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L55002 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Kärnten;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde 1) des HB, 2) der AF,
3) der AZ, 4) des JB und 5) der GB, alle in Malta, alle vertreten durch Dr. Karl Safron, Dr. Franz Großmann und Dr. Leopold Wagner, Rechtsanwälte in Klagenfurt, Wiener Gasse 7, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 13. Mai 1998, Zl. Ro-356/4/1998, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: M-Ges.m.b.H. in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der vorliegenden Beschwerde und der dieser angeschlossenen Bescheidausfertigung zufolge wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 13. Mai 1998 der Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau vom 10. Oktober 1996, betreffend Erteilung der naturschutzrechtlichen Bewilligung zur Sanierung eines näher beschriebenen Steinbruches sowie zum Abbau von Steinmaterial an die mitbeteiligte Partei, keine Folge gegeben. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, der gegenständliche Steinbruch sei als gewerbliche Betriebsanlage nach der GewO 1994 genehmigungspflichtig. Eine Genehmigung für die Durchführung von Vorarbeiten (eines Versuchsbetriebes) gemäß § 354 GewO 1994 sei von der Gewerbebehörde mit Bescheid vom 21. April 1998 erteilt worden. Da die Regelung des nachbarrechtlichen Immissionsschutzes somit in die Zuständigkeit der Gewerbebehörde falle, liege ein ähnlicher Fall vor, wie er dem hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1997, Zl. 95/10/0270, zugrunde gelegen sei. In diesem Erkenntnis sei ausgeführt worden, daß § 9 Abs. 5 Naturschutzgesetz (NSchG) bei verfassungskonformer Interpretation in Ansehung von Steinbrüchen, in denen dem Berggesetz unterliegende Materialien abgebaut würden, nicht zur Anwendung komme; der Immissionsschutz falle demnach ausschließlich in die Zuständigkeit der Bergbehörde. Bei verfassungskonformer Interpretation sei § 9 Abs. 5 NSchG auch in Ansehung von Steinbrüchen, die als gewerbliche Betriebsanlagen der GewO 1994 unterlägen, nicht anwendbar, weil der Immissionsschutz diesfalls in die ausschließliche Zuständigkeit der Gewerbebehörde falle. Dennoch seien Erhebungen zur Klärung der Frage durchgeführt worden, ob die Wohnstätten der Beschwerdeführer in unzumutbarer Nähe zum Steinbruch gelegen seien. Dem - näher dargestellten - Gutachten zufolge sei dies aber nicht der Fall.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 4 lit. b des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986 in der Fassung LGBl. Nr. 87/1995 (NSchG), bedarf die Anlage von Steinbrüchen im gesamten Landesgebiet einer Bewilligung.
Nach § 9 Abs. 1 leg. cit. darf eine Bewilligung im Sinne des § 4 nicht erteilt werden, wenn durch das Vorhaben oder die Maßnahme
a)
das Landschaftsbild nachteilig beeinflußt würde,
b)
das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum nachhaltig beeinträchtigt würde,
c) der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt würde.
Nach § 9 Abs. 5 leg. cit. ist eine Bewilligung (u.a.) im Sinne des § 4 lit. b zu versagen, wenn die Anlage in unzumutbarer Nähe zum Siedlungsbereich errichtet werden soll.
Nach § 53 Abs. 1 leg. cit. kommt (u.a.) in Verfahren nach § 4 lit. b Anrainern die Stellung von Parteien im Sinne des § 8 AVG zu. Für Anrainer werden in den Bestimmungen des § 9 Abs. 5 subjektiv-öffentliche Rechte begründet. Anrainer sind die Eigentümer der im unmittelbaren Einflußbereich eines Vorhabens liegenden Grundstücke.
Abgesehen vom Recht auf Wahrnehmung des im § 9 Abs. 5 leg. cit. normierten Versagungstatbestandes räumt das NSchG den Anrainern keine subjektiv-öffentlichen Rechte ein; vom Anwendungsbereich des § 9 Abs. 5 leg. cit. abgesehen hat die Behörde im naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren ausschließlich auf öffentliche Interessen Bedacht zu nehmen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 1997, Zl. 95/10/0270, und vom 9. März 1998, Zl. 97/10/0243). Wäre § 9 Abs. 5 NSchG daher - entsprechend der Auffassung der belangten Behörde - im Beschwerdefall nicht anwendbar, so kämen den Beschwerdeführern keine subjektiv-öffentlichen Rechte zu.
Die Beschwerdeführer wenden ein, die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1997 hätten sich auf Steinbrüche bezogen, in denen dem Berggesetz unterliegende Mineralien abgebaut würden. Sie könnten daher "nicht unreflektiert" auf gewerbliche Betriebsanlagen übertragen werden. § 9 Abs. 5 NSchG beziehe sich nicht ausschließlich auf Gesichtspunkte, die dem Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG ("Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie") zugeordnet seien. Von einer Nichtanwendbarkeit des § 9 Abs. 5 NSchG könne daher im Beschwerdefall nicht ausgegangen werden und es sei auch die belangte Behörde in Wahrheit nicht davon ausgegangen, zumal sie Erhebungen zur Frage durchgeführt habe, ob die Wohnstätten der Beschwerdeführer in unzumutbarer Nähe zum Steinbruch der mitbeteiligten Partei lägen.
Der in § 9 Abs. 5 NSchG normierte Versagungsgrund stellt auf die unzumutbare Nähe einer Anlage zum Siedlungsbereich ab. Dieser Versagungstatbestand weist keine Beziehung zu den in § 1 NSchG unter dem Titel "Ziele und Aufgaben" genannten, in § 9 Abs. 1 leg. cit. als Versagungsgründe konkretisierten Gesichtspunkten des Natur- und Landschaftsschutzes auf; vielmehr beruht der Versagungstatbestand auf Gesichtspunkten des nachbarrechtlichen Immissionsschutzes (vgl. das zitiert hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1997).
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß der den Gegenstand des naturschutzrechtlichen Verfahrens bildende Steinbruch als gewerbliche Betriebsanlage der Genehmigungspflicht nach der GewO 1994 unterliegt. Regelungen zur Vermeidung ungünstiger Auswirkungen eines Gewerbebetriebes auf die Nachbarschaft fallen unter den Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG (vgl. z.B. VfSlg. 2977). Dementsprechend normiert § 77 Abs. 1 GewO 1994, daß eine Betriebsanlage zu genehmigen ist, wenn nach dem Stand der Technik und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften u.a. zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen des Lebens, der Gesundheit, des Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte der Nachbarn durch die Betriebsanlage vermieden und Belästigungen der Nachbarn u.a. durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub und Erschütterung auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Nachbarn in diesem Sinne sind gemäß § 75 Abs. 2 GewO 1994 alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt ist. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherberungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.
Ausgehend von der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, nach der dem B-VG konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen fremd sind (vgl. z.B. VfSlg. 4348, 8466, 10292), ist es im System der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung ausgeschlossen, daß eine Ermächtigung des Landesgesetzgebers neben einer inhaltlich gleichen Ermächtigung des Bundesgebers besteht. Daran ändert der Umstand, daß bestimmte Sachverhalte nach verschiedenen Gesichtspunkten geregelt werden können (Gesichtspunktetheorie), daß ein Sachgebiet also unter bestimmten Gesichtspunkten vom Bund, unter anderen Gesichtspunkten vom Land geregelt werden kann, nichts. Ein Sachgebiet kann im System der Art. 10 bis 15 B-VG unter einem bestimmten Gesichtspunkt vom Land nur dann geregelt werden, wenn dieser Gesichtspunkt nicht von einem dem Bund zugewiesenen Kompetenztatbestand umfaßt ist.
In Ansehung gewerblicher Betriebsanlagen ist der Gesichtspunkt des Schutzes der Nachbarn vor den Immissionen dieser Anlagen - wie dargelegt - von Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG umfaßt; dem Land fehlt daher gemäß Art. 15 Abs. 1 B-VG die Kompetenz, diesen Gesichtspunkt zum Gegenstand einer Regelung zu machen. In verfassungskonformer Interpretation ist daher davon auszugehen, daß § 9 Abs. 5 NSchG in Ansehung von Steinbrüchen, die als gewerbliche Betriebsanlagen der Genehmigungspflicht nach der GewO 1994 unterliegen, nicht zur Anwendung kommt.
Die belangte Behörde hätte die Berufung der Beschwerdeführer somit mangels Parteistellung zurückweisen müssen. Dadurch, daß sie auf Grund der Berufung der Beschwerdeführer eine abweisliche Sachentscheidung traf, statt mit einer Zurückweisung vorzugehen, wurden die Beschwerdeführer im vorliegenden Fall aber in keinem Recht verletzt.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 7. September 1998
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3 Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen RechtspersönlichkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998100298.X00Im RIS seit
18.02.2002