TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/9 W161 2222986-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2019
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Entscheidungsdatum

09.09.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61

Spruch

W161 2222986-1/2E

W161 2222988-1/2E

W161 2222987-1/2E

W161 2222985-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerden

1.) des XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.08.2019, Zahl 1240243800-190774394,

2.) der XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.08.2019, Zahl 1240243100-190773508,

3.) der mj. XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.08.2019, Zahl 1240242506-190773532,

4.) des mj. XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.08.2019, Zahl 1240242408-190773524,

3.) und 4.) gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX ,

alle StA. Russische Föderation, alle vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der 2. Satz in Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide jeweils zu lauten hat:

"Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz ist gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Polen zuständig".

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar und seine beiden minderjährigen Kinder, sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und stellten am 30.07.2019 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz.

2. Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführer am 24.07.2019 in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben.

3.1. Der Erstbeschwerdeführer gab in seiner Erstbefragung am 29.07.2019 an, er habe seinen Wohnort am 16.07.20196 verlassen und sei über Weißrussland, Polen und Tschechien (Durchreise) nach Österreich gelangt. In Polen habe er sich 4 Tage aufgehalten und einen Asylantrag gestellt. In Polen hätte er Angst um sein Leben gehabt. In Polen gäbe es Agenten, die für Tschetschenien arbeiten und Leute verschwinden lassen. Unterkunft und Essen hätten sie bekommen. Seine Tochter sei krank und die medizinische Betreuung in Polen nicht so gut. In Polen gäbe es keine Sicherheit für ihn und keine gute medizinische Versorgung für seine Tochter. Als Fluchtgrund gab er an, er sei von den Behörden in Tschetschenien festgenommen und misshandelt worden. Sie hätten ihn geschlagen und mit Strom gefoltert, er wisse den Grund der Festnahme nicht und habe Angst, von der Regierung umgebracht zu werden.

3.2. Die Zweitbeschwerdeführerin tätigte gleiche Angaben zur Fluchtroute wie ihr Gatte. Als Fluchtgrund gab sie an, ihr Mann habe Probleme in Tschetschenien, er sei von den Behörden dort immer irgendwohin verbracht und gefoltert worden. Die Regierung habe verboten, dass Frauen einen Schleier tragen, gegen dieses Verschleierungsverbot habe ihr Mann demonstriert und aus diesem Grund werde er jetzt festgenommen und gefoltert. Ihr Mann werde nach wie vor gesucht. Als sie bereits auf der Flucht gewesen wären, hätten sie erfahren, dass die Behörden schon wieder bei ihnen zuhause aufgetaucht seien, um ihren Mann zu suchen. Außerdem bräuchten sie eine anständige medizinische Behandlung für ihr krankes Kind.

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) richtete am 31.07.2019 jeweils ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (in Folge kurz: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen.

Mit Schreiben vom 06.08.2019, eingelangt am 08.08.2019, stimmte die polnische Dublin-Behörde den Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.

5.1. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, EAST West, am 12.08.2019 gab der Erstbeschwerdeführer im Beisein der Zweitbeschwerdeführerin an, er fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die an ihn gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. Seine Tochter habe seit Geburt KCP, die anderen Familienmitglieder seien gesund. Sie hätten am 20.08.2019 einen weiteren Termin zur allgemeinen Untersuchung und ansonsten stehe alles in einer gleichzeitig vorgelegten Mappe. Bei der Polizei hätten sie angegeben, seine Frau verstehe gar kein Russisch, aber sie verstehe schon Russisch, sei aber damals aufgeregt gewesen. Ein Cousin des Erstbeschwerdeführers sei in Österreich. Zu diesem bestehe kein Abhängigkeitsverhältnis. Sie seien mit den Kindern gereist und hätten sich auf der Reise nicht getrennt. Sie seien erstmals in Österreich und hätten keinen weiteren Bezug zu Österreich. Sie hätten keinen anderen Weg gehabt, nach Österreich zu kommen, hätten jedoch nicht gewusst, dass Polen zuständig werde, wenn sie durch Polen fahren. Befragt nach Problemen oder Vorfällen in Polen gab der Erstbeschwerdeführer an, sie seien dort nur vier Tage gewesen, hätten aber Probleme gehabt. Er wisse nicht, ob das als Problem klinge, aber er als Familienvater habe sich dort nicht gut gefühlt. Sie hätten auch nach einem Untersuchungstermin für die Tochter gefragt, aber die hätten nur gesagt, dass sei Schicksal. Er, der Familienvater, habe Angst, er habe sich dort nicht in Sicherheit gefühlt und dann hätten sie dort ein Dokument von den Behörden bekommen, dass sie kostenlos eine Versorgung für das kranke Kind bekommen. Als Asylwerber bekomme er aber weniger medizinische Hilfe für das kranke Kind. Das Geld für die Flucht hätten sie zuhause gehabt. In der Stadt, in der sie in Polen gewohnt hätten, hätten sie einen russisch-sprachigen Taxifahrer kennengelernt und der wäre einverstanden gewesen, sie für Euro 900,-- nach Österreich zu fahren. Sie könnten sehr viel erzählen. Für sie sei es leichter, wenn man sie frage. Der Erstbeschwerdeführer gab noch an, er habe in Polen sehr viel gehört, dass die Bevölkerung Polens nicht wolle, dass Tschetschenen dort leben. Er sei aufgrund Lebensgefahr aus Tschetschenien weggelaufen und habe sich in Polen nicht sicher gefühlt und immer gespürt, dass ihm wer nachfolge und ihn beobachte. Sein Vater habe ihm bei einem Telefonat gesagt, die Behörden hätten nach ihm gefragt. Sein Vater habe ihm mitgeteilt, dass die anderen gedacht hätten, dass er nach Syrien gefahren sei. Die Behörden würden immer denken, dass die Leute das Land nach Syrien verlassen und dort kämpfen. Er habe in der Folge Angst bekommen, weil in einem Auto Leute gewesen wären, die ihn beobachtet hätten, dann habe er sich entschieden, nicht in Polen zu bleiben und nach Österreich zu kommen. Eigentlich fühle er sich hier auch nicht so wohl, er habe immer Albträume und fühle sich verfolgt und alles Mögliche. Er verstehe, dass der Leiter der Amtshandlung viele gleiche Geschichten von Tschetschenen gehört habe, aber er habe vor, seine Familie zu schützen und wolle Hilfe für sein Kind in Österreich.

5.2. Die Zweitbeschwerdeführerin bestätigte die Angaben des Erstbeschwerdeführers und führte noch an, sie habe Angst, dass ihr Mann in Polen nicht in Sicherheit sei. Sie wolle nur, dass dem Vater ihrer Kinder nichts passiere.

6. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA vom 12.08.2017 wurden I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-Verordnung zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 FPG gegen die Beschwerdeführer eine Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass demzufolge deren Abschiebung nach Polen zulässig ist.

Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in Ungarn die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich seien und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen.

Konkret traf das BFA folgende Länderfeststellungen zu Polen mit Stand 13.06.2019 (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

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ALLGEMEINES ZUM ASYLVERFAHREN

In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:

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(AIDA 11.3.2019; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

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DUBLIN-RÜCKKEHRER

Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen bei der Grenzwache einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von neun Monaten ab dessen Einstellung möglich. Sind diese neun Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. Für das Jahr 2018 ist kein Fall eines Antrags auf Wiedereröffnung des Verfahrens innerhalb der Neun-Monatsfrist bekannt. Viele Rückkehrer zogen hingegen die freiwillige Rückkehr ins Herkunftsland einer Wiedereröffnung ihrer Verfahren vor. Dublin-Rückkehrer mit aufrechtem Asylverfahren (z.B. Antrag auf Wiedereröffnung) sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt wie alle anderen Antragsteller (AIDA 11.3.2019; vgl. EASO 24.10.2017).

Das medizinische Personal der Grenzwache beurteilt den Gesundheitszustand eines Rückkehrers nach seiner Überstellung nach Polen, auch im Hinblick auf seine speziellen Bedürfnisse. Außerdem werden im Einvernehmen mit dem Fremdenamt (UDSC) und dem medizinischen Personal die Möglichkeiten der Anpassung der Aufenthaltsverhältnisse in Polen an die gesundheitliche Situation des Antragstellers bzw. die eventuelle Notwendigkeit, ihn in einer fachlichen medizinischen Einrichtung unterzubringen, abgesprochen. Abhängig vom Zustand der motorischen Fähigkeit des Ausländers stellt die Grenzwache den Transport eines bedürftigen Rückkehrers zum Aufnahmezentrum, einer medizinischen Einrichtung (falls er einer sofortigen Hospitalisierung bedarf) oder einer fachlichen medizinischen Einrichtung sicher. Personen mit einer vorübergehenden oder dauerhaften motorischen Behinderung, die eines Rollstuhls bedürfen, werden in einem für die Bedürfnisse der motorisch Behinderten angepassten Zentrum untergebracht. Falls der Ausländer einer Rehabilitation bedarf, wird medizinische Ausrüstung sichergestellt. Das medizinische Personal des Flüchtlingszentrums bestimmt die Bedürfnisse des Rückkehrers im Bereich der Rehabilitation und der medizinischen Ausrüstung. Es besteht die Möglichkeit, eine vom Arzt verordnete Diät anzuwenden. Das Fremdenamt garantiert einen Transport zu fachärztlichen Untersuchungen oder Rehabilitation. Der Transport zu ärztlichen Terminen in medizinischen Einrichtungen wird garantiert. Antragsteller, die schwer behindert, pflegebedürftig oder bettlägerig sind, deren Pflege in einem Flüchtlingszentrum nicht gewährleistet werden kann, werden in speziellen Pflegeanstalten oder Hospizen untergebracht. Diese Einrichtungen garantieren medizinische Leistungen samt der notwendigen Rehabilitation für Behinderte rund um die Uhr und professionell ausgebildetes Personal (VB 7.7.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

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EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.

Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

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VB des BM.I in Polen (7.7.2017): Bericht der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

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NON-REFOULEMENT

Gemäß polnischem Asylgesetz gilt ein Asylantrag als unzulässig, wenn ein anderes Land existiert, in dem der Antragsteller als Flüchtling behandelt wird und dort Schutz genießen kann bzw. in anderer Form vor Refoulement geschützt ist ("first country of asylum"). 2018 gab es in Polen 1.037 Unzulässigkeitsentscheidungen, davon keine wegen "first country of asylum" (AIDA 11.3.2019).

Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte "Push-Backs" am Grenzübergang Terespol zu Weißrussland, ungeachtet einiger einstweiliger Anordnungen des EMRK gegen die polnischen Behörden, welche Abschiebungen untersagen, wenn ein Antragsteller die Absicht äußert, einen Asylantrag zu stellen. Ein Urteil des polnischen Obersten Verwaltungsgerichts vom Mai 2018 verurteilte die Grenzwache, weil diese über das Interview bezüglich des Aufenthaltszwecks nur ein zusammenfassendes Memo anstelle eines vollständigen Protokolls ausstellt. Dieses Urteil wird von der Grenzwache aber ignoriert, mit der Begründung, dass man sich an den Schengener Grenzkodex halte (AIDA 11.3.2019; vgl. HRW 17.1.2019, FH 4.2.2019).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

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FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002617.html, Zugriff 26.6.2019

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HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002221.html, Zugriff 26.6.2019

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VERSORGUNG

Asylwerber müssen sich binnen zwei Tagen ab Antragstellung in einem Erstaufnahmezentrum registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Ab Registrierung im Erstaufnahmezentrum sind sie während des gesamten Asylverfahrens zu materieller Versorgung berechtigt, auch im Zulassungs- und im Dublinverfahren, sowie während laufender erster Beschwerde. Wenn Antragsteller nach einer erfolglosen Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid den Beschwerdeweg weiter beschreiten (Beschwerde an den Voivodeship Administrative Court in Warschau; 2. Beschwerdeinstanz), haben sie kein Recht auf Versorgung. Wenn das Gericht die angefochtene Entscheidung suspendiert, wird dem Beschwerdeführer das Recht auf Versorgung für die Dauer des Verfahrens wieder zuerkannt. Jedoch hat der Voivodeship Administrative Court dies im Jahr 2018 nur in einem von 87 Fällen getan, was dazu führte, dass die betroffenen Beschwerdeführer ohne staatliche Versorgung blieben (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.b).

Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu zwei Monate nach der endgültigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitraum auf 14 Tage. Da Antragsteller mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn sie diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Praxis nur für 30 Tage weiter versorgt. Einzelne Asylwerber berichten jedoch, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Für AW, die außerhalb des Zentrums wohnen, gibt es eine Zulage. Antragsteller dürfen sechs Monate nach Antragstellung arbeiten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist wegen mangelnden Sprachkenntnissen usw. in der Praxis aber potentiell schwierig (AIDA 11.3.2019).

Asylwerber sehen sich Sprachbarrieren gegenüber und ihr Zugang zu höherer Bildung ist eingeschränkt (USDOS 13.11.3.2019).

Auf der Webseite der Behörde ist eine Liste mit 22 Organisationen verfügbar, welche Asylwerbern/Fremden verschiedenste Hilfestellung bieten (UDSC o.D.d).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.b): Who can obtain assistance and when,

https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/kto-i-kiedy-moze-uzyskac-pomoc/, Zugriff 26.6.2019

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.d): Rights and obligations

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applicant,

https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/uchodzcy/prawa-i-obowiazki/prawa/, Zugriff 26.6.2019

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USDOS - US Department of State (13.11.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018, Poland, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004296.html, Zugriff 26.6.2019

Unterbringung

Asylwerber, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, medizinische Versorgung, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag für Selbstverpflegung), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat) und eine Einmalzahlung für Bekleidung (PLN 140,-). Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben, erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit vier oder mehr Familienmitgliedern). Beide Gruppen erhalten einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. 2018 erhielten durchschnittlich 1.361 Asylwerber Versorgung innerhalb der Zentren und 1.730 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützung für Asylwerber liegt unter dem sogenannten "sozialen Minimum" und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard führen zu können. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, sind damit schwer abzudecken. Asylwerber, die außerhalb der Zentren leben wollen, wohnen daher oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen. Selbst für Familien reicht die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 11.3.2019; vgl. UDSC o.D.c).

In Polen gibt es elf Unterbringungszentren mit insgesamt 2.231 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Asylbehörde UDSC, sieben der Zentren werden von Vertragspartnern geführt. Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren sind unterschiedlich. Gewisse Grundlagen müssen vertraglich erfüllt werden, der Rest ist abhängig vom Willen und den finanziellen Möglichkeiten des Vertragspartners. Die Unterbringungsbedingungen werden generell eher niedrig bewertet, die meisten Beschwerden gibt es über andere Untergebrachte bzw. über das Essen. Alle diese Zentren sind offen, das bedeutet sie dürfen bis 23.00 Uhr frei verlassen und betreten werden (AIDA 11.3.2019).

Polen verfügt außerdem über sechs geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers) in Biala Podlaska, Bialystok, Lesznowola, Ketrzyn, Krosno Odrzanskie, und Przemysl mit zusammen 590 Plätzen, von denen Ende 2018 insgesamt 216 belegt waren (AIDA 11.3.2019).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 13.6.2019

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (o.D.c): Types of assistance, https://udsc.gov.pl/en/uchodzcy-2/pomoc-socjalna/system-pomocy-socjalnej/rodzaje-przyznawanej-pomocy/, Zugriff 26.6.2019

Medizinische Versorgung

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Asylwerber in Polen mit laufendem Asylverfahren haben bezüglich medizinischer Versorgung, mit der Ausnahme von Kurbehandlungen, dieselben Rechte wie polnische Staatsbürger. Aufgrund einer Vereinbarung mit der polnischen Asylbehörde ist die Firma Petra Medica für die medizinische Versorgung von Asylwerbern verantwortlich, genauer für medizinische Basisversorgung, Spezialbehandlung, Zahnbehandlung, Versorgung mit Medikamenten und psychologische Betreuung. Die psychologische Betreuung steht sowohl in den Asylzentren, wenn Asylwerber dort wohnhaft sind, aber auch in den Beratungsstellen der Asylbehörde in Warschau, für die diejenige, die außerhalb der Zentren wohnen, zur Verfügung. Die folgenden Leistungen werden im Rahmen der psychologischen Betreuung angeboten:

psychologische Unterstützung, Bildungsaktivitäten, Psychotherapie in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie und Krisenintervention. Die erwähnten Maßnahmen basieren auf Standards der polnischen Psychologischen Vereinigung. Wenn die Notwendigkeit einer fachärztlichen Behandlung festgestellt wird, wird der Patient entsprechend seines Alters in eine Klinik für psychische Gesundheit für Kinder oder Erwachsene eingewiesen (UDSC 19.6.2017).

Asylwerber in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder eingestellt wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versorgung von AW wird öffentlich finanziert. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von Asylwerbern durch die Firma Petra Medica gewährleistet, mit der die Behörde einen Vertrag abgeschlossen hat, dessen Umsetzung auch überwacht wird. Dennoch gibt es Kritik an der Qualität der medizinischen Versorgung in den Zentren. Die medizinische Grundversorgung wird über die Krankenreviere der Unterbringungszentren gewährleistet, in denen 2018 der Arzt pro 120 Asylwerber zehn Ordinationsstunden und die Krankenschwester 20 Ordinationsstunden leisteten. Für je 50 Asylwerber mehr sind je 3 Stunden mehr für Arzt und Krankenschwester vorgesehen. Seit April 2017 gibt es an der Grenze zu Weissrussland eine Einrichtung, in der frisch angekommene Antragsteller einem epidemiologischen Filter unterzogen werden, um ansteckende Krankheiten frühzeitig zu diagnostizieren (AIDA 11.3.2019).

Die Versorgung umfasst in jedem Unterbringungszentrum auch psychologische Versorgung. Pro 120 AW sind vier Stunden grundlegende Behandlung (Unterstützung und Beratung, sowie Diagnose psychischer Störungen) durch einen Psychologen vorgesehen, sowie je eine Stunde mehr pro 50 zusätzliche Asylwerber. Asylwerber können auch an Psychiater oder psychiatrische Spitäler überwiesen werden. Viele NGOs und einige Experten sind der Meinung, dass eine spezialisierte Behandlung von traumatisierten Antragstellern oder Folteropfern in Polen in der Praxis nicht verfügbar sei. NGOs kritisieren vor allem den Mangel an angemessener Behandlung von PTBS. Die verfügbare Behandlung wird als Intervention betrachtet, nicht als reguläre Therapie. 2018 boten spezialisierte NGOs in drei Unterbringungszentren psychologische Beratung und Behandlung für Asylwerber an. Das größte Hindernis beim Zugang zu medizinischer Versorgung sind aber mangelnde interkulturelle Kompetenz und Fremdsprachenkenntnisse. Petra Medica ist verpflichtet entsprechende Übersetzung bei Bedarf zu gewährleisten, das ist Berichten zufolge aber manchmal nicht möglich. Ebenfalls ein Problem ist, dass einige der Spitäler, die mit Petra Medica in der Behandlung von Asylwerbern zusammenarbeiten, weit von den Unterbringungszentren entfernt liegen, während die nächstgelegenen medizinischen Einrichtungen von Asylwerbern nur im Notfall frequentiert werden dürfen. Antragsteller, die außerhalb der Zentren und weit weg von diesen leben, erhalten Hilfe in den Woiwodschaftshauptstädten. Termine in Gesundheitseinrichtungen werden über die Hotline von Petra Medica fixiert (AIDA 11.3.2019).

Petra Medica ist gemäß Vertrag mit der Ausländerbehörde UDSC für die Organisation des medizinischen Versorgungssystems für Asylwerber in Polen zuständig. Für Ausländer, die einen Flüchtlingsstatus beantragen und sich beim Sozialamt gemeldet haben, ist die medizinische Versorgung kostenlos, unabhängig davon, ob sie in einem Zentrum für Ausländer oder außerhalb des Zentrums leben. Die von Petra Medica koordinierten Gesundheitsdienste umfassen medizinische Versorgung in Aufnahmezentren, einschließlich ein epidemiologischer Filter, der die Implementierung von Früherkennung für Tuberkulose-, Infektions-, Geschlechts- und Parasitenkrankheiten gewährleistet; medizinische Versorgung in Wohnheimen durch den Betrieb von medizinischen Zentren in deren Räumlichkeiten grundlegende Gesundheits- und psychologische Versorgungsleistungen erbracht werden; medizinische Versorgung von Asylwerbern, die außerhalb eines Zentrums leben, auf der Grundlage eigener Ressourcen und eines Netzwerks an Partnerinstitutionen. Die medizinische Versorgung umfasst medizinische Betreuung durch Ärzte und Krankenschwestern in den Zentren; gegebenenfalls Überweisung zu fachärztlichen Leistungen in den Petra Medica Medical Centers oder anderen medizinischen Vertragseinrichtungen; Zahngesundheit in Zahnarztpraxen, mit denen Petra Medica zusammenarbeitet; psychologische Betreuung in Unterbringungszentren oder in besonderen Fällen Überweisung an spezialisierte psychologische oder psychiatrische Kliniken; wenn nötig Überweisung zu stationärer Krankenhausbehandlung in öffentlichen oder Vertragsspitälern; Rehabilitation wird von der Behörde auf der Grundlage der Einschätzung des Facharztes finanziert. Bei gesundheitlichen Problemen meldet sich der Patient beim Krankenrevier des nächstgelegenen Unterbringungszentrums oder vereinbart einen Besuch in einer Vertragseinrichtung unter der Hotline von Petra Medica. Grundlage für die Erbringung einer Facharztleistung ist eine entsprechende Überweisung, die gegebenenfalls im Zentrum oder von der Hotline genehmigt werden muss. Die Krankenschwester oder der Hotline-Mitarbeiter bestimmt Ort und Datum der Dienstleistung, gibt Auskunft darüber, welche Einrichtung zu besuchen ist und wie sie sich auf den Besuch vorbereiten kann. Bei medizinischen Notfällen ist jede Notaufnahme ansprechbar (PM o.D.).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.3.2019): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights / ECRE - European Council on Refugees and Exiles: Country Report Poland, https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_2018update.pdf, Zugriff 19.6.2019

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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):

Auskunft MedCOI, per E-Mail

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PM - Petra Medica (o.D.): Opieka medyczna dla Cudzoziemców, http://www.petramedica.pl/nasza-oferta/oferta-dla-pacjentow-indywidualnych/opieka-medyczna-dla-cudzoziemcow, Zugriff 26.6.2019

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UDSC - Urzad do Spraw Cudzoziemców (19.6.2017): Auskunft der polnischen Asylbehörde, per E-Mail

Soweit sich das Bundesamt im gegenständlichen Bescheid auf Quellen älteren Datums beziehe, werde angeführt, dass diese - aufgrund der nicht geänderten Verhältnisse in Polen - nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

Begründend wurde hervorgehoben, die Beschwerdeführer seien gemeinsam in das österreichische Bundesgebiet eingereist, hätten am 30.07.2019 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht und bestünden in Österreich keine sonstigen berücksichtigungswürdigen familiären oder privaten Anknüpfungspunkte. Die polnischen Behörden hätten mit Anschreiben vom 08.08.2019 ihre Zuständigkeit gemäß Art. 18 der Dublin-III-VO erklärt. Die Antragsteller seien grundsätzlich gesund. Dass diese an schweren, lebensbedrohenden Krankheiten leiden würden, sei weder behauptet worden, noch aus der Aktenlage ersichtlich. Es sei in den Verfahren kein im besonderen Maße substantiiertes glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter, außergewöhnlicher Umstände hervorgekommen, das die Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich für möglich erscheinen lasse. Die Beschwerdeführer wären in Polen keiner Verfolgung oder Misshandlung ausgesetzt. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei daher nicht erschüttert worden.

7. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende, im Namen aller Beschwerdeführer eingebrachte, Beschwerde. Darin wird zunächst der Verfahrensgang wiedergegeben und in der Folge insbesondere ausgeführt, die belangte Behörde habe keine Einzelfallprüfung durchgeführt, sondern begnüge sich mit der Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz basierend auf der Verwendung von Textbausteinen. Die belangte Behörde hätte im gegenständlichen Fall zu dem Schluss kommen müssen, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Polen eine Verletzung ihrer in Artikel 3 und 8 EMRK gewährleisteten Rechte erleiden würden. Die Drittbeschwerdeführerin sei schwer behindert, sie befinde sich in Österreich in medizinischer Behandlung. Bei der Geburt in Russland habe es Komplikationen gegeben und hätte das Kind dreimal die Nabelschnur um den Hals gewickelt gehabt, wodurch es zu einem Sauerstoffmangel im Gehirn gekommen sei. Eine Ischämie des Gehirns sei festgestellt worden. Sie habe keinen Kaureflex und sei über eine Magensonde ernährt worden. Zurzeit könne sie ausschließlich breiig essen und Flüssigkeiten kaum schlucken. Sie leide an starker Obstipation und könne ohne Hilfsmittel keinen Stuhl absetzen. Manchmal leide sie auch an epileptischen Anfällen. Die Drittbeschwerdeführerin sei vom 05.08.2019 bis 09.08.2019 im XXXX -Klinikum wegen eines fieberhaften Atemwegsinfekts stationär behandelt und dabei untersucht worden. Nach dem Arztbrief vom 09.08.2019 sei bei ihr ein schwerer neuromotorischer Entwicklungsrückstand, infantile Cerebralparese mit Schluckstörung und Dystrophie mit Mikrozephalie festgestellt worden. Am 20.08.2019 sei sie wieder wegen einer MR-Untersuchung stationär im XXXX aufgenommen worden. Nach den Arztbefunden benötige sei Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie, darüber hinaus müsse sie speziell ernährt werden. Sie habe einen weiteren Termin am 09.09.2019 im Krankenhaus und sei für die Epilepsieambulanz vorgemerkt. Im gegenständlichen Fall handle es sich bei den Beschwerdeführern um eine Familie mit zwei kleinen Kindern, wobei das ältere Kind schwer behindert sei. Das Kindeswohl sei in den angefochtenen Bescheiden nicht berücksichtigt worden. Auch sei keine individuelle Zusicherung eingeholt worden. Die Beschwerdeführer seien als besonders vulnerable Personen zu bezeichnen. Hinzu kämen die in der Beschwerde aufgezeigten Mängel im polnischen Asylsystem betreffend die medizinische Versorgung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer reisten aus ihrem Heimatstaat über Polen in das Gebiet der Europäischen Union ein und stellten am 24.07.2019 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz in Polen. Anschließend reisten sie weiter nach Österreich und stellten hier am 30.07.2019 jeweils einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

Am 31.07.2019 wurde seitens des Bundesamtes bezüglich der Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung ein Wiederaufnahmeersuchen an Polen gestellt. Mit Schreiben vom 06.08.2019, eingelangt am 08.08.2019, stimmte die polnische Dublin-Behörde der Rückübernahme der Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.

Besondere, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Polen sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich im Übrigen den Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Lage im Mitgliedstaat an.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Polen Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Die Beschwerdeführer leiden an keinen akut lebensbedrohlichen Krankheiten.

Der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer sind gesund.

Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin befand sich vom 05.08.2019 bis 09.08.2019 in stationärer Behandlung im XXXX . Aufnahmegrund war eine Trinkschwäche sowie reduzierter Allgemeinzustand. Als Diagnosen bei Entlassung wurde festgehalten:

"Fieberhafter Atemwegsinfekt (Parainfluenza 3 positiv im nasopharyng. Abstrich), milde obstruktive Bronchitis;

Schwerer Neuromotor. Entwicklungsrückstand, anamn. Infantile Cerebral parese mit Schluckstörung;

Pathologisches Wach-EGG mit einerseits sehr hoher Grundaktivität im Beta-Bereich, fehlender bzw. nur angedeuteter fronto-occipitaler Gliederung sowie wiederholtes Auftreten von Sharp-Waves und Spike-Waves (diese teils fünfphasig anmutend) über die Zentralregion, keine Zeichen generalisiert erhöhter Anfallsbereitschaft, keine Klinik, vom 08.08.2019, MR-Cerebrum empfohlen.

Harmonische Dystrophie mit Mikrozephalie."

Als Medikation wird die Einnahme des Medikaments Nureflex (IBUPROFEN) bei Schmerzen sowie die hochkalorische Ernährung Nutrini Creamy Fruit empfohlen.

Am 20.08.2019 bis 21.08.2019 begab sie die Drittbeschwerdeführerin neuerlich ins XXXX , Aufnahmegrund war ein MR-Cerebrum sowie Stoffwechselabklärung. Als Diagnose bei Entlassung wird festgehalten:

"Schwerer neuromotorischer Entwicklungsrückstand, anamn. infantile Cerebral parese mit Schluckstörung;

Pathologisches Wach-EGG mit einerseits sehr hoher Grundaktivität im Beta-Bereich, fehlender bzw. nur angedeuteter fronto-occipitaler Gliederung sowie wiederholtes Auftreten von Sharp-Waves und Spike-Waves (diese teils fünfphasig anmutend) über die Zentralregion, keine Zeichen generalisiert erhöhter Anfallsbereitschaft, keine Klinik, vom 08.08.2019, MR-Cerebrum empfohlen.

Harmonische Dystrophie mit Mikrozephalie."

Als empfohlene Medikation wird nur mehr Nutrini Creamy Fruit (hochkalor. Ernährung) angeführt.

Ein Cousin des Erstbeschwerdeführers lebt in Österreich. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu diesem kann nicht festgestellt werden.

Weitere beachtliche private oder berufliche Anknüpfungspunkte bestehen im Bundesgebiet nicht.

Die Beschwerdeführer sind alle im selben Ausmaß von der Außerlandesbringung betroffen.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus den Akten des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften, in Zusammenhang mit den bezughabenden EURODAC-Treffermeldungen und wurden von den Beschwerdeführern nicht bestritten.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Wiederaufnahme der beschwerdeführenden Parteien seitens Polen leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren - der diesbezügliche Schriftwechsel liegt jeweils dem Verwaltungsakt ein - zwischen der österreichischen und der polnischen Dublin-Behörde ab.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedsstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuellste Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seinen Entscheidungen neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen, auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen, wobei aktuelle Stellungnahmen von AIDA, UDSC und MedCOI in die Erwägungen eingeflossen sind.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführer, sowie in Bezug auf die Drittbeschwerdeführerin aus den erst mit der Beschwerde vorgelegten medizinischen Unterlagen.

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass beide Kindeseltern am 12.08.2019 niederschriftlich vor dem BFA einvernommen wurden. Sie gaben bei der Einvernahme lediglich an, die Tochter habe seit Geburt KCP (?). Nähere Angaben zur Erkrankung ihrer Tochter tätigten beide nicht. Obwohl beide Eltern im Verfahren immer wieder betonten, wie wichtig ihnen medizinische Hilfe für ihr Kind in Österreich sei, erwähnten weder Vater noch Mutter bei ihrer Einvernahme den ersten stationären Spitalsaufenthalt der Drittbeschwerdeführerin von 05. bis 09.08.2019. Erst in der Beschwerde wurden diesbezügliche medizinische Unterlagen vorgelegt und erstmals darauf verwiesen, dass die Drittbeschwerdeführerin schwer behindert sei. Die Drittbeschwerdeführerin leidet offenbar seit ihrer Geburt tatsächlich an einer Anomalie. Diese ist aber aktuell mittels Gabe einer hochkalorischen Ernährung behandelbar. Die weiters empfohlene Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie ambulant können auch im Mitgliedstaat Polen durchgeführt werden.

Eine die Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Polen wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A):

3.1. Die gegenständliche Beschwerde ist nach dem 01.01.2014 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig geworden, sodass insgesamt nach der Rechtslage ab diesem Tag vorzugehen ist.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl § 75 Abs 18 AsylG 2005 idgF).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2018 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

...

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.

2: das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Ein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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