TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/5 I406 2144860-1

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Veröffentlicht am 05.09.2019
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Entscheidungsdatum

05.09.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I406 2144860-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Libyen, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.11.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.03.2017, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer gab bei der Erstbefragung am 08.11.2014 zum Fluchtgrund an, "Ich habe vor drei Jahren Libyen wegen des Bürgerkrieges verlassen. Ich wurde damals angeschossen und kam zur medizinischen Behandlung in Italien. Da die Sicherheitslage in Libyen sehr instabil ist, kann ich dorthin nicht zurück."

Bei der Einvernahme durch die belangte Behörde am 17.02.2016 gab der Beschwerdeführer über sein bisheriges Vorbringen hinausgehend an: Zu Beginn der libyschen Revolution im Jahr 2011 habe er auf einem Ölfeld als LKW-Fahrer gearbeitet, das Ölfeld sei von Aufständischen überfallen worden. Zudem sei im August 2011, als er in Tripolis einen Verletzten habe bergen wollen, sein Knie von einem Scharfschützen zertrümmert worden, deswegen sei er zur medizinischen Behandlung nach Italien gebracht worden. Auf die Frage, warum er nicht wie seine Verwandten in Libyen leben könne, gab der Beschwerdeführer an, "Es geht ihnen auch nicht besonders gut. Sie leben unter Schutz eines anderen Stammes"; sein Stamm gelte bei der Miliz Fager Libya als Anhänger Gaddafis und werde deshalb verfolgt. Die Fragen, ob er im Herkunftsland politisch tätig gewesen oder einer politischen Partei oder einer bewaffneten Gruppierung angehört oder persönlich Probleme mit den Behörden des Herkunftsstaates gehabt habe, verneinte der Beschwerdeführer.

Mit Bescheid vom 18.11.2016, Zl. XXXX wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 AsylG ab, erkannte ihm gemäß § 8 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.11.2017.

Mit Verfahrensanordnung vom 01.12.2016 stellte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG dem Verein Menschenrechte Österreich amtswegig zur Seite.

Gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, Beschwerde.

Am 06.03.2017 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

Mit Stellungnahme vom 14.03.2017 brachte die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vor, im Fall des Beschwerdeführers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aufgrund von Konventionsgründen durch Dritte relevant, eine Schutzwilligkeit bzw. -fähigkeit der Behörden des Herkunftsstaates sei nicht gegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest, er ist libyscher Staatsbürgerschaft.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, im Herkunftsstaat als Person oder als Mitglied einer sozialen Gruppe, insbesondere als Mitglied seines Stammes, verfolgt worden zu sein und hat auch im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mit Verfolgungshandlungen zu rechnen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund der Vorlage seines Reisepasses fest.

2.3. Zum Fluchtvorbringen

Die Polizei im Rahmen der Erstbefragung sowie die belangte Behörde im Rahmen ihrer Einvernahme haben den Sachverhalt ordnungsgemäß erhoben.

Die Feststellungen zum Fluchtvorbringen gründen sich daher auf den unbedenklichen Niederschriften der Erstbefragung sowie der Einvernahme durch die belangte Behörde und die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Zunächst ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, welcher in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht vertritt, dass die bei einer ersten Vernehmung gemachten Angaben erfahrungsgemäß der Wahrheit am nächsten kommen und auch die rechtliche Unbefangenheit nach der Lebenserfahrung als eine gewisse Gewähr für die Übereinstimmung der Erstaussage mit den tatsächlichen Verhältnissen angesehen werden kann (vgl. die Erk. des VwGH vom 21.12.1992, Zl. 89/16/0147; vom 17.10.2012, Zl. 2011/08/0064, mwN).

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

Daher ist Erklärung des Beschwerdeführers im Rahmen der Erstbefragung, er habe Libyen wegen des Bürgerkrieges verlassen, er sei bei der Bergung von Verletzten angeschossen und deswegen zur medizinischen Behandlung nach Italien gekommen, in den Herkunftsstaat könne er aufgrund der instabilen Sicherheitslage nicht zurückkehren, besonderes Gewicht beizumessen.

Daraus ergibt sich, dass die Gefährdung des Beschwerdeführers nicht aus einer Verfolgung seiner Person resultiert, sondern vielmehr aus der instabilen Sicherheitslage im Herkunftsstaat.

Auch eine Verfolgung als Mitglied einer sozialen Gruppe, im konkreten als Mitglied seines Stammes, hat der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht, hat er eine solche doch das erste Mal in der Einvernahme durch die belangte Behörde vorgebracht, daher kommt ihr schon aufgrunddessen unter Berücksichtigung der oben angeführten höchstgerichtlichen Judikatur geringere Glaubhaftigkeit zu.

Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer dieses Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht letztendlich relativiert, indem er abschließend einräumt, sein Stamm stehe unter dem Schutz eines anderen Stammes.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit, Schutz im EWR-Staat oder in der Schweiz oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die Verfolgungsgefahr muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen.

Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, Zl. 95/20/0239; VwGH 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Relevant ist daher nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

Dies bedeutet im Fall des Beschwerdeführers:

Wie bereits oben ausgeführt, ist dessen Erklärung im Rahmen der Erstbefragung - er habe Libyen wegen des Bürgerkrieges verlassen, er sei bei der Bergung von Verletzten angeschossen und deswegen zur medizinischen Behandlung nach Italien gekommen, in den Herkunftsstaat könne er aufgrund der instabilen Sicherheitslage nicht zurückkehren - besonderes Gewicht beizumessen.

Nicht glaubhaft ist im Gegensatz dazu das zum ersten Mal in der Einvernahme durch die belangte Behörde erstattete und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - indem der Beschwerdeführer abschließend einräumte, sein Stamm stehe unter dem Schutz eines anderen Stammes - letztendlich relativierte Vorbringen einer Verfolgung seines Stammes. Zudem hat der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen keine Verfolgung dargetan, die die erforderliche Intensität für die Gewährung von Asyl aufwiese. Auch seine Behauptung, in Libyen würden sämtliche Rückkehrer aus Europa verfolgt, stellte der Beschwerdeführer zum einen in den Raum, ohne sie in irgendeiner Weise zu belegen, zum anderen widerspricht diese Behauptung gänzlich dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes, somit hat der Beschwerdeführer auch mit diesem Vorbringen eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht.

Daher hat der Beschwerdeführer eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht glaubhaft gemacht, somit sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht gegeben.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl die oben angeführte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung, asylrechtlich relevante Verfolgung,
Asylverfahren, begründete Furcht vor Verfolgung, erhebliche
Intensität, Fluchtgründe, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit,
maßgebliche Wahrscheinlichkeit, mündliche Verhandlung,
Nachvollziehbarkeit, Prognose, Unzumutbarkeit, Verfolgungsgefahr,
Verfolgungshandlung, wohlbegründete Furcht, Zurechenbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I406.2144860.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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