TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/24 G303 2202951-1

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Veröffentlicht am 24.09.2019
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Entscheidungsdatum

24.09.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G303 2202951-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde der minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 10.07.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines bis zum 31.01.2022 befristeten Behindertenpasses liegen aufgrund des festgestellten Grades der Behinderung in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte als gesetzliche Vertreterin am 23.03.2018 über die Zentrale Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ein. Dem Antrag war ein persönliches Schreiben der Mutter der BF sowie ein Arztbrief des Landeskrankenhauses - Universitätsklinikum Graz, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, vom 12.03.2018 angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde aufgrund der Aktenlage ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. Im eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 16.04.2018, wurde zusammengefasst folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer bzw. des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

fokale Epilepsie Richtsatzposition mit Rahmensatzhöhe am oberen Rahmensatzwert entsprechend der Symptomatik und Notwendigkeit einer antikonvulsiven Therapie

04.10.01

40

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

 

 

 

3. Mit Schreiben der

belangten Behörde vom 25.04.2018 wurde der BF zum Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme ein schriftliches Parteiengehör gemäß § 45 AVG gewährt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen drei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen. Nach der vorliegenden Aktenlage erstattete die BF dazu keine Stellungnahme.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 10.07.2018 wurde der Grad der Behinderung der BF mit 40 % festgesetzt und festgestellt, dass die BF damit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle, weswegen ihr Antrag vom 23.03.2018 abgewiesen wurde. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das eingeholte, oben angeführte, ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX. Da eine Stellungnahme der BF im Rahmen des Parteiengehörs innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, könne vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden. Das medizinische Gutachten von Dr. XXXX wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen. In der rechtlichen Begründung wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes angeführt.

5. Mit E-Mail vom 05.08.2018 erhob die BF durch ihre gesetzliche Vertreterin fristgerecht Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. Darin wird vorgebracht, dass die Herabstufung des Grades der Behinderung von 50 % auf 40 % nicht in Ordnung sei, da bei der BF keine Besserung eingetreten sei. Es werde um nochmalige Überprüfung und "Neueinstufung" ersucht.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde vorgelegt und sind am 08.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.

7. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes ein fachärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.

7.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Univ.-Prof. Dr.XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 07.01.2019 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am selben Tag, im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer bzw. des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Anfallsleiden derzeit mit gehäuften Anfällen trotz Therapie. Unterer RSW entsprechend der Anfallshäufigkeit und -symptomatik

04.10.02

50

Gesamtgrad der Behinderung 50 v. H.

 

 

 

Stellungnehmend zu den

gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten wurde ausgeführt, dass der Grad der Behinderung um eine Stufe höher eingeschätzt worden sei als im Vorgutachten. Es bestehe eine fokale Epilepsie. Laut glaubhafter Schilderung der Mutter würden die Anfälle nun auch wieder gehäuft vorkommen, es bestehe zwar keine Verkrampfung und auch kein Harn- oder Stuhlabgang während des Anfalls, jedoch würden begleitend auch Schwindelzustände und eine Erschöpfungssymptomatik hinzukommen, im Anfall müsse sich die BF oft lange hinlegen und brauche absolute Ruhe. Die Belastbarkeit sei dadurch auch in der Schule sehr reduziert. Es erfolge auch eine adäquate Therapie, allerdings offenbar noch nicht mit zufriedenstellendem Erfolg. In der Einschätzung sei auch die unsichere-ängstliche Persönlichkeit inkludiert, die nicht mehr ganz dem Lebensalter entspreche.

Eine Nachuntersuchung wurde im Sachverständigengutachten für Jänner 2022 festgehalten, da eine Besserung sowohl im Rahmen des natürlichen Krankheitsverlaufes, aber auch im Zuge einer Therapieoptimierung sehr wahrscheinlich sei.

8. Das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 19.02.2019 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

8.1. Die Parteien erstatteten dazu keine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die minderjährige BF hat einen Wohnsitz im Inland.

Bei der BF liegt folgende behinderungsrelevante Gesundheitsschädigung vor:

? Fokale Epilepsie (Grad der Behinderung: 50 %)

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt somit 50 (fünfzig) von v.H. (von Hundert).

Eine Besserung des Gesundheitszustandes der BF ist aufgrund des natürlichen Krankheitsverlaufes, aber auch bei einer Therapieoptimierung sehr wahrscheinlich.

Daher ist eine Nachuntersuchung für Jänner 2022 erforderlich.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung zum Wohnsitz der BF ergibt sich aus einem eingeholten Datenauszug des Zentralen Melderegisters und den Angaben der gesetzlichen Vertreterin der BF bei der Antragstellung.

Die festgestellte behinderungsrelevante Gesundheitsschädigung, nämlich die fokale Epilepsie, wurde im vorliegenden Sachverständigengutachten von Univ.-Prof. Dr.XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, vom 07.01.2019, korrekt und nachvollziehbar gemäß der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 50 von Hundert eingeschätzt.

Diese Einschätzung basiert auf einem nach persönlicher Untersuchung der BF erhobenen Befund. Es wurde dabei auf die Art des Leidens der BF und dessen Ausmaß ausführlich eingegangen.

Im Vergleich zum Vorgutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 16.04.2018, das dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegt, konnte die Sachverständige Univ.-Prof. Dr.XXXX die höhere Einschätzung der Epilepsie schlüssig und nachvollziehbar darlegen, indem im Sachverständigengutachten dazu ausgeführt wird, dass bei der BF wieder gehäuft Anfälle auftreten, die von Schwindelzuständen und einer Erschöpfungssymptomatik begleitet werden. Die Belastbarkeit der BF ist dadurch stark reduziert.

Es wurde somit insgesamt ein Grad der Behinderung von 50 v.H. objektiviert, da keine weiteren behinderungsrelevanten Leiden bei der BF vorliegen.

Der vorliegende Grad der Behinderung war jedoch nicht dauerhaft festzustellen, da im Gutachten schlüssig ausgeführt wurde, dass aufgrund des natürlichen Krankheitsverlaufes, aber auch bei einer Optimierung der Therapie eine Besserung des Gesundheitszustandes sehr wahrscheinlich sei. Daher wurde auf Grundlage des Sachverständigengutachtens von Univ.-Prof. Dr. XXXX festgestellt, dass eine Nachuntersuchung im Jänner 2022 erforderlich ist.

Der Inhalt des oben angeführten Sachverständigengutachtens von Univ.-Prof. Dr. XXXX wurde von der BF als auch von der belangten Behörde im Rahmen des schriftlichen Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen. Es blieb daher im gegenständlichen Beschwerdeverfahren unbestritten und wird der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung im Beschwerdeverfahren basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der BF. Der verfahrensrelevante Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint und unstrittig ist, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist;

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen;

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten;

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. I Nr. 22/1970i n der geltenden Fassung, angehören.

Nach § 35 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG 1998), BGBl. I Nr. 400/1998 in der geltenden Fassung, sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

? Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. I Nr. 183/1947).

? Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

? In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 leg. cit. genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz,

BGBl. I Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010 in der geltenden Fassung) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen;

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 leg. cit. vorliegt.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das Sachverständigengutachten von Univ.-Prof. Dr. XXXX, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, zu Grunde gelegt, welches als nachvollziehbar, schlüssig und widerspruchfrei gewertet wurde und im Beschwerdeverfahren unbestritten blieb.

Die Gesundheitsschädigung der BF, fokale Epilepsie, wurde in dem vorliegenden Sachverständigengutachten fachärztlich begutachtet und entsprechend der anzuwendenden Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt eingeschätzt. Es wurde ein Grad der Behinderung in Höhe von 50 von Hundert festgestellt.

Die Gesamteinschätzung ist auch unter Bedachtnahme auf den durchgeführten Sachverständigenbeweis vorzunehmen (vgl. VwGH 19.11.1997, Zl. 95/09//0232; 04.09.2006, Zl. 2003/09/0062).

Mit einem Wohnsitz im Inland und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH liegen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG vor.

Da eine Besserung des Gesundheitszustandes der BF und somit eine Änderung in den Voraussetzungen im Sinne des § 42 Abs. 2 BBG zu erwarten ist, ist der Behindertenpass befristet auszustellen.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines bis zum 31.01.2022 befristeten Behindertenpasses aufgrund des festgestellten Grades der Behinderung in Höhe von fünfzig (50) von Hundert (vH) vorliegen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2202951.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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