TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/11 W152 2219334-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.09.2019
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Entscheidungsdatum

11.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs2

Spruch

W152 2219334-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Walter KOPP über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.05.2019, Zl. 1192268810-180864042, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, 52 Abs. 9, 46 und 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China und gehört der Volksgruppe der Han an. Er ist ohne Bekenntnis und war im Herkunftsstaat in der Stadt Shijiazhuang in der Provinz Hebei wohnhaft. Der BF reiste am 11.06.2018 mit einem vom 09.06.2018 bis 06.07.2018 gültigen Visum C (Touristenvisum) ins Bundesgebiet ein und verblieb ohne Aufenthaltstitel weiter in Österreich. Im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle wurde der BF bei Renovierungsarbeiten in einer Lagerhalle ohne arbeitsrechtliche Bewilligung aufgegriffen und stellte sohin am 11.09.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung am 12.09.2019 brachte der BF vor, er befürchte im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Existenzprobleme.

Der BF führte anschließend seinen Aufenthalt im Verborgenen weiter. Im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle am 29.11.2018 wurde der BF in einem Restaurant bei der Zubereitung von Speisen ohne arbeitsrechtliche Bewilligung betreten. Erst im März 2019 konnte dem BF eine Ladung zur niederschriftlichen Einvernahme bezüglich seines Asylantrages zugestellt werden. Dieser Ladung kam der BF unentschuldigt nicht nach. Am 06.05.2019 wurde sodann ein Festnahmeauftrag gegen den BF erlassen und der BF nach erfolgter Festnahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) am 06.05.2019 zum Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen der Einvernahme brachte er im Wesentlichen vor, er habe in der Volksrepublik China als Chauffeur gearbeitet, wobei er auf einer Straße gefahren sei, wo Fahrverbot gegolten habe. Die Polizei habe ihm deshalb den Führerschein abgenommen. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, dass er verhungern werde.

1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien, vom 07.05.2019, Zahl:

1192268810-180864042, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG2 005 abgewiesen (Spruchpunkt I), wobei auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Volksrepublik China abgewiesen wurde (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde hiebei gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Volksrepublik China gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gleichzeitig wurde der Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Antragsteller ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF sein Herkunftsland lediglich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen habe. Dem BF sei daher kein Asyl zu gewähren gewesen. Hinsichtlich subsidiären Schutzes führte die belangte Behörde aus, der BF sei ein junger gesunder und arbeitsfähiger Mann. Es sei daher davon auszugehen, dass er nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten sich wieder in den Arbeitsmarkt integrieren könne und so sein Auslangen finden können wird. Desweiteren könne er auf ein soziales Netz in Form von Eltern und Ehefrau zurückgreifen. Außerdem sei in China eine grundsätzliche Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gewährleistet. Der Antrag auf subsidiären Schutz sei somit auch abzuweisen gewesen. Das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen überwiege das private Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei daher sachgerecht. Bezüglich dem Einreiseverbot führte die belangte Behörde aus, der BF habe im Verfahren keine ausreichenden Mittel für seinen Unterhalt nachweisen können. Außerdem sei der BF während einer illegalen Beschäftigung auf frischer Tat betreten worden und habe vorsätzlich seine Ausreiseverpflichtung missachtet. Ein Einreiseverbot in der Höhe von 4 Jahren sei daher jedenfalls angemessen.

Das Bundesamt stellte hiebei zur Lage in der Volksrepublik China auf Grundlage des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation für die Volksrepublik China Folgendes fest:

"Politische Lage

Die Volksrepublik China ist mit geschätzt 1.367 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2015) der bevölkerungsreichste Staat der Welt, bei einer Fläche von 9.596.960 km² (CIA 11.8.2015). Sie ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", der der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2015a). Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2015a). Die Volksrepublik China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KPCh inne gehalten (USDOS 25.6.2015). Die KPCh ist somit entscheidender Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2015a, vgl. USDOS 25.6.2015). An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP Chinas und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2015a). Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 28.1.2015a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht (AA 4.2015a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 28.1.2015a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2015a). Beim 18. Kongress der KPCh im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Für die nächsten fünf Jahre wurden ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt. Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KPCh und zum Leiter der Zentralen Militärkommission gekürt. Mit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 gilt dieser Führungswechsel als abgeschlossen. Seitdem ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2015a, vgl. FH 28.1.2015a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 27.2.2014). Die neue Staatsführung soll zehn Jahre im Amt bleiben, wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt, mit der Möglichkeit zur Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode (Die Zeit 14.3.2013). Vorrangige Ziele der Regierung sind weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KPCh. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich (AA 4.2015a). Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2015a).

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Ländereien oder die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen. Die Anzahl sog. "Massenzwischenfälle" soll 2012 bei ca. 200.000 gelegen haben und schnell zunehmen. Massenzwischenfälle sind nach chinesischer Definition nicht genehmigte Demonstrationen und Proteste, an denen sich mehr als 100 Personen beteiligen. Wie verlässlich die genannten Zahlen sind, bleibt offen. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (AA 15.10.2014). Einer internationalen NGO zufolge wird die Zahl der Proteste auf 30.000 -50.000 pro Jahr geschätzt. Andere Quellen sprechen von einigen 10.000 bis 100.000 jedes Jahr. Wie schon in den vergangenen Jahren fand sich die Ursache der Mehrzahl der Demonstrationen Grundstücksstreitereien, Wohnungsprobleme, Industrie- Umwelt und Arbeitsangelegenheiten, staatliche Korruption, Steuern sowie sonstige wirtschaftliche und soziale Anliegen (USDOS 25.6.2015). Nach den Massenkundgebungen der Demokratiebewegung in Hongkong ist noch keine Einigung mit den Behörden in Sicht (DW 7.10.2014, vgl. HRW 29.1.2015). Auf dem Höhepunkt der Proteste hatten bis zu 100.000 Menschen in der früheren britischen Kronkolonie für mehr Demokratie demonstriert. Sie verlangen den Rücktritt von Verwaltungschef Leung Chun Ying. Zudem protestieren sie dagegen, dass die Regierung in Peking bei der 2017 anstehenden Wahl eines Nachfolgers nur vorab bestimmte Kandidaten zulassen will (TR 20.10.2014). Die Proteste waren weitgehend friedlich, im Oktober kam es aber auch zu einigen gewalttätigen Auseinandersetzungen, als Einzelpersonen versuchten, die von den Demonstranten auf mehreren Hauptstraßen errichtet Barrikaden zu beseitigen. Einige Demonstranten behaupteten, dass diese Personen kriminellen Banden angehörigen würden oder auf Geheiß der Zentralregierung tätig wurden und dass die Polizei nicht angemessen darauf reagiert habe. Von der Polizei wurden die Vorfälle untersucht und 19 Personen verhaftet, die mutmaßlich Angriffe auf die Demonstranten verübt haben. Im November konnte die Polizei einen Versuch der Demonstranten, das Regierungsgebäude in Hongkong zu stürmen abwehren (USDOS 15.6.2015). In Hongkong hat das Parlament nun mit Beratungen über eine umstrittene Wahlreform begonnen. Die Demokratiebewegung sieht eine wesentliche Forderung nicht erfüllt, denn Peking will weiterhin massiv mitbestimmen. Den künftigen Regierungschef soll Hongkong frei wählen dürfen - ausgesucht werden sollen die Kandidaten aber von Peking selbst. Seit 17.6.2015 berät das aus 70 Abgeordneten bestehende Parlament der chinesischen Sonderverwaltungszone über den Wahlmodus des künftigen Regierungs- und Verwaltungschefs. Viele Demokratie-Aktivisten lehnen die Änderungen im Wahlmodus ab. Im Parlament platzierten oppositionelle Abgeordnete Schilder mit Kreuzen als Zeichen ihres Protests gegen die Reformpläne. Vor dem Parlament versammelten sich hunderte Anhänger beider Lager (DW 17.6.2015).

Rechtsschutz/Justizwesen

Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.10.2014). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2014, vgl. FH 28.1.2015a). Parteipolitisch-rechtliche Ausschüsse überwachen die Tätigkeit der Gerichte auf allen Ebenen und erlauben Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KPCh zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen (FH 28.1.2015). Die Gerichte sind auf jeder Ebene administrativ und institutionell den jeweiligen Einheiten des Nationalen Volkskongresses verantwortlich, von denen sie laut Verfassung auch errichtet werden. Jedes Gericht verfügt über ein Rechtskomitee, bestehend aus dem Gerichtspräsidenten, dem Vizepräsidenten und dem Leiter jeder Abteilung des Gerichts. Aufgabe ist es, bei "wichtigen und komplizierten Fällen" Anleitung zu geben. Das Problem ist, dass ein Richter, der einen solchen "komplizierten" Fall betreut, vor dem Urteilsspruch an das Rechtskomitee berichten muss. Es kommt daher zu der Situation, dass Personen, die den Prozess nicht gehört haben, Einfluss auf das Urteil nehmen (ÖB 11.2014). Das 3. Plenum des Zentralkomitees hat im November 2013 Beschlüsse zu einer Justizreform verabschiedet. Neben der Abschaffung des Systems der "Umerziehung durch Arbeit" sind Kernthemen Fragen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, nicht zuletzt im Interesse der Korruptions- und Missbrauchsbekämpfung, der Unabhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte und Professionalisierung der Justizarbeit. Die Zahl der Straftaten, die die Todesstrafe nach sich ziehen, sollte reduziert werden. Die durchaus ermutigenden Ansätze einer Verrechtlichung werden allerdings durch den fortbestehenden umfassenden Führungsanspruch der Partei relativiert (AA 15.10.2014). Trotz laufender Reformbemühungen gibt es, vor allem auf unterer Gerichtsebene, noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern, was die unterschiedliche Rechtsqualität zwischen den Gerichten in den großen Städten und den kleineren Städten erklärt (ÖB 11.2014). Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.10.2014). Am 1.1.2013 trat eine Novelle des chinesischen Strafprozessgesetzes in Kraft. Es handelt sich dabei um die umfassendste Reform des Strafrechts seit 16 Jahren. Neu aufgenommen wurde "die Hochachtung und der Schutz der Menschenrechte". So sind z. B. gemäß Art. 50 Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung verboten. Gemäß Art. 83 sollen die Familien der Internierten innerhalb von 24 Stunden ab Strafarrest informiert werden, es sei denn es ist nicht möglich. Gemäß Art. 188 tragen Ehepartner, Eltern und Kinder keine Beweispflicht mehr. Die Rechte der Verteidigung wurden in einigen Bereichen gestärkt; so sind Geständnisse, die durch illegale Methoden wie Folter erzwungen werden, ungültig. Beweismittel und Zeugenaussagen, die auf unrechtmäßigem Wege gewonnen wurden, sind vor Gericht unzulässig; Polizeibehörden können Verdächtige nicht mehr zwingen sich selbst zu bezichtigen; dies könnte zu einem Rückgang an Foltervorfällen durch Polizeiorgane führen. Der Schutz jugendlicher Straftäter wird erhöht (ÖB 11.2014, vgl. FH 23.1.2014a, AI 23.5.2013, AA 15.10.2014). Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.10.2014). 2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 28.1.2015a). Das neue Gesetz sieht allerdings vor, dass "Staatsicherheit gefährdende" Verdächtige an einem "designierten Ort" bis zu 6 Monate unter "Hausarrest" gestellt werden können. Die Familie muss zwar formell innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Dieser Aufenthaltsort könnte auch außerhalb offizieller Einrichtungen sein. Rechtsexperten sehen darin eine signifikante Ausweitung der Polizeimacht, denn es ist zu befürchten, dass es an diesen geheimen Orten weiterhin zu Folterhandlungen kommen könnte (ÖB 11.2014, vgl. FH 23.1.2014a, AI 23.5.2013). Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, die die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.10.2014). Der Vorwurf der "Gefährdung der Staatssicherheit" oder des "Terrorismus" sind vage Begriffe, die oft als Vorwand von Maßnahmen gegen Dissidenten verwendet werden; jährlich werden ca. 1.000 Personen wegen des Verdachts auf "Gefährdung der Staatssicherheit" festgehalten (ÖB 11.2014, vgl. FH 23.1.2014a, AI 23.5.2013). Häufig wurden Anklagen wegen "Gefährdung der Staatssicherheit", "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" oder "Preisgabe von Staatsgeheimnissen" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen gegen Personen verhängt, weil sie Internetblogs veröffentlicht oder als sensibel eingestufte Informationen ins Ausland weitergeleitet hatten. Der Staat benutzt somit das Strafrechtssystem dazu, seine Kritiker zu bestrafen (AI 23.5.2013). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von "Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, einen Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird ihm vom Gericht überhaupt ein Verteidiger bestellt (AA 15.10.2014). Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Verstöße gegen das Recht von Angeklagten auf ein faires Gerichtsverfahren und gegen andere ihrer Rechte waren gängige Praxis, darunter der verwehrte Zugang zu Anwälten und Familienangehörigen, Inhaftierungen über die rechtlich zulässige Zeitdauer hinaus, sowie Folter und Misshandlung in Gewahrsam (AI 23.5.2013; vgl. FH 23.1.2014a). Die wachsende Anzahl von Bürgerrechtsanwälten war auch 2014 weiterhin mit Beschränkungen und körperlichen Angriffen konfrontiert. Anwälte wurden daran gehindert, ihre Klienten zu sehen, geschlagen und in einigen Fällen sogar festgehalten und gefoltert (FH 28.1.2015a). Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Personen werden oft über lange Zeit hinweg in ihrer eigenen Wohnung oder an anderen Orten ohne Zugang zur Außenwelt festgesetzt (AA 15.10.2014). Der Nationale Volkskongress schaffte Chinas berüchtigtes System der "Umerziehung durch Arbeit" im Dezember 2013 offiziell ab. In der Folge griffen die Behörden ausgiebig auf andere Formen der willkürlichen Inhaftierung zurück, wie z.B. Schulungseinrichtungen für Rechtserziehung, verschiedene Arten der Administrativhaft, geheime "black jails" und rechtswidrigen Hausarrest. Darüber hinaus benutzte die Polizei häufig vage Anklagen wie "Streitsucht und Unruhestiftung" oder "Störung der Ordnung in der Öffentlichkeit", um politisch engagierte Bürger für Zeiträume von bis zu 37 Tagen willkürlich in Haft zu nehmen. KPCh-Mitglieder, die unter Korruptionsverdacht standen, wurden im Rahmen des geheimen Disziplinarsystems shuanggui ("doppelte Festlegung") ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand und ihren Familien in Gewahrsam gehalten (AI 25.2.2015, vgl. ÖB 11.2014).

Sicherheitsbehörden

Zivile Behörden behielten die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte bei (USDOS 25.6.2015). Die KPCh kontrolliert und leitet die Sicherheitskräfte auf allen Ebenen. 2013 dehnte die Partei ihren Apparat zur "Stabilitätserhaltung", mit dem Recht und Ordnung erhalten werden soll, allerdings auch friedlicher Protest unterdrückt und die Bevölkerung überwacht wird, weiterhin aus (FH 23.1.2014a). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes. Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt (AA 4.2015a). Für die innere Sicherheit sind zuständig:

(1) Polizei und Staatsanwaltschaften, die Rechtsverstöße des Normalbürgers verfolgen;

(2) Disziplinar-Kontrollkommission der KPCh, die gegen Verstöße von KP-Mitgliedern einschreitet; (3) Einheiten des Ministeriums für Verwaltungskontrolle, die für Pflichtverletzungen im Amt zuständig sind (AA 15.10.2014). Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist primär das dem Staatsrat unterstehende Ministerium für Öffentliche Sicherheit (MfÖS) mit seinen Polizeikräften verantwortlich, das daneben auch noch für Strafverfolgung zuständig ist und in Teilbereichen mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitet. Aufgaben der Polizei sind sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Strafverfolgung, bei der ihr u.a. die Anordnung von Administrativhaft als Zwangsmaßnahme zur Verfügung steht. Im Bereich der Strafverfolgung ist sie für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren originär zuständig. Bei Delikten, die von Polizisten aufgrund ihrer Amtsstellung begangen werden können, ermittelt die Staatsanwaltschaft selbst, während sie sonst primär die Tätigkeit der polizeilichen Ermittlungsorgane beaufsichtigt und auf Grundlage deren Empfehlung über die Erhebung der Anklage entscheidet (AA 15.10.2014). Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist u.a. zuständig für die Auslandsaufklärung sowie für die Überwachung von Auslandschinesen und von Organisationen oder Gruppierungen, welche die Sicherheit der VR China beeinträchtigen könnten. Es überwacht die Opposition im eigenen Land, betreibt aber auch Spionageabwehr und beobachtet hierbei vielfach auch die Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Bürgern. Darüber hinaus verfügen auch die Streitkräfte über einen eigenen, sorgfältig durchstrukturierten Nachrichtendienst, die 2. Hauptverwaltung im Generalstab, die sich in Konkurrenz zum MSS und MfÖS sieht. Die elektronische Aufklärung wird vornehmlich durch die 3. Hauptverwaltung im Generalstab wahrgenommen. Zudem sind viele Arbeitseinheiten parallel mit der Beschaffung von Informationen bzw. mit Überwachungsaufgaben von in- und ausländischen Bürgern befasst. Vor allem das Internationale Verbindungsbüro unter der politischen 1. Hauptverwaltung des Generalstabs ist zuständig für Informationen aus dem Ausland, für die Entsendung von Agenten in Auslandseinsätze, meist unter diplomatischer "Tarnung", und für die Überwachung des eigenen diplomatischen Personals. Zahlreiche "Think tanks" sind für die Beschaffung von Auslandsinformationen zuständig (AA 15.10.2014).

Folter und unmenschliche Behandlung

China ratifizierte 1988 die VN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit einer Strafe von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 15.10.2014). In den letzten Jahren wurden einige Verordnungen erlassen, die formell einen besseren Schutz vor Folter für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren bieten sollen. Die letzte Strafprozessnovelle (in Kraft mit 1.1.2013) sah einige Verbesserungen vor. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente, die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Im Jänner 2014 wurden die Umerziehungslager durch Arbeit (Reeducation through Labour) offiziell abgeschafft. Unklar ist jedoch, inwieweit die Lager durch Lager für Drogensüchtige oder die sogenannten "Community correction" Zentren ersetzt wurden. Die ohne gesetzliche Basis operierenden "Custody and Education" Zentren für Prostituierte bestehen jedenfalls weiter. Illegale Haftanstalten ("black jails") sind darüber hinaus weiterhin landesweit in Verwendung, besonders für die Festhaltung von unliebsamen Petitionären (ÖB 11.2014). Das revidierte Strafverfahrensrecht schließt die Verwendung unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommener Geständnisse und Zeugenaussagen (neuer Art. 53) und illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess ausdrücklich aus. Folter soll in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 15.10.2014). Die Anwendung von Folter zur Erzwingung von Geständnissen ist nach wie vor weit verbreitet (AI 25.2.2015, vgl. FH 28.1.2015a). Straffreiheit ist die Normalität, auch für verdächtige Todesfälle in Gefängnissen (FH 28.1.2015a). Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 15.10.2014). In einem seltenen Fall bestätigte ein Berufungsgericht in Harbin, Provinz Heilongjiang, im August 2014 die Schuldsprüche gegen vier Personen wegen Folter. Sie waren zusammen mit drei anderen Personen von einem Gericht der ersten Instanz für schuldig befunden worden, im März 2013 mehrere Straftatverdächtige gefoltert zu haben. Die Täter erhielten Haftstrafen von einem bis zu zweieinhalb Jahren. Nur drei der sieben Personen waren Polizeibeamte; bei den übrigen handelte es sich um "Sonderinformanten" - gewöhnliche Bürger, die der Polizei bei der Aufklärung von Straftaten "behilflich" sein sollen. Eines der Opfer, das mit Elektroschocks traktiert und mit einem Schuh geschlagen wurde, starb in der Haft an den Folgen der Folter (AI 25.2.2015).

Korruption

Bei der Polizei auf lokaler Ebene ist Korruption weit verbreitet, auch die Justiz wird durch Korruption beeinflusst. Es gibt Strafen für Korruption, doch dieses Gesetz wird nicht konsequent und transparent umgesetzt (USDOS 25.6.2015, vgl. FH 28.1.2015a). Das Vierte Plenum des 18. Zentralkomitees der KPCh, welches von 20. - 23-10.2014 unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren" tagte, bekräftigte den harten - und weitgehend außerhalb rechtsstaatlicher Verfahren abgewickelten - Anti-Korruptionskampf (ÖB 11.2014). 2014 erreichte eine aggressive Korruptionsbekämpfungskampagne die höchsten Ränge der Partei. Korruption bleibt weit verbreitet, in vielen Fällen auch in stark von der Regierung regulierten Bereichen wie Landnutzungsrechte, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur - die anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeld sind. Trotz der Bemühungen der Regierung die Korruption zu bekämpfen bleibt diese bestehen. Die Strafverfolgung ist sehr selektiv und undurchsichtig, sodass persönliche Netzwerke und interne Machtkämpfe innerhalb der KPCh die Zielpersonen und Ausgänge beeinflussen. Ein Durchgreifen auf unabhängige Korruptionsbekämpfungsaktivisten und Repressalien gegen ausländische Medien bei Untersuchungen des Einflusses von Bestechung von hochrangigen Beamtenfamilien haben die Effektivität und Legitimität der Kampagne weiter untergraben (FH 28.1.2015a). Im Jahr 2013 langten bei der Zentralen Kommission für Disziplinaruntersuchungen 1,95 Millionen Korruptionsvorwürfe ein,

172.532 Fälle wurden untersucht und 182.038 Disziplinarverfahren verhängt (USDOS 25.6.2015).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der KPCh oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc). Nach dem Führungswechsel im März 2013 hat sich das Klima für Menschenrechtsverteidiger und regierungskritische Personen, die politische Reformen fordern, deutlich verschärft. Kritische Intellektuelle, Journalisten und Blogger, die sich zu Themen äußern, die die chinesische Führung als sensibel ansieht, werden unter Druck gesetzt, bedroht und inhaftiert. Zahlreiche Dissidenten und Aktivisten befinden sich wegen kritischer Äußerungen in Haft (AA 15.10.2014). Politische Opposition ist in der VR China strafbar (Straftatbestand der "Staatsgefährdung"), unabhängige Gewerkschaftsgründung verboten, Presse- und Meinungsfreiheit nach wie vor stark eingeschränkt. Weiterhin befinden sich unzählige DissidentInnen in Arbeitslagern oder psychiatrischen Kliniken. Internetzensur ist nicht nur bei Diskussionen über Demokratie oder Freiheit an der Tagesordnung (ÖB 11.2014). Nicht zuletzt dank der modernen Kommunikationsmittel entsteht eine über ihre Rechte zunehmend besser informierte Öffentlichkeit, die bereit ist, diese Rechte zu verteidigen, und willkürliches Handeln der staatlichen Organe nicht länger unwidersprochen hinnehmen will. Massenproteste mit sozialpolitischem Hintergrund - insbesondere gegen illegale Landnahme, unzureichende oder vorenthaltene Kompensationen bei Umsiedlungen, gewaltsamen Abriss von Häusern, Umweltkonflikte und Korruption - nehmen zu (AA 15.10.2014). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit. Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch weiterhin der Anspruch der Kommunistischen Partei auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert, neben sozialer Not eine der Hauptquellen von Unzufriedenheit in der chinesischen Gesellschaft (AA 4.2015a). Die Volksrepublik China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von VN-Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an und hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zwar 1998 gezeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert. Am 27.3.2010 hat die Volksrepublik den VN-Wirtschafts- und Sozialpakt ratifiziert, allerdings zum Recht auf die Bildung freier Gewerkschaften einen Vorbehalt eingelegt. Unabhängige Gewerkschaften sind nicht zugelassen (AA 4.2015a). Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (z.B. Unschuldsvermutung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich, so beispielsweise beim 4. Plenum des Zentralkomitees der KPCh im Oktober 2014. Im Januar 2013 ist eine umfassende Revision des Strafprozessrechts in Kraft getreten. Ende 2013 wurde die Abschaffung der seit den 1950er Jahren existierenden Umerziehungslager ("Reform durch Arbeit") beschlossen; viele dieser Lager sowie andere Formen der Lagerhaft bestehen allerdings fort (AA 4.2015a). Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit sind stark eingeschränkt. Das öffentliche Infragestellen des Machtmonopols der Kommunistischen Partei Chinas wird weiterhin hart geahndet. Menschenrechtsverteidiger sind starken Repressionen ausgesetzt. China geht mit besonderer Härte auch gegen Forderungen nach Unabhängigkeit oder größerer Autonomie, besonders in Tibet und Xinjiang vor. Die heutige chinesische Gesellschaft ermöglicht freie Meinungsäußerung im privaten Bereich, Mobilität und individuelle beruflich-wirtschaftliche Chancen. Insbesondere sogenannte soziale Medien im Internet haben sich in diesem Zusammenhang - trotz aller Kontrollversuche der chinesischen Regierung - zu besonders wichtigen Kommunikationsträgern entwickelt (AA 3.2014a, vgl. HRW 28.1.2015). Die chinesische Regierung hat 2014 gezielt das Internet und die Presse weiteren Einschränkungen unterworfen. Alle Medien unterliegen allgegenwärtiger Kontrolle und Zensur. Die Regierung unterhält eine landesweite Internetfirewall, um politisch inakzeptable Informationen zu filtern. Die Behörden haben auch Einschränkungen der Presse verschärft. Die "staatliche Verwaltung für Radio, Film und Fernsehen" hat im Juli 2014 eine Richtlinie erlassen die verlangt, dass chinesische Journalisten eine Vereinbarung unterzeichnen die besagt, dass sie unveröffentlichte Informationen nicht ohne vorherige Zustimmung ihres Arbeitgebers veröffentlichen. Weiters wird dabei gefordert, dass sie Prüfungen in politischer Ideologie ablegen, bevor sie einen amtlichen Presseausweis ausgestellt bekommen (HRW 28.1.2015). Kommunalregierungen griffen weiter auf Landverkäufe zur Finanzierung von Projekten der Wirtschaftsförderung zurück, was im ganzen Land zur rechtswidrigen Zwangsräumung von Tausenden Menschen aus ihren Wohnungen oder zur Vertreibung von ihrem Land führte. Rechtswidrige Zwangsräumungen unter Anwendung von Gewalt und ohne Vorankündigung waren weit verbreitet. Ihnen gingen oftmals Drohungen und Drangsalierungen voraus. Eine Konsultierung der betroffenen Einwohner fand nur selten statt. Entschädigungen, angemessene Ersatzwohnungen und der Zugang zu Rechtsbehelfen waren stark eingeschränkt. In vielen Fällen schlossen korrupte Dorfvorsteher Verträge mit privaten Bauunternehmen und übertrugen ihnen die Nutzungsrechte für Grund und Boden, ohne dass die dortigen Bewohner darüber unterrichtet wurden (AI 23.5.2013). Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde, z.B. Provinz- oder Zentralregierung. Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht (AA 15.10.2014, vgl. AI 23.5.2013). Das Petitionswesen kann die Missstände allerdings nicht lösen. Dazu kommt, dass zahlreiche Petenten, aus den verschiedenen Provinzen, die die örtliche Politik bei der Pekinger Zentralregierung anprangern, über die Verbindungsbüros ihrer jeweiligen Heimatprovinzen denunziert, häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in Ihre Heimatregionen zurückgebracht oder zur Rückkehr gezwungen werden. Als Sanktion für ihr Verhalten werden viele anschließend in ein Lager für "Umerziehung durch Arbeit", eine psychiatrische Anstalt oder ein illegales Gefängnis ("black jail") eingewiesen (AA 15.10.2014, vgl. FH 28.1.2015a). Nicht zuletzt dank der modernen Kommunikationsmittel entsteht allerdings eine über ihre Rechte zunehmend besser informierte Öffentlichkeit, die bereit ist, diese Rechte zu verteidigen und willkürliches Handeln der staatlichen Organe nicht länger unwidersprochen hinnehmen will. Massenproteste mit sozialpolitischem Hintergrund - insbesondere gegen illegale Landnahme, unzureichende oder vorenthaltene Kompensationen bei Umsiedlungen, gewaltsamen Abriss von Häusern, Umweltkonflikte und Korruption - nehmen zu. Dabei sind Internet und soziale Netzwerke zu machtvollen Sprachrohren von Frustrationswellen geworden, die Partei und Regierung immer stärker herausfordern. Ungeachtet der strengen und engmaschigen Kontrolle des Internet ist eine zunehmende Unterstützung der chinesischen Öffentlichkeit im Internet für soziale und politische Anliegen zu beobachten, die unter kreativer Umgehung der Zensur über Blogs und Mikroblog-Netzwerke genährt wird (AA 15.10.2014, vgl. FH 28.1.2015a). Die Pressefreiheit bleibt in China weiter sehr eingeschränkt. Journalisten, Blogger und Intellektuelle werden regelmäßig bedroht und sogar verhaftet. Die chinesischen Festlandmedien sind politisch gleichgeschaltet. CNN und BBC werden bei China betreffenden Meldungen sensiblen Inhalts in der Regel abgeschaltet, Internetseiten wie Facebook, Twitter und YouTube sind dauerhaft gesperrt. Inhalte mit sensiblen Schlüsselwörter wie "4. Juni", "Ägypten/Libyen Aufstand", "Jasminrevolution" oder "Nobelpreis" werden ebenfalls geblockt (ÖB 11.2014). Laut Mitteilung des Ministeriums für öffentliche Sicherheit hat die Polizei landesweit 15.000 Menschen festgenommen, die angeblich in Verbindung mit Onlinekriminalität stehen. Auf welchen Zeitraum sich die Festnahmen beziehen, ist unklar. Anfang Juli 2015 hat Chinas Parlament ein neues Sicherheitsgesetz verabschiedet, das der Polizei im Internet noch weitreichendere Durchgriffsmöglichkeiten als bisher einräumt. Das Gesetz ermächtigt die Ermittler zu "allen notwendigen Maßnahmen", um die Sicherheit im Internet zu gewährleisten (Die Presse 19.8.2015).

Bewegungsfreiheit

Die beschriebenen Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. So berichten beispielsweise protestantische Hauskirchen von besonders großem Druck in den Provinzen Hubei, Hebei und Heilongjiang, während sie in Peking relativ ungehindert praktizieren können. Allerdings ist ein Umzug von in der VR China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis ("Hukou"- System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt überzusiedeln. Für aus politischen Gründen Verfolgte gibt es nach Ansicht des Auswärtigen Amtes keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 15.10.2014).

Grundversorgung/Wirtschaft

China ist seit 2010 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA, seit 2014 nach Kaufkraft sogar die größte. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt China mit rund 5.000 EUR im weltweiten Mittelfeld. Zudem hält China die weltweit höchsten Devisenreserven (rund 3,9 Bill. USD). Es gibt jedoch innerhalb des Landes enorme regionale und soziale Unterschiede (AA 5.2015b). 2014 lag das Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft bei 7,4% und damit im internationalen Vergleich weiterhin sehr hoch, auch wenn nicht mehr die zweistelligen Wachstumszahlen vergangener Jahre erreicht werden konnten. Der langfristige Wachstumstrend wird sich aufgrund der demographischen Entwicklung weiter abschwächen. Dazu trägt auch Chinas Ein-Kind-Politik bei, die dazu führt, dass weniger Menschen auf den Arbeitsmarkt drängen werden. Es wird geschätzt, dass das Wachstumspotenzial der chinesischen Volkswirtschaft mittel- und langfristig niedriger ausfallen wird. Dementsprechend wurde für 2015 jüngst ein Wachstumsziel von "etwa 7%" ausgerufen. Das chinesische Wirtschaftsmodell ist nach wie vor stark investitionsgetrieben. Staatliche Investitionen bilden einen wesentlichen Wachstumsmotor. Auch 2014 trugen Investitionen überdurchschnittlich stark zum Wachstum bei, noch immer stärker als der heimische Konsum. Die chinesische Regierung will den Umbau der Wirtschaft durch strukturelle Reformen vorantreiben. Eine stärkere Marktorientierung und ein schrittweiser Rückzug staatlicher Stellen von der bisherigen Mikrosteuerung in Wirtschaftsfragen sind Leitgedanken der anstehenden Reformen (AA 5.2015b). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt im Allgemeinen kontinuierlich an, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (AA 15.10.2014). Die andauernde Gefährdung für die soziale Verfasstheit der chinesischen Gesellschaft geht unverändert von der ungleichen wie ungleichzeitigen Entwicklung der chinesischen Ökonomie und Wohlstandsverteilung aus. Besonders gravierend zeigen sich die Unterschiede im Vergleich von (vergleichsweise wohlhabender) Stadt- und (vergleichsweise armer) Landbevölkerung, regulärer Arbeit und Wanderarbeit sowie jüngerer und älterer Menschen. Nur minimal hat sich der Gini-Koeffizient - der Maßstab für die Einkommensungleichverteilung - 2014 gegenüber 2013 verringert, von 0,473 auf 0,469. Somit liegt China nach wie vor deutlich über der Grenze, die nach Definition der Vereinten Nationen eine extreme Ungleichheit anzeigt (0,4). Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf und Jahr ist in der Stadt mit

28.844 RMB (ca. 4.200 Euro) 2,75 Mal so hoch wie in ländlichen Gebieten mit 10.489 RMB (ca. 1.550 Euro). Dabei wuchs das Einkommen der Landbevölkerung mit 9,2% stärker als jenes der Stadtbewohner mit 6,8%. Der Mindestlohn ist im ersten Quartal 2015 nur vereinzelt angehoben worden. Die Provinz Guangdong kündigte Erhöhungen von bis zu 22% an. Die Angestellten in der Provinz sollen so einen Mindestlohn von 1,895 RMB pro Monat erhalten (+515 RMB gegenüber Vorjahr), die in der Stadt Shenzen sogar 2,030 RMB (+230 RMB gegenüber Vorjahr). Erklärtes Ziel der chinesischen Regierung ist die Verdopplung der Einkommen bis zum Jahr 2020. Hierfür soll der Mechanismus der Lohnfindung, also die Systeme zur Festlegung des Mindestlohns und das System der Tarifverhandlungen, ausgebaut werden. Zur Reform der Tarifpolitik liegt ein umfassender Fünfjahresplan des All-Chinesischen Gewerkschaftsbundes vor, der in erster Linie auf den Ausbau industrie- und branchenspezifischer Tarifpolitik zielt (AA 5.2015b). Noch leben mehr als 46% aller Chinesen auf dem Land, wo es nach offiziellen Schätzungen immer noch ein Überangebot von mehr als 100 Mio. Arbeitskräften gibt. Es gibt mittlerweile 269 Mio. interne Arbeitsmigranten ("Wanderarbeiter"), von denen 166 Mio. außerhalb ihrer Heimatprovinz einer Beschäftigung nachgehen. Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren. Eine systematische staatliche Unterstützung für Bedürftige befindet sich jedoch erst im Aufbau und konzentriert sich vorwiegend auf die Bevölkerung in den Städten. Bis heute spielt vor allem die Familie in China bei der Existenzsicherung eine wichtige Rolle (AA 15.10.2014). Die neu geschaffenen Mikrokredite für Einzelpersonen sind Darlehen von bis zu 100.000 Yuan. Bei Mikrokrediten für Kleinunternehmen kann sich das Darlehen unter bestimmten Bedingungen auf bis zu maximal 3 Millionen Yuan belaufen. Registrierte Arbeitslose, Behinderte, ehemalige Soldaten, genauso wie Absolventen der Grundschule (der Abschluss muss 2 Jahre zurück liegen), die selbständig sind, sind für 3 Jahre von Verwaltungskosten, Anmelde- und Lizenzgebühren und ähnlichen Kosten befreit, nachdem sie sich bei dem Industrie- und Gewerbeamt registriert haben. Entlassene Arbeiter, die im Besitz eines "Wiederbeschäftiguns-Zertifikates" sind und selbständige ehemalige Soldaten, die einen Mikrokredit beantragt haben um ein kleines Unternehmen zu gründen, sind von Zinszahlungen befreit. Dies fällt in den Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes. Andere bei der Stadt registrierte Arbeitslose, Hochschulabsolventen und Bauern, die enteignet wurden, die sich für einen Mikrokredit bewerben, müssen die Hälfte der Zinsen bezahlen. Das Finanzamt zahlt dementsprechend die anderen 50% der Zinsen (IOM 10.2014). Anfang 2014 hat der Staatsrat den Aufbau eines einheitlichen Altersversicherungssystems für Stadt- und Landbewohner beschlossen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Rentenansprüche landesweit übertragbar sind. Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung. Zur weiteren Vereinheitlichung wurden Anfang 2015 überdies rund 40 Mio. Staatsangestellte in die staatliche Rentenversicherung eingebunden. Diese mussten zuvor keine Beiträge entrichten und erhielten Pensionen. Die seit langem erwartete Erhöhung des Rentenalters wird voraussichtlich erst ab 2017 beschlossen (AA 3.2014b). Im Rahmen des Basisrentensystems können anspruchsberechtigte Personen, die die folgenden Kriterien erfüllen, eine monatliche Grundrente beziehen:

1) Erfüllung der nationalen Ruhestandsvoraussetzungen, einschließlich des normalen Ruhestands, krankheitsbedingter Frührente, berufsbedingtem vorzeitigen Ruhestand 2) Einzahlungen für 15 Jahre, in Übereinstimmung mit den Regelungen zur Basisrentenversicherung. Einzahlung für weniger als 15 Jahre, aber Erreichen des Ruhestandsalters: einmalige Auszahlung des persönlichen Fonds bei Beendigung der Rentenversicherungsansprüche. Der Rentenkontostand ist im Todesfall des Beitragszahlers übertragbar (IOM 10.2014). Chinas soziales Sicherungssystem ist ein regierungsfinanziertes System, das bestimmten Personengruppen (alte Menschen, Waisen, Menschen mit Behinderung) soziale Sicherheit bietet (IOM 10.2014). Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung (hukou) gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen (ÖB 11.2014).

Medizinische Versorgung

In China gibt es kein System niedergelassener Ärzte. Die Krankenversorgung konzentriert sich daher auf die Krankenhäuser. In den großen Städten finden sich sehr große Klinikzentren mit modernster Ausstattung, wohingegen auf dem Land die Versorgung noch sehr einfach sein kann. Die Hygiene mag nicht europäischen Vorstellungen entsprechen (AA 20.8.2015c). Ende Juni 2013 wurden in China 980.199 Gesundheitseinrichtungen gezählt, einschließlich

649.744 Dorfkliniken in ländlichen Gebieten, 25.108 Krankenhäusern (13.371 davon staatlich), 36.965 Gesundheitszentren, 34.198 Gemeinde-Gesundheitszentren, 3.129 Mutter- und Kind-Abteilungen,

3.495 Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention sowie 3.089 Sanitätsstationen (IOM 10.2014). Die medizinische Grundversorgung ist für große Teile der chinesischen Bevölkerung nur unzureichend gewährleistet. Für wohlhabende Chinesen gibt es in Peking, Shanghai und anderen Großstädten an der Ostküste eine wachsende Zahl teurer Privatkliniken. Wer die steigenden Kosten für eine Behandlung nicht bezahlen kann, muss sich - wenn ihm das möglich ist - hoch verschulden (AA 15.10.2014). Stadtbewohnern und städtischen Arbeitnehmern steht ein medizinisches Grundversicherungsschema zur Verfügung. Die medizinische Versorgungskooperative in den ländlichen und städtischen Regionen stellt Chinas medizinisches Grundversicherungssystem dar. Abgedeckt werden somit städtische Arbeitnehmer, städtische Nicht-Arbeitnehmer, die Landbevölkerung sowie gefährdete Personengruppen in den Städten und auf dem Land. Die Medikamentenkosten von Arbeitnehmern können im Rahmen der Regularien des Provinzrates von der Grundversicherung gedeckt werden. Dies gilt jedoch nur, wenn der jeweilige Arbeitgeber die entsprechenden Grundversicherungsprämien leistet (IOM 10.2014). Von dem neu eingeführten kooperativen medizinischen Versorgungssystem auf dem Lande wurden Ende 2013 nach Angaben des nationalen Büros für Statistik 99% der Landbevölkerung erfasst. Es handelt sich um eine Basisversorgung. Sie regelt die Teilerstattung von Kosten für die Behandlung (regional unterschiedlich definierter) schwerer Erkrankungen. Darüber hinaus gibt es für die Landbevölkerung bisher kein flächendeckendes Krankenversicherungssystem. Auch wer in einer städtischen Krankenversicherung versichert ist, muss einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen, da die Erstattungsbeträge aus der Krankenversicherung in der Regel nicht mehr als 60% betragen (AA 15.10.2014). Die Krankenversicherung umfasst die medizinische Versicherung, Behinderten- und Pflegeversicherung, wobei die gängigste medizinische Versicherung zum einen die Versicherung von Krankheiten und zum anderen von Unfällen beinhaltet (IOM 10.2014).

Behandlung nach Rückkehr

Soweit Rückführungen aus Deutschland erfolgen, konnten die zurückgeführten Personen die Passkontrolle nach einer Identitätsüberprüfung unbehindert passieren und den Flughafen problemlos verlassen bzw. ihre Weiterreise in China antreten. Vereinzelte Nachverfolgungen von Rückführungen durch die Deutsche Botschaft Peking ergaben keinen Hinweis darauf, dass abgelehnte Personen allein deshalb politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, d.h. unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden. Es handelt sich aber um ein eher geringfügiges Vergehen, das - ohne Vorliegen eines davon unabhängigen besonderen Interesses - keine politisch begründeten, unmenschlichen Repressalien auslöst. Nach Art. 322 chin. StG droht bei Vorliegen schwerwiegender Tatumstände Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, Gewahrsam oder Überwachung und zusätzlich eine Geldstrafe. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Vergehen in der Praxis aber nur gelegentlich und dann mit Geldbuße geahndet (AA 15.10.2014). Besondere Aufmerksamkeit widmet die chinesische Führung führenden Mitgliedern der Studentenbewegung von 1989, soweit sie noch im Ausland aktiv sind. Dies gilt auch für bekannte Persönlichkeiten, die eine ernst zu nehmende Medienresonanz im westlichen Ausland hervorrufen. Eine Überwachung oder sogar Gerichtsverfahren gegen diese Personen sind bei Rückkehr in die VR China nicht auszuschließen. Aktivitäten der uigurischen Exilorganisationen stehen unter besonderer Beobachtung der chinesischen Behörden (einschließlich der Auslandvertretungen), insbesondere:

I. der Weltverband der Uiguren,

II. die Ostturkistanische Union in Europa e.V.,

III. der Ostturkistanische (Uigurische) Nationalkongress e.V. und

IV. das Komitee der Allianz zwischen den Völkern Tibets, der Inneren Mongolei und Ostturkistans

Aufklärung über die und Bekämpfung der von extremen Vertretern der uigurischen Minderheit getragenen Ostturkistan-Bewegung zählen zu den obersten Prioritäten des Staatsschutzes. Anhänger dieser Bewegung werden mit unnachgiebiger Härte politisch und strafrechtlich verfolgt. Mitglieder uigurischer Exilorganisationen haben bei ihrer Rückkehr nach China mit Repressionen zu rechnen. Es sind bisher keine Fälle von ehemaligen Mitgliedern oder Vorstandsmitgliedern exilpolitischer uigurischer Organisationen aus Deutschland bekannt geworden, die nach China zurückgekehrt sind. Berichtet wird jedoch über Fälle von Abschiebungen nach China aus anderen Ländern Asiens mit anschließender Folter oder Verurteilung (AA 15.10.2014). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, vor allem aus Kambodscha, Thailand, Pakistan und Malaysia. Im Juli 2012 wurden aus Malaysia abgeschobene Uiguren zu bis zu 15 Jahren Haft wegen "separatistischer Tätigkeiten" verurteilt (ÖB 11.2014)."

Mit Verfahrensanordnung vom 16.04.2019 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

1.3. Gegen den im Spruch genannten Bescheid erhob der BF innerhalb offener Frist Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF seine bisherigen Aussagen aufrecht halte. Der BF habe auch soweit es ihm möglich war am Verfahren mitgewirkt. Der BF beantrage daher die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten. Eine Abschiebung würde bei richtiger rechtlicher Würdigung einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK darstellen. Außerdem sei die Bemessung des Einreiseverbotes nicht sachgerecht und sei überhaupt zur Gänze aufzuheben.

1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.05.2019,

GZ: W152 2219334-1/3Z, wurde der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Feststellungen (Sachverhalt):

2.1. Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie dieser unter Punkt 1 wiedergegeben ist.

2.2. Der BF, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han an, ist konfessionslos und wohnte im Herkunftsstaat in der Stadt Shijiazhuang in der Provinz Hebei. Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Der BF ist kinderlos. Im Herkunftsland halten sich Eltern und Ehefrau des BF auf. Mit ihnen besteht regelmäßiger Kontakt. In der EU insbesondere in Österreich halten sich keine Familienangehörigen des BF auf. Der BF befindet sich derzeit nicht in Grundversorgung, konnte jedoch im Verfahren keine ausreichenden legalen Unterhaltsmittel nachweisen. Maßgebliche Anhaltspunkte für eine hinreichende Integration des BF in Österreich konnten nicht festgestellt werden. So konnte er kein Sprachzertifikat für Deutsch vorlegen und besuchte auch noch keinen diesbezüglichen Sprachkurs. Es sind überhaupt keine nennenswerten Deutschkenntnisse des BF aktenkundig. Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

2.3. Der BF reiste am 11.06.2018 mit einem vom 09.06.2018 bis 06.07.2018 gültigen Visum C legal in das Bundesgebiet ein. Nach Ablauf des Visums verblieb der BF ohne Aufenthaltstitel weiter im Bundesgebiet Die Einreise erfolgte bereits mit der Absicht, in Österreich illegalen Erwerbstätigkeiten nachzugehen und einen Aufenthalt im Verborgenen zu führen. Im Anschluss an eine polizeiliche Kontrolle stellte der BF am 11.09.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF verließ jedoch am 18.10.2018 seine Flüchtlingsunterkunft um seinen Aufenthalt im Verborgenen weiter fortzuführen. Am 29.11.2018 wurde der BF konkret in einem Restaurant von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei der Zubereitung von Speisen betreten, ohne die erforderlichen Bewilligungen nach dem AuslBG zu haben. Von 14.02.2019 bis 15.03.2019 war der BF in der XXXX in XXXX gemeldet. Im März 2019 meldete sich der BF bei dem Flüchtlingsprojekt Ute Bock, und es konnte ihm so eine Ladung zur niederschriftlichen Einvernahme bezüglich dem Asylverfahren zugestellt werden. Dieser Ladung kam der BF unentschuldigt nicht nach. Daraufhin wurde gegen den BF ein Festnahmeauftrag erlassen und der BF niederschriftlich einvernommen. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen.

2.4. Der BF hat sein Herkunftsland wegen wirtschaftlicher Gründe verlassen. Im Übrigen konnte keine an eine asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung festgestellt werden.

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich im Wesentlichen, dass keine bürgerkriegsähnlichen Zustände oder Kampfhandlungen in China bestehen und es auch sonst zu keinen nennenswerten sicherheitsrelevanten Vorfällen gekommen ist. Bei der VR China handelt es sich um einen Staat, der zwar im Hinblick auf menschenrechtliche Standards Defizite aufweist, dennoch herrscht dort kein Klima ständiger latenter Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen, durch welche alle Einwohner grundsätzlich einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Obwohl Korruption in China auch bei Behörden und Gerichten verbreitet ist, lässt sich daraus nicht ableiten, dass der Schutz vor Übergriffen durch kriminelle Personen grundsätzlich nicht gewährleistet wäre und in China hinsichtlich krimineller Aktivitäten ein unverhältnismäßig hohes Sicherheitsrisiko bestehen würde.

3. Beweiswürdigung:

3.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

3.2. Die F

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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