Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Jänner 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Schriftführerin Dr. Ondreasova in der Strafsache gegen Marcin Z***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 24. September 2019, GZ 601 Hv 3/19f-84, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Marcin Z***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 27. November 2018 in Wien Juri V***** zu töten versucht, indem er mit einem Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 6,5 Zentimetern mehrfach kraftvoll und gezielt auf dessen Hals-, Brust- und Bauchbereich einstach, wodurch der Genannte lebensgefährliche Verletzungen, und zwar zwei jeweils zwei Zentimeter messende Stichwunden im Bereich der linken vorderen Halsregion oberhalb des Schlüsselbeins verbunden mit Stichbeschädigungen der linken Unterschlüsselbeinschlagader und der linken Unterschlüsselbeinblutader und einer Sticheröffnung des Rachens, sowie weiters einen Einstich an der linken Brustkorbaußenseite mit einer Wundlänge von circa zwei Zentimetern mit Eröffnung der Brusthöhle und zwei Einstiche links unterhalb des Rippenbogens und an der linken Flanke mit jeweils einer Wundlänge von circa einem Zentimeter erlitt.
Die Geschworenen hatten die Hauptfrage nach dem Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB bejaht und die hiezu gestellte Zusatzfrage nach dem Schuldausschließungsgrund der Notwehrüberschreitung aus asthenischem Affekt (§ 3 Abs 2 StGB) verneint. Demgemäß unterblieb die Beantwortung der für den Fall der Bejahung der Zusatzfrage gestellten Eventualfrage in Richtung des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 und Abs 4 zweiter Fall StGB.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 6 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Die Fragenrüge (Z 6) beanstandet das Unterbleiben von Eventualfragen in Richtung jeweils eines Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB.
Dazu ist vorweg anzumerken, dass sich der Beschwerdeführer zunächst selbst widerspricht, wenn er auf (vermeintliche) Indizien für die Entwicklung eines „bedingten Vorsatzes“ in Richtung „§ 87 StGB“ Bezug nimmt, obwohl dieser Tatbestand auf absichtliches Handeln (§ 5 Abs 2 StGB) abstellt und bei (bloß) bedingtem Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) in rechtlicher Hinsicht gar nicht in Betracht käme.
Die gesetzeskonforme Ausführung einer Fragenrüge verlangt zudem die deutliche und bestimmte Bezeichnung einerseits der vermissten Fragen, andererseits jenes Sachverhalts, auf den die Rechtsbegriffe der §§ 312 ff StPO abstellen, vorliegend somit eines die begehrten Eventualfragen indizierenden Tatsachensubstrats (RIS-Justiz RS0117447; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23). Beruft sich der Angeklagte dabei auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Beweisergebnisse, darf der Nachweis der Nichtigkeit nicht auf Grundlage isoliert herausgegriffener Teile derselben geführt werden, sondern ist das jeweilige Verfahrensergebnis in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0120766).
Die konkrete Tat erfolgte durch mehrfache Stichführung mit einem Taschenmesser von 6,5 cm Klingenlänge gegen den Hals-, Brust- und Bauchbereich des Opfers, welches dadurch die bereits beschriebenen (lebensgefährlichen) Verletzungen erlitt. Weshalb unter Berücksichtigung dieser Tatumstände die von der Beschwerde ins Treffen geführte Verantwortung des Angeklagten, er habe unter der Einwirkung von Alkohol „unbewusst“ mit dem erwähnten Messer auf (den stark alkoholisierten) V***** eingestochen, er hätte auch weggehen oder flüchten können, anstatt sich (aus Angst) mit dem Messer „zu wehren“ (ON 60 S 4–7), ein Indiz für einen bedingten Vorsatz oder eine Absicht darstellen soll, den Genannten (bloß) schwer am Körper zu verletzen, lässt die Beschwerde offen.
Gleiches gilt in Bezug auf die ins Treffen geführten Aussagen der Zeugen B***** (ON 60 S 10–13) und G***** (ON 60 S 16–19), wonach der Angeklagte und V***** „mit flachen Händen und Fäusten gerauft“ und sich gegenseitig „gestoßen“ und „geschlagen“ haben und der Angeklagte (so B*****) „Stichbewegungen in den Oberkörper- und Halsbereich“ gemacht habe.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E127189European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00132.19D.0115.000Im RIS seit
31.01.2020Zuletzt aktualisiert am
31.01.2020