Entscheidungsdatum
12.09.2019Norm
BFA-VG §22aSpruch
W186 2222117-1/11E
Schriftliche Ausfertigung des am 14.08.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2019, Zahl:
1241055704 - 190795269, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 05.08.2019 bis 14.08.2019, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.08.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 FPG iVm § 22a BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft von 05.08.2019-14.08.2019 für rechtswidrig erklärt.
II. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe des beantragten Ausmaßes zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF) wurde am 04.08.2019 im Bundesgebiet bei seinem unrechtmäßigen Aufenthalt polizeilich aufgegriffen und einer Identitätskontrolle unterzogen. Nach einer Kontaktaufnahme mit dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) wurde der BF festgenommen und in das PAZ Hernalser Gürtel eingeliefert.
2. Er wurde noch am selben Tag vor dem Bundesamt niederschriftlich zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot sowie zur Erlassung der Schubhaft einvernommen.
3. Die Einvernahme gestaltete sich wie folgt:
"Haben Sie die Verfahrensgegenstände verstanden?
A: Ja ich habe verstanden.
F: Können Sie der Einvernahme am heutigen Tage folgen?
A: Ja.
F: Verstehen Sie den Dolmetscher?
A: Ja.
F: Leiden Sie an Krankheiten oder benötigen Sie dauerhafte Medikation?
A: Nein ich bin gesund.
Vorhalt:
LA: Sie wurden am 04.08.2019 im Bundesgebiet der Republik Österreich von der Polizei aufgegriffen. Sie sind nicht im Besitze eines türkischen Reisepasses, eines Visums, oder eines Aufenthaltstitels. Sie halten sich illegal in Österreich auf.
LA: Sie haben die Möglichkeit dazu eine Stellungnahme abzugeben!
A: Europa ist für uns ein Staatenbund, wo Gerechtigkeit herrscht. Darum bin ich hier. In der Türkei wurde ich gezwungen, den Militärdienst zu machen und gegen andere Kurden zu kämpfen. Ich bin auch Kurde.
F: Wo befindet sich Ihr Reisepass?
A: Die Schlepper haben sie zerrissen.
F: Hatten Sie je einen Aufenthaltstitel oder ein Visum bzw. sonst irgendein Aufenthaltsrecht für Österreich oder ein anderes Land in der Europäischen Union?
A: Nein. Ich bin zum ersten Mal in Europa.
F: Seit wann befinden Sie sich in Europa seit Ihrer letzten Einreise?
A: Ich bin seit gestern in Europa. Ich bin zu Fuß über Serbien eingereist. Nach Serbien bin ich geflogen. Und dann mit Taxis, groß teils zu Fuss, sind wir hier her gekommen.
F: Seit wann befinden Sie sich durchgehend in Österreich seit Ihrer letzten Einreise?
A: Ich bin seit heute in Österreich.
F: Waren Sie schon öfters in Österreich?
A: Nein,.
F: Wie sind Sie nach Österreich eingereist und zu welchem Zwecke?
A: Zu Fuss, um Asyl anzusuchen. Aber eigentlich ist mein Zielland Deutschland.
F: Haben Sie in Österreich einen Wohnsitz? Sind Sie behördlich gemeldet?
A: Nein.
F: Als Sie ihr Heimatland verlassen haben - was war das Zielland Ihrer Reise?
A: Deutschland. Ich will nach Italien und von dort dann nach Deutschland weiterreisen. Ich habe mich erkundigt bei Leuten. Es ist einfacher von Italien nach Deutschland zu gelangen.
F: Wurden Sie jemals festgenommen, verurteilt oder hatten Sie anderwärtigen Kontakt zur Polizei (weltweit)?
A: Nein.
F: Sind Sie in Europa je einer Erwerbstätigkeit nachgegangen - egal ob legal oder illegal?
A: Nein.
F: Von was leben Sie in ihrem Heimatland?
A: Ich gehe illegalen Beschäftigungen nach, weil ich Militärdienstverweigerer bin und weil mich niemand beschäftigt.
F: Welche Ausbildung haben Sie abgeschlossen und wo (Schule, Beruf)?
A: Ich habe eine höhere technische Lehranstalt Karosseriebau abgeschlossen. Das waren dann fünf Jahre Grundschule, drei Jahre Hauptschule und drei Jahre HTL.
F: Sind Sie arbeitsfähig?
A: Ja natürlich. Ich würde alle Arbeiten machen.
F: Von was können Sie in Österreich leben?
A: In dem ich meinen eigentlichen Beruf ausübe.
F: Haben Sie eine Kreditkarte, eine Bankomatkarte oder sonst eine Möglichkeit in Österreich auf legale Art und Weise an Geld zu kommen?
A: Nein ich habe so etwas nicht.
F: Haben Sie in Österreich legal aufhältige Familienangehörige Ihrer Kernfamilie?
A: Nein, aber in Deutschland. In Deutschland sind meine Schwester und dessen Ehegatte. Alle meine Cousins leben in Belgien.
F: Pflegen Sie in Österreich soziale Kontakte (Mitglied von Vereinen, anderen Organisationen oder Aktivitäten...)?
A: Nein ich kenne niemanden in Österreich.
F: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie Deutschkurse absolviert?
A: Nein.
F: Haben Sie in ihrem Heimatland Familienangehörige und wenn ja welche?
A: In der Türkei leben meine Eltern, meine Geschwister, meine Onkel und meine Tanten.
F: Wie sind Ihr Familienstand und Ihre derzeitige familiäre Situation? Haben Sie Kinder?
A: Ich bin ledig und habe keine Kinder.
F: Wie hoch sind Ihre derzeitigen finanziellen Mittel (Bargeld, Konto, Ersparnisse, sonstiges Vermögen...)?
A: Ich habe circa € 770.- bei mir. Sonst habe ich kein Vermögen in der Türkei.
LA: Auf Grund Ihres Verhaltens ist die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot gegen Sie auf die Dauer von bis zu 5 (fünf) Jahren zulässig!
LA: Sie haben die Möglichkeit dazu eine Stellungnahme abzugeben!
A: Ich bin nicht aus Spaß hier. Ich bin hier her geflüchtet, weil hier Gerechtigkeit und Sicherheit ist. In Ankara hat sich jemand in die Luft gesprengt. Zufällig war sein Familienname gleich wie meiner und das war Grund genug, dass die mich die Behörden diskriminiert haben.
LA: Ich beende jetzt die Befragung. Haben Sie alles verstanden? Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen oder wollen Sie noch etwas hinzufügen?
VP: Ich habe alles verstanden und nichts mehr hinzuzufügen."
4. Das Bundesamt gewährte dem BF mit Bescheid vom 05.08.2019 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.) und erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II.). Es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter einem erließ das Bundesamt gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein fünfjähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).
5. Mit dem im Spruch genannten Mandatsbescheid vom 05.08.2019 verhängte das Bundesamt über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubahft zur Sicherung der Abschiebung.
Im gegenständlichen Mandatsbescheid traf das Bundesamt nachstehende Feststellungen:
"Zu Ihrer Person:
Sie sind kein österreichischer Staatsbürger.
Ihre Identität steht fest. Sie heißen XXXX .
Sie wurden am XXXX in XXXX (Türkei) geboren.
Sie sind türkischer Staatsbürger.
Sie haben fünf Jahre Grundschule, drei Jahre Hauptschule und drei Jahre Höhere technische Lehranstalt absolviert.
Sie sind gesund und benötigen keine Medikamente.
Sie sprechen die türkische Sprache.
Sie haben in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:
Eine Rückkehrentscheidung gegen Ihre Person ist seit 05.08.2019 durchsetzbar. Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.
Zu Ihrem bisherigen Verhalten:
Sie halten sich illegal in Österreich auf.
Sie sind nach Österreich illegal eingereist.
Sie dürfen in Österreich keiner legalen Beschäftigung nachgehen. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie, aufgrund des fehlenden Aufenthaltstitels, eine Arbeitsstelle finden werden.
Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung dürfen Sie nicht nachgehen und Sie haben auch sonst keine Möglichkeit auf legale Art und Weise an Geld zu kommen.
Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich.
Sie sind in keiner Weise integriert.
Zu Ihrem Privat- und Familienleben:
Es ist definitiv, dass in Österreich kein tatsächliches Familienleben besteht.
Es steht fest, dass Sie in Österreich keine Familienangehörigen haben.
Auch besteht kein Zweifel daran, dass Ihre Kernfamilie, bestehend aus Ihren Eltern, Ihren Geschwistern, Ihren Onkeln und Tanten, in der Türkei lebt.
Es steht fest, dass Ihr Privatleben in Österreich des Schützens nicht würdig ist.
Es gilt als erwiesen, dass Sie keine sozialen Kontakte in Österreich pflegen.
Es ist definitiv, dass Sie in Österreich keiner legalen Beschäftigung nachgehen dürfen und auch sonst keine Möglichkeit haben, auf legale Art und Weise an Geld zu kommen."
Rechtlich führte das Bundesamt im angefochtenen Bescheid aus:
"Die Ziffern 1, 3 und 9 sind in Ihrem Falle erfüllt.
Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:
Die Behörde hat keinerlei Grund zur Annahme, dass Sie sich einem Verfahren auf freiem Fuß stellen werden.
Zu Punkt 1) Sie wollen illegal nach Deutschland weiterreisen. Auch sind Sie nicht willig selbstständig in Ihr Heimatland zurückzukehren. Sie haben bereits illegale Grenzverletzungen zumindest betreffend das Staatsgebiet der Republik Österreich begangen. Sie versuchen die gebotene Abschiebung in die Türkei zu vereiteln und in die Illegalität abzutauchen. Diese Umstände lassen erkennen, dass Sie Ihre Abschiebung umgehen und behindern wollen.
Zu Punkt 3) Gegen Sie besteht eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot.
Zu Punkt 9) Ihr Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes, ist nicht gegeben. Sie verfügen über keine gesicherten Bindungen und sind in Österreich nicht integriert. Sie haben keinen Unterstand im Bundesgebiet, sind nahezu mittellos und verweigern jegliche Kooperation mit der Behörde. Es besteht daher Fluchtgefahr. Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Falle, wie ausführlichst dargelegt, nicht das Auslangen gefunden werden. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.
Daher ist die Entscheidung zur Verhängung der Schubhaft auch verhältnismäßig, welche sich aus der dargelegten Sachverhaltsmanifestierungen zu Ihrer Person ergibt und begründet in Ihrem Fall die Schubhaft
Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.
Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.
Sie verfügen über keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet der Republik Österreich.
Sie sind nicht im Besitz von genügend Barmittel, um sich selbstständig im Bundesgebiet einen geregelten Aufenthalt finanzieren zu können.
Sie dürfen keiner legalen Beschäftigung nachgehen, eine Änderung dieses Umstandes ist nicht in Sicht und Sie haben auch sonst keine Möglichkeit in Österreich auf legale Art und Weise an Geld zu kommen.
Sie haben keinen Unterstand im Bundesgebiet, wo Sie unterkommen könnten.
Sie haben keine Verwandten im Bundessgebiet, die Sie auf irgendeine Art und Weise unterstützen könnten.
Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.
Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.
Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.
Es ist aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass Ihre Haftfähigkeit gegeben ist. Sie haben am 04.08.2019 angegeben, dass Sie gesund sind und keine Medikamente benötigen.
Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."
Der BF stellte am 06.08.2019 aus dem Stande der Schubhaft einen Asylantrag, zu welchem er am Folgetag polizeilich erstbefragt wurde. Mit Aktenvermerkt vom 07.08.2019 stellte das Bundesamt iSd § 76 Abs. 6 FPG fest, dass der Asylantrag zur Verzögerung der Vollstreckung der Abschiebung gelstellt wurde und die derzeitige Anhaltung in Schubhaft aufrecht bleibt. Der Aktenvermerk wurde dem BF am selben Tag durch persönliche Übergabe ausgehändigt.
3. Der BF erhob gegen den oben genannten Bescheid durch seinen Rechtsberater am 07.08.2019, hg. eingelangt am Folgetag, fristgerecht Beschwerde gegen den Mandatsbescheid vom 05.08.2019 und die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft.
Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung in Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen, sowie der belangten Behörden den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß der VwG-Aufwandersatzverordnung auferlegen.
Die Beschwerde führte u.a. aus:
"Das von der Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren war grob mangelhaft, da diese ihrer nach §§ 37, 39 Abs 2 AVG bestehenden und in S 18 Abs 1 AsylG konkretisierten Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts nicht nachgekommen ist (siehe dazu ausführlicher unten). Gemäß S 18 Abs. 1 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen.
Das von der Behörde durchgeführte Ermittlungsverfahren war grob mangelhaft. Gerade die Verhängung der Schubhaft als Einschränkung der persönlichen Freiheit verlangt eine Einzelfallabwägung der konkreten Situation eines Beschwerdeführers. Dazu gehört auch, dass die Behörde die Umstände, die für die Entscheidung, ob die Behörde Schubhaft über eine Person verhängt von immenser Bedeutung sind, selbständig ermittelt. Dies ist im gegenständlichen Bescheid unterblieben.
Der Beschwerdeführer äußerte in seiner Einvernahme ausdrücklich, dass er Kurde ist, die Ableistung des Militärdienstes in der Türkei verweigerte, da er nicht gegen andere Kurden kämpfen wolle. Er sagte, dass er nach Europa geflüchtet ist, weil "hier Gerechtigkeit herrscht" und nach Deutschland weiterreisen wolle. In Deutschland leben seine Schwester und deren Ehegatte. Seine Cousins leben in Belgien. Auf die Frage des BFA, wie er nach Österreich eingereist sei und zu welchem Zweck, antwortete der Beschwerdeführer: "Zu Fuß, um Asyl anzusuchen". (siehe S. 2f des Bescheids) Am Ende der Einvernahme sagte der Beschwerdeführer erneut: "Ich bin nicht aus Spaß hier. Ich bin hier her geflüchtet, weil hier Gerechtigkeit und Sicherheit ist." (S. 4 des Bescheids)
Dem BFA als Spezialbehörde sind die Regelungen der Dublin III Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 bekannt, nach welchen jedenfalls Österreich für die inhaltliche Prüfung eines vom Beschwerdeführer innerhalb Europas gestellten Asylantrages zuständig ist. Auch kennt das BFA als Spezialbehörde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Türkei, aus dem hervorgeht, dass die Möglichkeit einer Verweigerung des Militärdienstes aus Gewissens- oder religiösen Gründen in der Türkei, sowie die Ableistung eines Ersatzwehrdienstes nicht vorgesehen ist und ihm als Wehrdienstverweigerer strafrechtliche Verfolgung und auch asylrelevante Verfolgung droht.
Das BFA als Spezialbehörde hat in diesem Fall seine Manuduktionspflicht gemäß § 18 Abs 1
AsylG verletzt, indem es den Beschwerdeführer einerseits nicht über die Regelungen der Dublin III Verordnung belehrt und ihm nicht erklärt hat, dass er alle Gründe, die gegen eine Rückkehr in die Türkei sprechen, in Österreich darzulegen hat. Korrekterweise hätte die Behörde zudem die Angaben des Beschwerdeführers, dass ihm als Wehrdienstverweigerer asylrelevante Verfolgung droht im Lichte der Länderberichte betreffend die Türkei als Asylantrag gemäß S 2 Abs 1 Z 13 AslyG werten und an die nächstgelegene öffentliche Sicherheitsbehörde weiterleiten müssen. Auch der VwGH hat bereits unmissverständlich ausgesprochen, dass wenn eine Person in einem Verfahren betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung ein substantiiertes Vorbringen zu einer nach Rückkehr in den Herkunftsstaat drohende Verfolgung erstattet eine Erörterung ob darin ein Antrag auf internationalen Schutz zu sehen ist verboten ist (Wird in einem Verfahren betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung ein substantiiertes Vorbringen zu einer nach Rückkehr in den Herkunftsstaat drohende Verfolgung erstattet, ist eine Erörterung, ob darin ein Antrag auf internationalen Schutz zu sehen ist, geboten. Bejahendenfalls ist nach den Bestimmungen des AsylG 2005 zu verfahren (Hinweis E 24. Mai 2016, Ra 2016/21/0101 und 15. September 2016, Ra 2016/21/0234). l)
Zur Manuduktionspflicht der Behörde führt die Literatur weiter aus:
"Das "Hinwirken" bedeutet zunächst die Verpflichtung des BFA und des BVwG, dem Antragsteller durch geeignete Fragestellungen und gegebenenfalls durch Nachfragen die Möglichkeit zu geben, sich iSd Anm 2 umfassend zu äußern. Angesprochen ist damit auch die
Manuduktionspflicht
Der Grundsatz der Offizialmaxime trägt auch dem Umstand Rechnung, dass es sich beim Antragsteller idR um eine rechtsunkundige und im Umgang mit österreichischen Behörden und Gerichten ungeübte Person handeln wird.
Die Ermittlungspflicht endet allerdings nicht mit dem bloßen Befragen des Antragstellers, sondern bedeutet - auf Basis der individuellen Angaben des Antragstellers - darüber hinaus eine
Ra 2016/21/0109 vom 20.12.2016.
Verpflichtung der Behörde oder des Gerichts zur objektiven Abklärung der aktuellen Lage im Herkunftsstaat, zur Überprüfung angebotener Beweismittel (ZB Überprüfung der Echtheit von Dokumenten) oder zur Einholung von Beweisen in Form einer Anfrage bei der österreichischen
Vertretungsbehörde bzw bei der Staatendokumentationsstelle. Vereinzelt kann auch die
Einholung eines Sachverständigengutachtens oder die Veranlassung medizinischer Untersuchungen bzw. die Anordnung einer Sprachanalyse notwendig sein, um die für die abschließende Entscheidung notwendigen Aufschlüsse zu erhalten. Wesentlich ist bei sämtlichen amtswegig veranlassten Überprüfungen die Wahrung des Parteiengehörs. Der Antragsteller muss in geeigneter Form - etwa im Rahmen einer ergänzenden Einvernahme oder mündlichen Verhandlung oder auch schriftlich Gelegenheit bekommen, sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern. "
Dementsprechend hat auch der VwGH bereits ausgesprochen:
Gem § 37 iVm § 39 Abs 2 AVG ist eine Beh verpflichtet, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen. Diese Ermittlungspflicht wurde mit § 28 AsylG 1997 zwar für das Asylverfahren konkretisiert, inhaltlich wurde damit aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht begründet (Hinweis E 1410.1998, 98/01/0222). Daraus folgt einerseits, dass die Beh alle Tatbestandselemente, welche zur Anerkennung als Flüchtling iSd FIKonv und zur Asylgewährung führen können, zu erheben hat, andererseits aber auch, dass Tatbestandselemente, welche überhaupt nicht vorgebracht werden, von der Beh nicht einfach als gegeben erachtet werden können. Verfolgung kann nur dann angenommen werden, wenn aus objektiver Sicht ein Verbleib im Heimatland unerträglich ist und sich die behaupteten, maßgeblichen Umstände auf das gesamte Gebiet des Heimatlandes beziehen. '3
Die Behörde hat im Lichte des soeben Ausgeführten ihre Manuduktionspflicht gemäß § 18 AsylG jedenfalls verletzt.
Da die Behörde die Angaben des Beschwerdeführers als Asylantrag gemäß S 2 Abs 1 Z 13 AstyG werten und an die nächstgelegene öffentliche Sicherheitsbehörde weiterleiten hätte müssen, hätte die Behörde über den Beschwerdeführer als Asylwerber, der sich in einem laufenden Asylverfahren befindet, keine Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG verhängen dürfen.
Da der vom Beschwerdeführer gestellte Asylantrag somit vor Schubhaftverhängung als gestellt gelten muss, handelt es sich bei dem BF um einen Drittstaatsangehörigen, welcher einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden ist und dem der faktische Abschiebeschutz zukommt.
Zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz kann allerdings lediglich gem. S 76 Abs 2 Zl FPG Schubhaft verhängt werden und dies nur wenn der Aufenthalt des Fremden eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gem. S 67 FPG darstellt. Die belangte Behörde stützt die Verhängung der Schubhalt im gegenständlichen Fail allerdings fälschlicherweise auf § 76 Abs 2 Z 2 FPG. Der Schubhaftbescheid stützt sich somit auf die falsche Rechtsgrundlage und ist somit rechtswidrig. Auch liegt keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vor (siehe dazu Ausführungen unter Pkt. c)
Der Beschwerdeführer verweist an dieser Stelle auf das VwGH-Erkenntnis vom 11.09.2018, Zahl 2007/08/0157. wonach ein Schubhaftbescheid rechtswidrig ist, wenn er auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt ist:
"Der Spruch des Bescheides gibt den Inhalt der mit dem Bescheid erlassenen Norm wieder und ist somit der wichtigste Bestandteil des Bescheides- Nur der Spruch erlangt rechtliche Geltung (Verbindlichkeit) und er kann daher allenfalls rechtsverletzend sein. Nur die im Spruch angeordnete Rechtsfolge ist gegebenenfalls vollstreckbar; sie muss daher entsprechend bestimmt sein (Hinweis E 21.5.1981, 3648/80, VwS1g 10463 A/1981)."
Ist der Schubhaftbescheid schon wegen der Heranziehung einer verfehlten Rechtsgrundlage nicht rechtmäßig gewesen, so muss das aber auch für die gesamte Zeit der auf ihn gestützten Anhaltung gelten (vgl. dazu auch VwGH 24.01.2013, Zl. 2012/21/0140; VwGH 19.03.2013, Z. 2011/21/0250; VwGH 11.06.2013; n. 2012/21/0114).
Gemäß S 76 Abs 2 Z 1 FPG darf Schubhaft nur angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaEtsberechtigten Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.
Mit dem mit dem FrÄG 2018 erlassenen S 76 Abs 2 FPG soll der Haftgrund des Art. 8 Abs 3 lit e Aufnahme-RI- in innerstaatliches Recht umgesetzt werden, weshalb in der neu konzipierten Z 1 des § 76 Abs 2 FPG die Anordnung der Schubhaft gegen Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, dahingehend eingeschränkt werden soll, dass neben Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit auch eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als zusätzliche Haftvoraussetzung vorliegen muss. Der Begriff der Gefährdung der nationalen Sicherheit oder Ordnung in Art. 8 Abs. 3 tit e Aufnahme-RI- setzt voraus, dass eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche
Gefahr vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und daher über die soziale Störung, die jedem Gesetzesverstoß innewohnt, hinausgeht.
Die Prüfung, ob eine derartige Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, hat daher nach einem äußerst strengen Maßstab zu geschehen. Mit dem Verweis auf § 67 FPG soll klargestellt werden, dass hier nur Fälle schwerer Kriminalität erfasst werden sollen und zudem der Behörde ein entsprechender Begründungsaufwand zukommt. Denn nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zu § 67 FPG ist bei der zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. bsp.
Ra 201 4/21 /0039 vom 16.10.2014)
Diesen Anforderungen genügt die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht. Die weiteren Umstände, welche die belangte Behörde zur Erstellung der Gefährdungsprognose heranzieht, sind schlichtweg aus der Luft gegriffen. Die belangte Behörde führt ausschließlich aus, dass der Beschwerdeführer "illegal nach Deutschland weiterreisen wollte" und "nicht willig ist selbstständig in sein Heimatland zurückzukehren", er habe "bereits illegale Grenzverletzungen zumindest betreffend das Staatsgebiet der Republik Österreich begangen", sowie dass er versucht habe "die gebotene Abschiebung in die Türkei zu vereiteln und in die Illegalität abzutauchen" (der Beschwerdeführer reiste jedoch erst am Tag seiner Festnahme in das österreichische Bundesgebiet, mit dem Vorhaben in Europa um Asyl anzusuchen, ein). Dem BF vorzuwerfen, er sei nicht bereit selbstständig in sein Heimatland zurückzukehren, wobei er doch hierhergekommen ist, um einen Asylantrag zu stellen, ist einfach nur absurd.
Der Beschwerdeführer ist zudem strafrechtlich unbescholten.
Die persönlichen Umstände des BF lassen daher in Gesamtschau keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erkennen, schon gar nicht in jenem schwerwiegenden Ausmaß, wie es von § 76 Abs 2 Z 1 FPG gefordert wird.
Mit ihren Ausführungen gelingt es der Behörde nicht, eine derart schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nachzuweisen, wie sie vom neu geschaffenen § 76 Abs 2 Z 1 FPG in Umsetzung von Art. 8 Abs 3 lit e Aufnahme-RL verlangt wird.
Mangels Vorliegens einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im erforderlich schwerwiegenden Ausmaß ist die Verhängung der Schubhaft über den BF nicht zulässig.
§ 76 Abs 2 Z 2 FPG, der Unverhältnismäßigkeit der Haft und aufgrund der Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels
Gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG ist die Verhängung der Schubhaft nur bei Vorliegen von Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit zukässig. Im gegenständlichen Fall liegen weder Fluchtgefahr noch Verhältnismäßigkeit vor.
Jedenfalls reichen die von der belangten Behörde dargelegten Umstände nicht aus, um im Fall des Beschwerdeführers eine Fluchtgefahr zu begründen.
Die belangte Behörde begründet den Sicherungsbedarf zunächst wie folgt:
"Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt." Auch erwähnt die Behörde, der Beschwerdeführer hätte "keine gesicherten Bindungen und er sei in Österreich nicht integriert". Damit sowie mit den Aussagen "er habe keinen Unterstand im Bundesgebiet und sei nahezu mittelos und verweigere die Kooperation mit der Behörde" begründetet die Behörde die Fluchtgefahr.
Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass fehlende berufliche und soziale Verankerung nach ständiger Judikatur insbesondere bei noch nicht lange in Österreich befindlichen Asylwerbern keine besonderen Umstände darstellen, um ein nur durch Schubhaft abzudeckendes Sicherungsbedürfnis zu begründen (vgl VwGH 30.08.2011 , 2008/21/0498).
Der Beschwerdeführer ist erst am Tag seiner Festnahme in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Er hat somit auch nicht gegen das MeldeG verstoßen. Gem § 2 Abs 1 MeldeG ist zu melden, wer in einer Wohnung oder in einem Beherbergungsbetrieb Unterkunft nimmt. Gemäß S 3 Abs 1 MeldeG ist, wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden. Die melderechtlich relevante Frist von 3 Tagen war somit im Falle des Beschwerdeführers noch nicht verstrichen, ein Verstoß gegen das MeldeG liegt im Fall des Beschwerdeführers nicht vor.
Auch hat der Beschwerdeführer vor den österreichischen Behörden zu seiner Identität und zu seinen Reisebewegungen stets richtige Angaben gemacht, dies hat die Behörde jedoch nicht gewürdigt und in ihre Entscheidung einbezogen. Die Behörde hätte richtige Angaben zu Identität und Reisebewegungen nach der Judikatur des VwGH bei der Prüfung der Fluchtgefahr berücksichtigen müssen (VwGH 30.03.2011, 2008/21/0498).
Wie aufgezeigt, reichen daher die von der belangten Behörde dargelegten Umstände nicht aus, um im Falle des Beschwerdeführers eine Fluchtgefahr zu begründen.
Zudem darf Schubhaft nie als Standard-Maßnahme gegenüber Asylwerbern oder Fremden angewendet werden; weder eine illegale Einreise noch das Fehlen beruflicher Integration oder einer Krankenversicherung noch der Mangel finanzieller Mittel sind für sich genommen als Schubhaftgründe zu werten (VwGH 24.102007, 2006/2110239).
Die Behörde hat im gegenständlichen Fall auch das Vorliegen gelinderer Mittel nicht geprüft. Selbst bei Vorliegen einer Fluchtgefahr - welche der Beschwerdeführer ausdrücklich in Abrede
stellt - ist die Schubhaft nur bei Vorliegen von Verhältnismäßigkeit zulässig und nur, wenn gelindere Mittel nicht zur Zweckerreichung geeignet wären (S 77 Abs 1 FPG).
Es gilt der Vorrang des gelinderen Mittels (VfGH 03.10.2012, Gl 40/1 1 ua - G86/12 ua). Es wäre am BFA gelegen, darzulegen, warum ein gelinderes Mittel anstatt der Schubhaft nicht in Frage kommt, stattdessen finden sich im Schubhaftbescheid dazu nur wenige allgemein gehaltene Sätze. Entsprechende Ausführungen oder Begründungen sind im Bescheid nicht zu finden, dies betrifft insbesondere die gelinderen Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung gern § 77 Abs 3 Z 2 FPG sowie das gelindere Mittel der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten gern § 77 Abs 3 Z 1 FPG.
Im Falle des Beschwerdeführers kommen insbesondere die gelinderen Mittel der periodischen Meldeverpflichtung und der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten gem § 77 Abs 3 Z 1 FPG in Betracht.
Die Anordnung der Schubhaft sowie die Anhaltung in Schubhaft seit dem 05.08.2019 sind jedenfalls rechtswidrig. Der Beschwerdeführer erhebt gegen die Anordnung der Schubhaft mit Bescheid und die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft das gegenständliche Rechtsmittel."
4. Mit Eingabe vom 08.08.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt vor und erstattete nachstehende Stellungnahme, in der es neben der Abweisung der Beschwerde auch den Ersatz der Kosten für den Vorlage- und Schriftsatzaufwand und für einen etwaigen Verhandlungsaufwand beantragte:
"Bemerkungen zum Verfahren:
Der Beschwerdeführer ist in Schubhaft.
Mit Beschwerdevorlage wird gleichzeitig folgende Stellungnahme abgegeben:
Verfahrensgang:
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Der Beschwerdeführer, in weiterer Folge BF genannt, ist laut eigenen Angaben von der Türkei nach Serbien geflogen und am 04.08.2019 zu Fuß nach Österreich eingereist.
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Der BF wurde am 04.08.2019 von der Polizei im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgegriffen. Ein illegaler Aufenthalt konnte festgestellt werden. Der BF hat zu diesem Zeitpunkt in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
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Der BF wurde am 04.08.2019 auf Anordnung der Behörde festgenommen und dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgeführt.
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Mit dem BF wurde am 04.08.2019 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am Flughafen Wien Schwechat eine Einvernahme durchgeführt. Ein Asylantrag ist während dieser Einvernahme nicht gestellt worden, da der BF nach Deutschland will.
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Der BF wurde am 04.08.2019 in das Polizeianhaltezentrum Wien Hernalser Gürtel eingeliefert.
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Am 05.08.2019 wurde der BF im Polizeianhaltezentrum nochmalig befragt, ob er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz stellen möchte. Der BF hat neuerlich angegeben, dass er in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz stellt und nach Deutschland weiterreisen möchte.
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Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt.
Gemäß § 10 Absatz 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen.
Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach TÜRKEI zulässig ist.
Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahr/Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Diese Entscheidung war seit dem 05.08.2019 durchsetzbar.
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Gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG wurde über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.
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Mit Verfahrensanordnung vom 05.08.2019 wurde dem BF ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG zur Seite gestellt.
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Mit Verfahrensanordnung vom 05.08.2019 wurde dem BF eine Organisation, welche ihn über die Perspektiven einer Rückkehr während und nach Abschluss des Verfahrens beraten und unterstützen kann, zur Seite gestellt.
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Am 06.08.2019 wurde durch die Behörde eine Abschiebung in die Türkei organisiert. Die Abschiebung hätte am 09.08.2019 stattfinden sollen, musste jedoch storniert werden, da am 06.08.2019 jetzt doch in Österreich ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist.
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Am 06.08.2019 um 16:00 Uhr hat der BF in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und wurde diesbezüglich am 07.08.2019 erstbefragt. Im Zuge dieser Einvernahme wurde durch den BF, aus welchen Gründen auch immer, das Zielland auf ÖSTERREICH geändert.
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Die daraufhin am 07.08.2019 durch die Behörde erstellte Prognoseentscheidung lautete auf Normalverfahren (Zulassung), Polizeianhaltezentrum Wien Hernalser Gürtel.
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Am 07.08.2019 wurde dem BF ein Aktenvermerk gem. § 76(6) FPG nachweislich zur Kenntnis gebracht.
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Am 08.08.2019 langte die Beschwerde gegen die Schubhaft beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.
Entsprechend dem bisherigen Verhaltens des BF begründen folgende Kriterien eine Fluchtgefahr, eine Nichtanwendbarkeit gelindertes Mittel und macht eine weitere Verfahrensführung in Freiheit unmöglich:
Der BF wollte illegal über Italien nach Deutschland weiterreisen. Alleinig die widersprüchliche Aussage in der Erstbefragung nach dem AsylG, in der das Zielland plötzlich auf Österreich revidiert wurde, zeigt, wie wenig vertrauenswürdig der BF ist. Auch wurde im Zuge der Anhaltung durch die Polizei durch den BF die Aussage getätigt, dass er nach Italien weiterreisen wolle. Die Schubhaft ist auch nötig, um weitere Dublin-Verfahren ausschließen zu können, da das Zielland des BF Deutschland ist. Das Resultat wären dann wieder aufwendige Dublin-Verfahren mit nicht zuständigen Mitgliedstaaten.
Auch ist der BF nicht willig selbstständig in sein Heimatland zurückzukehren. Eine Abschiebung nach Abschluss des Asylverfahrens wäre möglich, da der BF im Besitze eines gültigen Reisedokumentes ist.
Der BF hat bereits illegale Grenzverletzungen zumindest betreffend die Staatsgebiete der Republik Österreich und Ungarn begangen. Der BF hat die gebotene Abschiebung in die Türkei vereitelt, indem er nach erfolgter Rechtsberatung einen Asylantrag gestellt hat.
Diese Umstände lassen erkennen, dass der BF an den weiteren gebotenen Verfahren nicht mitwirken wird.
Gegen den BF bestand vor der Asylantragstellung eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot.
Der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes, ist nicht gegeben. Der BF verfügt über keine gesicherten Bindungen und ist in Österreich nicht integriert. Der BF hat keinen Unterstand im Bundesgebiet, ist nahezu mittellos, ist nicht vertrauenswürdig und verweigert jegliche Kooperation mit der Behörde. Es besteht daher Fluchtgefahr.
Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann im Falle des BF, wie ausführlichst dargelegt, nicht das Auslangen gefunden werden. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es war daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht wäre dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gekommen. Dabei kam die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund der finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht und die vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten schon gar nicht, da die Weiterreise nach Italien und Deutschland durch den BF angekündigt wurde.
Daher war die Entscheidung zur Verhängung der Schubhaft auch verhältnismäßig, welches sich aus der dargelegten Sachverhaltsmanifestierungen zur Person des BF ergibt und begründete in seinem Falle die Schubhaft.Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung war erforderlich, da sich der BF aufgrund seines Verhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat. Es ist davon auszugehen, dass der BF auch hinkünftig nicht gewillt sein wird, die Rechtsvorschriften einzuhalten, weitere Falschaussagen zu tätigen und untertaucht. Aus seiner Wohn- und Familiensituation, aus seiner fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich seiner Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.
Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.
Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit hat daher im Falle des BF ergeben, dass sein privates Interesse an der Schonung seiner persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.
Wie oben ausführlich dargelegt, besteht im Falle des BF aufgrund seiner persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund seines bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert hat und eine Verfahrensführung, während derer sich der BF in Freiheit befinden, ausschließt.
Es ist aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass die Haftfähigkeit gegeben ist. Der BF hat am 04.08.2019 angegeben, dass er gesund ist und keine Medikamente benötigt. Auch wurde der BF bis dato aus gesundheitlichen Gründen aus der Schubhaft nicht entlassen.
Die Behörde gelangte daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 14.08.2019 eine öffentlich mündliche Verhandlung durch, an der der BF, sein Rechtsvertreter, ein Dolmetscher der türkischen Sprache, sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen.
Die Verhandlung gestaltete sich wie folgt:
"R: Haben Sie Kontakt mit Familienangehörigen?
BF: Meine Familie hält sich in der Türkei auf. Ich bin hier, ich kam nach Europa, we