach unseren Namen. Ich erzählte auch der Polizei, dass während wir auf dem Boden gelegen sind, eine Person mit einem gewissen Herrn XXXX telefoniert hat. Und diese Person hat am Telefon gefragt, dass diese Personen über mich Bericht erstattet wurde nun angehalten und festgenommen wurden. Was nun mit diesen Leuten geschehen soll. Dann schickte uns die Polizei nach Hause. Ich bin nach Hause gegangen. 4 Monate waren von diesem Vorfall vergangen. 2 bewaffnete Personen sind zu mir gekommen. Sie fragten mich, ob ich Herr XXXX bin. Ich solle nach XXXX zur Polizei gehen und das, was ich über den Herrn XXXX erzählt habe, zurücknehmen. Ich sagte den beiden Männern, dass ich das nicht zurücknehmen kann, denn das, was passiert war, hatte ich der Polizei erzählt und ich kann jetzt nicht dorthin gehen und sagen, dass das alles eine Lüge war. Diese Männer sagten mir, wenn ich nicht mitkommen sollte, werden sie meine Familie töten und ich würde bestimmt nicht wollen, dass meine Familie gefährdet ist. Man sagte mir, dass ich Herrn XXXX gar nicht kennen würde, er sei ein sehr einflussreicher Mann, er würde sowohl für die Regierung als auch mit den Taliban arbeiten. Ich war sehr verängstigt. Ich bin zu meinem Onkel väterlicherseits gegangen. Ich erzählte ihm, dass 2 Personen zu mir gekommen sind, mich bedroht haben und ich sehr verängstigt bin. Mein Onkel sagte mir, dass er mir nicht helfen kann, das einzige was er für mich tun kann, ist, dass er mich bei der Flucht unterstützen könnte. Ende desselben Monats sind wieder dieselben Männer zu mir gekommen und fragten mich, warum ich nicht nach XXXX gekommen bin. Dies sei das letzte Mal, dass sie bei mir waren. Beim nächsten Mal würden sie meine gesamte Familie töten. Ich war wirklich sehr verängstigt und erzählte meinem Onkel, dass diese Personen wider bei mir waren. Mein Onkel sagte mir, das einzige was er für mich tun kann, ist, dass er das was ich habe mir abkauft und mit dem Geld könnte ich von hier flüchten. Von den 4 Personen die von XXXX Richtung XXXX unterwegs waren war ein Mann aus der Region XXXX . Ich habe gehört, dass dieser Mann getötet wurde. Ich weiß aber nicht, ob dieser Mann von diesen Personen, die mich bedroht haben getötet wurde oder von jemandem anderen. Ich hatte große Angst und habe meinen Onkel gebeten, mir zu helfen. Er sagte mir, dass er mein Grundstück, mein Haus und Auto mir abkaufen wird und mit dem Geld könnte ich von hier weggehen. Ich war damit einverstanden. Er sagte mir, dass er etwas Zeit braucht um das Geld für mich zu organisieren. Er hat mir angeraten, die Zeit die ich noch da bin, an verschiedenen Orten zu verbringen. Das habe ich auch getan. Etwa 2 Monate lang habe ich heimlich mich dort aufgehalten. Eine Zeit lang war ich beim Onkel väterlicherseits aufhältig, eine Zeit lang habe ich bei verschiedenen Bekannten und Freunden verbracht. das Leben war sehr schwierig für mich. Ich war sehr verängstigt. Mein Onkel hat mir das Geld organisiert. Es war 4 Uhr in der Früh, als mich mein Onkel väterlicherseits mit dem Auto nach XXXX gebracht hat. Von dort wurde ich nach XXXX gebracht. Dort blieb ich eine Nacht. Danach reiste ich nach XXXX . Ich habe dann einen Schlepper gesucht. Ich habe einen Schlepper namens XXXX organisiert. Ich erzählte ihm, dass mein Leben hier in Gefahr ist. Ich habe dann mit ihm vereinbart, dass er mich für 2600 US Dollar bis in die Türkei bringen soll. Ich bin dann in den Iran gereist. 6 Nächte war ich im Iran aufhältig. Meine Familie hat mich bis dorthin noch begleitet. An der Grenze zur Türkei wurden die Männer von den Frauen und Kindern getrennt. Der Schlepper meinte, dass die Männer den Weg für die Frauen freilegen müssen. Die Grenze war mit einem Stacheldraht gesichert. Der Schlepper wollte, dass die Männer diesen Stacheldraht beseitigen damit die Frauen und Kinder den Weg passieren können. Plötzlich hörten wir Schüsse. Die iranischen Soldaten haben Schüsse abgefeuert. Keiner konnte sich bewegen. Wir waren bereits schon auf der türkischen Seite, die Frauen und Kinder sind auf der iranischen Seite zurückgeblieben. Ich wollte, dass meine Familie die Grenze überquert. Aber der Schlepper sagte, dass sie alle jetzt von der Polizei angehalten wurden und die iranische Polizei Frauen und Kinder die keine männliche Begleitung haben so und so wieder freilassen wird. Ich konnte leider nichts tun. Der Schlepper brachte uns in die Türkei, meine Familie blieb zurück, ich habe alles versucht, aber der Schlepper sagte, dass er nun die Familie nicht über die Grenze bringen kann. Das war Schicksal. Lange Zeit hatte ich keinen Kontakt zu meiner Familie. 4 Tage war ich in der Türkei, habe den Schlepper angerufen und gesagt, dass er mir ein Teil des Geldes zurückgeben soll, damit ich zu meiner Familie zurückgehen kann oder dass man mir die Familie hierher bringt. Ich konnte nichts für meine Familie tun. Der Schlepper wollte mir mein Geld auch nicht zurückgeben. Er sagte, er könne mich nach Griechenland bringen und die Familie wird bestimmt von der iranischen Polizei freigelassen. Ich hatte keinen anderen Ausweg. Wir wurden dann Richtung Griechenland geschickt. 2 Nächte war ich in Griechenland aufhältig. Danach durchreiste ich einige Länder. Die Namen dieser Länder kenne ich nicht. Und kam dann letztendlich in Österreich an. Lange Zeit hatte ich keinen Kontakt zu meiner Familie. Ich wusste auch nicht, wo meine Familie ist. Ich war sehr besorgt um meine Familie. Seit ungefähr 6 oder 7 Monaten habe ich wieder Kontakt zu meiner Familie. Der Kontakt wurde über einen Freund hergestellt. Ich fragte meine Familie, was am Grenzübergang passiert ist. Meine Frau wurde von der Polizei dort angehalten. Sie wurde gefragt, wohin sie unterwegs war. Sie erzählte der Polizei, das sie sich selbst nicht auskennt. Sie wollte mit ihrem Mann in die Türkei. Der Mann sei vor ihr unterwegs gewesen und die Grenze bestimmt überquert. Die Polizei erzählte meiner Ehefrau, dass am Grenzübergang geschossen wurde und ihr Mann bestimmt dabei getötet wurde. Meine Frau hatte 2000 US Dollar bei sich. Die Polizei hat ihr angeboten ihr das Geld zu geben und wenn die Polizei das Geld bekommt so können sie die Familie freilassen und meine Frau kann sich im Iran eine Unterkunft organisieren. Meine Frau dachte, dass ich bereits tot bin. Sie erzähle mir, dass sie dort als Schneiderin arbeitet und ich erzählte ich von meinem Leben, das ich in Österreich lebe. Ich fragte sie wie sie zu meinem Freund gekommen ist. Sie erzählte mir, dass nachdem sie von der Polizei entlassen wurde, sie sich 3 Tage lang in einem Park aufgehalten hat. Dort ist sie einem Afghanen begegnet. Dieser hätte sie gefragt, was sie hier in diesem Park macht. Meine Frau hatte diesem jungen Afghanen erzählt, dass sie aus der Region XXXX ist und seit kurzem im Iran aufhältig ist. Dieser Afghane hatte meine Familie zu anderen Landsleuten aus der Region XXXX gebracht. Dort hat sie dann einen Freund von mir gefunden. Dieser Freund hat dann für sie eine Unterkunft organisiert und sie würde noch immer in dieser Unterkunft leben. Sie hat m Iran keine Dokumente, kann sich nicht frei bewegen. Dieser Freund hat für meine Frau eine Arbeit in einer Nähfabrik gefunden und dort arbeitet sie jetzt. Das war alles.

Richter: Wodurch sind Sie in Afghanistan aktuell bedroht?

Beschwerdeführer: Herr XXXX hat viele Anhänger. Er arbeitet sowohl für die Regierung als auch für die Taliban. Ich habe große Angst vor ihm und es ist für mich dort nicht sicher.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: Afghanistan ist kein sicherer Ort für mich, dort ist mein Leben gefährdet. Ich hätte niemals meine Familie verlassen, wenn mein Leben dort nicht gefährdet wäre.

[...]

Richter: Haben Sie die Dolmetscherin gut verstanden?

Beschwerdeführer: Ja."

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers Teilnahmebestätigungen über Deutschkurse und Alphabetisierungskurse, über einen Werte- und Orientierungskurs, individuelle Bildungsberatung, ein Empfehlungsschreiben des Ehepaars XXXX , ein Schreiben des Gospel Centers XXXX über die Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben (Freikirche), sowie eine Teilnahmebestätigung XXXX im Literaturhaus XXXX vor. Diese Unterlagen wurden in Kopie zum Akt genommen. Weiters legte der Beschwerdeführer einen Artikel über die Gefangennahme und Tötung eines Musikers vor.

10. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde mit Schreiben vom XXXX einen Auszug des aktuellen Länderinformationsblatts der Staatendokumentation Afghanistan und gab den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 14 Tagen.

11. Der Beschwerdeführer äußerte sich dazu mit Schriftsatz vom XXXX

.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

1. Feststellungen

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und den Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts betreffend den Beschwerdeführer, insbesondere durch Einsicht in die im Verfahren vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die ins Verfahren eingeführten Länderberichte.

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen, ist volljährig und afghanischer Staatsangehöriger. Er gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari, er kann auf Dari jedoch weder lesen noch schreiben. Er ist verheiratet und Vater eines Sohnes und einer Tochter.

Der Beschwerdeführer wurde in Afghanistan in der Provinz XXXX , Distrikt XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort im afghanischen Familienverband gemeinsam mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder aufgewachsen. Er lebte an keinem anderen Ort in Afghanistan. Seine Mutter ist bereits verstorben, sein Vater hat die Familie verlassen. Zuletzt lebte der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern in einem eigenen Haus in seinem Heimatdorf.

Der Beschwerdeführer besuchte in Afghanistan keine Schule und verfügt über keine Berufsausbildung, er arbeitete jedoch mehrere Jahre als Auto- und Möbellackierer sowie als Bauer. Er erzielte durch diese Tätigkeiten ein Einkommen, mit welchem die Familie gut leben konnte.

Seit einigen Monaten hat der Beschwerdeführer wieder Kontakt zu seiner Kernfamilie. Seine Ehefrau sowie seine Kinder halten sich derzeit im Iran auf. Sein Onkel väterlicherseits sowie dessen Sohn sind mittlerweile verstorben. Der Beschwerdeführer gab an, in Afghanistan keine (weiteren) Familienangehörigen zu haben.

1.2 Zu seinen Fluchtgründen und der Rückkehr nach Afghanistan

Der Beschwerdeführer verließ Afghanistan zwischen Dezember 2015 und Jänner 2016 und stellte am XXXX in Österreich gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er damit, dass bereits zehn seiner Bekannten von den Taliban entführt und sieben dieser Bekannten umgebracht worden seien. Aus Furcht, dass auch er und seine Familie umgebracht werden könnten, habe er das Land verlassen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung persönlich bedroht oder verfolgt wurde oder eine Verfolgung im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten hätte.

Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer und neun weitere Personen von den Taliban angehalten wurden und der Beschwerdeführer Zeuge eines Telefonats eines Talib mit einer Person namens XXXX wurde. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer der Distriktbehörde von dem Vorfall, insbesondere vom belauschten Telefonat, berichtete und der Beschwerdeführer in der Folge von Herrn XXXX , sonstigen Personen bzw den Taliban bedroht wurde. Dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan Übergriffen durch die Taliban, Herrn XXXX oder sonstige Personen ausgesetzt wäre, ist daher nicht zu erwarten.

Dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe oder Verfolgung wegen seiner Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit drohen, ist nicht zu erwarten.

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers ( XXXX ) zählt zu den volatilen, stark vom Konflikt betroffenen Provinzen. Aufständische sind in gewissen Distrikten aktiv und es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen. Es werden Luftangriffe durchgeführt. Die Taliban konnten seit 2001 an Einfluss gewinnen. Im November 2018 erfolgten Angriffe der Taliban in den Distrikten Malestan und Jaghori.

Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz XXXX droht ihm die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Hauptstadt Kabul ist von innerstaatlichen Konflikten und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban, des Haqqani-Netzwerkes und des IS betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Im Fall einer Niederlassung in Kabul droht dem Beschwerdeführer die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Provinzen Balkh und Herat gehören zu den friedlichsten Provinzen Afghanistans und sind vom Konflikt relativ wenig betroffen. Insbesondere Balkh gehört zu den stabilsten Provinzen Afghanistans mit im Vergleich zu anderen Provinzen geringen Aktivitäten von Aufständischen. Die Provinz Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen Afghanistans. Sie verzeichnet Aktivitäten von Aufständischen in einigen Distrikten. Die Städte Mazar-e Sharif in Balkh und Herat in der Provinz Herat stehen unter Regierungskontrolle. Beide Städte verfügen über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt sicher erreicht werden kann.

Die Provinzen Balkh und Herat sind von einer Dürre betroffen. Ernährungssicherheit, Zugang zu Wohnmöglichkeiten, Wasser und medizinische Versorgung sind in Mazar-e Sharif und Herat (Stadt) grundsätzlich gegeben. Die Arbeitslosigkeit im Herkunftsstaat ist hoch und Armut verbreitet.

Dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Niederlassung in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat (Stadt) die Gefahr droht, aufgrund der angespannten Sicherheitslage verletzt, misshandelt oder getötet zu werden, kann nicht festgestellt werden. Auch kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückführung in die genannte Stadt keine Lebensgrundlage vorfinden würde bzw nicht in der Lage wäre, die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz zu decken.

Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.

1.3 Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich

Der Beschwerdeführer hält sich seit Jänner 2016 in Österreich auf. Er reiste illegal in das Bundesgebiet ein und hatte nie ein nicht auf das Asylverfahren gegründetes Aufenthaltsrecht in Österreich. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig.

Seit Februar 2016 wohnt der Beschwerdeführer in einem gewerblichen Asylquartier in XXXX Vorgelegte Schreiben seines Unterkunftgebers bestätigen, dass der Beschwerdeführer hilfsbereit und zuvorkommend ist und sich unauffällig verhält. Der Beschwerdeführer nahm seit seiner Einreise an Alphabetisierungskursen (Modul 1 bis 3) und an zwei Sprachkursen (Deutsch als Fremdsprache A1 Modul 1 und 2) der XXXX sowie an einem weiteren Sprachkurs des XXXX teil. Weiters besuchte er einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF und eine individuelle Bildungsberatung der Bildungsinformation XXXX . In seiner Freizeit nimmt der Beschwerdeführer seit Mai 2017 regelmäßig am vom XXXX organisierten und durchgeführten Projekt " XXXX " sowie an Gesprächstreffen und Ausflügen teil und nutzt die Angebote der Bibliothek im Literaturhaus. Weiter besucht er regelmäßig die Bibelgruppe des Gospelcenters XXXX und unterstützt eine 92-jährige Dame bei Arbeiten im Haus und Garten.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, die A1-Sprachprüfung ablegen zu wollen, sobald er hierfür genügend Geld habe. Eine entsprechende Bestätigung wurde bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht vorgelegt.

In Österreich leben keine Verwandten oder Familienangehörige des Beschwerdeführers, zu denen ein besonderes Naheverhältnis besteht, oder sonstige wichtige Bezugspersonen des Beschwerdeführers. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich, noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer ist gesund, benötigt keine Medikamente und befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

1.4.1 Staatendokumentation (Stand 29.6.2018, außer wenn anders angegeben)

1.4.1.1 Neueste Ereignisse

1.4.1.1.1 Kurzinformation vom 26.3.2019

Anschläge in Kabul-Stadt

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).

Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

1.4.1.1.2 Kurzinformation vom 1.3.2019

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).

Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018). Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).

Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).

Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).

Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

1.4.1.1.3 Kurzinformation vom 31.1.2019

Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019) , fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).

1.4.1.1.4 Kurzinformation vom 22.1.2019

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunkt des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

1.4.1.1.5 Kurzinformation vom 8.1.2019

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

1.4.1.1.6 Kurzinformation vom 23.11.2018

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich z

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten