RS Vfgh 2019/11/27 E1295/2019 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 27.11.2019
beobachten
merken

Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter betreffend eine Familie afghanischer Staatsangehöriger; keine Auseinandersetzung mit den aktuellen UNHCR-Richtlinien und der Rückkehrsituation Minderjähriger

Rechtssatz

Der VfGH hat in seiner E vom 10.10.2019, E28/2019 ua hinsichtlich einer afghanischen Familie, welche das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Rahmen einer internen Schutzalternative nach Kabul verwiesen hat, ausgesprochen, dass das BVwG den zu beurteilenden Sachverhalt mit aktuellen Länderberichten in Bezug zu setzen hat. Das BVwG verkannte die Berichtslage des UNHCR, wonach insbesondere für eine Familie mit minderjährigen Kindern grundsätzlich keine interne Schutzalternative in der Stadt Kabul verfügbar ist. Das BVwG hatte es unterlassen zu begründen, welche besonderen, außergewöhnlichen Umstände in Anbetracht dieses grundsätzlichen Befundes einen gegenteiligen Schluss zuließen.

Auch bei Familien, welche nicht im Rahmen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach Kabul verwiesen werden, hat sich das BVwG mit der Frage auseinanderzusetzen, welche konkrete Rückkehrsituation Familien mit minderjährigen Kindern tatsächlich vorfinden werden. Dabei reicht die Begründung, dass diese auf den Schutz und die Fürsorge ihrer Eltern vertrauen können, nicht aus. Es bedarf Ermittlungen hinsichtlich der Frage, ob das im Herkunftsstaat bestehende Familiennetzwerk tatsächlich willens und auch in der Lage ist, die Familie zu unterstützen.

Das BVwG hat zur Situation in Kabul ausgeführt, dass Gefährdungsquellen wie insbesondere Anschläge "in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen [sind], dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte." Diese Feststellungen widersprechen den Feststellungen von UNHCR zu Kabul, wonach gerade "Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen oder sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden.

Auch geht entgegen der Auffassung des BVwG aus den in den angefochtenen Erkenntnissen abgedruckten Länderfeststellungen nicht hervor, dass die Lage in Kabul in reinen Wohn- und Arbeitsvierteln jedenfalls ausreichend sicher ist.

Das BVwG hat den hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht mit aktuellen Länderberichten in Bezug gesetzt. Die Darstellung der Sicherheitslage, die das BVwG veranlasst hat, die Stadt Kabul als hinreichend sicher zu betrachten, findet keine Deckung in den aus den Länderberichten gewonnenen Feststellungen. Zum anderen verweist das BVwG bei der Prüfung der konkreten Rückkehrsituation insbesondere der minderjährigen Sechstbeschwerdeführerin lediglich auf die Rückkehr im Familienkreis und die vor Ort lebenden Familienmitglieder, ohne konkrete Feststellungen dazu zu treffen, ob die in Kabul lebenden Familienangehörigen tatsächlich willens und in der Lage sind, die sechsköpfige Familie zu unterstützen.

Entscheidungstexte

  • E1295/2019 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 27.11.2019 E1295/2019 ua

Schlagworte

Asylrecht, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:E1295.2019

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten