TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/4 95/19/1088

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Veröffentlicht am 04.09.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §45 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des 1950 geborenen M C in Wien, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. März 1995,

Zll. 104.374/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte am 10. Februar 1994 bei der Österreichischen Botschaft in Preßburg einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 15. Februar 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Auf dem Antragsformular ist als gesicherte Unterkunft in Österreich eine Adresse im 16. Wiener Gemeindebezirk mit einer gesamten Fläche von 30 m2 angegeben. Aus einer im Verwaltungsakt (OZ. 38) erliegenden Kopie des Reisepasses des Beschwerdeführers ergibt sich, daß diesem vom Österreichischen Generalkonsulat in Triest am 11. November 1993 ein bis zum 11. Februar 1994 gültiger Einreise-Sichtvermerk ausgestellt worden war.

Mit Bescheid vom 8. Juni 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 5 Abs.1 Aufenthaltsgesetz (AufG) mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft in Österreich ab. Begründend wurde ausgeführt, nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens seien in der antragsgegenständlichen Wohnung im 16. Wiener Gemeindebezirk, welche eine Nutzfläche von lediglich 30 m2 aufweise, "laut Partei 4 Personen, tatsächlich sogar 8 Personen, "gemeldet". Ausgehend von einem grundsätzlichen Mindestbedarf von 10 m2 pro Person liege im Hinblick auf eine "derartige Beengtheit" eine für Inländer ortsübliche Unterkunft jedenfalls nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Entgegen der in der Begründung des angefochtenen Bescheides geltend gemachten Behauptung würden in der Wohnung ausschließlich er, seine Ehegattin und die beiden Kinder (im Alter von 3 Jahren bzw. 15 Monaten) leben. Die belangte Behörde hätte zu berücksichtigen gehabt, daß die Kleinkinder nicht nur eine geringere Nutzfläche als Erwachsene beanspruchen, sondern zudem ungeachtet der Nutzfläche der Unterkunft die Nähe der Eltern suchten und diese Nähe auch nicht als beengend empfunden werde. Überdies habe die Behörde erster Instanz vernachlässigt, daß auf Grund der Bausubstanz der Miethäuser im

16. Wiener Gemeindebezirk "auch zahlreiche inländische Familien" in der Nachbarschaft des Beschwerdeführers unter vergleichbaren Wohnverhältnissen leben.

Im Berufungsverfahren legte der Beschwerdeführer weitere Erklärungen gemäß § 4 Abs. 3 Z. 5 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vor, der zufolge die von ihm bewohnte Unterkunft über ein Zimmer mit 18 m2 Nutzfläche sowie eine Küche mit 12 m2 Nutzfläche verfüge (vgl. OZ. 70 ff des Verwaltungsaktes).

Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 14. März 1995 gemäß § 5 Abs 1 AufG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Behörde erster Instanz habe den Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß die vom Gesetz verlangte ortsübliche Unterkunft nicht gegeben sei, weil die zur Verfügung stehende Wohnung in Ausmaß von 30 m2 für den dauernden Aufenthalt von 4 Personen nicht ausreiche. Dabei habe die Behörde auch die allgemeine Wohnsituation in der unmittelbaren Umgebung der angegebenen Wohnung zu berücksichtigen gehabt. Gegen diese Beurteilung habe der Beschwerdeführer im wesentlichen eingewendet, daß seine Wohnung nur von ihm, seiner Ehegattin und seinen beiden Kindern bewohnt werde. Die Ansicht, es handle sich bei seiner Wohnung um keine für Inländer ortsübliche Unterkunft, widerspreche Art. 8 MRK. Diese Einwendungen hätten allerdings nicht belegen können, aus welchen Gründen die Ermessensausübung der Behörde bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit der Wohnung gesetzwidrig gewesen wäre. Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Wohnbereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der Ortsüblichkeit von Wohnverhältnissen von Zuwanderern anzulegen. Sei eine für Inländer ortsübliche Unterkunft für die Geltungsdauer der Bewillung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes eine Bewilligung nicht erteilt werden.

Diese Beurteilung zeige im Falle des Beschwerdeführers, daß laut vorgelegten Mietvertrag ein Zimmer im Ausmaß von 30 m2 von zwei Erwachsenen und zwei Kindern bewohnt werde. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei für das Vorliegen einer ortsüblichen Unterkunft erforderlich, daß bei Familien mit Kindern ein vom Wohnraum getrennter Schlafraum vorhanden sei. Dies treffe im Falle des Beschwerdeführers nicht zu. Auf Grund der Beengtheit der Wohnverhältnisse sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 25. März 1995) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit auch für den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 5 Abs. 1 AufG lautet (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 838/1993):

"§ 5 (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

Weder nach der Aktenlage noch nach dem Beschwerdevorbringen verfügte der Beschwerdeführer jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Sein Antrag war daher nicht als Verlängerungsantrag zu werten. Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht mit Ablauf des 31. Dezember 1997 gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 außer Kraft getreten.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes steht der Behörde bei der Beurteilung der Frage der Ortsüblichkeit der Wohnung eines Antragstellers kein Ermessen zu. Sie hat diese Frage in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1997, Zl. 95/19/0676). Dies verkennt die belangte Behörde, soweit sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Richtigkeit der "Ermessensausübung der Behörde" (gemeint wohl: der Behörde erster Instanz) bei der Beurteilung der Ortsüblichkeit der Wohnung verweist. Dieser Hinweis vermag - unabhängig vom dahinterstehenden Entscheidungswillen der belangten Behörde - eine Ermessensentscheidung im übrigen schon deshalb nicht zu tragen, weil auch die Behörde erster Instanz keine Ermessensentscheidung getroffen hat.

Der Beschwerdeführer hat bereits in seinem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung die Gesamtnutzfläche der ihm zur Verfügung stehenden Unterkunft in Österreich mit 30 m2 angegeben. Überdies wurde im Verwaltungsverfahren eine Erklärung vorgelegt, der zufolge die ihm zur Verfügung stehende Wohnung aus einem Zimmer mit 18 m2 Nutzfläche und einer Küche mit 12 m2 Nutzfläche bestehe. Damit ist der Beschwerdeführer seiner im Verwaltungsverfahren obliegenden Pflicht zur Mitwirkung an der Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes hinreichend nachgekommen.

Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid zunächst darauf bezogen, daß laut vorgelegtem Mietvertrag ein Zimmer im Ausmaß von 30 m2 im Ausmaß von zwei Erwachsenen und zwei Kindern bewohnt werde. Da ein Mietvertrag, aus dem eine Zimmergröße von 30 m2 hervorgeht, nicht im Verwaltungsakt erliegt, erweist sich die diesbezügliche Feststellung der belangten Behörde als aktenwidrig. Allerdings stützt sich die belangte Behörde auch darauf, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für das Vorliegen einer ortsüblichen Unterkunft erforderlich sei, daß bei Familien mit Kindern ein vom Wohnraum getrennter Schlafraum vorhanden sei. Dies sei im Falle des Beschwerdeführers nicht der Fall. Die belangte Behörde schließt, wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, daraus auf eine "Beengtheit der Wohnverhältnisse", die es ausschließt, die Unterkunft des Beschwerdeführers auf eine für Inländer ortsübliche Unterkunft anzusehen.

Dabei übersieht die belangte Behörde allerdings, daß ihre Annahme, eine für Inländer ortsübliche Unterkunft liege bei Familien mit Kindern nur dann vor, wenn ein eigener Schlafraum zur Verfügung stehe, keinesfalls offenkundig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1997, Zl. 95/19/0468). Der angefochtene Bescheid enthält weder Feststellungen über das Alter der Kinder des Beschwerdeführers noch über die Raumeinteilung der im Antrag angegebenen Wohnung. Es wäre Aufgabe der belangten Behörde gewesen, festzustellen, ob in der angegebenen Wohnung eine abgetrennte Schlafmöglichkeit besteht, oder ob allenfalls eine Raumabteilung (z.B. durch geeignete Möbel) vorgenommen wurde. Ebenso wäre zu ermitteln und darzulegen gewesen, ob Inländer mit vergleichbarer Familienstruktur und sozialer Schichtung in vergleichbaren Wohngegenden (Bezirksteilen) zu einem noch ins Gewicht fallenden Anteil vergleichbare Wohnungen so nutzen, wie es der Beschwerdeführer beabsichtigt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. Februar 1997, Zlen. 95/19/0566 bis 0571, sowie vom 21. November 1997, Zl. 96/19/0541). Indem die belangte Behörde, ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht, derartige Feststellungen unterließ, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich (im Rahmen des gestellten Begehrens) auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Ersatz weiterer Kosten unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zugesprochen werden kann.

Wien, am 4. September 1998

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995191088.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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