TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/24 G314 2224461-1

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Veröffentlicht am 24.10.2019
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Entscheidungsdatum

24.10.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4

Spruch

G314 2224461-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der albanischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 16.09.2019, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot beschlossen und zu Recht erkannt:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene

Bescheid dahingehend abgeändert, dass es insgesamt zu lauten hat:

"1. Gemäß § 9 BFA-VG wird gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 2 FPG erlassen.

2. Gemäß § 52 Abs 9 FPG wird festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Albanien zulässig ist.

3. Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wird gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

4. Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG wird einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

5. Gemäß § 55 Abs 4 FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise."

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin (BF) wurde am 16.09.2019 am Flughafen Wien-Schwechat festgenommen, weil sie sich vor dem Flug nach Dublin (Irland) bei der Passkontrolle mit gefälschten Dokumenten ausgewiesen hatte. Nach ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde ihr mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt, gegen sie gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Albanien zulässig sei (Spruchpunkt I.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Am 18.09.2019 wurde die BF nach Albanien abgeschoben.

Gegen den Bescheid richtet sich die wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine Frist zur freiwilligen Ausreise festzulegen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Die BF strebt primär die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheids, in eventu des Einreiseverbots, an; hilfsweise beantragt sie auch die Verkürzung der Dauer des Einreiseverbots und stellt einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Sie begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass sie nicht mittellos sei, weil ihr ihre Mutter am Tag ihrer Festnahme per Geldtransfer (Western Union) EUR 500 überwiesen habe, sodass sie die nötigen Mittel für ihren Aufenthalt zur Verfügung gehabt hätte. Ein vierjähriges Einreiseverbot sei unverhältnismäßig, zumal auch bei wesentlich schwereren Verstößen gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit (z.B. bei regelmäßigen Verwaltungsübertretungen oder strafrechtlichen Vergehen, die nicht die Schwelle des § 53 Abs 3 FPG erreichten) ein maximal fünfjähriges Einreiseverbot möglich sei. Ihr Verhalten sei nicht so schwerwiegend, dass ihre sofortige Ausreise erforderlich wäre; vielmehr sei ihr eine Frist für die freiwillige Ausreise einzuräumen, was auch für einen allfälligen Antrag auf Aufhebung oder Verkürzung des Einreiseverbots gemäß § 60 Abs 1 FPG, der eine fristgerechte Ausreise voraussetze, relevant sei.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.

Feststellungen:

Die BF kam am XXXX in der albanischen Stadt XXXX zur Welt. Sie ist albanische Staatsangehörige und spricht Albanisch. In ihrem Herkunftsstaat, wo ihre Mutter nach wie vor lebt, besuchte sie zwölf Jahre lang die Schule, studierte anschließend und arbeitete danach mehrere Jahre lang als XXXX.

Die BF hat einen am XXXX.02.2012 ausgestellten und bis XXXX.02.2022 gültigen (biometrischen) albanischen Reisepass, mit dem sie am 09.01.2019 aus Albanien aus- und in den Schengen-Raum einreiste, wo sie sich zunächst in Belgien aufhielt und Ende August oder Anfang September 2019 nach Italien weiterreiste. Dort besorgte sie sich in Mailand um EUR 2.000 gefälschte italienische Dokumente (Personalausweis und Führerschein), die jeweils auf den Namen der am XXXX geborenen italienischen Staatsangehörigen XXXX lauten. Am XXXX.09.2019 flog die BF von Mailand nach Wien, von wo sie am XXXX.09.2019 unter Verwendung der gefälschten italienischen Dokumente nach Irland weiterreisen wollte. Sie hatte vor, dort internationalen Schutz zu beantragen und anschließend nach Großbritannien weiterzureisen, um dort zu arbeiten. Sie hatte EUR 4 in bar bei sich und verfügt weder über eine Bankomat- noch über eine Kreditkarte. Weitere finanzielle Mittel können nicht festgestellt werden.

Die BF ist gesund und arbeitsfähig. In strafrechtlicher Hinsicht ist sie unbescholten. Sie ist ledig und kinderlos.

In Österreich hat die BF keine familiären oder sozialen Bindungen. Sie ist hier weder sprachlich noch beruflich noch gesellschaftlich integriert. Auch in andern Vertragsstaaten können keine familiären oder sonstigen privaten Bindungen festgestellt werden.

Albanien ist seit 2009 NATO-Mitglied und seit 2014 EU-Beitrittskandidat. Die Todesstrafe ist abgeschafft. In Albanien herrschen keine kriegerischen oder sonstigen bewaffneten Auseinandersetzungen. Rückgeführte Staatsangehörige werden nicht diskriminiert und haben nicht mit staatlicher Repression zu rechnen. Es sind keine Fälle von Misshandlungen bekannt. Eine Festnahme erfolgt nur, wenn gegen eine Person aufgrund anderer Delikte ermittelt wird. Albanien kommt seinen im Rücknahmeabkommen mit der EU kodifizierten Verpflichtungen nach.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor. Die Angaben der BF bei der Einvernahme vor dem BFA waren grundsätzlich schlüssig und plausibel und können der Entscheidung daher zugrunde gelegt werden.

Die Identität der BF wird durch ihre Angaben dazu, die mit dem vorliegenden Foto aus ihrem Reisepass übereinstimmen, belegt. Die Ausreise aus Albanien und ihr anschließender Aufenthalt in Belgien, Italien und Österreich wird anhand ihrer Angaben festgestellt. In Bezug auf die Verwendung gefälschter italienischer Dokumente für die Weiterreise nach Irland war die BF geständig; die entsprechenden Feststellungen ergeben sich auch aus dem polizeilichen Amtsvermerk vom 16.09.2019. Ihre Unbescholtenheit in Österreich geht aus dem Strafregister hervor; Anhaltspunkte für strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten bestehen nicht.

Es sind keine Anhaltspunkte für eine Integration der BF in Österreich zutage getreten, zumal sie ohnehin gleich nach Irland weiterreisen wollte. Sie gab vor dem BFA an, dass sie einen - mittlerweile abgelaufenen - belgischen Aufenthaltstitel gehabt habe, konnte aber kein entsprechendes Dokument vorlegen, sodass auch keine besondere Bindung an Belgien festgestellt werden kann. Eine solche kann auch nicht aus ihrer Aussage, sie habe in Belgien einen Italiener heiraten wollen, abgeleitet werden, zumal sie dazu nur eine vage Andeutung machte. Da ihr bei einer solchen Eheschließung der Status einer begünstigten Drittstaatsangehörigen (und dementsprechend allenfalls auch ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht) zugekommen wäre, hätte in diesem Fall keine Notwendigkeit bestanden, sich um viel Geld und mit beträchtlichem Risiko gefälschte Dokumente für die Weiterreise nach Irland zu beschaffen.

Die BF hat keine Gründe für die beabsichtigte Asylantragstellung in Irland angegeben und lediglich erklärt, sie wollte danach nach England reisen, um dort zu arbeiten. Beim Vorliegen von Fluchtgründen, die sie an der Rückkehr nach Albanien hindern, wäre zu erwarten, dass sie in Belgien, Italien oder Österreich internationalen Schutz beantragt und nicht in ihre Abschiebung nach Albanien einwilligt, wie sie es hier getan hat (siehe Seite 5 der Niederschrift vom 16.09.2019). Es ist daher davon auszugehen, dass keine Gründe für die Zuerkennung von internationalem Schutz vorliegen, zumal Albanien ein sicherer Herkunftsstaat gemäß § 19 Abs 5 BFA-VG iVm § 1 Z 7 HStV ist, was nach der Rechtsprechung des VwGH für die Annahme einer grundsätzlich bestehenden staatlichen Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden dieses Staates spricht (siehe zuletzt VwGH 26.06.2019, Ra 2019/20/0050).

Da auch der Beschwerde weder relevante private oder familiäre Bindungen der BF in Österreich oder anderen Vertragsstaaten noch Gründe für einen Antrag auf internationalen Schutz zu entnehmen sind, ist von deren Fehlen auszugehen.

Bei der Einvernahme gab die BF neben Bargeld von EUR 4 keinen weiteren finanziellen Mittel an. Dies korrespondiert mit der Aufenthaltsinformation der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung, aus der Barmittel von EUR 4,10 hervorgehen. Für die in der Beschwerde behauptete Überweisung von EUR 500 durch die Mutter der BF liegen keine Beweise vor. Die BF hat auch keine Angaben zur Herkunft dieser Mittel gemacht, sodass keine gesicherte Grundlage für eine entsprechende Feststellung besteht.

Die Feststellungen zur Lage in Albanien beruhen auf den vom BF nicht beanstandeten Länderinformationen, die im angefochtenen Bescheid unter Angabe konkreter Quellen angegeben wurden. Die Behörde hat dabei Berichte verschiedener allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Es wurden im Verfahren keine Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit dieser Informationen Bedenken aufkommen ließen. Auch in der Beschwerde werden weder die Aktualität noch die inhaltliche Richtigkeit dieser Informationen in Zweifel gezogen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Zu Spruchpunkt 1. (Rückkehrentscheidung):

Die BF ist als albanische Staatsangehörige mit einem biometrischen Reisepass von der Visumpflicht für einen Aufenthalt im Schengengebiet, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, gemäß Art 4 Abs 1 iVm Anhang II Teil 1 der Verordnung (EU) 2018/1806 (EU-Visum-Verordnung) befreit. Sie konnte daher unter den Einreisevoraussetzungen des Art 6 Abs 1 lit a, c, d und e der Verordnung (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex [SGK]; vgl. § 2 Abs 4 Z 22a FPG) in das Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten einreisen und sich dort gemäß Art 20 Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ; vgl. § 2 Abs 4 Z 6 FPG) unter den Voraussetzungen des Art 5 Abs 1 lit a, c, d und e SDÜ frei bewegen. Zu diesen Voraussetzungen gehört unter anderem, dass sie den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen kann, über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des beabsichtigten Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem ihre Zulassung gewährleistet ist, verfügt oder in der Lage ist, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben, und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaats darstellt.

Gemäß Art 6 Abs 4 SGK werden die Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts nach der Dauer und dem Zweck des Aufenthalts und unter Zugrundelegung der Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung in dem betreffenden Mitgliedstaat nach Maßgabe eines mittleren Preisniveaus für preisgünstige Unterkünfte bewertet, die um die Zahl der Aufenthaltstage multipliziert werden. Die Feststellung ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts kann anhand von Bargeld, Reiseschecks und Kreditkarten erfolgen, die sich im Besitz des Drittstaatsangehörigen befinden. Sofern in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehen, können auch Verpflichtungserklärungen und - im Falle des Aufenthalts eines Drittstaatsangehörigen bei einem Gastgeber - Bürgschaften von Gastgebern im Sinne des nationalen Rechts Nachweise für das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellen.

Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).

Die BF hatte am XXXX.09.2019 die erlaubte visumfreie Aufenthaltsdauer bereits deutlich überschritten, weil sie am XXXX.01.2019 nach Belgien eingereist war und das Schengengebiet danach bis zu ihrer Abschiebung nicht mehr verlassen hatte. Außerdem widersprachen ihre Einreise und ihr Aufenthalt Art 6 Abs 1 lit e SGK und Art 5 Abs 1 lit e SDÜ, weil sie beabsichtigte, mit einem gefälschten italienischen Ausweisdokument nach Irland weiterzureisen und damit eine Straftat (Fälschung besonders geschützter Urkunden, §§ 223 f StGB) beging. Schon die Absicht der Begehung einer Straftat reicht aus, um ein gefährdendes Verhalten iSd Art 6 Abs 1 lit e SGK und Art 5 Abs 1 lit e SDÜ anzunehmen.

Die Einschätzung des BFA, die BF habe das Vorhandensein ausreichender Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht nachgewiesen, ist nicht zu beanstanden, zumal sie bei der Festnahme nur EUR 4 bei sich hatte und keine Bescheinigungsmittel für weitere finanzielle Mittel vorlegte. Insbesondere wurden keine Nachweise für den behaupteten Geldtransfer durch ihre Mutter vorgelegt. Da die BF volljährig ist, eine abgeschlossene Ausbildung hat und bereits mehrere Jahre lang erwerbstätig und somit selbsterhaltungsfähig war, besteht kein Unterhaltsanspruch gegen ihre Mutter, sodass nicht ersichtlich ist, ob sie einen Rechtsanspruch auf diese Mittel hat. Ebensowenig ist erkennbar, dass diese nicht aus illegalen Quellen stammen. Außerdem hatte die BF gar nicht vor, nach Albanien zurückzukehren, sondern wollte nach Irland weiterreisen und später im Vereinigten Königreich arbeiten, sodass EUR 500 für die Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung während der beabsichtigten Aufenthaltsdauer und für die Rückreise nach Albanien nicht als ausreichend anzusehen sind, zumal die BF keine Möglichkeit hatte, weitere Unterhaltsmittel auf legalem Weg zu erwerben.

Die BF hielt somit die Bedingungen und Befristungen für den visumfreien Aufenthalt nicht ein und konnte auch keinen (erlaubten) Zweck ihres Aufenthalts iSd Art 6 Abs 1 lit c SGK und Art 5 Abs 1 lit e SDÜ belegen, zumal sie damit die Weiterreise nach Irland ohne die dafür notwendigen Voraussetzungen bezweckte. Das BFA ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass ihr Aufenthalt nicht rechtmäßig iSd § 31 Abs 1a FPG war. Es lag keine der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 FPG für einen rechtmäßigen Aufenthalt vor.

Bei der Erlassung des angefochtenen Bescheids lagen keine Gründe für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG ("Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz") an die BF vor, weil ihr Aufenthalt nie geduldet iSd § 46a FPG war und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie Zeuge oder Opfer strafbarer Handlungen oder Opfer von Gewalt wurde. Im Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG hält sie sich nicht mehr im Bundesgebiet auf, weshalb eine Voraussetzung für die amtswegige Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG weggefallen ist. Die im ersten Satz von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Nichterteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung hat daher im vom BVwG neu gefassten Spruch zu entfallen (siehe VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234).

Gemäß § 52 Abs 1 FPG hat das BFA eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn sich ein Drittstaatsangehöriger oder eine Drittstaatsangehörige nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Z 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Z 2).

Eine Rückkehrentscheidung, die in das Privat- oder Familienleben eingreift, ist zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob dieser rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthalts in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9) zu berücksichtigen. Gemäß § 9 Abs 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

Bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (siehe z.B. VwGH 25.04.2019, Ra 2019/19/0114).

Hier ist mit der Rückkehrentscheidung kein Eingriff in das Familienleben der volljährigen, alleinstehenden BF verbunden. Es bestehen keine signifikanten privaten, sozialen, beruflichen oder gesellschaftlichen Anknüpfungen in Österreich oder anderen Vertragsstaaten. Die BF hat starke Bindungen zu ihrem Heimatstaat Albanien, wo sie einen großen Teil ihres Lebens, insbesondere die prägenden Jahre der Kindheit und Jugend, verbrachte, eine Ausbildung absolvierte, einer Erwerbstätigkeit nachging und einen familiären Bezug in der Person ihrer Mutter hat. Da sie eine erwachsene, gesunde Frau mit einer abgeschlossenen tertiären Ausbildung ist, wird es ihr möglich sein, sich nach der Rückkehr nach Albanien dort auch wieder eine Existenzgrundlage zu schaffen.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit der BF vermag weder ihr Interesse an einem Verbleib zu verstärken noch das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Aufgrund des unrechtmäßigen Aufenthalts und der Verwendung gefälschter Dokumente sind ihr Verstöße gegen die öffentliche Ordnung iSd § 9 Abs 2 Z 7 BFA-VG anzulasten. Den Behörden zurechenbare überlange Verfahrensverzögerungen liegen nicht vor.

In einer Gesamtbetrachtung ergibt sich bei der nach § 9 BFA-VG iVm Art 8 Abs 2 EMRK vorzunehmenden Interessenabwägung, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der BF schwerer wiegt als persönliche Interessen am Verbleib, zumal der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt. Das BFA ging somit im Ergebnis zu Recht davon aus, dass Art 8 EMRK durch die Rückkehrentscheidung nicht verletzt wird.

Gegen die BF ist daher eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, die aufgrund ihrer zwischenzeitig erfolgten Abschiebung nicht mehr auf § 52 Abs 1 Z 1 FPG gestützt wird, sondern die weitere Rechtsgrundlage in § 52 Abs 1 Z 2 FPG findet (siehe (VwGH 21.12.2017, Ra 2017/21/0234). Der zweite Satz von Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist mit dieser Maßgabe als Punkt 1. des neu gefassten Spruchs zu bestätigen.

Zu Spruchpunkt 2. (Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung):

Für die gemäß § 52 Abs 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Hier trifft keine dieser Voraussetzungen zu. Konkrete Gründe für die Unzulässigkeit der Abschiebung gehen weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Vorbringen der BF hervor. Unter Berücksichtigung der stabilen Situation in Albanien sowie der Lebensumstände der gesunden und arbeitsfähigen BF ist die Feststellung der Zulässigkeit ihrer Abschiebung, die hier in erster Linie die Funktion hat, den Zielstaat der Abschiebung festzulegen (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2019/21/0044), nicht korrekturbedürftig.

Zu Spruchpunkt 3. (Einreiseverbot):

Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.

Ein Einreiseverbot ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des oder der Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Aus der Mittellosigkeit der BF resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs 2 FPG gerechtfertigt ist (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309). Da der BF neben dem Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel auch zur Last fällt, dass sie gefälschte Dokumente verwendete und versuchte, eine unrichtige Identität als EWR-Bürgerin vorzutäuschen, um so unbehelligt nach Irland weiterzureisen, geht von ihr eine signifikante Gefährdung öffentlicher Interessen aus. Dem BFA ist vor diesem Hintergrund darin beizupflichten, dass für sie keine günstige Zukunftsprognose erstellt werden kann und Wiederholungsgefahr besteht.

Mangels entgegenstehender familiärer oder privater Interessen der BF sind die Voraussetzungen für die Erlassung eines maximal fünfjährigen Einreiseverbots erfüllt. Dessen Dauer ist aber - in teilweiser Stattgebung der Beschwerde - auf zwei Jahre zu reduzieren, was dem Fehlverhalten der (noch) unbescholtenen BF entspricht, zumal nur ein Tatbestand des § 53 Abs 2 FPG erfüllt ist. Dadurch bleibt auch eine Steigerung der Sanktion bei einem neuerlichen, allenfalls schwerwiegenderen Fehlverhalten möglich.

Zu den Spruchpunkten 4. und 5. (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung; Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise):

Da die BF sich in Italien gefälschte Dokumente beschaffte, um damit über Österreich nach Irland weiterzureisen, obwohl sie kaum finanzielle Mittel hatte und die zulässige visumfreie Aufenthaltsdauer bereits überschritten war, ist die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG nicht zu beanstanden. Gründe für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG liegen nicht vor. Daran anknüpfend ist gemäß § 55 Abs 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen; dies gilt unabhängig von einem allenfalls später geplanten Antrag auf Aufhebung oder Verkürzung des Einreiseverbots.

Zum Entfall einer Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG die beantragte Beschwerdeverhandlung, von der keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist.

Zu Spruchteil C):

Die Revision ist nicht zu zulassen, weil das BVwG keine qualifizierte Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte. Die bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorzunehmende Interessenabwägung und die Erstellung einer Gefährdungsprognose können jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden (vgl. VwGH 10.07.2019, Ra 2019/19/0186).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Interessenabwägung, öffentliche
Interessen, Resozialisierung, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2224461.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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