TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/12 W117 2224333-2

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Veröffentlicht am 12.11.2019
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Entscheidungsdatum

12.11.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W117 2224333-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit StA Algerien, alias Marokko, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde am 15.07.2019 mit Bescheid des BFA, RD

Kärnten, GZ: 15-1076149302/190708048, gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft genommen. Begründet wurde die Schubhaft damit, dass Fluchtgefahr bestehe, dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise in das Bundesgebiet keinen ordentlichen Wohnsitz aufweist, mehrmals straffällig wurde, und er sich einer Abschiebung in seinen Herkunftsstaat entziehen werde.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde. Diese wurde mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.10.2019, GZ W 250 2224333-1/21E, als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

"1. Feststellungen

1. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der BF hat keine Unterlagen vorgelegt, die seine Identität bescheinigen. Er gibt an ein Staatsangehöriger Tunesiens zu sein, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

1.2. Der BF weist in Österreich folgende Verurteilungen auf:

1.2.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 04.11.2015 wurde der BF wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, wobei ein Teil von 6 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurde. Die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Taten hat der BF am 09.07.2015, am 10.07.2015, am 15.07.2015 sowie am 21.08.2015 begangen.

1.2.2. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 26.04.2016 wurde der BF wegen des Vergehens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 Abs. 1 erster Fall, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Die diesem Urteil zu Grunde liegenden Straftaten hat der BF im Zeitraum von Anfang Jänner 2016 bis 13.03.2016 sowie am 15.03.2016 begangen.

1.2.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 30.08.2017 in Verbindung mit einem Urteil eines Oberlandesgerichtes vom 22.02.2018 wurde der BF wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage gemäß § 288 Abs. 1 und Abs. 4 StGB und wegen des Vergehens der Verleumdung gemäß § 297 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Taten hat der BF während seiner Anhaltung in Strafhaft am 17.03.2016 und 26.04.2016 begangen.

1.2.4. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 17.05.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 zweiter Fall StGB und wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Die dieser Verurteilung zu Grunde liegenden Taten hat der BF während seiner Anhaltung in Strafhaft am 26.08.2016 begangen.

1.3. Der BF leidet an Schmerzen am linken Bein auf Grund eines Treppensturzes vor ca. 2 Wochen. Er nimmt an Medikamenten Schmerzmittel und Augentropfen ein. Er ist haftfähig.

1.4. Der BF wird seit 15.07.2019 in Schubhaft angehalten.

1.5. Der BF wurde von 15.03.2016 bis 15.07.2019 in Strafhaft angehalten. Das Bundesamt leitete am 13.02.2017 bei der tunesischen Vertretungsbehörde ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF ein. Mit Schreiben vom 22.04.2017 teilte die tunesische Vertretungsbehörde mit, dass der BF unter den von ihn angegebenen Identitätsdaten den lokalen Behörden nicht bekannt sei. Am 29.10.2018 leitete das Bundesamt ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der Vertretungsbehörde Marokkos ein, am 31.05.2019 wurde auch ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der Vertretungsbehörde Algeriens eingeleitet. Am 17.07.2019 erfolgte neuerlich ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der Vertretungsbehörde Tunesiens. Sämtliche Verfahren werden vom Bundesamt urgiert, in keinem der ab dem Jahr 2018 eingeleiteten Verfahren wurde bisher mitgeteilt, dass für den BF kein Heimreisezertifikat ausgestellt werde. Da der BF unter seinen angegebenen Identitätsdaten nicht identifiziert werden konnte, sind genauere Erhebungen in den angegebenen Staaten erforderlich. Dass für den BF ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird, erscheint weiterhin möglich.

2. Zum Sicherungsbedarf und zur Fluchtgefahr

2.1. Der BF reiste im Jahr 2015 unrechtmäßig nach Österreich ein und tauchte wenige Tage nach Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz am 02.07.2015 unter. Damit hat er sich seinem Asylverfahren in Österreich entzogen.

2.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 23.04.2016 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.10.2016 abgewiesen. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2019 wurde gegen den BF neuerlich eine Rückkehrentscheidung getroffen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.03.2019 abgewiesen. Es liegt eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

2.3. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 15.07.2019 verweigerte der BF jegliche Kooperation mit dem Bundesamt und beantwortete die an ihn gestellten Fragen nicht.

2.4. Der BF verweigerte die Unterschriften zur Bestätigung des Erhaltes des Schubhaftbescheides am 15.07.2019.

2.5. Der BF befand sich von 15.07.2019 bis 03.08.2019, von 09.08.2019 bis 21.08.2019, von 24.09.2019 bis 26.09.2019, 28.09.2019 bis 03.10.2019, 05.10.2019 bis 09.10.2019 und seit 14.10.2019 in Hungerstreik, am 24.07.2019 verschluckte der BF zwei Rasierklingen, um seine Freilassung aus der Schubhaft zu erzwingen.

3. Familiäre und soziale Komponente

3.1. In Österreich befinden sich keine Familienangehörigen des BF, über ein soziales Netzwerk verfügt er nicht.

3.2. Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. In Österreich verfügte er noch nie über eine Meldeadresse außerhalb einer Justizanstalt.

3.3. In Österreich ging der BF keiner legalen Beschäftigung nach und er verfügt über kein Vermögen.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akt des Bundesamtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das Asyl- sowie das fremdenpolizeiliche Verfahren des BF betreffend und aus dem vom BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck. Einsicht genommen wurde in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres sowie in das Zentrale Melderegister.

Insbesondere ist es dem BF nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass er hinkünftig mit der Behörde kooperieren werde und sich im Falle seiner Freilassung - allenfalls unter Anordnung eines gelinderen Mittels - seiner Abschiebung stellen werde. Er gab in der mündlichen Verhandlung zwar an, dass er einem gelinderen Mittel nachkommen würde, doch erscheint dies unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF als nicht glaubwürdig. Der BF hat bereits wenige Tage nach Stellung seines Asylantrages Straftaten begangen, die zu seiner Verurteilung geführt haben. Nicht einmal durch das verspürte Haftübel konnte er von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden. In Österreich verfügte der BF noch nie über eine Meldeadresse außerhalb einer Justizanstalt oder eines Polizeianhaltezentrums.

Die vom BF gemachten Angaben zu seiner Person sind in hohem Maße unglaubwürdig. Er machte laut Verwaltungsakt bisher zwar stets gleichlautende Angaben zu seinem Namen, seinem Geburtsdatum und seiner Staatsangehörigkeit. Doch gab er in der Erstbefragung an, dass sein Vater XXXX heiße und so wie seine Mutter vor ca. 10 Jahren, also etwa im Jahr 2005 verstorben sei. Der BF sei ledig und habe keine weiteren Verwandten im Herkunftsstaat. Im Rahmen seiner Festnahme gab der BF am 07.10.2015 vor der Landespolizeidirektion Wien an, dass sein Vater XXXX heiße, während er bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 14.03.2016 angab, dass sein Vater XXXX heiße. In dieser Einvernahme gab er auch erstmals an, dass er verheiratet sei und eine Frau und eine Tochter in Tunesien habe. Bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt gab der BF schließlich an, dass er neben seiner Ehefrau und seiner Tochter noch zwei Brüder und eine Schwester in Tunesien habe. Außerdem gab er dabei an, dass seine Eltern im Jahr 2013 verstorben seien. In der mündlichen Verhandlung gab er an, dass er lediglich einen Bruder und eine Schwester habe, seine Eltern seien im Jahr 2014 verstorben. Der BF ist daher in hohem Maße unglaubwürdig, weshalb berechtigte Zweifel daran bestehen, ob die vom BF angegebenen Identitätsdaten der Wahrheit entsprechen. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass der BF in seiner Erstbefragung angab, noch nie ein Reisedokument besessen zu haben, während er in seiner Einvernahme durch das Bundesamt einräumte, dass er über einen Reisepass verfügt habe, den er in der Türkei zerrissen habe, während er in der Beschwerdeverhandlung angab, ohne Reisepass aus Tunesien ausgereist zu sein.

Dass der BF schlecht sehe, wie von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, konnte nicht festgestellt werden, da sich aus der Stellungnahme des AKH Wien vom 24.07.2019 ergibt, dass der BF bei der Untersuchung trotz seiner Angabe schlecht zu sehen im Raum orientiert war, Blickkontakt aufnehmen und bei einem Test eine kleine Kugel problemlos greifen konnte.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu I.

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war insofern zu rechnen, als bereits eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorlag und Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei den Vertretungsbehörden Algeriens und Marokkos eingeleitet waren.

Das Bundesamt geht erkennbar auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 3 und 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG ist bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Zuletzt wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 07.02.2019 eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen. Seinem Asylverfahren hat sich der BF entzogen, sodass im September 2015 die Einstellung des Asylverfahrens verfügt wurde. Durch dieses Verhalten ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG sind bei Beurteilung der Fluchtgefahr der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF verfügt in Österreich über keine Familienangehörige. Er übt keine legale Erwerbstätigkeit aus und besitzt keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Auch über ein soziales Netz verfügt der BF nicht. Es ist daher von keinen Umständen auszugehen, die gegen das Vorliegen einer Fluchtgefahr sprechen oder diese auch nur geringfügig vermindern könnten.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich daher, dass die Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 3 und 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG erfüllt sind. Das Bundesamt ist daher zu Recht von Fluchtgefahr ausgegangen. Dem Vorbringen des BF in seiner Beschwerde es liege keine Fluchtgefahr vor, war daher nicht zu folgen.

Das Bundesamt ist auch zu Recht von Sicherungsbedarf ausgegangen. Der BF hat vor seiner Einreise nach Österreich sein Reisedokument vernichtet und verschiedene Angaben zum Namen seines Vaters, dem Zeitpunkt des Todes seiner Eltern, zu seinen Geschwistern und seiner Ehefrau und seinem Kind gemacht. Damit versuchte er seine Identifizierung zu erschweren. Bereits zwei Tage nach der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erschien der BF nicht zu seiner Erstbefragung sondern tauchte unter um bereits am 09.07.2019, also nur eine Woche nach der Stellung seines Antrages auf internationalen Schutz strafbare Handlungen zu begehen. Auch nach seiner Haftentlassung im Dezember 2015 verfügte der BF über keine Meldeadresse sondern er nahm unangemeldet Unterkunft.

Auf Grund der familiären und sozialen Situation des BF ist die Anordnung der Schubhaft auch verhältnismäßig.

Auch der Gesundheitszustand des BF steht der Anhaltung in Schubhaft nicht entgegen. In der Einnahme von Schmerztabletten auf Grund einer Verletzung des linken Fußes nach einem Treppensturz sowie dem Einnehmen von Augentropfen können keine die Verhältnismäßigkeit ausschließenden Umstände abgeleitet werden. Die vom BF vorgebrachte "bevorstehende" Augenoperation reicht ebenfalls nicht aus, um die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft in Zweifel zu ziehen, da diese entsprechend den vorgelegten medizinischen Unterlagen bereits im März 2016 geplant war, jedoch auf Grund der Strafhaft des BF nicht durchgeführt wurde. Aus dem Bericht des AKH vom 24.07.2019 ergibt sich, dass es sich dabei um eine Operation am Lid handelt, um ein Fremdkörpergefühl im Auge zu beseitigen.

Zum Vorbringen des BF in seiner Beschwerde, die hier zu prüfende Schubhaft sei unverhältnismäßig, da es dem Bundesamt während der Anhaltung des BF in Strafhaft nicht gelungen sei, ein Heimreisezertifikat zu erlangen und auch nunmehr nicht die Aussicht auf Erlangung eines Heimreisezertifikates besteht, wird folgendes ausgeführt. Das Bundesamt hat während der Anhaltung des BF in Strafhaft Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates bei den Vertretungsbehörden Tunesiens, Algeriens und Marokkos eingeleitet. Lediglich von Tunesien wurde mitgeteilt, dass der BF unter den von ihm angegebenen Daten nicht identifiziert werden konnte. Es liegt daher im Fall der hier zu prüfenden Schubhaft keine Unverhältnismäßigkeit wegen Untätigkeit der Behörde während der Anhaltung des BF in Strafhaft vor. Doch auch was die Dauer der derzeit anhängigen Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates betrifft, kann darin keine Unverhältnismäßigkeit erkannt werden. Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, sind die vom BF angegebenen Identitätsdaten nicht glaubhaft. Dokumente zum Nachweis seiner Identität hat er bisher nicht vorgelegt, um seine Identifizierung zu erschweren. Es liegt daher ausschließlich im Verhalten des BF, dass die Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht zügig durchgeführt werden können. Da bisher weder die Vertretungsbehörden Marokkos und Algeriens noch jene Tunesiens auf Grund des im Juli 2019 erneut gestellten Antrages auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates mitgeteilt haben, dass kein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt werde, kann zu Recht davon ausgegangen werden, dass die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF innerhalb der Schubhafthöchstdauer möglich ist. Dass in einem derart gelagerten Fall keine Unverhältnismäßigkeit vorliegt, hat auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.01.2017, Ra 2016/21/0348, ausgesprochen.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Der BF weist insbesondere Vorstrafen wegen Vermögensdelikten auf. Bemerkenswert ist dabei, dass er bereits wenige Tage nach seinem Antrag auf internationalen Schutz Vermögensdelikte begangen hat. Der BF zog es offensichtlich vor, gewerbsmäßig Diebstähle zu begehen, obwohl er Anspruch auf Grundversorgung hatte. Von der Grundversorgung wurde er jedoch wegen unbekannten Aufenthaltes abgemeldet. Selbst durch die Verbüßung einer Haftstrafe konnte er nicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden, da er bereits kurze Zeit nach seiner Haftentlassung neuerlich einschlägige Vermögensdelikte beging. Es ist daher davon auszugehen, dass der BF auch künftig Vermögensdelikte begehen werde, sodass der Aufenthalt des BF die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet und ein besonders hohes öffentliches Interesse an der baldigen Außerlandesbringung des BF besteht. Erhöht wird dieses öffentliche Interesse jedoch noch wesentlich dadurch, dass der BF sogar in Strafhaft gerichtlich strafbare Taten sie insbesondere Widerstand gegen die Staatsgewalt begangen hat.

Die Anhaltung des BF in der zu prüfenden Schubhaft ist daher insgesamt verhältnismäßig.

Ein gelinderes Mittel kam zu Recht nicht zur Anwendung, da auf Grund des bisherigen Verhaltens des BF nicht damit zu rechnen ist, dass er diesem nachkommen werde. Der BF ist bereits kurze Zeit nach seinem Antrag auf internationalen Schutz untergetaucht, ist zu seiner Erstbefragung nicht erschienen und hat Straftaten begangen. Auch nach seiner Entlassung aus der Strafhaft ist der BF untergetaucht und hat wiederum Straftaten begangen. Vor der Anordnung der Schubhaft verweigerte der BF die Kooperation mit dem Bundesamt sogar bei seiner Einvernahme und beantwortete keine der an ihn gerichteten Fragen. Die Anordnung eines gelinderen Mittels kommt daher nicht in Betracht. Den Ausführungen des BF in seiner Beschwerde, mit der Anordnung eines gelinderen Mittels hätte das Auslangen gefunden werden können, war daher nicht zu folgen.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher auch eine "ultima ratio" dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt hätte. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG abzuweisen.

Zu II.

Der BF befindet sich zum Zeitpunkt der Entscheidung in Schubhaft, es ist daher eine Entscheidung über die Fortsetzung der Schubhaft zu treffen.

Unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Schubhaft besteht aus Sicht des erkennenden Gerichtes kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 3 und 9 FPG weiterhin Fluchtgefahr vorliegt.

Aus den oben zu Spruchpunkt I. dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Insbesondere kann im Zeitpunkt der Entscheidung aus folgenden Erwägungen mit der Anordnung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden:

Auf Grund des bisher vom BF gezeigten Verhaltens des völligen Negierens seiner fremdenrechtlichen Verpflichtungen und seiner groben Missachtung der Rechtsordnung durch wiederholte Begehung von Straftaten sowie der Verweigerung der Kooperation mit dem Bundesamt und insbesondere seines Verhaltens nach Anordnung der Schubhaft, in der er mehrmals durch Hungerstreik seine Entlassung erzwingen wollte, ist es auszuschließen, dass er auf freiem Fuß für die Behörde greifbar sein werde. In der mündlichen Verhandlung versuchte er sein Verhalten dadurch zu rechtfertigen, dass ihm die Rechtslage nicht bekannt gewesen sei und man ihm nicht geholfen habe. Diese Aussagen sind insofern unglaubhaft, als dem BF bei seiner Erstbefragung nachweislich Informationsblätter über Rechte und Pflichten der Asylwerber ausgefolgt wurden und er auch in der Grundversorgung betreut wurde. Die Abmeldung von der Grundversorgung erfolgte jeweils wegen unbekannten Aufenthaltes des BF. Das durchgeführte Verfahren hat keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass der BF nicht wieder versuchen wird, sich dem Zugriff des Bundesamtes zu entziehen.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen."

Am 11.11.2019 legte das Bundesamt den gegenständlichen Akt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor und führte unter anderem aus:

"Weiters wurde der Antrag auf Ausstellung eines HRZ bei der Botschaft von Marokko am 29.10.2018 gestellt, am 21.01.2019 und 14.10.2019 urgiert. Der Antrag auf Ausstellung eines HRZ wurde bei der Botschaft von Algerien am 31.05.2019 gestellt und am 09.07.2019, am 10.07.2019 (telef. Urgenz), am 16.09.2019, am 10.10.2019 und am 14.10.2019 (telefonische Urgenz) urgiert. Das BFA betreibt weiterhin die Verfahren zur Erlangung eines HRZ bei den angeführten Vertretungsbehörden (Tunesien, Marokko bzw. Algerien). Neuerliche Urgenzen an die angeführten Botschaften ergehen mit heutigem Datum. Es wird seitens des BFA zeitnah mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates gerechnet.

Im Verfahren haben sich keine Umstände ergeben, die gegen die rechtliche und faktische Durchführbarkeit einer Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer sprechen.

Der Beschwerdeführer hat sich während der Schubhaft in nachstehenden Zeiträumen im Hungerstreik befunden:

15.07.2019, 08:20 Uhr bis 03.08.2019, 08:20 Uhr

09.08.2019, 07:00 Uhr bis 21.08.2019, 11:30 Uhr

24.09.2019, 06:30 Uhr bis 26.09.2019, 09:30 Uhr

28.09.2019, 11:00 Uhr bis 03.10.2019, 15:30 Uhr

05.10.2019, 07:30 Uhr bis 09.10.2019, 09:20 Uhr

14.10.2019, 06:15 Uhr bis 17.10.2019, 09:00 Uhr

Heilbehandlung wurde von ha. angeordnet. Diese Hungerstreiks wurden von ihm freiwillig

beendet."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Verfahrensgang und die vom Bundesverwaltungsgericht im obzitierten Erkenntnis vom 18.10.2019, GZ W 250 2224333-1/21E, getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Es sind auch aktuell keinerlei Umstände aufgetreten, die zu einem vom Vorerkenntnis abweichenden und für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechenden Sachverhalt führen könnten, sodass die ausschließlich vom Beschwerdeführer zu verantwortende Schubhaft - insbesondere Hungerstreik; Nichtwirkung an der Identitätsfeststellung - weiter fortzusetzen ist.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Vorerkenntnissen übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche zutreffende Beweiswürdigung zu verweisen.

Die ergänzende Feststellung ergibt sich als logische Konsequenz daraus im Zusammenhang mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer aktenkundig die im Verfahrensgang angeführten, seine Verbringung in den Herkunftsstaat erschwerende Verhaltensweisen setzte und sohin zwischenzeitlich keinerlei für den Beschwerdeführer sprechende Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates ist auch zum heutigen Zeitpunkt möglich; weder Marokko noch Algerien haben aktuell Absagen erteilt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A. (Fortsetzung der Schubhaft):

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher bereits der angeführten Vorentscheidung zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, auch keine zwischenzeitlich für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren; es wird daher die rechtliche Beurteilung des Vorerkenntnisses vom 18.10.2019, GZ W 250 2224333-1/21E zur rechtlichen Beurteilung erhoben.

Die von der Verwaltungsbehörde gesetzten Bemühungen zeigen jedenfalls (zumindest) in Bezug auf Marokko und Algerien, dass weiterhin mit einer Rückführung des Beschwerdeführers in dessen Herkunftsstaat zu rechnen ist.

Im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer erweist sich die bisherige Anhaltung jedenfalls auch als verhältnismäßig. Auch ist nochmals festzuhalten, dass ausschließlich der Beschwerdeführer selbst die Dauer der Anhaltung zu verantworten hat.

Es war daher die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, öffentliche Interessen,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche
Verurteilung, Überprüfung, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W117.2224333.2.00

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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