Entscheidungsdatum
18.09.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W180 2191284-1/13E
W180 2191293-1/16E
W180 2191287-1/11E
W180 2191290-1/11E
W180 2191277-1/11E
W180 2191286-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH über die Beschwerden von
1. XXXX , geb. XXXX ,
2. XXXX , geb. XXXX ,
3. XXXX , geb XXXX ,
4. XXXX , geb. XXXX ,
5. XXXX , geb. XXXX und
6. XXXX , geb. XXXX ,
alle StA. Afghanistan, 3., 4., 5. und 6. gesetzlich vertreten durch die Eltern 1. und 2., alle vertreten durch RA Edward W. Daigneault, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.02.2018, 1. Zl. XXXX ,
2. Zl. XXXX , 3. Zl. XXXX , 4. Zl. XXXX , 5. Zl. XXXX und 6. Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde von XXXX wird stattgegeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Der Beschwerde von XXXX wird stattgegeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
III. Der Beschwerde von XXXX wird stattgegeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
IV. Der Beschwerde von XXXX wird stattgegeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
V. Der Beschwerde von XXXX wird stattgegeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
VI. Der Beschwerde von XXXX wird stattgegeben und ihr gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Zweitbeschwerdeführer (Zl. W180 2191293-1), ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Sadat, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Die Erstbefragung des Zweitbeschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgte am 30.08.2015.
3. Die Erstbeschwerdeführerin (Zl. W180 2191284-1), ebenfalls eine afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Sadat, reiste mit ihren beiden minderjährigen Söhnen, dem Drittbeschwerdeführer (Zl. W180 2191287-1) und dem Viertbeschwerdeführer (Zl. W180 2191290-1), und ihrer minderjährigen Tochter, der Fünftbeschwerdeführerin (Zl. W180 2191277-1), in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte gemeinsam mit diesen am 20.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
4. In ihrer Erstbefragung am 22.11.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, ihr Ehemann, der Zweitbeschwerdeführer, habe ein gut laufendes Hotel gehabt. Sie sei in seine finanzielle Situation aber nicht eingeweiht gewesen. Vor vier Monaten sei ihr Mann zu ihr gekommen und habe gesagt, dass er Feinde hätte und so schnell wie möglich Afghanistan verlassen müsste. Er habe das Hotel zugesperrt und die Familie verlassen, habe aber mitgeteilt, dass er die Erstbeschwerdeführerin und die Kinder nachholen wolle. Vor zwei Monaten habe der Schwiegervater der Erstbeschwerdeführerin ihr und den Kindern zur Flucht von Afghanistan in den Iran verholfen. Dort hätten sie sich zwei Monate aufgehalten und ihr Schwiegervater habe dann auch die Flucht nach Österreich organisiert. Die Erstbeschwerdeführerin könne nicht angeben, warum ihr Mann flüchten habe müssen, ihr sei der Fluchtgrund ihres Mannes unbekannt. Ihr Mann habe gewollt, dass sie hierherkommen sollten, deshalb seien sie nun auch hier.
5. Am XXXX wurde in Österreich die Sechstbeschwerdeführerin (Zl. W180 2191286-1), die zweite Tochter der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers, geboren. Am 23.02.2017 stellte der Zweitbeschwerdeführer als gesetzlicher Vertreter für seine Tochter einen Antrag auf internationalen Schutz.
6. Die Erstbeschwerdeführerin gab bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.12.2017 zu ihrem Fluchtgrund im Wesentlichen an, sie stamme aus Kabul und habe dort mit ihrer Familie gelebt. Ihr Vater und ihre Brüder seien sehr streng gewesen. Sie habe ein Kopftuch tragen müssen. Sie habe nicht zur Schule gehen dürfen, worunter sie sehr gelitten habe. Sie habe viel mit ihrem Vater diskutiert und habe ihn schließlich überzeugt. Sie habe die fünfte Klasse besuchen dürfen, obwohl sie schon erwachsen gewesen sei. Sie habe sich geschämt, aber es bis zur siebten Klasse durchgezogen, bis sie dann geheiratet habe. Ansonsten habe sie keine Bildung und auch keine Berufsausbildung. Ihr Mann habe für den Lebensunterhalt der Familie gesorgt. Sie habe gemeinsam mit ihrem Ehemann im Haus ihrer Schwiegereltern gelebt. Ihre Schwiegereltern seien sehr streng gewesen. Sie habe zwei Schwiegermütter gehabt und ihre ältere Schwiegermutter habe die Macht im Haus gehabt. Die Erstbeschwerdeführerin habe viel mit ihrer Schwiegermutter gestritten und sie habe das Haus nicht alleine verlassen dürfen. Sie habe sich um den Haushalt und ihre Kinder gekümmert. Sie sei wie ein Vogel in einem Käfig eingesperrt gewesen. Gott sei Dank sei sie nun in Österreich. Sie liebe das Leben hier. Ihre Kinder könnten hier frei leben und sie wolle, dass ihre Kinder eine Ausbildung genießen, vor allem ihre Töchter, sodass diese nicht so enden würden wie die Erstbeschwerdeführerin selbst. Sie sei hier frei und müsse kein Kopftuch tragen. Den Haushalt würden sie und ihr Mann gemeinsam führen. Sie gehe in den Park, spazieren und einkaufen. Ihr Mann mische sich nicht ein und sie sei frei und glücklich. Sie wolle zuerst eine Ausbildung machen und dann arbeiten.
Die Erstbeschwerdeführerin machte als gesetzliche Vertreterin für ihre Kinder keine eigenen Fluchtgründe geltend.
Die Erstbeschwerdeführerin legte eine Tazkira, eine Heiratsurkunde, eine Deutschkursbestätigung, eine Teilnahmebestätigung für einen Fahrradkurs und ein Empfehlungsschreiben der Caritas vor.
Der Zweitbeschwerdeführer wurde ebenfalls am 05.12.2017 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.
Für die polizeiliche Erstbefragung und die Einvernahme vor der belangten Behörde bezüglich der Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer wird auf den Verfahrensgang der Eltern verwiesen. In den Akten der Kinder befinden sich keine eigenen Einvernahmeprotokolle.
7. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 27.02.2018 wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
8. Mit Schreiben vom 27.03.2018 erhoben die Erst- bis Sechstbeschwerdeführer fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang gegen die genannten Bescheide. Darin wurde insbesondere vorgebracht, die belangte Behörde habe sich nicht mit der prekären Lage für Frauen in Afghanistan auseinandergesetzt und zu Unrecht festgestellt, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht westlich orientiert wäre. Die Erstbeschwerdeführerin trage kein Kopftuch. Sie wolle in Österreich eine Ausbildung machen und einer Arbeit nachgehen. Zudem wünsche sie sich für ihre Kinder, vor allem für ihre Töchter, ein Leben in Freiheit und wolle, dass alle ihre Kinder eine gute (Aus-)Bildung erhalten. In Afghanistan wäre dies insbesondere den Mädchen kaum möglich. Frauen und Mädchen müssten sich an strenge Vorschriften halten, seien im Haushalt eingesperrt und müssten sich verschleiern. Schon das Verlassen des Hauses ohne männliche Begleitung gestalte sich immer noch sehr schwierig, wodurch auch eine Schul- und Berufswahl praktisch unmöglich und die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlungen schwierig seien. Frauen und Mädchen seien daher, insbesondere wenn sie sich frei entfalten wollen und bereits in Österreich diesen Lebensstil kennenlernen, als soziale Gruppe asylrelevant gefährdet.
9. Am 26.04.2019, fortgesetzt am 02.05.2019, fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari statt, bei welcher die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer im Beisein ihrer Rechtsvertretung sowie kurz der Drittbeschwerdeführer einvernommen wurden. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern. In Ergänzung der bereits vorgelegten Unterlagen wurden weitere Dokumente vorgelegt (u.a. Deutschkurs-Teilnahmebestätigungen von Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführer, Bestätigung der Caritas, Arbeitsbestätigung für den Zweitbeschwerdeführer, Empfehlungsschreiben).
Im Rahmen der Verhandlung wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer u.a. ausführlich zu ihrer Identität, ihrer Herkunft und Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, ihrem Leben in Afghanistan, ihren Familienverhältnissen, ihren Fluchtgründen, ihrem Leben in Österreich sowie zu ihrer Lebenseinstellung befragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person der Beschwerdeführer und zu ihren Fluchtgründen:
Alle Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan und gehören der Volksgruppe der Sadat sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. Ihre Muttersprache ist Dari.
Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind miteinander verheiratet. Sie haben in Kabul in Afghanistan geheiratet. Die nach wie vor minderjährigen und ledigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer sind ihre gemeinsamen Kinder.
Die Erstbeschwerdeführerin wurde in Kabul geboren und hat dort gemeinsam mit ihren Eltern, ihren vier Brüdern und ihrer Schwester gelebt. Sie ist in einem traditionellen Umfeld aufgewachsen. Ihre Familie war sehr religiös und ihr Vater und ihre Brüder waren sehr streng. Sie musste ein Kopftuch tragen. Sie durfte als Kind nicht die Schule besuchen, obwohl sie dies gerne gewollt hätte. Erst als sie bereits erwachsen war, konnte sie ihren Vater überzeugen und besuchte drei Jahre lang die Schule, allerdings nicht von der ersten, sondern von der fünften Klasse an. Da dann die Brüder der Erstbeschwerdeführerin gegen einen weiteren Schulbesuch waren, musste sie die Schule beenden. Die Erstbeschwerdeführerin hat keine Berufsausbildung erhalten und bezeichnet sich selbst als Analphabetin. Der Zweitbeschwerdeführer wurde ebenfalls in Kabul geboren. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben sich bereits gekannt, da sie Cousine und Cousin sind. Der Zweitbeschwerdeführer hat um die Hand der Erstbeschwerdeführerin angehalten und ihr Vater hat der Heirat zugestimmt. Nach der Hochzeit hat die Erstbeschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehemann im Haus ihrer Schwiegereltern gelebt. Da ihr Schwiegervater (der gleichzeitig ihr Onkel ist) zwei Ehefrauen hatte, hatte sie zwei Schwiegermütter. Ihre Schwiegereltern waren sehr streng. Die Erstbeschwerdeführerin hat sich vorwiegend zu Hause aufgehalten und sich um den Haushalt und ihre drei in Afghanistan geborenen Kinder (die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer) gekümmert. Sie durfte das Haus nicht alleine verlassen. Der Zweitbeschwerdeführer war berufstätig und hat für den Unterhalt der Familie gesorgt. Im Sommer 2015 hat der Zweitbeschwerdeführer alleine Afghanistan verlassen und in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Die Schwiegerfamilie der Erstbeschwerdeführerin ist zunächst mit der Erstbeschwerdeführerin und ihren Kindern in das Heimatdorf der Schwiegerfamilie in die Provinz Parwan gereist, wo sie sich für etwa eine Woche aufgehalten haben, bis sie in den Iran aufgebrochen sind, wo sie sich etwa zwei Monate aufgehalten haben. Die räumliche Trennung von ihrem Mann war für die Erstbeschwerdeführerin und ihre Kinder sehr schwierig, sodass schließlich der Schwiegervater für die Erstbeschwerdeführerin die Reise nach Europa organisiert hat. Dann hat auch die Erstbeschwerdeführerin gemeinsam mit den Dritt- bis Fünftbeschwerdeführern in Österreich die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gestellt. Die Sechstbeschwerdeführerin wurde in Österreich geboren, auch für sie wurde ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Die Eltern und Brüder der Erstbeschwerdeführerin befinden sich in Kabul, sie hat zu ihnen keinen Kontakt, da diese die liberale Lebensweise der Erstbeschwerdeführerin nicht gutheißen. Die Schwester der Erstbeschwerdeführerin lebt mit ihrer Familie in Österreich. Der Vater des Zweitbeschwerdeführers lebt mit seinen zwei Ehefrauen und einer Schwester des Zweitbeschwerdeführers nach wie vor im Iran, es besteht noch Kontakt. Eine weitere Schwester des Zweitbeschwerdeführers lebt vermutlich mit ihrem Mann in Dubai und die dritte Schwester ist unbekannten Aufenthalts. Er hat keine Brüder.
Die Erst- bis Sechstbeschwerdeführer leben in Österreich im gemeinsamen Haushalt. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten. Die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer sind strafunmündig. Alle Beschwerdeführer nehmen Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.
Die Erstbeschwerdeführerin lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und lebt in Österreich nicht nach dieser Tradition. Sie ist nun vielmehr in der Lage, so zu leben, wie es ihren Vorstellungen und ihrer inneren Überzeugung entspricht. So bewegt sie sich in der Gesellschaft selbstbewusst ohne männliche Begleitung, geht alleine einkaufen und zum Arzt und organisiert ihre Termine des täglichen Lebens selbständig. Sie bringt ihre beiden Söhne zum Schulbus und ihre ältere Tochter in den Kindergarten. Die Erstbeschwerdeführerin besucht einen Deutschkurs und einen Konversationskurs. Aufgrund der zeitaufwändigen Betreuung ihrer Kinder war es ihr bisher nicht möglich, eine Deutschprüfung zu absolvieren und ihre Ausbildung voranzutreiben. Sie möchte zunächst so schnell wie möglich die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 abschließen und danach den Hauptschulabschluss nachholen. Danach möchte sie eine Kochlehre absolvieren und als Kochgehilfin arbeiten. Sie kann sich eine Tätigkeit in diesem Bereich sehr gut vorstellen, da sie selbst mit Vorliebe kocht. Die Erstbeschwerdeführerin verwaltet alleine das Haushaltsgeld ihrer Familie, auch die Einkünfte ihres Ehemannes für dessen stundenweise Tätigkeit beim Bauhof der Wohngemeinde. Dies ist ihr sehr wichtig, da ihr dies in Afghanistan nicht möglich war und sie auf diese Weise einen starken Bezug zum Alltagsleben bekommt. Sie hat bereits österreichische Freundinnen gefunden. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer, ist sehr liberal eingestellt. Er unterstützt seine Frau nach Kräften und fördert und begrüßt ihre Selbständigkeit und ihre Weiterbildungs- und Zukunftspläne. Er hilft ihr im Haushalt und auch bei der Betreuung der Kinder. Wichtige Entscheidungen treffen die Erstbeschwerdeführerin und ihr Ehemann gemeinsam, sie führen eine gleichberechtigte Beziehung. Beide praktizieren ihren muslimischen Glauben nicht und erziehen ihre Kinder liberal. Beiden Eltern ist es ein großes Anliegen, dass ihre Kinder, insbesondere ihre Töchter, eine gute Ausbildung erhalten und ein freies und selbstbestimmtes Leben führen können. So werden sie ihre Kinder auch selbst über die Wahl ihres künftigen Berufes und ihres Lebenspartners entscheiden lassen. Die Familie ist in ihrer Wohngemeinde sehr gut integriert. Die beiden Söhne (die Dritt- und Viertbeschwerdeführer) besuchen die Volksschule und den Hort und spielen in einem lokalen Fußballverein, wo sie gerne in die Mannschaft aufgenommen wurden. Die ältere Tochter (die Fünftbeschwerdeführerin) besucht den Kindergarten. Die Familie beteiligt sich aktiv an Veranstaltungen des Kindergartens und der Schule. Die Erstbeschwerdeführerin besucht, ebenso wie ihr Mann, Elternsprechtage und Elternabende der Schule, auch alleine. Sie hat in Österreich auf eigenen Wunsch ihr Kopftuch abgelegt, was von ihrem Mann und ihren Kindern begrüßt wird. Nur mehr bei Treffen mit anderen afghanischen Familien trägt die Erstbeschwerdeführerin einen leichten Schal am Kopf. Sie ist die einzige Frau im Quartier - in dem mehrere afghanische Familien leben -, die keine Kopfbedeckung trägt. Weiters kleidet sich die Erstbeschwerdeführerin modisch und nach ihrem Geschmack.
Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich mithin um eine unabhängige und selbstbewusste Frau, deren persönliche Haltung über die Lebensverhältnisse und die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen steht, denen Frauen dort hinsichtlich Bewegungsfreiheit und Zugang zu Erwerbstätigkeit mehrheitlich unterworfen sind. Die nunmehrige Lebensweise der Erstbeschwerdeführerin und ihrer Familienangehörigen sowie die Erziehung ihrer Kinder in Österreich sind als "westlich", sohin an einem auf ein selbstbestimmtes Leben ausgerichteten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert, zu bezeichnen. Die von der konservativ-afghanischen Tradition geprägten Lebensumstände, welchen die Erstbeschwerdeführerin in Afghanistan unterworfen war und auch künftig wieder unterworfen wäre, stünden mit jenen, welche sie sich aus freiem Willen zu gestalten wünscht bzw. bereits gestaltet hat, ganz offenkundig in unüberwindbarem Gegensatz. Die Erstbeschwerdeführerin kann es sich nicht vorstellen, wieder nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben.
Gründe, nach denen ein Ausschluss der Beschwerdeführer hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018; Auszüge)
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 21/Grundversorgung und Wirtschaft)
Anschläge in Kabul-Stadt
Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend. Quellen zufolge wurden dafür drei Bomben platziert: eine im Waschraum einer Moschee, eine weitere hinter einem Krankenhaus und die dritte in einem Stromzähler (TDP 21.3.2019; AJ 21.3.2019). Der ISKP (Islamische Staat - Provinz Khorasan) bekannte sich zum Anschlag (Reuters 21.3.2019).
Während eines Mörserangriffs auf eine Gedenkveranstaltung für den 1995 von den Taliban getöteten Hazara-Führer Abdul Ali Mazari im überwiegend von Hazara bewohnten Kabuler Stadtteil Dasht-e Barchi kamen am 7.3.2019 elf Menschen ums Leben und 95 weitere wurden verletzt. Der ISKP bekannte sich zum Anschlag (AJ 8.3.2019).
Überflutungen und Dürre
Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).
Friedensgespräche
Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).
Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).
Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte US-Unterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen US-Vertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).
Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen" welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).
Quellen:
AJ - Al Jazeera (21.3.2019): Blasts in Afghan capital Kabul kill six during new year festival,
https://www.aljazeera.com/news/2019/03/blasts-afghan-capital-kabul-kill-6-year-festival-190321064823472.html, Zugriff 26.3.2019
AJ - Al Jazeera (8.3.2019): Death toll rises to 11 in attack on Shia gathering in Kabul,
https://www.aljazeera.com/news/2019/03/death-toll-rises-11-afghan-capital-attack-shia-gathering-190308102222870.html, Zugriff 26.3.2019
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.3.2019): Briefing Notes Afghanistan, liegen im Archiv der Staatendokumentation auf
NYT - The New York Times (7.3.2019): U.S. Peace Talks With Taliban Trip Over a Big Question: What Is Terrorism?, https://www.nytimes.com/2019/03/07/world/asia/taliban-peace-talksafghanistan.html, Zugriff 26.3.2019
IFRCRCS - International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (17.3.2019): Emergency Appeal Afghanistan: Drought and Flash Floods,
https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-drought-and-flash-floods
Qantara (12.02.2019): Any deal will do, https://en.qantara.de/print/34493, Zugriff 26.3.2019
Reuters (21.3.2019): Explosions in Afghan capital Kabul kills six during new year festival,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-attack/explosions-in-afghan-capital-kabul-kill-6-during-new-year-festival-idUSKCN1R20GL, Zugriff 26.3.2019
Reuters (18.3.2019): U.S. freezes out top Afghan official in peace talks feud: sources,
https://www.reuters.com/article/us-usa-afghanistan/us-freezes-out-top-afghan-official-in-peacetalks-feud-sources-idUSKCN1QZ2OU, Zugriff 26.3.2019
Taz - Die Tagezeitung (6.2.2019): Auch Moskau spielt die Taliban-Karte,
https://www.taz.de/Gespraeche-zwischen-Taliban-und-Russland/!5568633/, Zugriff 26.3.2019
TDP - The Defense Post (21.3.2019): Bomb blasts around Afghanistan capital kill 6 during Nowruz celebrations, https://thedefensepost.com/2019/03/21/afghanistan-kabul-bombings-nowruz/, Zugriff 26.3.2019
UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (19.3.2019): Afghanistan: Flash Floods, Update No. 7 (as of 19 March 2019),
https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/afg_flash_floods_update_7_19_mar_2019_web.pdf, Zugriff 26.3.2019
VoA - Voice of America (20.3.2019): Afghanistan Again Postpones Presidential Election,
https://www.voanews.com/a/afghanistan-again-postpones-presidential-election/4840141.html, Zugriff 26.3.2019
WP - The Washington Post (18.3.2019): Afghan government, shut out of U.S.-Taliban peace talks, running short on options, https://www.washingtonpost.com/world/afghan-government-shut-out-ofus-taliban-peace-talks-running-short-on-options/2019/03/18/92cd6128-497d-11e9-8cfc-2c5d0999c21e_story.html?noredirect=on&utm_term=.ffa121b12dbc, Zugriff 26.3.2019
KI vom 1.3.2019, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q4.2018 (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019).
Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019).
Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018).
Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019).
Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.
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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019a)
In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 1.1.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.
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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019b)
Zivile Opfer
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;
1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch IED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer in Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019).
Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019).
Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019).
Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019).
Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).
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(UNAMA 24.2.2019)
Quellen:
BFA Staatendokumentation (20.02.2019a): kartografische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Jänner-Dezember 2018, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor
BFA Staatendokumentation (20.02.2019b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q1 bis Q4, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor
SIGAR - Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (30.1.2019): Quarterly Report to the United States Congress, https://www.sigar.mil/pdf/quarterlyreports/2019-01-30qr.pdf, Zugriff 20.2.2019
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.2.2019): Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Annual report 2018,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/afghanistan_protection_of_civilians_annual_report
_2018_final_24_feb_2019_v3.pdf, Zugriff 25.2.2019
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (11.2018):
Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Special report: 2018 elections violence,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/special_report_on_2018_elections_violence_november_2018.pdf, Zugriff 20.2.2019
UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (10.10.2018): Quarterly report on the protection of civilians in armed conflict: 1 January to 30 September 2018,
https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_3rd_quarter_report_2018_10_oct.pdf, Zugriff 20.2.2019
UNGASC - United Nations General Assembly Security Council (7.12.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General, https://undocs.org/S/2018/1092, Zugriff 20.2.2019
KI vom 31.1.2019, Friedensgespräche zwischen den USA und den Taliban (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Am Samstag dem 26.1.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.1.2019; vgl. NYT 28.1.2019, CNN 27.1.2019, Tolonews 28.1.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, FP 29.1.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019). Die nächste Friedensgesprächsrunde wird voraussichtlich Ende Februar 2019 stattfinden (NYT 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019). Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.1.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.1.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, IM 28.1.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.1.2019; vgl. WP 30.1.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.1.2019; vgl. FP 29.1.2019).
Quellen:
CNN - Cable News Network (27.1.2019): US-Taliban peace talks in Doha a 'significant step',
https://edition.cnn.com/2019/01/27/asia/us-taliban-afghan-peace-talks-doha-intl/index.html, Zugriff 31.1.2019
DP - Die Presse (28.1.2019): Afghanistan vor dramatischer Wende, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5570225/Afghanistan-vor-dramatischer-Wende, Zugriff 31.1.2019
FP - Foreign Policy (29.1.2019): Will Zalmay Khalilzad Be Known as the Man Who Lost Afghanistan?,
https://foreignpolicy.com/2019/01/29/will-zalmay-khalilzad-be-known-as-the-man-who-lost-afghanistan-envoy-taliban/, Zugriff 31.1.2019
IM - Il Messaggero (28.1.2019): Afghanistan, fonti Difesa: "Entro un anno via truppe italiane". Moavero: "Apprendo ora". Lega: "Nessuna decisione",
https://www.ilfattoquotidiano.it/2019/01/28/afghanistan-entro-un-anno-ritiro-del-contingente-italiano-moavero-lo-apprendo-ora-trenta-non-ne-ha-parlato-con-me/4930395/, Zugriff 31.1.2019
Internazionale (30.1.2019): La trattativa in Afghanistan arriva con 17 anni di ritardo,
https://www.internazionale.it/opinione/gwynne-dyer/2019/01/30/trattativa-afghanistan-ritardo, Zugriff 31.1.2019
NYT - The New York Times (28.1.2019): U.S. and Taliban Agree in Principle to Peace Framework, Envoy Says, https://www.nytimes.com/2019/01/28/world/asia/taliban-peace-deal-afghanistan.html, Zugriff 31.1.2019
Tolonews (28.1.2019): US Peace Envoy Visits Kabul To Consult On Talks With Taliban,
https://www.tolonews.com/afghanistan/us-peace-envoy-visits-kabul-consult-talks-taliban, Zugriff 31.1.2019
WP - The Washington Post (30.1.2019): The real challenge for Afghanistan isn't negotiating with the Taliban, https://www.washingtonpost.com/opinions/global-opinions/the-real-challenge-for-afghanistan-isnt-negotiating-with-the-taliban/2019/01/30/12229732-23ee-11e9-ad53-824486280311_story.html?noredirect=on&utm_term=.b049b43b3c79, Zugriff 31.1.2019
KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).
Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).
Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).
Quellen:
AJ - Al Jazeera (20.1.2019): Taliban attack in Afghanistan's Logar kills eight security forces,
https://www.aljazeera.com/news/2019/01/taliban-attack-afghanistan-logar-kills-security-forces- 190120093626695.html, Zugriff 22.1.2019
IM - Il Messaggero (22.1.2019): Afghanistan, sangue sul disimpegno Usa: autobomba dei talebani contro scuola militare, 130 vittime, https://www.ilmessaggero.it/pay/edicola/afghanistan_autobomba_morti_talebani-4246561.html, Zugriff 22.1.2019
NYT - The New York Times (21.1.2019): After Deadly Assault on Afghan Base, Taliban Sit for Talks With U.S. Diplomats, https://www.nytimes.com/2019/01/21/world/asia/afghanistan-talibanattack-intelligence-wardak.html, Zugriff 22.1.2019
Reuters (15.1.2019): Afghan Taliban claim lethal car bomb attack in Kabul,https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-blast-idUSKCN1P909T, Zugriff 22.1.2019
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (14.1.2019): Four Killed, 90 Wounded In Kabul Car- Bomb Attack, https://www.rferl.org/a/huge-blast-rocks-foreign-compound-in-kabul/29709334.html, Zugriff 22.1.2019
TG - The Guardian (21.1.2019): Taliban kill 'more than 100 people' in attack on Afghan military base, https://www.theguardian.com/world/2019/jan/21/taliban-kill-more-than-100-in-attack-onafghan-military-base, Zugriff 22.1.2019
TN - The National (15.1.2019): Kabul attack: Taliban claims truck bomb and warns of more to follow, https://www.thenational.ae/world/mena/kabul-attack-taliban-claims-truck-bomb-and-warnsof-more-to-follow-1.813516, Zugriff 22.1.2019
Tolonews (21.1.2019) US, Taliban Hold Talks In Qatar With Peace Still Distant,
https://www.tolonews.com/afghanistan/us-taliban-hold-talks-qatar-peace-still-distant, Zugriff 22.1.2019
KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswahl (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage und Abschnitt 3/Sicherheitslage)
Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul
Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).
Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl
Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).
Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach der Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).
Quellen:
AJ - Al Jazeera (30.12.2018): Afghan presidential elections postponed until July 20: official, https:// www.aljazeera.com/news/2018/12/afghan-presidential-elections-postponed-july-20-official- 181230185336213.html, Zugriff 8.1.2019
AJ - Al Jazeera (25.12.2018): Kabul attack: Gunmen storm government building, kill dozens,
https://www.aljazeera.com/news/southasia/2018/12/gunmen-storm-kabul-government-compoundgun-battle-ensues-181224115249492.html, Zugriff 8.1.2019
IEC - Independent Electoral Commission (o.D.): 2018 Afghanistan Wolesi Jirga Elections, http://www.iec.org.af/results/en/home, Zugriff 17.12.2018
NYT - The New York Times (24.12.2018): Militants Storm Afghan Offices in Kabul, Killing Dozens, https://www.nytimes.com/2018/12/24/world/middleeast/kabul-militant-attack.html, Zugriff 8.1.2019
ORF - Österreichischer Rundfunk (24.12.2018): Tote bei Angriff auf Regierungsgebäude in Kabul, https://orf.at/stories/3105448/, Zugriff 8.1.2019
Reuters (30.12.2018): Afghanistan to delay presidential election to July: election body,
https://www.reuters.com/article/us-afghanistan-election/afghanistan-to-delay-presidential-electionto-july-election-body-idUSKCN1OT0FR, Zugriff 8.1.2018
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (6.12.2018): Afghan Commission Invalidates All Kabul Votes In October Parliamentary Election, https://www.rferl.org/a/afghan-commission-invalidates-allkabul-votes-in-october-parliamentary-election/29640679.html, Zugriff 17.12.2018
TAZ - Die Tageszeitung (6.12.2018): Erste Wahl, dann das Chaos, https://www.taz.de/Parlamentswahl-in-Afghanistan/!5553677/, Zugriff 17.12.2018