TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/27 W265 2222908-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.11.2019
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Entscheidungsdatum

27.11.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W265 2222908-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 09.05.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 14.08.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des festgestellten Grades der Behinderung in Höhe von 50 (fünfzig) von Hundert (v.H.) vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte erstmals im Jahr 2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet), welcher nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und der Feststellung des Leidens "Morbus Crohn" mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. abgewiesen wurde.

Am 20.12.2018 stellte die durch den Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland (im Folgenden auch als KOBV bezeichnet) bevollmächtigt vertretene Beschwerdeführerin erneut einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" sowie auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b StVO (Parkausweis) und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin unter Anwendung der Bestimmungen der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In dem auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 28.02.2019 basierenden Gutachten vom 03.04.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"Anamnese:

Letzte Begutachtung am 19.1.2018: GdB 30vH wegen M. Crohn

Im Sommer akuter Schub, zusätzlich Gelenksbeschwerden

Derzeitige Beschwerden:

"Die Cortisondosis ist wechselnd je nach Bauchbeschwerden und Gelenksbeschwerden, einerseits ist eine Fibromylagie im Gespräch oder eine Lumboischialgie, Stuhlgang 10-20xtgl, immer dünnflüssig, nur einmal mit Blut, kein Schleim. Schmerzen vor allem in der Hüfte und im Kreuz, auch der linke Fuß ist betroffen, kann nicht lange gehen, im Sommer konnte ich mich überhaupt nicht bewegen."

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel:

Folsan, Quantalan, Prednisolon, Stelara, Noax, Mexalen, Saroten, Pregabalin

Sozialanamnese:

Verheiratet, 3 Kinder

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Diagnosebestätigung Orthopädie vom 11.1.2019. Fibromyalgie, V.a. Polymyalgia rheumatica, Lumboischialgie

Labor 11.9.2018: minimal erhöhte Entzündungsparameter

Ambulanzprotokoll laufend 01-10 2018: XXXX : undulierender Verlauf

Gastroskopie vom 11.10.2018: Refluxösophagitis Histo: C-Gastritis

Coloskopie vom 11.10.2018: Z.n. rechtsseitiger Hemicolektomie,

Ileocolitis Histo:

mäßiggradige Ileitis mit Aktivitätszeichen

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

normal

Größe: 156 cm Gewicht: 59 kg Blutdruck: 130/90

Klinischer Status - Fachstatus:

HNAP frei, keine Lippenzyanose

Hals: keine Struma, keine pathologischen Lymphknoten palpabel

Thorax: symmetrisch Pulmo: VA, SKS

Herztöne: rein, rhythmisch, normofrequent

Abdomen: Leber und Milz nicht palpabel, keine Druckpunkte, keine Resistenzen, Darmgeräusche lebhaft

UE: keine Ödeme, Fußpulse palpabel

NS Griff: unauffällig, FB Abstand: 10cm, ZF Stand: unauffällig, Gelenke weitgehend unauffällig

Untersuchung im Sitzen und Liegen, selbständiges An- und Ausziehen

Gesamtmobilität - Gangbild:

Unauffällig, ohne Hilfsmittel

Status Psychicus:

Allseits orientiert, Ductus kohärent

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Morbus Crohn Unterer Rahmensatz, da guter Allgemein- und Ernährungszustand

07.04.05

30

2

Fibromyalgie/Wirbelsäulenbeschwerden Oberer Rahmensatz, da geringfügige funktionelle Beeinträchtigung

02.01.01

20

 

Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.

 

 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird von Leiden 2 nicht weiter erhöht, da kein relevantes ungünstiges Zusammenwirken besteht.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Erstmalige Berücksichtigung von Leiden 2.

[x] Dauerzustand

...

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Keine. Es besteht eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, unter medikamentöser Therapie stabilisiert, bei gutem Allgemein- und Ernährungszustand, sowie Wirbelsäulenbeschwerden mit geringer funktioneller Beeinträchtigung. Unter Berücksichtigung des hierorts unauffälligen Gangbildes ist daher eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen kurzer Wegstrecken oder bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht begründbar.

2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

..."

Mit Schreiben vom 08.04.2019 brachte die belangte Behörde dem KOBV als bevollmächtigtem Vertreter der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Es wurde keine Stellungnahme abgegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.05.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab und führte begründend aus, dass das medizinische Beweisverfahren einen Grad der Behinderung von 30 v.H. ergeben habe und somit die Voraussetzungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien dem Beiblatt, das einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das ärztliche Sachverständigengutachten übermittelt. Außerdem wurde im Bescheid angemerkt, dass die Durchführung der beantragten Zusatzeintragung in den Behindertenpass nicht möglich sei, da die rechtliche Grundlage dafür, nämlich der Behindertenpass, nicht gegeben sei. Weiters werde über den Antrag auf Ausstellung eines § 29b-Ausweises nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht abgesprochen, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorlägen.

Mit Schreiben vom 17.06.2019, eingelangt bei der belangten Behörde am 18.06.2019, erhob die durch den KOBV bevollmächtigt vertretene Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte sie im Wesentlichen vor, es sei nicht nachvollziehbar, dass lediglich ein Grad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin leide unter oftmaligen (bis zu 20 Mal täglich), unvorhersehbaren und nicht beeinflussbaren Stuhlgängen sowohl am Tag als auch nachts. Diese seien teils blutig, teils schleimig. Die Darmschleimhaut sei fleckfärbig gerötet und geschwollen, es würden oberflächliche Blutungen auf Kontakt auftreten und Ulzera und ausgeprägte Aktivitätszeichen bestehen. Aufgrund der Erkrankung seien die Entzündungszeichen im Blut stark erhöht, der CRP-Wert sei im November 2018 bei 74,2 gelegen. Die Medikation sei nunmehr auf das starke Medikament Stellara umgestellt worden und die Beschwerdeführerin müsse Cortison nehmen. Ein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. sei daher gerechtfertigt. Außerdem könne die Beschwerdeführerin aufgrund der wiederkehrenden, oftmaligen und nicht beeinflussbaren Stuhlgänge keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen. Die Beschwerdeführerin leide weiters unter chronischer Lumboischialgie, einem Fibromyalgiesyndrom sowie Polymyalgie rheumatica. Dadurch sei sie in ihrem Alltag eingeschränkt, lange Gehstrecken würden ihr erhebliche Schmerzen bereiten. Die Beschwerdeführerin sei ebenso in Zwangshaltungen und Positionen im Sitzen, Liegen und Stehen sowie beim Heben und Tragen von schweren Gegenständen eingeschränkt. Zwischen den vorliegenden Gesundheitsschädigungen würde ein relevantes ungünstiges Zusammenwirken bestehen, das von der Sachverständigen nicht berücksichtigt worden sei. Es werde die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Inneren Medizin und Orthopädie sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Beschwerde wurde ein Konvolut an medizinischen Befunden angeschlossen.

Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin und der vorgelegten Befunde ersuchte die belangte Behörde die bereits befasste Sachverständige und Fachärztin für Innere Medizin um eine Stellungnahme. In der auf der Aktenlage basierenden ergänzenden Stellungnahme vom 28.06.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Gegen das am 28.2.2019 durchgeführte Gutachten, in welchem ein GdB 30vH festgelegt wurde wird Einspruch erhoben. Angeführt wird, dass bis zu 20x täglich Stuhlgang besteht, im November der CRP Wert massiv erhöht war und Stelara eingenommen werden muss. Zusätzlich werden noch Gelenksbeschwerden angeführt. Als neuen Befund wird eine Diagnosebestätigung XXXX vom 5.6.2019 eingebracht.

Es handelt sich um eine chronisch entzündliche Darmerkrankung mit dem dafür typischen periodischen Verlauf, behinderungsrelevant ist jedoch der durchschnittliche Verlauf der Erkrankung, wobei seit der letzten Begutachtung eine Gewichtszunahme dokumentiert ist, sodass insgesamt ein stabiler Verlauf besteht. Darüber hinaus ist auch eine höhergradige, anhaltende Stuhlinkontinenz nicht befundbelegt, sodaß diesbezüglich, und auch insgesamt, eine erhebliche Erschwernis der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht ausreichend begründbar ist. Zusammenfassend sind daher die vorgebrachten Argumente, unter Berücksichtigung der vorhandenen Befunde, nicht geeignet, das vorhandene Begutachtungsergebnis zu entkräften, und wird dieses daher auch weiterhin vertreten."

Mit Schreiben vom 02.07.2019 brachte die belangte Behörde dem KOBV als bevollmächtigtem Vertreter der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit Schreiben vom 18.07.2019 gab der KOBV als bevollmächtigter Vertreter der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ab, in welcher ausgeführt wurde, dass die Stellungnahme der Sachverständigen in keinster Weise nachvollziehbar sei. Es bestehe keinesfalls ein stabiler Verlauf der Erkrankung. Im vorgelegten Befund sei als Diagnose Ileocolitis Crohn mit Zeichen ausgeprägter Aktivität festgestellt worden. Aufgrund der starken Ausprägung der Erkrankung habe die Medikation auf Stellara und Cortison umgestellt werden müssen. Dies - ebenso wie die massiv erhöhten Entzündungswerte im Blut - zeige eindeutig, dass kein stabiler Verlauf der Krankheit gegeben sei. Die Gewichtszunahme sei nicht auf eine Besserung des Gesundheitszustandes zurückzuführen, sondern einzig auf die Cortisongabe. Des Weiteren werde auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen, die Anträge auf Einholung eines internistischen und orthopädischen Sachverständigengutachtens würden aufrecht bleiben.

Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführerin ersuchte die belangte Behörde die bereits befasste Sachverständige und Fachärztin für Innere Medizin um eine weitere Stellungnahme. In der auf der Aktenlage basierenden ergänzenden Stellungnahme vom 13.08.2019 wurde Folgendes - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - ausgeführt:

"...

Gegen das am 28.2.2019 durchgeführte Gutachten, in welchem ein GdB 30vH festgelegt wurde, sowie gegen die Stellungnahme vom 28.6.2019 wird Einspruch erhoben. Angeführt wird, dass der Morbus Crohn stark aktiv ist und hohe Entzündungszeichen bestehen, sowie eine Therapieintensivierung stattfand.

Wie schon im Gutachten angeführt, ist in den zuletzt vorliegenden Histologien eine mäßiggradige Ileitis beschrieben, die Entzündungswerte lediglich minimal erhöht. Da die Therapieeinleitung von Stelara wegen einer Unverträglichkeit auf Humira stattfand (siehe Vorgutachten vom 19.1.2018) ist weiterhin von einem stabilen Krankheitsverkauf auszugehen, und daher weiterhin keine Änderung des Gutachtens vom 28.2.2019."

Mit Schreiben vom 13.08.2019, eingelangt bei der belangten Behörde am 14.08.2019, wurde seitens des KOBV als bevollmächtigtem Vertreter der Beschwerdeführerin ein Blutbefund vom 08.07.2019 vorgelegt. Der Entzündungswert CRP sei nunmehr wieder stark erhöht, weshalb keinesfalls davon ausgegangen werden könne, dass die Erkrankung der Beschwerdeführerin stabil sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 14.08.2019 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 09.05.2019, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpass abgewiesen worden war, abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. Mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.

Mit Schreiben vom 23.08.2019 stellte die Beschwerdeführerin, bevollmächtigt vertreten durch den KOBV, fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG. Darin wiederholte sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und verwies auf die bereits aufliegenden Befunde und das Beschwerdevorbringen.

Aufgrund der Einwendungen und vorgelegten Befunde wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts in der Folge eine Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie und Ärztin für Allgemeinmedizin um Erstellung eines Sachverständigengutachtens ersucht. Im auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 21.10.2019 basierenden Gutachten vom selben Tag führte die medizinische Sachverständige - hier in den wesentlichen Teilen wiedergegeben - Folgendes aus:

"...

Anamnese:

Stellungnahme 13.08.2019 XXXX , Abl 64

Stellungnahme 28.06.2019 XXXX , Abl 58

SVG 28.02.2019, XXXX , Abl 40, GdB 30%

SVG 19.01.2018, XXXX , Abl 8, GdB 30%

Derzeitige Beschwerden:

Trotz TH mit Stellara werden bis zu 20 Stühle pro Tag angegeben, teilweise schleimig blutig tangiert, Stuhl kann nicht immer gehalten werden, wird als unaufhaltsam und imperativ beschrieben.

2017 wurde eine Ileozökalresektion durchgeführt ohne wesentlichen TH Erfolg.

Humira wurde beendet wegen zunehmender Psoriasis pustulosa - diese nun besser unter Stellara, aber noch keine Besserung der CED.

Dazu kommen Gelenkbeschwerden mit Schmerzen vor allem auch in der Wirbelsäule (fraglich entzündlich), am Morgen großes Steifigkeitsgefühl - nur langsame Besserung tagsüber. In ihrem Beruf muss Frau XXXX Kinder tragen und heben, uneingeschränkt auf den Boden kommen - dies ist in ihrer derzeitigen Situation nicht möglich.

Behandlung/en I Medikamente I Hilfsmittel:

Folsan, Mexalen, Noax, Oleovit, Pregabalin, Quantalan, Saroten, Stellara

Sozialanamnese:

pädagog. Fachkraft in einer Kindergruppe

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Koloskopie, 11.10.2018, Abl 55:

z. n rechtsseitiger Hemikolektomie

Ileocolitis Crohn mit mikroskopischen Zeichen ausgeprägter Aktivität (ICD-K50.9)

Ärztlicher Befundbericht, Orthopädiezentrum Dr. Sahin, 11.01.2019, Abl 52, 31:

Anhaltende und exazerbierende Lumboischiatgie

V.a. PMR

Morbus Crohn

Schmerz und Schwellung li Fuß

Befundbericht WGKK, 22.02.2019, Abl 50:

Stellare nach Schema - TH noch nicht sehr erfolgreich, Lumbalgien,

Diarrhoen Ambulanzkarte XXXX , 25.102018, Abl. 35:

Beendigung von Humira wegen Psoriasis Pustulosa, zusätzlich Uveitis,

V.a. Arthritis Laborbefund XXXX , 15.112018, Abl. 33:

Hb 11.5, CRP 74.2 mg/L Lipase 970, Amylase 283, GGT 45, AP 118

Gastroskopie, 11.10.2019, Abl. 24:

Refluxösophagitis I

Fibrinbelegte flache Erosionen im Magen

Befundbericht, XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, 05.06.2019, Abl 49:

Chron. Diarrhö bei M. Crohn, Refluxösophagitis, Fibromyalgiesyndrom, chron. Lumboischialgie, z.n. Ileocoecalresektion

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

Reduziert

Ernährungszustand:

Normal

Größe: 156cm Gewicht: 59kg

Klinischer Status - Fachstatus:

Kopf frei beweglich, Hirnnervenaustrittspunkte frei,

Hörvermögen gut, Sehvermögen gut,

Hals: keine vergrößerten Lymphknoten tastbar, Schilddrüse schluckverschieblich,

Herz: Herztöne rhythmisch, rein, normofrequent,

Lunge: Vesiculäratmen, keine Rasselgeräusche, Lungenbasen verschieblich

Bauch: weich, Druckschmerz re OQ und li IJQ, keine Abwehrspannung, Leber und Milz nicht tastbar, Striae rubrae

Wirbelsäule: klopfdolent, eingeschränkte Seitneigung 20-0-20 0

Schulter: frei beweglich, Nacken und Schürzengriff möglich

EBO und Handgelenke: frei beweglich

Finger: frei beweglich

Hüfte: endlagig schmerzbedingt eingeschränkt

Knie: frei beweglich

OSG und Vorfüße: frei beweglich keine Ödeme

Sensibilität und Durchblutung unauffällig sehr blasses Hautkolorit

Gesamtmobilität - Gangbild:

Pat. kommt leicht breitbeinig beidseitig hinkend in die Ordination, an und auskleiden erfolgt im Stehen und sitzen, Lagewechsel möglich aber schmerzvoll in der Wirbelsäule

Status Psychicus:

im negativen Skalenbereich affizierbar, sagt sie wäre ob der Beschwerden verzweifelt, im Ductus klar orientiert

FRAGE 1 und 2)

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

1.) Morbus Crohn

Pos. Nr. 07.04.06 GdB 50%

Unterer Rahmensatz bei schweren Schleimhautveränderungen, Zustand nach rechtsseitiger Hemikolektomie und dauerhafter Immunsupression mit einem Biologikum, die geringgradige Anämie sowie der Vitaminmangel aufgrund der Verdauungsstörung sind in dieser Positionsnummer bereits mit abgebildet, die Refluxösophagitis ist in dieser Positionsnummer mit abgebildet.

2.) Funktionelle Einschränkungen in den Gelenken, insbesondere der Wirbelsäule, Fibromyalgiesyndrom

Pos. Nr. 02.02.02 GdB 30%

Unterer Rahmensatz da funktionelle Einschränkungen in der Wirbelsäule, Morgensteifigkeit und Fibromyalgiesyndrom, geringe Besserung auf analgetische Therapie.

Gesamtgrad der Behinderung 50 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Das führende Leiden 1 wird aufgrund teilweiser Leidensüberschneidung und nicht weiter negativer Leidensbeeinflussung durch das Leiden 2 um keine weitere Stufe erhöht.

Frage 3.)

Bei der Beschwerdeführerin liegt ein Morbus Crohn mit wiederkehrender hoher Aktivität vor, Abl. 72 - erhöhte Entzündungswerte, häufig imperativen Stuhldrängen (bis zu 20/Tag) und Zustand nach operativer Entfernung eines Dickdarmteiles 2017 (Hemikolektomie). Des weiteren erhält die Pat. eine Therapie mit einem Biologikum und immer wieder zusätzlich Kortison um eine Kontrolle der Erkrankungsaktivität zu erreichen. Dies ist bis dato nur eingeschränkt erreicht worden - Befundbericht WGKK, Abl. 50.

In den vorgelegten Befunden kommen rezidiverend erhöhte Entzündungswerte zur Darstellung, in der Coloskopie, Abl.20, eine Ileocolitis Crohn mit makroskopischen Zeichen einer ausgeprägten Aktivität.

Die hohe Aktivität wird in den vorgelegten Befunden dokumentiert.

Des weiteren wurden die Gelenksbeschwerden im Befund Abl. 31 und 52 dokumentiert.

Frage 4.)

Aufgrund der vorgelegten Befunde kommt die Unterfertigte zu einer abweichenden Beurteilung. Es wird in den Befunden wie oben angeführt mehrmals die hohe Aktivität diskutiert und befunddokumentiert. Die Entzündungswerte zeichneten mehrmals trotz Therapie mit einem Biologikum erhöht, die Stuhlfrequenz wird mit 20 / Tag angegeben (dies erschwert objektivierter, da nicht befunddokumentiert).

Somit erfolgt eine höhere Einstufung nach EVO da hier auch die Hemikolektomie, die Refluxösophagitis, die Anämie und der Vitaminmangel mitberücksichtigt werden. Die Gewichtszunahme wird als minimal eingestuft und auch Kortison induziert. Aufgrund der hohen Stuhlfrequenz und der Entzündungswerte ist derzeit kein stabiler Erkrankungsverlauf vorliegend.

Die Stellungnahmen Abl. 58 und Abl. 64 wurden zur Kenntnis genommen.

Frage 5)

Eine Nachuntersuchung ist aus gutachterlicher Sicht in 2 Jahren, 10/2021 indiziert, da eine Besserung durch adäquate Therapie möglich scheint.

..."

Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.11.2019 wurden dem KOBV als bevollmächtigter Vertreter der Beschwerdeführerin sowie der belangten Behörde das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, binnen zwei Wochen ab Zustellung dazu Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 18.11.2019 teilte der KOBV mit, das Ergebnis der Beweisaufnahme werde von der Beschwerdeführerin zur Kenntnis genommen und es werde um ehestmögliche Ausfertigung des Erkenntnisses ersucht.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin brachte am 20.12.2018 den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO und auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" beim Sozialministeriumservice ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 09.05.2019, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 14.08.2019, wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses ab. Ein Abspruch über die Anträge auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" erfolgte im Spruch des Bescheides nicht.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Morbus Crohn

2. Funktionelle Einschränkungen in den Gelenken, insbesondere der Wirbelsäule, Fibromyalgiesyndrom

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Einschätzung und deren wechselseitiger Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 21.10.2019 zu Grunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt aktuell 50 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses und des angefochtenen Bescheides basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland ergibt sich aus dem Akt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das durch das Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 21.10.2019, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag.

Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die sachverständige Gutachterin setzt sich auch mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entspricht den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Im Vergleich zum dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerdevorentscheidung zugrundeliegenden internistischen Sachverständigengutachten vom 28.02.2019 und den ergänzenden Stellungnahmen vom 28.06.2019 und 13.08.2019 ist die führende Funktionseinschränkung "Morbus Crohn" nunmehr unter der Positionsnummer 07.04.06 um zwei Stufen höher mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. statt zuvor unter der Positionsnummer 07.04.05 mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. eingestuft. Die neue Einschätzung ist korrekt, da die Beschwerdeführerin unter häufig imperativen Stuhldrängen bis zu 20 Mal am Tag leidet, außerdem bestehen schwere Schleimhautveränderungen und trotz Therapie mit einem Biologikum rezidivierend erhöhte Entzündungswerte. 2017 wurde der Beschwerdeführerin ein Teil des Dickdarms entfernt. In der Einstufung werden auch die Refluxösophagitis, die Anämie und der Vitaminmangel mitberücksichtigt. Die Gewichtszunahme der Beschwerdeführerin ist minimal und auch auf die Behandlung mit Kortison zurückzuführen. Aufgrund der hohen Stuhlfrequenz und der Entzündungswerte liegt derzeit somit - anders als im Vorgutachten ausgeführt - kein stabiler Erkrankungsverlauf vor. Bei der Beschwerdeführerin bestehen daher chronische Darmstörungen schweren Grades mit schweren chronischen Schleimhautveränderungen, weshalb die gewählte Einstufung vorzunehmen war.

Auch das zweite Leiden ist nunmehr statt zuvor mit der Positionsnummer 02.01.01 und einem Grad der Behinderung von 20 v.H. unter der Positionsnummer 02.02.02 und einem Grad der Behinderung von 30 v.H. eingestuft. Es handelt sich dabei nämlich nicht nur um eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule, sondern um eine generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates. Beim Beschwerdeführer bestehen funktionelle Einschränkungen in der Wirbelsäule, Morgensteifigkeit und ein Fibromyalgiesyndrom, mit analgetischer Therapie kann eine geringe Besserung erzielt werden.

Durch die Erhöhung des führenden Leidens erhöht sich auch der Gesamtgrad der Behinderung auf 50 v.H. Leiden 2 erhöht den Gesamtgrad der Behinderung aufgrund teilweiser Leidensüberschneidung und ohne weiterer negativer Leidensbeeinflussung nicht weiter.

Die Sachverständige empfahl eine Nachuntersuchung im Oktober 2021, da eine Besserung des Leidenszustandes durch adäquate Therapie möglich scheint.

Die Beschwerdeführerin gab im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Parteiengehör vom 18.11.2019 an, das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis zu nehmen. Sie ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093). Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 21.10.2019. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

Wie oben unter Punkt II.2. ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Innere Medizin vom 21.10.2019, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am selben Tag zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin aktuell 50 v.H. beträgt. Die Funktionseinschränkungen wurde im Gutachten entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Beide Parteien sind diesem Sachverständigengutachten im Rahmen des Parteiengehörs nicht entgegen getreten.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses bei der Beschwerdeführerin somit aktuell erfüllt.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.

Die belangte Behörde wird somit der Beschwerdeführerin in der Folge einen Behindertenpass auszustellen haben.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung wurde unter Mitwirkung einer ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) und des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfGH 09.06.2017, E 1162/2017) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG - trotz des in der Beschwerde gestellten Antrages auf eine mündliche Verhandlung - nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W265.2222908.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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