TE Vfgh Erkenntnis 2019/11/27 V58/2018 (V58/2018-11)

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Veröffentlicht am 27.11.2019
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
StVO §44 Abs1
FahrverbotsV der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 19.10.2016

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Fahrverbotsverordnung einer Steiermärkischen Bezirkshauptmannschaft mangels Übereinstimmung der normativen Festlegung mit der Kundmachung betreffend die Dauer des Fahrverbots

Spruch

Die Zeichen-, Ziffern- und Wortfolge "#167/#155 Fahrverbot (in beide Richtungen) #155 an Schultagen Mo-Fr 07.00 bis 8.00 und von 11.00 bis 14.00 Uhr ausgenommen Linien-, Schülerbusse und Anrainerverkehr §52 lita) Z1 iVm §54" der Ziffer 155 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 19. Oktober 2016, Z 11.0 L 38/2003, war gesetzwidrig.

Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark, "die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 19. Oktober 2016, GZ: 11.0 L 38/20003 ('Gemeinde Leibnitz – ehemaliges Gebiet der Stadtgemeinde Leibnitz, Gesamtverordnung, Fassung 2/2016, Änderung 51 g') in Z155 bezüglich der Kundmachung des 'Fahrverbotes (in beide Richtungen)' mit der Zusatztafel 'an Schultagen Montag bis Freitag 07.00 Uhr bis 08.00 Uhr und von 11.00 bis 14.00 Uhr, ausgenommen Linien-, Schülerbusse und Anrainerverkehr' mit dem Verbotszeichen nach §52 lita Z1 StVO iVm der Zusatztafel nach §54 StVO in Leibnitz zwischen Otto-Dolinar-Weg (#167) und Gemeindestraße Marburger Straße (#155) als gesetzwidrig aufzuheben."

II.      Rechtslage

1.       Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 19. Oktober 2016, womit dauernde Verkehrsbeschränkungen bzw Verkehrsverbote für die Gemeindestraßen der Gemeinde Leibnitz, Teilbereich ehem. Stadtgemeinde Leibnitz erlassen werden, Z 11.0 L 38/20003, lautet auszugsweise (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"[…]

VERORDNUNG

der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz, womit dauernde Verkehrsbeschränkungen bzw Verkehrsverbote für die Gemeindestraßen der Gemeinde Leibnitz, Teilbereich ehem. Stadtgemeinde Leibnitz, erlassen werden.

Die Nummern (#) der Gemeindestraßen beziehen sich auf das bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz aufliegende Straßenverzeichnis der Abteilung 7 des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 19.11.2013.

Die Kundmachung dieser Verordnung erfolgt durch die Anbringung bzw Aufstellung gemäß der unter der Spalte 'Norm' jeweils angeführten Straßenverkehrszeichen der StVO mit den jeweiligen Zusatztafeln und der entsprechenden Bezeichnung, wie in den Spalten 'Zusatztafeln' und 'Bezeichnung' ausgeführt bei den jeweiligen Standorten (Spalte 'Ort').

[…]

155

Marburger Straße

von

Wagnastraße #156

nach

L 611

KB/Ort

Beschreibung

Bezeichnung

Gültigkeit

Zusatztafeln

Norm

L 611/#155

Halt

 

#155

 

§52 litc)
Z24

L 611/#155

Vorgeschriebene Fahrtrichtung

rechts gebogen

#155

 

§52 litb)
Z15

#167/#155

Fahrverbot
(in beide Rich-tungen)

 

#155

an Schultagen
Mo-Fr 07.00 bis 8.00 und von 11.00 bis 14.00 Uhr aus-genommen Linien-, Schü-lerbusse und Anrainerverkehr

§52 lita)
Z1 iVm §54

[…]

Diese Verordnung tritt mit der Anbringung der Verkehrszeichen, Aufbringung der Bodenmarkierungen in den jeweiligen Bereichen in Kraft und ersetzt sämtliche früheren straßenpolizeilichen Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz, die die Gemeinde Leibnitz betroffen haben.

Rechtsgrundlagen: §43 Abs1 litb) in Verbindung mit §94b Abs1 litb) StVO 1960.

Hinweis:

Geänderte Umstände sind durch graue Hinterlegung gekennzeichnet.

Der Bezirkshauptmann:

Dr. Walch

[…]"

2.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159, idF BGBl I 29/2018, lauten – auszugsweise –wie folgt:

"§44. Kundmachung der Verordnungen.

(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen „Autobahn“, „Ende der Autobahn“, „Autostraße“, „Ende der Autostraße“, „Einbahnstraße“, „Ortstafel“, „Ortsende“, „Internationaler Hauptverkehrsweg“, „Straße mit Vorrang“, „Straße ohne Vorrang“, „Straße für Omnibusse“ und „Fahrstreifen für Omnibusse“ in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

[(1a)-(5) …]

[…]

§52. Die Vorschriftszeichen

Die Vorschriftszeichen sind

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen,

b) Gebotszeichen oder

c) Vorrangzeichen.

a) Verbots- oder Beschränkungszeichen

1. FAHRVERBOT (IN BEIDEN RICHTUNGEN)

Dieses Zeichen zeigt an, dass das Fahren in beiden Fahrtrichtungen verboten ist; das Schieben eines Fahrrades ist erlaubt.

[…]

§54. Zusatztafeln.

(1) Unter den in den §§50, 52 und 53 genannten Straßenverkehrszeichen sowie unter den in §38 genannten Lichtzeichen können auf Zusatztafeln weitere, das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen erläuternde oder wichtige, sich auf das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen beziehende, dieses erweiternde oder einschränkende oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben gemacht werden.

(2) Die Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln müssen leicht verständlich sein. Insbesondere kann auch durch Pfeile in die Richtung der Gefahr oder des verkehrswichtigen Umstandes gewiesen werden.

(3) Die Zusatztafeln sind Straßenverkehrszeichen. Sie sind, sofern sich aus den Bestimmungen des §53 Z6 nichts anderes ergibt, rechteckige, weiße Tafeln; sie dürfen das darüber befindliche Straßenverkehrszeichen seitlich nicht überragen.

(4) Zusatztafeln dürfen nicht verwendet werden, wenn ihre Bedeutung durch ein anderes Straßenverkehrszeichen (§§50, 52 und 53) zum Ausdruck gebracht werden kann.

[…]"

3.       Die angefochtene Verordnung wurde mit Ablauf des 6. August 2019 aufgehoben.

III.    Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 26. April 2018 anhängig, mit dem der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht wegen einer Übertretung gemäß §52 lita Z1 iVm §99 Abs3 lita StVO 1960 bestraft worden ist. Er habe ein dem Kennzeichen nach näher bestimmbares Kraftfahrzeug am 16. Februar 2018, um 7 Uhr 47, in der Gemeinde Leibnitz, Marburgstraße 4, gelenkt und hiebei den Straßenzug trotz des deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichens "Fahrverbot" (in beiden Richtungen), ausgenommen Anrainer, befahren, obwohl er nicht unter diese Ausnahme fallen würde. Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz verhängte über den Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht eine Geldstrafe von € 50,– (23 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe).

2.       Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Steiermark gemäß Art139 Abs1 Z1 B-VG den vorliegenden Antrag an den Verfassungsgerichtshof.

3.       Das Landesverwaltungsgericht Steiermark begründet seinen Antrag – auszugsweise wiedergegeben – wie folgt:

"III. Präjudizialität:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 26. April 2018 […] wurde […] zur Last gelegt, er habe 'am 16. Februar 2018 um 07.47 Uhr in der Gemeinde Leibnitz, Marburger Straße 4, den PKW […] gelenkt und hiebei 'den Straßenzug trotz des deutlich sichtbar aufgestellten Verbotszeichens 'Fahrverbot' (in beide Richtungen), ausgenommen Anrainer, befahren, obwohl Sie nicht unter diese Ausnahme fielen. Fahrverbot an Schultagen von 07.15 Uhr bis 08.00 Uhr und 11.30 bis 14.00 Uhr' und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §52 lita Z1 StVO begangen. Hierfür wurde gemäß §99 Abs3 lit  StVO eine Geldstrafe von € 50,00 (im Uneinbringlichkeit 23 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen das Straferkenntnis wurde fristgerecht Beschwerde erhoben mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer den Straßenzug nicht in einem durchgefahren sei.

Nach Durchführung einer Verhandlung an Ort und Stelle am 19. Juni 2018 konnte der Verhandlungsleiter feststellen, dass am Beginn der Einfahrt der Gemeindestraße Marburger Straße ein Fahrverbot gemäß §52 lita Z1 StVO mit der Zusatztafel 'an Schultagen Montag bis Freitag 07.15 Uhr bis 08.00 Uhr und 11.30 Uhr bis 14.00 Uhr, ausgenommen Linien-, Schülerbusse und Anrainerverkehr' aufgestellt war.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat im Beschwerdeverfahren als Rechtsgrundlage die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 19. Oktober 2016, GZ: 11.0 L 38/20003 (gültig zum Tatzeitpunkt, Z155) unmittelbar anzuwenden.

IV. Begründung (Darlegung der gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken gemäß §57 VfGG):

1. Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz hat am 19. Oktober 2016, mit Verordnung, GZ: 11.0 L 38/20003 in Z155 ein Fahrverbot (in beide Richtungen) nach §52 lita Z1 iVm §54 StVO erlassen, wobei dieses Fahrverbot zwischen dem Otto-Dolinar-Weg und der Gemeindestraße Marburger Straße verordnet wurde. Die Zusatztafel beinhaltet nachfolgenden Text 'an Schultagen Montag bis Freitag 07.00 Uhr bis 08.00 Uhr und von 11.00 Uhr bis 14.00 Uhr, ausgenommen Linien-, Schülerbusse und Anrainerverkehr'.

Kundmachung der Verordnung erfolgte gemäß §44 Abs1 StVO durch Straßenverkehrszeichen und trat mit Aufstellung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen (laut Aktenvermerk zumindest seit 21. Juni 2017) in Kraft.

Aufgrund des durchgeführten Lokalaugenscheines konnte festgestellt werden, dass der Text in der Zusatztafel vom Text in der Verordnung insoweit abweicht, als tatsächlich nachfolgender Text bei der Zusatztafel aufscheint: 'An Schultagen Montag bis Freitag 07.15 Uhr bis 08.00 Uhr und 11.30 Uhr bis 14.00 Uhr, ausgenommen Linien-, Schülerbusse und Anrainerverkehr'. Somit wurde die Beginnzeit des Fahrverbotes um 15 Minuten verschoben und entspricht daher nicht mehr dem Text in der Verordnung.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bilden Verbots- und Zusatztafel eine Einheit (VfGH 18. Juni 1966, V1/66, ZVR 1967/141). Wenn der Wortlaut – wie im konkreten Fall – einer Zusatztafel in der Verordnung festgelegt ist, so besteht kein Spielraum des Straßenerhalters mehr bei der Gestaltung der Zusatztafel (VfGH 15. Juli 2011, V122/10, ZVR 2012/12). Eine derartige unterschiedliche Beginnzeit für die Gültigkeit des Fahrverbotes stellt jedenfalls eine signifikante Abweichung zum Verordnungstext dar.

[…]

Das Fahrverbot mit der Zusatztafel einschließlich der dort angegebenen Zeiten weist zumindest ein Mindestmaß an Publizität auf, da es gegenüber einem unbestimmten, externen Adressatenkreis ausreichend allgemein kundgemacht wurde, wenn auch nicht in der laut Verordnung vorgesehenen Text. Das Verwaltungsgericht sieht sich daher an die gesetzwidrig kundgemachte Verordnung gebunden und beantragt die Aufhebung des Z155 betreffenden Fahrverbotes in beide Richtungen der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 19. Oktober 2016 in eventu die gesamte Z155 der Verordnung."

4.       Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz hat Akten betreffend die angefochtene Verordnung vorgelegt und von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen.

5.       Die Steiermärkische Landesregierung und der am Verfahren beteiligte Beschwerdeführer des beim Landesverwaltungsgericht Steiermark anhängigen Verfahrens haben keine Äußerung abgegeben.

IV.      Erwägungen

1.       Zur Zulässigkeit

1.1.    Der Verfassungsgerichtshof vertritt zu Art89 Abs1 B-VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 20.182/2017 mwN). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B-VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl zB VfGH 14.3.2018, V114/2017).

Die angefochtene Verordnung ist jedenfalls durch – in einem Aktenvermerk festgehaltene – Anbringung der Verkehrszeichen zumindest seit 21. Juni 2017 gemäß §44 Abs1 StVO 1960 kundgemacht, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist.

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Haupt-sache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungs-gerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellen-den Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Dem Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark liegt ein Bescheid zugrunde, in dem dem Beschwerdeführer vor dem Landesverwaltungsgericht zur Last gelegt wird, in der Gemeinde Leibnitz, Marbugstraße 4, ein Fahrverbot missachtet zu haben. Mit dem angefochtenen Teil der Verordnung wird für die Marburgstraße zwischen Otto-Dolinar-Weg und der Gemeindestraße Marburgstraße ein Fahrverbot verordnet. Daher bestehen keine Zweifel an der Präjudizialität der Zeichen-, Ziffern- und Wortfolge "#167/#155 Fahrverbot (in beide Richtungen) #155 an Schultagen Mo-Fr 07.00 bis 8.00 und von 11.00 bis 14.00 Uhr ausgenommen Linien-, Schülerbusse und Anrainerverkehr §52 lita) Z1 iVm §54" der Ziffer 155 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 19. Oktober 2016 im Verfahren vor dem antragstellenden Landesverwaltungsgericht Steiermark.

1.2.    Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, erweist sich der Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark, bestimmte Teile der Z155 der bekämpften Verordnung aufzuheben, als zulässig.

2.       In der Sache

2.1.    Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2.    Der Antrag ist begründet.

2.3.    Gemäß §44 Abs1 StVO sind die in §43 StVO bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft (vgl VfSlg 18.710/2009, 19.409/2011, 19.410/2011). §54 Abs1 StVO 1960 bestimmt, dass unter den im §52 leg. cit. genannten Straßenverkehrszeichen auf Zusatztafeln weitere, das Straßenverkehrszeichen erläuternde oder wichtige, sich auf das Straßenverkehrszeichen beziehende, dieses erweiternde oder einschränkende Angaben gemacht werden.

2.4.    Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf ein Verordnungsbeschluss im Zuge der Kundmachung weder ergänzt noch sonst verändert werden. Jede Änderung des Inhaltes des Verordnungsbeschlusses obliegt allein der zur Willensbildung zuständigen Behörde (vgl VfSlg 13.910/1994 mwN; vgl auch VfSlg 7451/1974). Eine Verordnung ist gesetzwidrig, wenn die vom Verordnungsgeber beschlossene normative Festlegung nicht mit dem kundgemachten Text übereinstimmt (VfSlg 15.192/1998, 19.980/2015).

2.4.1.  Die Verordnung bestimmt in Ziffer 155 ua, dass in der Marburgstraße in beiden Fahrtrichtungen zwischen Otto-Dolinar-Weg und Gemeindestraße Marburgstraße an "Schultagen Montag bis Freitag von 07.00 bis 8.00 Uhr und von 11.00 Uhr bis 14.00 Uhr" ein Fahrverbot bestehen soll. Ausgenommen soll der Linien-, Schülerbus- und Anrainerverkehr sein. Wie das Landesverwaltungsgericht Steiermark aber unwidersprochen vorbringt, scheint auf den Zusatztafeln aber der Text "An Schultagen von Montag bis Freitag 07.15 Uhr bis 8.00 Uhr und 11.30 Uhr bis 14.00 Uhr, ausgenommen Linien-, Schülerbusse und Anrainerverkehr" auf.

2.4.2.  Daher stimmte die Kundmachung der Verordnung nicht mit der vom Verordnungsgeber beschlossenen normativen Festlegung überein. Deshalb hat der Verfassungsgerichtshof auszusprechen, dass die Verordnung im Zeitraum der gesetzwidrigen Kundmachung rechtswidrig war (vgl VfSlg 5824/1968, 6346/1970 sowie VfGH 11.6.2018, V3/2018).

2.5.    Im konkreten Fall kommt Art139 Abs3 Z3 B-VG nicht zur Anwendung, weil sich der Kundmachungsmangel nur auf den als gesetzwidrig festgestellten Teil der Verordnung bezieht.

V.       Ergebnis

1.       Die Zeichen-, Ziffern- und Wortfolge "#167/#155 Fahrverbot (in beide Richtungen) #155 an Schultagen Mo-Fr 07.00 bis 8.00 und von 11.00 bis 14.00 Uhr ausgenommen Linien-, Schülerbusse und Anrainerverkehr §52 lita) Z1 iVm §54" der Ziffer 155 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 19. Oktober 2016, GZ: 11.0 L 38/20003 war gesetzwidrig, weil die Kundmachung nicht mit der Verordnung übereinstimmte.

2.       Die Verpflichtung der Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches KundmachungsG.

3.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Straßenverkehrszeichen, Verordnung Kundmachung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:V58.2018

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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