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40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
ASVG §111 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofrätin Dr. Julcher sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision des H M in L, vertreten durch Mag. Stefan Weiskopf, Dr. Rainer Michael Kappacher und Dipl.-Ing. MMag. Dr. Michael Kössler, Rechtsanwälte in 6500 Landeck, Malserstraße 34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 19. Dezember 2018, Zlen. LVwG 2018/27/0340-3, LVwG 2018/27/0341-3, betreffend u. a. Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Landeck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Bestrafung nach dem ASVG richtet, zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 28. Dezember 2017 wurde der Revisionswerber als Mitglied des Vorstands und damit gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der V AG gemäß § 33 Abs. 1 und 2 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG bestraft, weil diese Gesellschaft elf namentlich genannte Personen - alle waren Asylwerber - in näher bezeichneten Zeiträumen zwischen 1. Jänner und 18. März 2016 als Dienstnehmer beschäftigt habe, ohne sie rechtzeitig vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Pflichtversicherung angemeldet zu haben. Es wurden Geldstrafen in der Höhe von EUR 365,-- bis EUR 730,-- sowie Ersatzfreiheitsstrafen zwischen 56 und 112 Stunden verhängt.
2 Der vom Revisionswerber dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Tirol (im Folgenden: LVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis insoweit Folge, als es das behördliche Straferkenntnis im Umfang der Bestrafung wegen der Beschäftigung einer namentlich bezeichneten Person behob und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit einstellte sowie hinsichtlich der Beschäftigung neun weiterer Dienstnehmer die verhängten Geldstrafen jeweils auf EUR 365,-- und die Ersatzfreiheitsstrafen auf 56 Stunden herabsetzte. Im Übrigen wurde die Beschwerde gegen die Bestrafung nach dem ASVG als unbegründet abgewiesen. (Weitere Spruchpunkte betrafen die Beschwerde gegen die Bestrafung des Revisionswerbers nach dem AuslBG; die dagegen erhobene Revision wurde zu Ra 2019/09/0022 protokolliert.)
3 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das LVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 4 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Der Revisionswerber bringt unter diesem Gesichtspunkt vor, dass zu der schon im behördlichen Verfahren und im Verfahren vor dem LVwG strittigen Frage der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 3 des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005 (in der Folge: GVG-B 2005) - die gemäß § 7 Abs. 6 GVG-B 2005 zur Folge hätte, dass keine Dienstverhältnisse zustande kommen - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Der Wortlaut des § 7 Abs. 3 GVG-B 2005 spreche nicht dagegen, dass gemeinnützige Hilfstätigkeiten nicht nur direkt für Bund, Land oder Gemeinden zu erbringen seien, sondern auch indirekt für Gesellschaften, welche sich - wie im vorliegenden Fall zu 96,47 % - im Eigentum der öffentlichen Hand (Gemeinden und Tourismusverband) befänden, erbracht werden könnten. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, dass der Flüchtlingskoordinator des Landes Tirol hinsichtlich der Beschäftigung von Asylwerbern die zuständige Behörde sei. Dies auch deshalb, weil Asylwerber außerhalb von gemeinnützigen Tätigkeiten für Bund, Land und Gemeinden nach § 7 Abs. 3 GVG-B 2005 nicht rechtmäßig hätten beschäftigt werden können. Der Revisionswerber habe sohin auf die Auskünfte des Flüchtlingskoordinators des Landes Tirol vertrauen dürfen. 8 Diese Rechtsfragen wurden jedoch mittlerweile geklärt. Im dem dieselbe Dienstgeberin betreffenden Erkenntnis VwGH 19.11.2019, Ra 2019/09/0017, auf das des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem Fall betreffend Bestrafung nach dem AuslBG - zusammenfassend ausgeführt, es lasse sich bereits dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 Z 2 GVG-B 2005 unzweifelhaft entnehmen, dass die gemeinnützigen Hilfstätigkeiten dem Bund, einem Land oder einer Gemeinde (seit 1. November 2017 auch einem Gemeindeverband) zu erbringen seien; dieses Auslegungsergebnis werde durch die nachfolgend vorgenommene Novellierung des § 7 GVG-B 2005 untermauert, mit der erst die Möglichkeit geschaffen worden sei, durch Verordnung des Innenministers festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Asylwerber auch bei unter dem bestimmenden Einfluss einer Gebietskörperschaft oder eines Gemeindeverbands stehenden Organisationen zu gemeinnützigen Hilfstätigkeiten herangezogen werden könnten. In den hier gegenständlichen Tatzeiträumen stand eine solche Verordnung nicht in Kraft. 9 Auch im vorliegenden Fall hat das LVwG somit das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Z 2 GVG-B 2005 zu Recht verneint, weil die Asylwerber ihre Tätigkeiten für eine Aktiengesellschaft erbrachten und nicht für eine der in der genannten Bestimmung abschließend aufgezählten Gebietskörperschaften.
10 Soweit der Revisionswerber sich darauf beruft, er habe auf die Auskünfte des Flüchtlingskoordinators des Landes Tirol vertrauen dürfen, sodass ihn kein Verschulden treffe, ist ihm zu entgegnen, dass es sich bei einer Verwaltungsübertretung nach § 33 Abs. 1 und 2 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG um ein Ungehorsamsdelikt im Sinn des § 5 Abs. 1 VStG handelt. Bei Zuwiderhandeln ist Fahrlässigkeit ohne Weiteres anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Der Beschuldigte hat daher initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Einen - nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügenden - Meldepflichtigen trifft grundsätzlich eine Erkundigungspflicht, im Zuge deren er sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei der Behörde und/oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewissheit zu verschaffen hat. Er hat dabei den ma??geblichen Sachverhalt mit allen einzelnen Momenten der konkreten Beschäftigung genau darzulegen und sich bei zu Tage tretenden Widersprüchen gewissenhaft mit allem Für und Wider eingehend auseinanderzusetzen und allenfalls weitere Nachforschungen anzustellen (vgl. VwGH 2.9.2015, Ra 2015/08/0073, 0075, mwN). 11 Für die Beantwortung der Frage, ob ein Dienstverhältnis im Sinn des ASVG vorliegt, ist aber nicht die Flüchtlingskoordination des Landes, sondern der Krankenversicherungsträger zuständig. Bei diesem wäre die Auskunft einzuholen gewesen, ob eine Anmeldung der Dienstnehmer beim Krankenversicherungsträger erforderlich ist oder nicht. Eine solche Erkundigung hat der Revisionswerber unterlassen, sodass dem LVwG nicht entgegen getreten werden kann, wenn es ein Verschulden an den begangenen Verwaltungsübertretungen bejaht hat (vgl. in diesem Sinn - in Bezug auf eine Bestrafung nach dem AuslBG und die Notwendigkeit, Auskünfte beim Arbeitsmarktservice und nicht nur bei der Flüchtlingskoordination einzuholen - wieder VwGH 19.11.2019, Ra 2019/09/0017). 12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Bestrafung nach dem ASVG richtet.
Wien, am 13. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019080024.L00Im RIS seit
31.01.2020Zuletzt aktualisiert am
31.01.2020