Entscheidungsdatum
02.09.2019Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
G313 2210117-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, StA. Rumänien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.03.2019 zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene
Bescheid dahingehend abgeändert, dass in Spruchpunkt I. die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf fünf (5) Monate herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 25.10.2018, wurde gegen die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von zwei Jahren erlassen (Spruchpunkt I.), einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt II.), und gemäß § 70 Abs. 3 FPG dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt III.).
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 26.11.2018 vorgelegt.
4. Mit Aktenvermerk des BVwG vom 28.11.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.
5. Am 26.03.2019 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, mit der BF, ihrem Rechtsvertreter und ihrem Lebensgefährten als Zeugen eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Die belangte Behörde, die einen Teilnahmeverzicht abgegeben hat, nahm an der Verhandlung nicht teil.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die BF ist Staatsangehörige von Rumänien.
1.2. Sie hat in Österreich einen Lebensgefährten, den sie seit rund 13 Jahren kennt, und ein mit diesem gemeinsames im Dezember 2018 geborenes Kind, in ihrem Herkunftsstaat hingegen keine Familienangehörigen, ist sie doch in einem Waisenhaus aufgewachsen und war sie bis zu ihrem 21. Lebensjahr im Jahr 2007 dort. Dann ist sie mit ihrem Lebensgefährten zusammengezogen.
1.3. Sie hält sich seit dem Jahr 2012 - beinahe durchgehend - in Österreich auf und weist im Bundesgebiet seit dem 11.04.2013 eine durchgehende Hauptwohnsitzmeldung auf, davor war sie in Österreich nur mit Nebenwohnsitz gemeldet.
Mit ihrem Lebensgefährten lebt sie seit 06.03.2017 in gemeinsamem Haushalt zusammen.
1.4. Die BF, derzeit ohne Aufenthaltstitel, stellte am 28.03.2017 erstmals einen Antrag auf Erteilung einer "Anmeldebescheinigung (Selbstständiger)". Dieses NAG-Verfahren ist noch offen. Auch der Lebensgefährte der BF stellte am 28.03.2017 einen Antrag auf Erteilung einer "Anmeldebescheinigung (Arbeitnehmer)" und ist nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels.
1.5. Sie wurde im Bundesgebiet einmal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar mit
* Urteil von Juni 2018 wegen schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.
1.5.1. Dieser strafrechtlichen Verurteilung lagen folgende strafbare Handlungen des BF zugrunde:
Die BF ist schuldig, sie hat in der Zeit zwischen 2. März 2018 und 16. April 2018 in (...) und anderen Orten eine fremde bewegliche Sache, nämlich Bargeld in der Höhe von insgesamt EUR 9.850,-
berechtigten Bankomatbetreibern zweier Bankfilialen in wiederholten Angriffen durch widerrechtliche Geldbehebungen mit der Bankomatkarte des (...) mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
1.5.2. Bei der Strafbemessung wertete das Strafgericht die bisherige Unbescholtenheit, das Tatsachengeständnis mildernd und die Vielzahl der Angriffe erschwerend.
1.5.3. Im an die Staatsanwaltschaft übermittelten polizeilichen Abschlussbericht von Mai 2018 wurde nach Anzeigeerstattung des Tatopfers am 27.04.2018 Folgendes festgehalten (Name der BF durch "BF" ersetzt):
"(...) war vom April 2016 bis Ende Jänner 2018 mit der Prostituierten (...) befreundet. Im Herbst 2017 überließ (...) der Prostituierten seine österreichische Bankomatkarte mit dem dazugehörigen Code. (..) arbeitet als Koch in der Schweiz und er kam nur in seinen freien Tagen bzw. wenn er Urlaub hatte, nach Österreich.
Anfang Februar 2018 teilte (...) per SMS (...) mit, dass sie nach Russland zurückehre und seine Bankomatkarte, jedoch ohne Code, ihrer Freundin - der BF, ebenfalls Prostituierte, zur Aufbewahrung übergeben habe.
(...) kannte die BF laut seinen Angaben vom Sehen her.
Am 26.02.2018 habe die BF telefonisch (..) angerufen und ersucht, ob er ihr mit etwas Geld aushelfen könne.
Da die BF im Besitz seiner Bankomatkarte gewesen sei, habe er ihr den Code mitgeteilt und ihr erlaubt, dass sie von seinem Konto bei der (...) einen Geldbetrag von 1200,- Euro beheben dürfe.
Die BF behob am 27.02.2018 mit der Bankomatkarte 400,- Euro und am 28.02.2018 insgesamt 600,- Euro. Am 02.03.2018 behob sie mit der Bankomatkarte nicht 200,- Euro (gerechnet auf die 1200 Euro), sondern 400,- Euro.
Am 02.03.2018 bis zum 16.04.2018 führte die BF widerrechtlich mit der Bankomatkarte 27 Behebungen durch - näheres siehe blg. Umsatzliste. Dabei hob sie insgesamt 9850,- Euro zum Nachteile des (...) ab und bereicherte sich durch die wiederkehrenden Behebungen unrechtmäßig."
1.5.4. Die BF zeigte sich in der mündlichen Beschwerdeverhandlung hinsichtlich ihrer Straftaten nicht sonderlich einsichtig.
In der mündlichen Verhandlung gab es diesbezüglich folgenden Wortwechsel zwischen der BF und der verhandelnden Richterin:
"BF: Der Kunde hat mir seine Bankomatkarte mit dem PIN-Code gegeben. Er hat gesagt, wenn ich Geld brauche, kann ich mir Geld abheben. Die Karte habe ich ca. 4 bis 5 Monaten besessen. Ich war die ganze Zeit im telefonischen Kontakt mit ihm, weil er sich in der Schweiz aufhielt. Als ich ihm gesagt habe, dass ich mit der Arbeit aufhören möchte. Weil ich einen Freund habe, ist er böse geworden. Dann hat er gesagt, dass er das ganze Geld wieder zurückhaben möchte, dass ich von seinem Konto abgebucht habe. Er ist dann zur Polizei gegangen, er hat dann gesagt, dass er nicht wusste, dass ich so viel Geld abgehoben habe. Er wollte das Geld zurück. Es war ein Deal zwischen ihm und mir. Er dürfte auch irgendwie krank gewesen sein. Er hat mir immer Sexvidos geschickt, die ich mir anschauen sollte. Und dafür hätte ich auch Geld nehmen dürfen.
VR: Wir haben eine rechtskräftige Verurteilung, wo Ihre Schuld festgestellt worden ist.
BF: Ja, das stimmt, aber ich wollte auch mit ihm keine weiteren Probleme bekommen und habe auch zugesagt, den offenen Betrag zurückzuzahlen.
VR: Und wie zahlen Sie das jetzt zurück?
BF: Ich habe bis jetzt noch nichts bezahlt. Wir haben vereinbart, dass ich ihm das Geld zurückgebe, sobald ich eines habe."
1.6. Die BF war im Bundesgebiet im Zeitraum von Dezember 2013 bis Ende Juli 2018 gewerblich selbstständig erwerbstätig und arbeitete da als Prostituierte. Bis Juli 2018 verfügte sie über einen eigenen Krankenversicherungsschutz, seit Anfang August 2018 ist sie mit ihrem Lebensgefährten mitversichert.
Der Lebensgefährte der BF war im Bundesgebiet von April 2014 bis Dezember 2017 bei zwei Dienstgebern erwerbstätig und geht nunmehr seit Mai 2018 einer laufenden Beschäftigung nach.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglichen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des nunmehr vorliegenden Gerichtsaktes.
2.2. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:
2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum) und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.
2.2.2. Die Feststellung zum Aufenthalt des BF im Bundesgebiet seit November 2004 ergab sich aus dem Akteninhalt und einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Die Feststellungen zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet davor ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaftem Akteninhalt.
2.2.3. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt. Dass die BF im Bundesgebiet im Dezember 2018 ein mit ihrem Lebensgefährten gemeinsames Kind geboren hat, ist aufgrund vorgelegter Geburtsurkunde ihres Kindes glaubhaft. Die Feststellungen zu ihren Verhältnissen in Rumänien, dazu, dass sie in ihrem Herkunftsstaat bis zu ihrem 21. Lebensjahr in einem Waisenhaus war und danach mit ihrem Lebensgefährten zusammengezogen ist, beruht auf dem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen der BF in ihrer mündlichen Verhandlung am 26.03.2018 (VH-Niederschrift, S. 8). Dass die BF ihren nunmehrigen Lebensgefährten bereits seit rund 13 Jahren kennt, konnte aufgrund ihres glaubhaften Vorbringens in der mündlichen Verhandlung, sie habe ihn vor 12 oder 13 Jahren kennengelernt (VH-Niederschrift, S. 8), festgestellt werden.
2.2.4. Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen der BF und ihres Lebensgefährten beruhen auf die BF und ihren Lebensgefährten betreffende Zentralmelderegisterauszüge. Dass die BF mit ihrem Lebensgefährten trotz bereits seit Juni 2016 gemeinsamer Hauptwohnsitzmeldung erst seit März 2017 in gemeinsamem Haushalt zusammenlebt, konnte die BF im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 25.10.2018 glaubhaft machen (AS 56). Ab Beginn ihrer gemeinsamen Wohnsitzmeldung im Jänner 2017 bis zum von der BF angeführten Beginn ihres gemeinsamen Haushaltes im März 2017 waren sie demnach nur gemeinsam gemeldet, jedoch woanders wohnhaft. Nach Vorhalt in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 26.03.2019, dass der Lebensgefährte der BF bereits ab Juni 2016 bei der BF gemeldet war, gab dieser an:
"Ich war nur auf Besuch bei meiner Lebensgefährtin und der Vermieter hat mich nicht zeitgerecht abgemeldet."
2.2.5. Die Feststellungen zum am 28.03.2017 von der BF und ihrem Lebensgefährten vor der zuständigen NAG-Behörde gestellten Antrag auf Erteilung einer Anmeldebescheinigung beruhen auf den die BF und ihren Lebensgefährten betreffenden Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister.
2.2.6. Dass die BF im Bundesgebiet einmal im Juni 2018 wegen schweren Diebstahls rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, ergab sich aus einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister. Die Feststellungen zu den dieser Verurteilung zugrundeliegenden strafbaren Handlungen konnten aufgrund einer diesbezüglichen dem Verwaltungsakt einliegenden gekürzten Urteilsausfertigung getroffen werden (AS 22).
2.2.7. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit der BF und ihres Lebensgefährten beruhen auf sie betreffende AJ WEB-Auskunftsverfahrensauszüge. Dass die BF in Österreich als Prostituierte gearbeitete hat, war aus dem Akteninhalt ersichtlich.
Dass der Lebensgefährte der BF, der seit Mai 2018 einer laufenden Beschäftigung im Bundesgebiet nachgeht, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 26.03.2019 EUR 800,- Schulden aus einer Führerscheinentzugsstrafe zu begleichen hatte, die er durch monatliche Ratenzahlungen in Höhe von ca. EUR 100,- abbezahlt, konnte aufgrund seines diesbezüglich glaubhaften Vorbringens in der mündlichen Verhandlung am 26.03.2019 festgestellt werden. Demnach wird der Lebensgefährte der BF seine noch offenen Schulden mit November 2019 beglichen haben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Anzuwendendes Recht:
3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:
"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
(...)."
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
3.1.2. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren bzw. die Feststellungen ergab im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Folgendes:
Mit im Spruch angeführtem Bescheid wurde gegen die BF, eine rumänische Staatsangehörige, ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot nach § 67 Abs. 1 und 2 FPG erlassen.
Die belangte Behörde stützte sich dabei auf die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung der BF von Juni 2018 wegen schweren Diebstahls.
Fest steht, dass sich die BF in Österreich beinahe durchgehend seit dem Jahr 2012 und damit weniger als zehn Jahre ununterbrochen aufhält. Demzufolge kommt nicht der erhöhte, sondern der einfache Prüfungsmaßstab nach § 67 Abs. 1 S. 2 FPG, der eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordert, zur Anwendung.
Im gegenständlichen Fall steht fest, dass die BF im Bundesgebiet im Juni 2018 wegen schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde.
Hinsichtlich dieser strafrechtlichen Verurteilung der BF von Juni 2018 weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6. Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).
Der besagten Verurteilung der BF lag zugrunde, dass sie berechtigten Bankomatbetreibern zweier Bankfilialen Bargeld in Höhe von insgesamt EUR 9.850,- in wiederholten Angriffen durch widerrechtliche Geldbehebungen mit der Bankomatkarte einer bestimmten Person mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Während bei der Strafbemessung des Strafgerichts das "Tatsachengeständnis" der BF unter anderem mildernd berücksichtigt werden konnte, gab die BF in mündlicher Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 26.03.2019 die vom Strafgericht festgestellten Tatsachen als Unwissenheit oder Schuldlosigkeit ihrerseits an, was nicht von Einsicht oder Unrechtsbewusstsein der BF zeugt.
Im Bewusstsein, dass die fremdenpolizeilichen Erwägungen von den Strafbemessungsgründen des Strafgerichts zu erfolgen haben, wird darauf hingewiesen, dass abgesehen vom Tatgeständnis der BF bei der Strafbemessung noch ihre Unbescholtenheit mildernd und "die Vielzahl der Angriffe" erschwerend berücksichtigt wurde.
Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall ein Aufenthalts- und kein Einreiseverbot beschwerdegegenständlich ist, erfüllt die BF mit der gegen sie verhängten bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten den Einreiseverbotstatbestand nach § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG und demnach eine der nach § 53 Abs. 3 FPG für das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit iSv § 53 Abs. 3 FPG sprechende Tatsache.
Der Umstand, dass die BF sogar noch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 26.03.2019 von ihrer Unschuld überzeugt war und beteuerte, der Bankomatkarteninhaber habe ihr die Geldabhebung in uneingeschränktem Ausmaß erlaubt, nachdem ihre Schuld der widerrechtlichen Geldabhebung mit vorliegendem rechtskräftigem Strafrechtsurteil von Juni 2018 ausdrücklich festgestellt worden war, zeigt ihr mangelndes Unrechtsbewusstsein.
Die BF selbst gab gegenüber der verhandelnden Richterin in der Beschwerdeverhandlung befragt, wie sie ihre Schulden zurückzahlen werde, an:
"Ich habe bis jetzt noch nichts bezahlt. Wir haben vereinbart, dass ich ihm das Geld zurückgebe, sobald ich eines habe."
Die BF, die im Bundesgebiet im Zeitraum von Dezember 2013 bis Juli 2018 als Prostituierte gewerblich selbstständig war, geht nunmehr keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mehr nach. Ihr Lebensgefährte steht zwar in einem laufenden Beschäftigungsverhältnis, hat jedoch bei monatlicher Ratenzahlung von EUR 100,- noch bis November 2019 aus seiner Führerscheinentzugsstrafe stammende Schulden zu begleichen. Davon, dass dieser die BF bei der Rückzahlung der mit ihrer strafrechtlichen Verurteilung angefallenen Schulden unterstützen können wird, ist daher nicht auszugehen.
Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 26.03.2019 war der Schuldenstand der BF in Höhe von EUR 9.850,-, zu deren Zurückzahlung die BF an den dem Strafverfahren angeschlossenen Privatbeteiligten, mit strafrechtlicher Verurteilung von Juni 2018 verpflichtet wurde, noch unverändert. Dass ihr Lebensgefährte die BF bei der Schuldentilgung unterstützen könnte, hat diese in der mündlichen Verhandlung außerdem auch nicht angegeben. Zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt steht jedenfalls fest, dass die BF derzeit keiner legalen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nachgeht und demzufolge eine von der BF im Bundesgebiet erneute widerrechtliche Bereicherung nicht ausgeschlossen werden kann und demnach eine von der BF im Bundesgebiet ausgehende tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG anzunehmen ist.
Das vom BFA erlassene Aufenthaltsverbot war daher dem Grunde gerechtfertigt.
Die vom BFA ausgesprochene zweijährige Aufenthaltsverbotsdauer wird jedoch aufgrund der von der BF während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet ab 2012 aufgebauten Bindungen als zu hoch zeigte, ein Aufenthaltsverbot in der Höhe von fünf Monaten für hinreichend hoch gehalten, um die BF innerhalb dieser Zeit im Herkunftsstaat zu einem positiven Gesinnungswandel bewegen zu können.
Die Beziehung der BF zu ihrem Lebensgefährten, einem rumänischen Staatsangehörigen, der ebenso wie die BF selbst seit 28.03.2017 ein noch offenes NAG-Verfahren hat und mit dem die BF seit März 2017 im Bundesgebiet in gemeinsamem Haushalt zusammenlebt, kann dabei jedenfalls kein für die BF positiveres Ergebnis bewirken, auch die Geburt ihres gemeinsamen Sohnes im Dezember 2018 nicht, kann ihr Sohn, der mit den Kindeseltern zusammenwohnt, der BF doch nach Rumänien folgen. Dem Lebensgefährten der BF, der in Österreich zwar seit Mai 2018 einer Beschäftigung nachgeht, jedoch, wie aus seinem noch laufenden NAG-Verfahren ersichtlich, noch keinen Aufenthaltstitel für Österreich erhalten konnte, steht es zudem frei, die BF während der Dauer ihrer aufenthaltsverbotsbedingten Abwesenheit in Rumänien zu besuchen und mit ihr über moderne Kommunikationsmittel den Kontakt aufrecht zu halten. Fünf Monate Trennung der BF und ihres nunmehr nicht ganz acht Monate alten Sohnes vom Lebensgefährten der BF bzw. Kindesvater ihres gemeinsamen Sohnes wird für die BF zudem auch im Hinblick darauf, dass ihr gemeinsamer im Kleinkindalter befindlicher Sohn gerade in seinen ersten Lebensmonaten und seiner beginnenden Sozialisierungsphase besonders auf die Anwesenheit beider Elternteile angewiesen ist, für verkraftbar gehalten.
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher spruchgemäß teilweise stattzugeben.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Aus Sicht des erkennenden Gerichtes war das Absehen von der Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes wegen der von der Person des BF ausgehenden, erheblichen Gefahr für das Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit unbedingt notwendig, geht doch von der BF, die im Bundesgebiet in wiederholten Angriffen widerrechtliche Geldbehebungen mittels der Bankomatkarte einer fremden Person vorgenommen hat und deswegen im Juni 2018 wegen schweren Diebstahls rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, seit Beendigung ihrer gewerblich selbstständigen Erwerbstätigkeit als Prostituierte im Juli 2018 keiner Beschäftigung mehr nachgeht, laut glaubhaftem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung am 26.03.2019 gegenüber dem Zeitpunkt der strafrechtlichen Verurteilung im Juni 2018 noch einen unveränderten Schuldenstand von EUR 9.850,-
zu begleichen hatte, eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, die eine sofortige Ausreise der BF erfordert, ist doch angesichts des im Beschwerdeverfahren erkannten Persönlichkeitsprofil der BF, ihres bisherigen (kriminellen) Verhaltens und ihrer derzeitigen Einkommenssituation jederzeit mit erneuten (Vermögens-) Straftaten auszugehen.
Ergänzend zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerde der BF gemäß § 18 Abs. 3 FPG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung seitens des BVwG erfolgte nicht.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Aus dem zuvor Gesagten ist eindeutig erkennbar, dass der BF durch sein bisheriges strafbares Verhalten ein gewichtiges Gefahrenmoment für die öffentlichen Interessen der Republik Österreich darstellt. Die von der belangten Behörde ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung war daher unbedingt vonnöten, um ein weiteres derartiges Handeln des BF hintanzuhalten, zumal auch berücksichtigungswürdige private Interessen der BF nicht erkannt werden konnten.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Herabsetzung, Interessenabwägung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2210117.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.01.2020