TE Bvwg Beschluss 2019/9/10 W204 2149320-3

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Veröffentlicht am 10.09.2019
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Entscheidungsdatum

10.09.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

1.) W204 2149320-3/3E

2.) W204 2149323-3/3E

BESCHLUSS

1.) Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2019, Zl. 1074828606-190830374, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Esther SCHNEIDER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2019, Zl. 1074829004-190830412, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG iVm § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die betroffene Person zu 1.) (im Folgenden: BF1) und die betroffene Person zu 2.) (im Folgenden: BF2), der volljährige Sohn der BF1, beide Staatsangehörige Afghanistans, reisten in das Bundesgebiet ein und stellten am 24.06.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Mit Bescheiden vom 13.02.2017 wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde den BF nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.3. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.04.2018 zu W248 2149320-1/16E und W248 2149323-1/13E wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 12.06.2018, Ra 2018/01/0254-0255-4, wurde die dagegen erhobene Revision zurückgewiesen.

I.4. Am 07.08.2018 stellten die BF ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheiden des BFA gemäß § 68 AVG vom 09.01.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Es bestehe keine Frist zur freiwilligen Ausreise.

I.5. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurde mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.02.2019, W230 2149320-2/4E, bzw. vom 04.02.2019, W248 2149323-2/3E, als unbegründet abgewiesen.

I.6. Am 13.08.2019 stellten die BF durch ihre Dublin-Rückstellung aus Deutschland einen erneuten, den vorliegenden dritten Antrag auf internationalen Schutz und wurden am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Vorarlberg niederschriftlich erstbefragt.

Befragt nach ihren Fluchtgründen gab die BF1 an, sie könne nicht nach Afghanistan zurück, weil die Familie der Exfrau ihres Sohnes sie bedrohe, weil ihr Sohn nicht religiös sei. Ihr Sohn sei nunmehr Christ, was es noch gefährlicher mache, nach Afghanistan zurückzukehren. All dies sei ihr seit ca. zwei Jahren bekannt.

Der BF2 gab an, er sei seit 12 Jahren kein Moslem mehr und besuche seit dreieinhalb Monaten die Kirche. Er sei nun ein Christ und habe in Deutschland Bibelstunden besucht. Er habe auch vor, sich taufen zu lassen.

I.7. Am 29.08.2019 wurden die BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi getrennt niederschriftlich einvernommen. Dort gab die BF1 an, sie könne nicht nach Afghanistan zurück. Seit 13 Monaten haben sie nichts von ihrem Ehemann, der damals in Teheran / Iran gewesen sei, gehört. Sie sei vergesslich und leide seit 25 Jahren an Magenproblemen und seit 2 Jahren habe sie psychische Beschwerden mit Schlafstörungen. Im Heimatland habe sie keine Familienangehörigen, zu den Schwestern im Iran halte sie Kontakt. Nach Afghanistan könne sie nicht zurück, weil ihr Leben dort in Gefahr sei und sie getötet werde, sobald sie dort sei. Ihr Sohn sei Christ geworden und sein Schwiegervater habe deshalb die gesamte Familie - auch die BF1 - mit dem Umbringen bedroht. Deshalb seien sie aus Afghanistan geflüchtet. Ohne ihre Tochter, die in Österreich den Asylstatus habe und sich vor der Ausreise nach Deutschland um sie gekümmert habe, könne die BF1 nicht leben.

Der BF2 gab zu Protokoll, dass sich sein Gesundheitszustand seit Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren verschlechtert habe. Er sei psychisch schwer belastet und werde schnell aggressiv. Seit 25.06.2019 nehme er manchmal das Medikament der Mutter Amitryptilyn zur Beruhigung, damit er schlafen könne. Dies habe ihm ein Facharzt für Psychologie empfohlen. Den neuerlichen Antrag stelle er, weil er gläubiger Christ sei und seit 12 Jahren an keine andere Religion mehr glaube. In Deutschland sei es ihm nicht gut gegangen, weshalb er in die Kirche gegangen sei, wo er einen Religionslehrer kennengelernt habe. Er habe sich mit diesem angefreundet und sei jede Woche zum Gottesdienst gegangen. Der Priester habe gesagt, dass er den BF2 im September 2019 werde taufen können. Zuvor sei der BF2 einmal in XXXX zur Kirche gegangen, was er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im vorigen Verfahren habe angeben wollen, er sei jedoch nicht befragt worden. Für den christlichen Glauben interessiere er sich seit ca. 1 Monat vor der Ausreise nach Deutschland. Bibel habe er keine, auch nicht auf Farsi; er lese diese auch nicht online. In Afghanistan werde er von der Familie seiner Ex-Frau, der Regierung und der konservativen Bevölkerung bedroht und würde bei einer Rückkehr umgebracht werden.

Im Rahmen der Einvernahme wurde den BF mittels Verfahrensanordnung mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

I.8. Am 05.09.2019 wurden die BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi, ihrer Rechtsberaterin und ihrer Tochter bzw. Schwester niederschriftlich einvernommen, wobei sie das bisherige Vorbringen bestätigten. Die BF1 brachte vor, ihr gesundheitlicher Zustand habe sich wegen des Stresses verschlechtert und sie habe keine Wahrnehmung zu ihrer Umgebung.

Der BF2 gab an, an einer psychischen Krankheit zu leiden. Er habe versucht, sich das Leben zu nehmen, weshalb er im Krankenhaus gewesen sei, von wo er am 03.09.2019 entlassen worden sei. Er gehe davon aus, dass er eine Therapie brauche. Er brauche die Unterstützung seiner ganzen Familie und könne nicht von dieser getrennt werden. Am Vorabend habe er eine Bibel auf Farsi und ein Handbuch über die Bibel auf Farsi (Einführung zur besseren Kenntnis der Bibel, Zeugen Jehova) von seiner Schwester bekommen. Seit dem Jahr 2015 habe er beim Roten Kreuz jedes Jahr auch Weihnachten als christliches Fest gefeiert. Als Moslem habe er bereits seit 12 Jahren nicht gelebt, also auch nicht zu Zeiten als er noch im Iran bzw. in Afghanistan lebte.

Die Rechtsberaterin beantragte, ein medizinisches Sachverständigengutachten für die BF einzuholen und das Verfahren zuzulassen und nicht wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, da die BF auf die Hilfe der in Österreich lebenden Tochter bzw. Schwester (mit Asylstatus) angewiesen seien.

In der Folge wurde mittels mündlich verkündeten Bescheiden, die im jeweiligen Protokoll beurkundet wurden, der faktische Abschiebeschutz für die BF aufgehoben. Begründend führt das BFA dazu aus, die BF, deren Identität feststehe, seien afghanische Staatsangehörige, volljährig und würden an keinen schweren, lebensbedrohenden Krankheiten leiden. Die BF bezögen sich im gegenständlichen Verfahren auf die Gründe ihrer beiden früheren Verfahren und würden das dort bereits für unglaubwürdig befundene Vorbringen lediglich steigern. Bereits im vorhergehenden Asylverfahren sei rechtskräftig eine Steigerung eines bereits als unglaubwürdig erachteten Sachverhaltes festgestellt worden. Da sich daraus kein neuer Sachverhalt ergebe, seien die Anträge der BF wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Es könne unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung der BF eine reale Gefahr einer Verletzung nach Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Ebenfalls könne kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 8 EMRK erkannt werden, insbesondere sei das tatsächliche Familienleben zur Tochter bzw. Schwester bereits im April 2019 durch die Ausreise nach Deutschland eigenständig aufgegeben worden.

I.9. Am 06.09.2019 legte das BFA die Akten amtswegig zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des faktischen Abschiebeschutzes vor. Mit Schreiben vom selben Tag wurde das Einlangen der Akten gemäß § 22 Abs. 10 BFA-VG bestätigt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in die die BF betreffenden und dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakte des BFA, insbesondere in die Befragungsprotokolle;

-

Einsicht in das Zentrale Melderegister, das Strafregister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

Die Identität der BF steht fest.

Die BF sind Staatsangehörige Afghanistans und gehören der Volksgruppe der Tadschiken und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an. Die Muttersprache der BF ist Dari.

Die BF1 besuchte keine Schule und ist Analphabetin. Sie stammt aus der Provinz Herat, Distrikt Zinda Jan, Dorf XXXX , verließ Afghanistan vor ungefähr 30 Jahren und lebte bis zu ihrer Ausreise nach Europa (2015) im Iran.

Der BF2 wurde im Iran geboren. Dort besuchte er elf Jahre lang die Schule und hielt sich daraufhin ab 2005 zu Studienzwecken eineinhalb Jahre in Herat auf. Nach seiner Rückkehr in den Iran besuchte er dort fünf Jahre lang die Universität und schloss ein Bachelorstudium im Bauwesen ab.

Im Iran leben die Schwestern der BF1. In Afghanistan, Provinz Herat, lebte zumindest bis Jänner 2019 noch der Bruder der BF1 sowie bis September 2018 drei Tanten des BF2, auf deren Netzwerk die BF bei einer Rückkehr zugreifen können. Die BF stehen mit ihren Verwandten im Iran in regelmäßigem Kontakt.

Die BF1 ist verheiratet, hat eine Tochter (Asylstatus in Ö) und einen Sohn, den BF2; dieser ist ledig und kinderlos.

Im ersten Verfahren wurde durch die BF Folgendes geltend gemacht:

Die BF1 habe Afghanistan damals wegen des Krieges und wegen der Taliban verlassen. Die Lebensbedingungen seien sehr schlecht gewesen. Den Iran hätten die BF verlassen, weil sie dort nicht respektiert worden seien, dort nicht hätten arbeiten dürfen und die iranischen Behörden hätten den BF2 in den Krieg nach Syrien schicken wollen. Der BF2 führte aus, dass er auch wegen seiner Religionszugehörigkeit diskriminiert worden sei. Afghanen hätten sogar zum Eid-Fest das Gebet nicht verrichten dürfen. Im Fastenmonat habe er hier in Österreich ohne Probleme in einer türkischen Moschee sein Gebet verrichten dürfen, ohne von der Polizei belästigt zu werden. Nach Afghanistan sei er nicht zurückgekehrt, weil er dort keine berufliche Zukunft habe. Er habe auch gehört, dass die Taliban Ingenieure entführen würden. Er habe von einem Aufenthalt vor 10 Jahren zudem keine guten Erinnerungen an Afghanistan. Die BF2 machte in ihrem Beschwerdeverfahren (mit näheren Ausführungen) zusätzlich geltend, dass sie "durch ihren jahrelangen Aufenthalt im Iran ... bereits einen freieren Lebensstil als Frau kennengelernt" habe und

dass "eine Rückkehr nach Afghanistan ... [für sie] aus diesem

Gesichtspunkt nicht in Frage" komme. Sie habe "chronische Magenschmerzen", stehe deswegen in ärztlicher Behandlung und nehme auch Medikamente.

Die BF seien in Österreich in der Grundversorgung. Die BF1 besuche einen Deutschkurs, könne aber noch wenig, da sie Analphabetin sei, sie könne auf Deutsch nur grüßen; der BF2 habe die Deutschprüfung mit Niveau A1 abgelegt, sei ehrenamtlich beim Roten Kreuz tätig und besuchte im Schuljahr 2016/17 die Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule. Der BF2 gab dabei an, er fürchte für den Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan, aufgrund seiner Ausbildung zum Ingenieur ins Visier der Taliban zu geraten. Viele Ingenieure würden von den Taliban entführt, um sie für ihre Zwecke zu missbrauchen.

Mit rechtskräftigen Erkenntnissen vom 03.04.2018 gab das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ihrer Beschwerde gegen die Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz und die Rückkehrentscheidung keine Folge und setzte sich dabei unter Berücksichtigung der einschlägigen Berichtslage zum Herkunftsstaat Afghanistan mit dem Vorbringen der BF auseinander. Dabei verneinte es eine Verfolgung der BF auf Grund deren Vorbringens, auch auf Grund einer allfälligen "westlichen Orientierung" der BF1 als Frau, sowie den Eintritt einer existentiellen Notlage im Rückkehrfall und bestätigte u.a. die Rückkehrentscheidung, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG und die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan. Für die BF1 wurde eine Gastritis festgestellt, der BF2 sei gesund.

In ihrem ersten Folgeantragsverfahren (Antrag vom 07.08.2018) brachte die BF1 vor:

In ihrem Leben habe sich seit der rechtskräftigen Entscheidung nichts geändert. Vom Schwiegervater ihres Sohnes gehe eine Bedrohung aus. Dieser habe gesagt, er werde sie alle töten, da ihr Sohn "keinen Glauben hatte, nicht betete und fastete, deswegen wurde er bedroht und ist geflüchtet". Auf nähere Nachfrage präzisierte sie dies wie folgt; "mein Sohn und meine Schwiegertochter [waren] füreinander versprochen, vor sieben Jahren haben sie im Iran geheiratet. Er lebte nach der Heirat im Iran ca. ein Jahr, danach, weil er keinen Job hatte, sagte der Schwiegervater, dass er nach Afghanistan gehen sollte, um zu studieren oder für einen Job, weil die Afghanen das im Iran nicht dürfen. Er ging mit den Schwiegereltern und seiner Frau nach Afghanistan und [war] dort ca. 1,5 Jahre. Mein Sohn war mit der Heirat nicht einverstanden, meine Schwiegertochter schon. Nachgefragt kann man sich gegen eine solche Vereinbarung in Afghanistan nicht wehren." Auf die Frage, warum sie glaube, dass der BF2 bisher nicht vorgebracht hatte, dass er verheiratet sei, beantwortete die BF: "Weil wir keinen Beweis hatten. [... D]ie Schwiegereltern [haben] den Tanten gesagt, die Sachen meines Sohnes abzuholen. Der Sohn meiner Schwester schickte die Unterlagen per Telefon an meinen Sohn. Mein Sohn und wir (die Eltern) [wurden] von den Schwiegereltern bedroht." Ihrer erwachsenen Tochter sei der Status einer Asylberechtigten zuerkannt worden, sie wolle in Österreich bei ihrer Tochter leben.

In seinem ersten Folgeantragsverfahren (Antrag vom 07.08.2018) brachte der BF2 vor:

In Afghanistan sei er gegen seinen Willen mit einer Frau verheiratet worden, deren Familie streng religiös sei. Er sei aber damals bereits ohne Religionsbekenntnis gewesen. Er habe keine Wahl gehabt, er habe sie heiraten müssen, da dies bereits nach seiner Geburt beschlossen worden sei. In der Zeit des Ramadans sei aufgefallen, dass er nicht gebetet und gefastet habe. Den Vater seiner Frau habe es gestört, dass der BF2 nicht streng gläubiger Moslem sei. Sein Schwiegervater habe gemeint, dass der BF2 eine Schande für ihn darstelle. Er habe dann deshalb einen Streit mit seiner Ehefrau gehabt. Seine Nachbarn hätten dadurch davon erfahren, sogar der Dorfmullah habe davon erfahren und wissen wollen, ob der BF2 "diese Ideologie verbreite an andere", und er habe sich an die Polizei wenden wollen. Da ihn sein Schwiegervater mit dem Umbringen bedroht habe, sei der BF2 aus Herat weggelaufen und habe Afghanistan verlassen. Seine Familie habe zu diesem Zeitpunkt bereits im Iran gelebt. Der Schwiegervater habe die Familie des BF2 angerufen und sie und den BF2 mit dem Umbringen bedroht. Als Beleg für seine Behauptungen legte der BF2 eine (schlechte) Kopie einer Heiratsurkunde vor. Die nunmehr angegebenen Fluchtgründe habe der BF2 in seinem ersten Asylverfahren nicht genannt, weil er sie nicht habe nachweisen können. Nun liege ihm jedoch seit eineinhalb Monaten die Heiratsurkunde vor, sodass er jetzt einen neuerlichen Asylantrag stelle. Auf die Frage, warum er in seinem ersten Asylverfahren erklärt habe, Moslem zu sein, führte der BF2 aus, er habe damals nicht gewusst, dass man offen sprechen könne. Der BF2 bekräftigte, dass sich seit der rechtskräftigen Entscheidung im ersten Asylverfahren nichts Wesentliches in seinem Leben geändert habe.

Mit Bescheiden vom 09.01.2019 wurde der neuerliche Antrag der BF auf internationalen Schutz vom 07.08.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist und gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde brachte die BF1 vor, dass sich ihre Lebensweise geändert habe. Sie trage nun kein Kopftuch mehr und habe sich aufgrund ihres bisherigen Aufenthaltes in Österreich noch mehr an die moderne Lebensweise angepasst. Anstelle der Zurückweisung ihres Antrages hätte das BFA diesen Umstand inhaltlich überprüfen müssen. Der BF2 führte in seiner Beschwerde unter anderem aus, dass der Entscheidung des BFA, den Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, entgegenzuhalten sei, dass er nun erstmals im Asylverfahren in Österreich vorgebracht habe, mittlerweile keine Religion mehr zu haben und vom Islam abgefallen zu sein. In seinem ersten Verfahren habe er ständig Zweifel an seiner Religion gehabt, habe allerdings nicht gewusst, dass man ohne Religion leben könne. Einige Tage nach der Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht habe er jemanden kennengelernt, der ebenfalls ohne Religion lebe. Seither sei der BF2 immer mehr vom Islam abgefallen. Er bete nicht mehr und halte die islamischen Glaubensregeln nicht mehr ein. Außerdem habe sich der Gesundheitszustand des BF2 mittlerweile sehr verschlechtert, er leide an Bauchschmerzen und psychischen Problemen. Aus den am 30.08.2018 (sohin erst nach rechtskräftigen Abschluss des Erstverfahrens) erschienenen UNHCR-Richtlinien würde sich ergeben, dass - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - die Stadt Kabul keine innerstaatliche Fluchtalternative (mehr) darstelle.

Im rechtskräftigem Erkenntnis vom 12.02.2019, W230 2149320-2/4E (BF1), bzw. vom 04.02.2019, W248 2149323-2/3E (BF2), führte das Bundesverwaltungsgericht mit näherer Begründung aus, dass weder neues (relevantes) Tatsachenvorbringen und neue Tatsachen, die eine gegenüber der rechtskräftigen Entscheidung vom 03.04.2018 in wesentlichen Punkten geänderte Sachlage begründeten, gegeben seien, noch - auch unter Berücksichtigung der UNHCR-Richtlinien - eine maßgebliche Änderung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat seit rechtskräftigem Abschluss des Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz festgestellt werden könne. Fluchtgründe, welche erst nach Abschluss des ersten Asylverfahrens eingetreten wären, hätten die BF im Folgeverfahren bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vorgebracht. Es könne nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würden und ihnen die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Die BF würden an keiner zwischenzeitlich aufgetretenen lebensbedrohlichen oder im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Krankheit leiden. Im Entscheidungszeitpunkt könne auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der BF in ihrem Herkunftsstaat festgestellt werden.

Die BF reisten am 08.04.2019 nach Deutschland und wurden am 13.08.2019 nach Österreich rücküberstellt, wo sie ihren nunmehrigen dritten Antrag auf internationalen Schutz stellten, weil der BF2 nunmehr Christ sei und sich der Gesundheitszustand der BF verschlechtert habe.

Die Fluchtgründe der BF haben sich seit dem ersten Verfahren nicht geändert.

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der BF, insbesondere in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif, sind gegenüber den im rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle der Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif Gefahr laufen, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten. In Herat verfügen sie aufgrund ihrer Familienangehörigen und des dortigen eigenen Aufenthaltes über ein soziales Netzwerk. Die Familienangehörigen in Österreich oder dem Iran können die BF finanziell unterstützen.

Die BF1 betätigte sich während ihres Aufenthalts in Österreich nicht ehrenamtlich, war in keinem Verein tätig und ging keiner Beschäftigung nach. In Österreich ist sie nicht gesellschaftlich verfestigt oder integriert. Sie hat 2017 und 2018 Deutschkurse besucht.

Der BF2 hat eine Deutschprüfung auf dem Niveau A1 abgelegt und nahm an einem Werte- und Orientierungskurs teil. Er war ehrenamtlich beim Roten Kreuz tätig, ist dort auch Mitglied und besuchte im Schuljahr 2016/17 die Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule.

Die BF1 ist in Deutschland an einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome (ICD-10: F32.2) erkrankt und war deswegen in ärztlicher Behandlung. Eine stationäre Behandlung wurde auf ihren eigenen Wunsch nach einem Tag abgebrochen, da sie nicht von ihrem Sohn getrennt sein wollte. Sie nimmt derzeit deshalb Medikamente, sie war jedoch nie länger in stationärer Behandlung.

Der BF2 unternahm einen Tag nach seiner ersten Befragung im gegenständlichen Verfahren einen Selbstmordversuch und war einen Tag im geschlossenen und für weitere drei Tage im offenen Bereich in stationärer Behandlung, bevor er am 03.09.2019 distanziert von akuter Suizidalität aus dem Krankenhaus mit der Diagnose Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion und Suizidäußerung, Psychosoziale Belastungssituation sowie Pollen- und Ibuprofenallergie entlassen wurde.

Die BF ist strafrechtlich unbescholten und grundsätzlich arbeitsfähig.

In Österreich befinden sich die volljährige Tochter der BF1 bzw. Schwester des BF2, der der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde. Die BF leben mit dieser nicht im gemeinsamen Haushalt und sind auch nicht finanziell von ihr abhängig. In Deutschland kümmerte sich der BF2 um die BF1 und sie hielt telefonischen Kontakt mit ihrer Tochter, die ihnen teils Geld schickte. Vor der Ausreise nach Deutschland lebten die BF bei dieser Tochter bzw. Schwester. In Deutschland lebt auch der Bruder des Mannes der BF1.

II.2. Diese Feststellungen beruhen auf folgender Beweiswürdigung:

II.2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen zum ersten und zweiten Verfahren auf internationalen Schutz ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und den Verfahrensakten des Bundesverwaltungsgerichts (insbesondere aus den unbestritten rechtskräftigen Erkenntnissen).

II.2.2. Die Identität der BF ist aufgrund der ausgestellten Heimreisezertifikate festgestellt. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit sowie zur Volksgruppenzugehörigkeit der BF, deren Herkunft und Schulbildung, zum Aufenthalt der Angehörigen und deren sozialem Hintergrund in Österreich ergeben sich aus den glaubhaften Angaben der BF in deren Verfahren und wurden bereits vom Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen getroffen und im zweiten Verfahren bestätigt.

II.2.3. Die Feststellung zur neuerlichen Antragstellung sowie die durch die BF vorgebrachten Gründe beruhen ebenso auf dem unzweifelhaften Akteninhalt. Die BF bestätigten sowohl anlässlich der Erstbefragung, als auch anlässlich seiner Einvernahme vor dem BFA, dass sich keine Änderungen ergeben hätten. Abgesehen davon, dass dem nunmehrigen Vorbringen daher die Rechtskraft der beiden vorherigen Verfahren entgegensteht, führte das BFA völlig zutreffend aus, dass die BF ihr Vorbringen im Vergleich zum vorigen Verfahren weiter steigerten. Bereits im ersten Folgeantragsverfahren wurde den BF vom Bundesverwaltungsgericht vorgehalten, dass der BF2 im ersten Verfahren noch angegeben hatte, ledig zu sein und seinen sunnitischen Glauben im Iran nicht ausreichend leben zu können. Er habe anlässlich seines zweiten Antrags keinerlei Fluchtgründe geltend gemacht, die er nicht auch schon in seinem ersten Asylverfahren hätte vorbringen können und die nicht von der Rechtskraft des ersten Verfahrens umfasst seien, wenn er angab, im Heimatland in eine sehr konservative Familie zwangsverheiratet worden zu sein, dort bereits vom islamischen Glauben abgefallen zu sein und vom Schwiegervater wie auch seine übrige Familie deshalb verfolgt zu werden, weshalb sie hätten fliehen müssen. Vielmehr seien die BF im ersten Asylverfahren sowohl bei der Erstbefragung als auch bei seiner Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu den Fluchtgründen ausführlich befragt worden und habe der BF2 trotz Belehrungen und dem Besuch eines entsprechenden Kurses jeweils angegeben, keine anderen als die damals geschilderten Fluchtgründe zu haben. Die Behauptung, die BF hätten die mit dem (ersten) Folgeantrag geltend gemachten Fluchtgründe im ersten Asylverfahren nicht vorgebracht, weil sie sie nicht hätten beweisen können, überzeuge schon deshalb nicht, weil sie auch die damals vorgebrachten Fluchtgründe nicht hätten beweisen können. Es komme dem Vorbringen der Verfolgung durch den Schwiegervater des BF2 aufgrund des Abfalls vom Glauben aber auch kein glaubhafter Kern zu, weil dies einerseits massiv widersprüchlich zum ersten Vorbringen sei, als er sogar betont und als Fluchtgrund vorgebracht habe, gläubiger Sunnite zu sein, und weil andererseits der BF2 und die BF1 widersprüchliche Angaben zum neuen Vorbringen erstattet hätten.

Wenn der BF2 - und auf ihn gestützt die BF1 - nun im vorliegenden Verfahren aber geltend macht, er sei nicht nur seit 12 Jahren vom Glauben abgefallen, feiere seit seinem Aufenthalt in Österreich das Weihnachtsfest und sei mittlerweile gläubiger Christ, so steigert er sein, bereits als unglaubwürdig befundenes und der Rechtskraft der Vorverfahren unterliegendes Vorbringen neuerlich massiv, wie ihm das BFA zu Recht vorhält. Auch diesem nunmehrigen Vorbringen kommt kein glaubhafter Kern zu, weil er sein Vorbringen nicht nur auf dem unglaubwürdigen früheren Vorbringen aufsetzt, sondern sich aus dem Vorbringen auch ergibt, dass der BF2 aktuell weder getauft ist, sich zwar in seiner Zeit in Deutschland etwas über den christlichen Glauben informiert hat und dort über einen Freund auch die Messe besuchte, sich aber nicht ernsthaft mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt hat, was seine Aussagen in der Befragung durch das BFA klar darlegen und er auch bis einen Tag vor Verkündung des BFA (aufgrund des Vorhaltes in der vorherigen Befragung) nie eine Bibel (auch nicht auf Farsi) hatte und diese bis zum Tag der Verkündung nie auch nur gelesen- auch nicht online - oder sich mit dieser näher beschäftigt hatte. Das BFA warf dem BF2 auch zu Recht vor, dass er im gesamten bisherigen Verfahren keine konkreten Vorfälle betreffend eine Bedrohung oder konkrete Auswirkungen anführten konnte, wobei sich seine Schilderungen als oberflächlich und inhaltsleer darstellten. Überdies widersprach er seinem Vorbringen über alle Instanzen im ersten Verfahren, wenn er nunmehr angibt, er sei, seit er 20 Jahre als sei, kein Moslem mehr und habe weder gebetet noch gefastet oder den Koran gelesen, während er damals ausgeführt hatte, in Österreich in die Moschee zu gehen. Diese Einschätzung muss sich auch auf die BF1 auswirken, deren diesbezüglichem Vorbringen nicht nur die Rechtskraft der Vorverfahren entgegenzuhalten ist, sondern auch, dass das Vorbringen des Sohnes, auf das sie ihre eigene Verfolgung stützt, keine glaubhaften Kern aufweist.

II.2.4. Ebenfalls bereits in den Vorverfahren vorgebracht wurde auch der Eingriff in das Familienleben der BF durch Trennung von der in Österreich asylberechtigten volljährigen Tochter / Schwester. Während im vorherigen Verfahren die BF noch mit dieser im gemeinsamen Haushalt lebten, keine Grundversorgung erhielten und von dieser unterstützt wurden, haben die BF das Familienleben durch Reise nach Deutschland und dortige Antragstellung mittlerweile selbst aufgelöst, wie ihnen das BFA zu Recht vorhält.

Auch die weiteren Feststellungen aus den vorherigen Verfahren, wonach die BF in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig sind und nie erwerbstätig waren, zwar Bemühungen unternommen haben, Deutsch zu erlernen, sich aber keine besonders stark verfestigte Integration im sozialen Leben in Österreich zeige - wobei nicht verkannt wurde, dass durch Kurse und die Mitgliedschaft des BF2 beim Roten Kreuz Integrationsschritte gesetzt wurden - weshalb in einer Abwägung mit den öffentlichen Interessen der Eingriff in das Privatleben durch die Rückkehrentscheidung als zulässig erweise, haben nach wie vor Gültigkeit. Hierzu gaben die BF selbst im nunmehrigen Verfahren an, zwischenzeitig keine weiteren Integrationsschritte gesetzt zu haben, weil sie sich seither im Wesentlichen in Deutschland (im Dublin-Verfahren) aufgehalten hatten.

Was das Vorbringen der BF zum Gesundheitszustand anbelangt, so ist dieses durch aktuelle medizinische Gutachten hinreichend belegt. Für die BF1 wurde dies zumindest teilweise bereits rechtskräftig festgestellt, wobei auch damals - nicht zuletzt aufgrund der Behandelbarkeit im Heimatland gemäß den Länderinformationen - keine Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK festgestellt wurde. Für den BF2 ergibt sich, dass im Vorverfahren noch keine Erkrankung festzustellen war. Auch hier hat das BFA aber zu Recht auf die Länderinformationen und die Behandelbarkeit im Heimatland, darauf, dass der BF2 nicht längere Zeit stationär in Behandlung war, beide BF keine Therapie erhalten und nur unregelmäßig Medikamente einnehmen, verwiesen. Aus den ärztlichen Unterlagen ergibt sich zudem, bestätigt von den BF, dass das Krankheitsbild auch auf die aktuelle Stresssituation in Bezug auf eine bevorstehende Rückkehr ins Heimatland zurückgeht. Folglich ist dem BFA zuzustimmen, dass kein derartiges Krankheitsbild vorliegen würde, die eine Rückkehr aufgrund einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK unzulässig machen könnte und allenfalls ein Grund für die Zuerkennung subsidiären Schutzes wäre, vorliegt. Gleichermaßen ist nicht ersichtlich, weshalb die BF, insbesondere der BF2 dank seiner Ausbildung als Bauingenieur, nicht arbeitsfähig sein sollten.

II.2.5. Dass die allgemeine Situation in Afghanistan seit rechtskräftigem Abschluss der Vorverfahren (Zustellung der Erkenntnisse des BVwG vom 03.04.2018 und 04. bzw. 12.02.2019) im Wesentlichen unverändert geblieben ist und sich die maßgebliche Lage in Afghanistan für die BF nicht geändert hat, ergibt sich aus den in den Bescheiden des BFA sowie den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes enthaltenen Feststellungen zu Afghanistan. Die letzten Anschläge in Afghanistan veranlassten lediglich eine Aktualisierung der Kurzberichte dahingehend, ergeben jedoch keine wesentliche Lageänderung. Im ersten Folgeantragverfahren wurden überhaupt das auch aktuell in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht herangezogene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 mit jeweiligen Kurzinformationen sowie die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 berücksichtigt. Auch aus den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden aktuellen Herkunftsstaatsinformationen ergibt sich, dass sich die Lage, insbesondere in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif, nicht maßgeblich verändert hat. Nach den Ausführungen des BFA im Bescheid vom Februar 2018 handelt es sich demnach bei Kabul um eine Stadt, in der zwar Anschläge stattfinden, diese sich jedoch gegen high-profile Ziele richten, während Zivilisten davon nicht in einem Ausmaß betroffen seien, das eine Rückkehr als nicht möglich erschienen ließe. An diesen Feststellungen hat sich sowohl nach den dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden aktuellen Berichten als auch nach den Aussagen des BF seit Abschluss des Verfahrens nichts Entscheidungsmaßgebliches geändert.

II.2.6. Der BF2 ist jung, hinreichend gesund, sehr gut ausgebildet und arbeitsfähig. Er ist in der Lage für seinen Lebensunterhalt und für seine Mutter, die BF1, zu sorgen, die ihrerseits zumindest einfachere Tätigkeiten ausüben kann. Beide sind ihrem Kulturkreis nicht fremd. Es besteht Kontakt zu Familienmitgliedern im Iran, weshalb davon auszugehen ist, dass über diese im Rahmen des Familienverbandes weitere Kontakte auch nach Afghanistan hergestellt werden können und insbesondere jedenfalls zu Beginn eine finanzielle und/oder organisatorische Unterstützung gewährt wird. Daraus folgt, dass bei den BF bei einer Rückkehr in die Städte Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif nicht die Gefahr besteht, dass er in eine auswegslose beziehungsweise existenzbedrohende Situation geraten würden. In Herat bestehen überdies Ortskenntnisse, dieses ist leicht erreichbar und hinreichend sicher. Außerdem können die BF durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in den genannten Städten das Auslangen finden. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass diese bereits unmittelbar nach ihrer Rückkehr und noch bevor sie in der Lage wären, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende beziehungsweise wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnten.

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die Länderinformationen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte, weshalb hier den UNHCR-Richtlinien nicht zu folgen ist. Umso mehr gelten diese Überlegungen für Herat und Mazar-e Sharif, wo von deutlich weniger Anschlägen berichtet wird und die über den Luftweg sicher erreichbar ist.

II.2.7. Die Feststellungen zur Tochter / Schwester der BF in Österreich beruhen auf den eigenen Angaben der BF. Diese hatte die Mutter und den Bruder bei sich aufgenommen, in Deutschland finanziell unterstützt und zugesagt, diese auch nach ihren Möglichkeiten weiter zu unterstützen.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug und dem Akteninhalt.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 3 BFA-G, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 70/2015, obliegt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Vollziehung des BFA-VG (Z 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100 (Z 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr. 100 (Z 4).

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.

II.3.2. Zu Spruchpunkt A): Aufhebung des faktischen

Abschiebeschutzes:

II.3.2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlagen:

§ 12a AsylG 2005 lautet auszugsweise:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt und

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

...

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG und Ausweisungen gemäß § 66 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt werden."

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:

"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

§ 22 BFA-VG lautet:

"§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

II.3.2.2. Daraus folgt für das gegenständliche Verfahren:

Mit Bescheiden des BFA vom 13.02.2017 wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen, die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.04.2018, W248 2149320-1/16E und W248 2149323-1/13E, rechtskräftig bestätigt wurde. Die dagegen erhobene Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 12.06.2018, Ra 2018/01/0254 bis 0255-4, zurückgewiesen.

Mit Bescheiden vom 09.01.2019, wurde neuerlich gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, die ebenfalls rechtskräftig mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.02.2019, W230 2149320-2/4E, bzw. vom 04.02.2019, W248 2149323-2/3E, bestätigt wurden.

Die Rückkehrentscheidungen des BFA gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG in diesen Verfahren sind weiterhin aufrecht. Die Zulässigkeit der Abschiebung ist weiterhin aufrecht.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern (VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0451).

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.

"Entschiedene Sache" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Eine neue Sachentscheidung ist im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen, sodass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den Erstantrag absprechenden Bescheides entgegensteht (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684, mwH).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Antrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Im gegenständlichen Verfahren haben die BF erklärt, dass sie ihre Gründe der früheren Verfahren aufrecht halten. Sie beziehen sich auf Sachverhalte, die verwirklicht gewesen sein sollen, noch bevor sie erstmals in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben. Sie behaupten damit das Fortbestehen des bereits in den beiden vorhergegangenen Verfahren erstatteten Vorbringens. Dieses Vorbringen wurde jedoch bereits rechtskräftig als nicht glaubhaft beurteilt. Dem aktuellen Vorbringen steht daher die Rechtkraft des über den früheren Antrag absprechenden Bescheides / Erkenntnisses entgegen (VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684). Die Antragstellung verfolgt somit in Wirklichkeit den Zweck, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen rechtskräftigen Vorentscheidung zu verhindern.

Eine Prognoseentscheidung ergibt deshalb, dass der Antrag der BF auf internationalen Schutz vom 13.08.2019 voraussichtlich als neuerlicher Folgeantrag zurückzuweisen sein wird, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, wie oben beweiswürdigend dargelegt wurde. Bei den im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten Rückkehrbefürchtungen handelt es sich insgesamt nicht um einen Sachverhalt, der erst nach Beendigung des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz verwirklicht wurde bzw. ist das Vorbringen in einer Prognose nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Aus den Länderberichten ergibt sich zudem, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat der BF keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zu den vorangegangenen Erkenntnissen des BVwG vom 03.04.2018 bzw. 04. und 12.02.2019 eingetreten ist. Eine Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN). Auch diesbezüglich wurden keine entscheidungswesentlichen Sachverhaltsänderungen vorgebracht (s. oben).

Im vorliegenden Fall gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung der BF nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen würde. Bereits im ersten Verfahrensgang wurde festgehalten, dass die BF bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung der Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wären oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehe (§ 50 FPG). Auch im Folgeverfahren sind keine Risiken für die BF im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063). Das Vorliegen solch exzeptioneller Umstände ist vor dem Hintergrund der Feststellungen jedenfalls zu verneinen.

Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu verweisen, wonach es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09 mwH).

Es sind auch keine erheblichen in der Person der BF liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie etwa eine schwere und im Heimatland nicht behandelbare Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würde. Die BF gaben in diesem Zusammenhang selbst an, lediglich unregelmäßig ein Medikament einzunehmen und erwähnten keine Therapie.

Ebenso wenig sind Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf die BF ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Die BF haben auch solche Umstände weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgebracht.

Im Hinblick auf Art. 8 EMRK ist ebenfalls auf die obige Würdigung zu verweisen. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts des vergleichsweise kurzen Aufenthalts, der seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens unrechtmäßig ist, und ihrer vorübergehenden Ausreise nach Deutschland nicht angenommen werden. Es konnte keine Verletzung ihres Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

Entsprechend den obigen Ausführungen stellt - nach einer Grobprüfung des Aktes - die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der BF in ihren Herkunftsstaat für sie somit keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK dar bzw. ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art. 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für sie als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens und ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass die mit mündlich verkündetem Bescheid vom 12.04.2019 ausgesprochene Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

II.3.3. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag, Prognoseentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W204.2149320.3.00

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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