TE Vfgh Erkenntnis 2019/11/27 E1295/2019 ua

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Veröffentlicht am 27.11.2019
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter betreffend eine Familie afghanischer Staatsangehöriger; keine Auseinandersetzung mit den aktuellen UNHCR-Richtlinien und der Rückkehrsituation Minderjähriger

Spruch

I.    1. Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Erkenntnisse, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Die Erkenntnisse werden insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.400,80,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1.       Die Beschwerdeführer sind aus der Stadt Kabul stammende Staatsangehörige von Afghanistan, gehören der Volksgruppe der Hazara an und sind schiitische Moslems. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern der Viert-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführer. Die Drittbeschwerdeführerin ist die Tochter der Zweitbeschwerdeführerin. Nach ihrer Einreise ins Bundesgebiet stellten sie am 20. August 2015 Anträge auf internationalen Schutz. Der Erstbeschwerdeführer begründete seinen Antrag mit der Verfolgung durch Private. Die Zweit-, Dritt- und Sechstbeschwerdeführerinnen verwiesen auf die Gefahr einer geschlechterspezifischen Verfolgung auf Grund ihrer "westlichen Orientierung".

2.       Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20. Februar 2018 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Asylstatus abgewiesen, ihnen der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei; für die freiwillige Ausreise wurde eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt.

3.       Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes jeweils vom 20. Februar 2019, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2018, abgewiesen.

3.1.    Das Bundesverwaltungsgericht stellt in Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten zunächst fest, dass die Beschwerdeführer aus Kabul stammten, die Dritt-, Viert-, Fünft- und Sechstbeschwerdeführer aber (abgesehen von einem kurzen Aufenthalt der Sechstbeschwerdeführerin gemeinsam mit der Zweitbeschwerdeführerin im Jahr 2010) nie in Kabul, sondern im Iran gelebt hätten. Den Beschwerdeführern drohe bei einer Rückkehr in ihre Herkunftsprovinz Kabul keine Verletzung ihrer verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nach Art2 und 3 EMRK.

Bei der Stadt Kabul handle es sich um eine für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiteten, vergleichsweise sichere und über den jeweiligen Flughafen gut erreichbare Stadt, auch wenn es dort vermehrt zu Anschlägen komme. Das Bundesverwaltungsgericht verkenne die angespannte Sicherheitslage in der Stadt Kabul nicht, jedoch sei festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten habe. Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, seien nicht auszuschließen. Dies begründe aber noch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit der Beschwerdeführer.

Die Existenz der (minderjährigen) Sechstbeschwerdeführerin sei bei der Rückkehr im Familienverband durch die Selbsterhaltungsfähigkeit ihres Vaters und die Absicherung im Familienverband durch die in Afghanistan lebenden Familienangehörigen (Großmutter, Onkel und Großonkel der Sechstbeschwerdeführerin) gesichert.

4.       Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse beantragt wird.

5.       Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

II.      Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die – zulässige – Beschwerde erwogen:

A. Soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, die erlassenen Rückkehrentscheidungen und den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan unter Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise richtet, ist sie auch begründet:

1.       Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2.       Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht bei seinen Entscheidungen hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten unterlaufen:

2.1.    Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

2.2.    Insbesondere bei der Behandlung von Anträgen auf internationalen Schutz von Minderjährigen sind, unabhängig davon, ob diese unbegleitet sind oder gemeinsam mit ihren Eltern oder anderen Angehörigen leben, zur Beurteilung der Sicherheitslage einschlägige Herkunftsländerinformationen, in die auch die Erfahrungen in Bezug auf Kinder Eingang finden, bei entsprechend schlechter allgemeiner Sicherheitslage jedenfalls erforderlich (vgl UNHCR, Richtlinien zum Internationalen Schutz: Asylanträge von Kindern im Zusammenhang mit Artikel 1 [A] 2 und 1 [F] des Abkommens von 1951 bzw des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 22.12.2009, Rz 74).

2.3.    Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2019, E28/2019 ua hinsichtlich einer afghanischen Familie, welche das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer internen Schutzalternative nach Kabul verwiesen hat, ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht den zu beurteilenden Sachverhalt mit aktuellen Länderberichten in Bezug zu setzen hat. Im zu E28/2019 ua zugrunde liegende Verfahren verkannte das Bundesverwaltungsgericht die Berichtslage des UNHCR, wonach insbesondere für eine Familie mit minderjährigen Kindern grundsätzlich keine interne Schutzalternative in der Stadt Kabul verfügbar ist (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, 127 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hatte es unterlassen zu begründen, welche besonderen, außergewöhnlichen Umstände in Anbetracht dieses grundsätzlichen Befundes einen gegenteiligen Schluss zuließen.

2.4.    Auch bei Familien, welche nicht im Rahmen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach Kabul verwiesen werden, hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, welche konkrete Rückkehrsituation Familien mit minderjährigen Kindern tatsächlich vorfinden werden (vgl VfGH 21.9.2017, E2130/2017 ua; 25.9.2018, E1463/2018 ua). Dabei reicht die Begründung, dass diese auf den Schutz und die Fürsorge ihrer Eltern vertrauen können, nicht aus (VfGH 13.3.2019, E1480/2018 ua). Es bedarf Ermittlungen hinsichtlich der Frage, ob das im Herkunftsstaat bestehende Familiennetzwerk tatsächlich willens und auch in der Lage ist, die Familie zu unterstützen (vgl VfGH 12.3.2019, E2314/2018 ua).

2.5.    In seiner rechtlichen Beurteilung begründet das Bundesverwaltungsgericht die Zumutbarkeit der Rückkehr der Familie damit, dass die Situation in Kabul als hinreichend sicher zu bewerten sei. Die Beschwerdeführer kehrten gemeinsam als Familie zurück und würden bei ihrer Rückkehr durch den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sowie durch die in Afghanistan lebenden Familienangehörigen (Großmutter, Onkel und Großonkel) versorgt werden.

2.5.1.  Zur Sicherheitslage in der Stadt Kabul werden in den angefochtenen Erkenntnissen auszugsweise folgende Passagen des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 29. Juni 2018, Stand: 19. Oktober 2018, zitiert:

"Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl FAZ22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren 'high-profile'-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen. Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018)."

2.5.2.  Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Situation in Kabul ausgeführt, dass Gefährdungsquellen wie insbesondere Anschläge "in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen [sind], dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte." Diese Feststellungen widersprechen den Feststellungen von UNHCR zu Kabul, wonach gerade "Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen oder sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen" (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, 127 ff.).

2.5.3.  Auch geht entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes aus den in den angefochtenen Erkenntnissen abgedruckten Länderfeststellungen nicht hervor, dass die Lage in Kabul in reinen Wohn- und Arbeitsvierteln jedenfalls ausreichend sicher ist.

3.       Das Bundesverwaltungsgericht hat somit aber die angefochtenen Entscheidungen mit Willkür belastet: Zum einen hat das Bundesverwaltungsgericht den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht mit aktuellen Länderberichten in Bezug gesetzt. Die Darstellung der Sicherheitslage, die das Bundesverwaltungsgericht veranlasst hat, die Stadt Kabul als hinreichend sicher zu betrachten, findet keine Deckung in den aus den Länderberichten gewonnenen Feststellungen. Zum anderen verweist das Bundesverwaltungsgericht bei der Prüfung der konkreten Rückkehrsituation insbesondere der minderjährigen Sechstbeschwerdeführerin lediglich auf die Rückkehr im Familienkreis und die vor Ort lebenden Familienmitglieder, ohne konkrete Feststellungen dazu zu treffen, ob die in Kabul lebenden Familienangehörigen tatsächlich willens und in der Lage sind, die sechsköpfige Familie zu unterstützen. Soweit sich die Entscheidungen auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und – daran anknüpfend – auf die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung bzw die Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise beziehen, sind sie daher aufzuheben.

B. Im Übrigen – soweit sich die Beschwerde gegen die durch das Bundesverwaltungsgericht jeweils bestätigte Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet – wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

4.       Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu er-warten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

5.       Die vorliegende Beschwerde behauptet die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären die gerügten Rechtsverletzungen aber im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

6.       Demgemäß wurde beschlossen, von der Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich jeweils gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, abzusehen.

III.    Ergebnis

1.        Die Beschwerdeführer sind somit durch die angefochtenen Erkenntnisse, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Nichtzuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und gegen die Festsetzung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, in dem durch ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Erkenntnisse sind daher insoweit aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

2.       Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4.       Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Da die Beschwerdeführer gemeinsam durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, ist der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 566,80,- enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E1295.2019

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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