Entscheidungsdatum
10.09.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W270 2177953-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. GRASSL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2017, Zl. XXXX , betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (in Folge: "Beschwerdeführer") stellte am 09.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 10.08.2015 gab er befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass sein Vater als Chauffeur bei den Taliban gearbeitet habe. Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers seien von der neuen Regierung und von den Dorfleuten bedroht worden, weil sein Vater nicht mehr bei den Taliban habe arbeiten wollen. Den Iran habe der Beschwerdeführer verlassen, weil sein Vater keine Arbeit gefunden habe. Dieser habe seine Aufenthaltsbewilligungskarte zurückgegeben und nach Pakistan reisen wollen.
3. Bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 03.10.2017 gab der Beschwerdeführer zu den Gründen für seine Asylantragstellung befragt im Wesentlichen zusammengefasst an, dass sein Vater mit den Taliban zusammengearbeitet habe. Dieser sei Fahrer gewesen, habe den Taliban aber auch bei Festnahmen oder Befragungen geholfen. Nach dem Sturz der Taliban sei sein Vater von den Dorfbewohnern für einen Spion der Taliban gehalten worden, weshalb dieser nach Pakistan geflohen sei. Auch auf die Mutter des Beschwerdeführers hätten die Dorfbewohner Druck ausgeübt, damit der Vater des Beschwerdeführers nach Afghanistan zurückkehren würde. Deshalb habe sich auch die Mutter entschieden, gemeinsam mit dem Beschwerdeführer und dessen Geschwistern Afghanistan zu verlassen.
4. Die belangte Behörde wies den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m.
§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) mit Bescheid vom 25.10.2017 ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 i.V.m. § 9 BFA-VG, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III. und IV.).
Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im Wesentlichen damit, dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre, weil sein Vater mit den Taliban zusammengearbeitet habe. Dem Beschwerdeführer sei es aufgrund seiner Schul- und Berufserfahrung zumutbar in der Stadt Kabul Fuß zu fassen, ohne in eine ausweglose Situation zu geraten. Darüber hinaus könnten ihn auch seine im Iran lebenden Verwandten finanziell unterstützen.
5. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, unzureichende Länderfeststellungen, ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren und eine mangelhafte Beweiswürdigung sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt. Darüber hinaus wurden Beweismittel u.a. zur Sicherheitslage insbesondere in der Stadt Kabul sowie zur Situation der schiitischen Hazara vorgelegt.
6. Mit Schriftsatz vom 04.04.2018 erstattete der Beschwerdeführer weiteres Vorbringen zu seiner Integration.
7. Am 31.05.2019 langte am Bundesverwaltungsgericht ein Unterstützungsschreiben für den Beschwerdeführer ein.
8. Gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sowie weitere länderkundliche und sonstige Informationen im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.
9. Am 18.07.2019 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in deren Rahmen der Beschwerdeführer nochmals zu den geltend gemachten Fluchtgründen, einer möglichen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sowie seinem Leben in Österreich einvernommen wurde, eine Stellungnahme zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten erstattete und weitere Urkunden u.a. zur Integration vorlegte. Von Seiten des erkennenden Gerichtes wurden weitere länderkundliche und sonstige Informationen in das Verfahren eingeführt.
II. Feststellungen:
1. Zur Person des Beschwerdeführers:
1.1. Identität, Herkunft und Sprachkenntnisse:
1.1.1. Der Beschwerdeführer trägt den Namen " XXXX " und ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan. Er wurde dort am XXXX in der Provinz Ghazni, im Distrikt Qarabagh, im Dorf " XXXX " geboren und dort bis zu seinem sechsten Lebensjahr auch aufgewachsen.
1.1.2. Im Alter von sechs Jahren reiste der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in den Iran aus.
1.1.3. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Neben dieser hat er noch Kenntnisse der Sprachen Farsi und Deutsch. Diese Sprachen kann der Beschwerdeführer auch lesen und schreiben.
1.2. Volksgruppe und Religion:
Der Beschwerdeführer gehört der afghanischen Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.
1.3. Familiäre Situation und wirtschaftliche Lage:
1.3.1. Die Mutter, die beiden Schwestern und der Bruder des Beschwerdeführers leben nach wie vor im Iran.
1.3.2. Der Vater des Beschwerdeführers verließ die Familie vor ungefähr zehn Jahren um nach Pakistan zu gehen. Seitdem hat die Familie des Beschwerdeführers nichts mehr von diesem gehört.
1.3.3. Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen führen die Mutter und die Geschwister des Beschwerdeführers zu Hause Stick- und Näharbeiten aus. Zusätzlich werden sie von den Onkeln mütterlicherseits des Beschwerdeführers finanziell unterstützt.
1.3.4. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie regelmäßig, einmal pro Monat, in Kontakt.
1.4. Ausbildung und Berufserfahrung:
1.4.1. Der Beschwerdeführer besuchte fünf Jahre lang eine Grundschule in Teheran.
1.4.2. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr bis zu seiner Ausreise aus dem Iran arbeitete er als Schuster. In dem Betrieb, in welchem der Beschwerdeführer zuletzt als Schuster tätig war, stellte er Damenschuhe aus Leder her und verdiente ungefähr zwei Millionen Toman monatlich. Mit den Einkünften aus dieser Tätigkeit konnte er auch den Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreiten.
1.5. Gesundheitszustand:
Der Beschwerdeführer ist gesund. Er leidet an keinen psychischen oder physischen Krankheiten oder Gebrechen und nimmt keine Medikamente ein.
1.6. Ausreise aus Afghanistan bzw. dem Iran und Antragstellung in Österreich:
1.6.1. Der Beschwerdeführer reiste ungefähr im Jahr 2001 aus Afghanistan aus.
1.6.2. Er verließ den Iran ungefähr im Juli 2015 und stellte schließlich am 09.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Zum individuellen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
2.1. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitete für die Taliban als Fahrer. Nach deren Sturz verließ der Vater des Beschwerdeführers Afghanistan.
2.2. Weder die Mutter, die Geschwister des Beschwerdeführers noch dieser selbst von den Dorfbewohnern ihres Heimatdorfes nach der Ausreise des Vaters des Beschwerdeführers persönlich bedroht. Es wurde auch keine sonstige Handlung oder Maßnahme gegen diese Personen gesetzt.
2.3. Ebenso kann eine Bedrohung der Mutter des Beschwerdeführers durch die afghanische Regierung in Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vaters des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden.
2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass es sich bei den - zur Zeit der behaupteten Drohungen - im Heimatdorf des Beschwerdeführers lebenden Dorfbewohnern um einflussreiche oder mächtige Personen handelt.
2.5. Der Beschwerdeführer hatte in seinem Herkunftsstaat weder Probleme mit den Behörden noch wurde er wegen seiner Nationalität, seinem Geschlecht, seiner sexuellen Orientierung oder seinem Bekenntnis zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam, seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder wegen einer Zugehörigkeit zu einer anderen gesellschaftlichen Gruppe bedroht oder wurde sonst eine Handlung oder Maßnahme aus diesen Gründen gegen ihn gesetzt.
3. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
3.1. Der Beschwerdeführer lebt in einer Unterkunft in XXXX .
3.2. In Österreich leben weder Verwandte noch sonstige nahe Angehörige des Beschwerdeführers. Er selbst ist ledig.
3.3. Der Beschwerdeführer hat bereits das Sprachzertifikat für das Deutschsprachniveau B1 gut bestanden. Von Mai bis Juli 2018 hat der Beschwerdeführer am Weiterbildungsprojekt " XXXX " partizipiert, welches insbesondere einen Deutschkurs für das Sprachniveau B1 im Ausmaß von 75 Stunden sowie eine Basisbildung mit Schwerpunkten Mathematik, Politische Grundbildung, Leben in Österreich, Soziale interkulturelle Kompetenzen und IKT im Ausmaß von 100 Stunden beinhaltete. In diesem Rahmen absolvierte der Beschwerdeführer am 26.07.2018 auch einen Erste-Hilfe-Grundkurs des Österreichischen Roten Kreuzes in XXXX . Vom 10.04.2018 bis 13.04.2018 nahm er an den Berufsschnuppertagen für den Beruf Tischler im Tischlereibetrieb " XXXX " teil.
Der Beschwerdeführer war im Zeitraum vom 13.02.2017 bis 09.04.2019 im Rahmen der Erbringung gemeinnütziger Hilfstätigkeiten tageweise beschäftigt. Der Beschwerdeführer erbringt außerdem oftmals für die XXXX Übersetzungstätigkeiten oder hilft beim Ausmalen und Renovieren.
3.4. Der Beschwerdeführer ist außerdem Mitglied eines Billardvereins in XXXX und spielte dort auch im Meisterschaftsteam.
3.5. In seiner Freizeit geht er mit befreundeten Familien, so z.B. mit der Familie von " XXXX ", essen oder macht mit diesen Familien Ausflüge.
3.6. Seine österreichischen Kontaktpersonen sind " XXXX ", " XXXX ", " XXXX ", " XXXX " und " XXXX ". Der Beschwerdeführer verfügt auch über afghanische Freunde, " XXXX " und " XXXX ". Auch zu " XXXX ", einem Kollegen aus dem Billardverein, hat der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt und wurde auch zu dessen Hochzeit eingeladen.
3.7. Sein soziales Umfeld beschreibt den Beschwerdeführer als hilfsbereiten, fleißigen, freundlichen, verlässlichen, offenen, ehrlichen jungen Mann.
3.8. Er ist in Österreich nicht erwerbstätig. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Einstellzusage als Arbeiter im Malereibetrieb seines Freundes, " XXXX ".
3.9. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.
4. Zur persönliche Situation des Beschwerdeführers bei Rückkehr nach
Afghanistan:
Für den Beschwerdeführer besteht die Möglichkeit, staatliche
Rückkehrhilfe zu beziehen:
Von 1. Jänner 2017 bis 31. Dezember 2019 implementiert die Internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt "RESTART II - Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und Iran". Das Projekt wird durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert.
Im Rahmen des Projekts können Drittstaatsangehörige bei ihrer freiwilligen Rückkehr in die Islamische Republiken Afghanistan und Iran sowie bei ihrer nachhaltigen Reintegration im jeweiligen Herkunftsland unterstützt werden.
Das Projekt sieht die Teilnahme von 490 Personen vor. Pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen.
Die Maßnahmen, die die Rückkehrer/innen bei ihren Reintegrationsbemühungen unterstützen, werden gemeinsam mit den Teilnehmer/innen erarbeitet und sind auf deren individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmt.
IOM setzt im Rahmen des Projekts folgende Maßnahmen um:
Rückkehrunterstützung
* Informationsgespräche vor der Abreise in Österreich;
* Möglichkeit der Erhebung der familiären Situation im Rückkehrland im Falle der Rückkehr von unbegleiteten Minderjährigen;
* Logistische Organisation der Reise (inklusive Kauf des Flugtickets);
* Unterstützung bei der Abreise am Flughafen Wien Schwechat;
* Empfang und Unterstützung bei der Ankunft sowie Organisation der Weiterreise zum endgültigen Zielort in Afghanistan und der Islamischen Republik Iran;
* Temporäre Unterkunft nach der Ankunft im Rückkehrland.
Reintegrationsunterstützung
* Beratung der Projektteilnehmer/innen nach der Rückkehr bezüglich ihrer Möglichkeiten unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, ihres Ausbildungs- und beruflichen Hintergrunds und ihrer persönlichen Lebenssituation;
* Finanzielle Unterstützung in Form von Bargeld: EUR 500,- für jede/n Projektteilnehmer/in, um die dringendsten Bedürfnisse direkt nach der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland abzudecken;
* Unterstützung in Form von Sachleistungen wie
* Unterstützung bei Gründung von oder Beteiligung an einem Unternehmen (z.B. Kauf von Ausstattung, Waren);
* Aus- und Weiterbildung;
* Unterkunft;
* Unterstützung für Kinder;
* Medizinische Unterstützung
* Leitfaden zur Unternehmensgründung und Weitervermittlung zu kostenlosen Business Trainings.
5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
5.1. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:
5.1.1. Sicherheitslage
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil.
Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren.
Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.612 registrierten zivilen Opfer (440 Tote und 1.172 Verletzte). Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen.
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielten Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen. Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden.
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF; diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019 [in Folge: "LIB"], Abschnitt 3. "Sicherheitslage")
5.1.2. Regierungsfeindliche Gruppierungen
Allgemeines
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus.
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen. Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren. Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet.
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird.
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan. Die Gründe dafür sind verschiedene:
das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten.
Taliban
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht. Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen.
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen.
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten. Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand. Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten. Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten:
Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden.
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen. Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben. Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS.
(Auszüge aus dem LIB, Abschnitt 3. "Sicherheitslage")
5.1.3. Grundversorgungs- und Wirtschaftslage
Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu.
Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert. Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Abschnitt 21. "Grundversorgung und Wirtschaft")
5.1.4. Rechtsschutz und Justizwesen in Afghanistan:
Im Bereich des Rechtsschutzes und des Justizwesens in Afghanistan gibt es legislative Fortschritte; dennoch gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen und werden Dispute überwiegend außerhalb des formellen Justizsystems gelöst. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, in den ländlichen Gebieten aber schwächer ausgeprägt. Dem Justizsystem mangelt es an Leistungsfähigkeit, teils mangels qualifizierten Personals (insbesondere in ländlichen Gebieten), teils wegen der eingeschränkten Zugänglichkeit von Gesetzestexten; die Situation bessert sich jedoch. Innerhalb des Gerichtswesens ist auch Korruption vorhanden und sind Richterinnen und Richter und Anwältinnen und Anwälte oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen.
(Zusammenfassung aus dem LIB, Abschnitt 4. "Rechtsschutz/Justizwesen")
5.1.5. Sicherheitsbehörden in Afghanistan:
Im Zeitraum 2011 - 2014 wurde die Verantwortung für die Sicherheitsoperationen in Afghanistan schrittweise auf die afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) übertragen. Die ANSF setzt sich aus staatlichen Sicherheitskräften zusammen, darunter die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Luftwaffe (AAF), die afghanische Nationalpolizei (ANP), die afghanische lokale Polizei (ALP) und das National Directorate for Security (NDS), welches als Geheimdienst fungiert.
Die Wirksamkeit der afghanischen Streitkräfte hängt nach wie vor von der internationalen Unterstützung ab, um die Kontrolle über das Territorium zu sichern und zu behalten und die operative Kapazität zu unterstützen.
Die Polizeipräsenz ist auch in den Städten stärker und die Polizeibeamten sind verpflichtet, Richtlinien wie den ANP-Verhaltenskodex und die Richtlinien zum Einsatz von Gewalt einzuhalten. Die Reaktion der Polizei wird jedoch als unzuverlässig und inkonsistent bezeichnet, die Polizei hat eine schwache Ermittlungskapazität, es fehlt an forensischer Ausbildung und technischem Wissen. Der Polizei wird auch weit verbreitete Korruption, Gönnerschaft und Machtmissbrauch vorgeworfen:
Einzelpersonen in den Institutionen können ihre Machtposition missbrauchen und Erpressung zur Ergänzung ihres niedrigen Einkommens einsetzen. Es kam weiterhin zu willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen durch die Polizei, und Folter ist bei der Polizei endemisch. Untätigkeit, Inkompetenz, Straffreiheit und Korruption führen zu Leistungsschwächen.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem Country Guidance: Afghanistan, Juni 2019 [in Folge:
"EASO-Länderleitfaden Afghanistan"], des European Asylum Support Office [in Folge: "EASO"], abrufbar https://www.easo.europa.eu/country-guidance, abgerufen 05.08.2019, S. 122 mit Verweis auf weitere Quellen)
5.1.6. Folter und unmenschliche Behandlung:
Laut den Artikeln 29 und 30 der afghanischen Verfassung ist Folter verboten. Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt wurden, sind ungültig. Auch ist Afghanistan Vertragsstaat der vier Genfer Abkommen von 1949, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie des römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC). Am 22. April 2017 genehmigte die afghanische Regierung ein neues Anti-Folter-Gesetz und erweiterte das im ursprünglichen Strafgesetzbuch enthaltene Folterverbot. Das neue Gesetz bezieht sich jedoch nur auf Folterungen, die im Rahmen des Strafrechtssystems erfolgt sind, und nicht eindeutig auf Misshandlungen, die von militärischen sowie anderen Sicherheitskräften verübt werden. Fehlende Regelungen zur Entschädigung von Folteropfern wurden im August 2017 durch ein entsprechendes Addendum ergänzt.
Trotz dieser Vorgaben gibt es zahlreiche Berichte über Misshandlungen durch Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte, Gefängnispersonal und Polizei. Quellen zufolge wenden die Sicherheitskräfte weiterhin exzessive Gewalt an, einschließlich Folter und Gewalt gegen Zivilisten. Personen, die im Rahmen des bewaffneten Konflikts festgenommen wurden, werden insbesondere während des ersten Verhörs gefoltert, um Geständnisse zu erhalten.
Im Zuge einer Befragung gaben für den Zeitraum 1.1.2015 - 31.12.2016 181 (39%) von 469 befragten Personen an, von den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (ANDSF) gefoltert worden zu sein. Auch 38 (45%) von 85 befragten Kinder gaben an im Berichtszeitraum Opfer von Folter oder Missbräuchen geworden zu sein. Die meisten Misshandlungen fanden unter der Obhut des National Directorate of Security (NDS) und der afghanischen Nationalpolizei statt (ANP).
Zwei Jahre nach der Verlautbarung des Nationalplans von 2015 zur Eliminierung der Folter durch die afghanische Regierung, hat diese einige dauerhafte Fortschritte gemacht, insbesondere auf der Gesetzesebene. Zahlreiche im Nationalplan eingegangene Hauptverpflichtungen wurden jedoch nur teilweise verwirklicht
(Zusammenfassung aus dem LIB, Abschnitt 6. "Folter und unmenschliche Behandlung durch den afghanischen Staat")
5.1.7. Binnenflüchtlinge:
Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder.
Größtenteils stammen IDPs aus unsicheren ländlichen Gebieten und kleinen Städten und suchen relativ bessere Bedingungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz. Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten, was zu weiterem Druck auf bereits überlastete Dienstleistungen und Infrastrukturen führt.
Die Binnenflüchtlinge leben mehrheitlich in prekären Bedingungen, der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Ein Großteil ist auf humanitäre Hilfe angewiesen, für welche es jedoch lediglich einen begrenzten Zugang gibt. Aufgrund des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe. Die afghanische Regierung kooperierte mit dem UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um den Betroffenen Schutz und Unterstützung zu bieten.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Abschnitt 20. "Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge")
5.1.8. Zu den Rückkehrern nach Afghanistan:
Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt und war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück.
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten.
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung.
Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:
IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert. IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird.
UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben.
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden.
Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung
Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft. Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen.
Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können.
Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen.
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem LIB, Abschnitt 23. "Rückkehr")
5.2. Lage in der Heimatprovinz bzw. dem Heimatdistrikt des Beschwerdeführers:
5.2.1. Allgemeines:
Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt entfernt und liegt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Ghazni grenzt im Norden an die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan, im Osten an Logar, Paktia und Paktika, im Süden an Zabul und im Westen an Uruzgan und Daikundi. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist Ghazni die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl, die auf 1.270.3192 Bewohner/innen geschätzt wird. Hauptsächlich besteht die Bevölkerung aus großen Stämmen der Paschtunen sowie Tadschiken und Hazara; Mitglieder der Bayat, Sadat und Sikh sind auch dort vertreten, wenngleich die Vielzahl der Bevölkerung Paschtunen sind.
Ghazni besteht aus den folgenden Distrikten: die Provinzhauptstadt Ghazni, sowie die Distrikte Andar, Muqur, Khugiani/Khugaini/Khogyani, Qara Bagh/Qarabagh, Gilan/Gelan/Gailan, Waghiz/Waghaz, Giro/Gairo, Deh Yak/Dehyak, Nawar/Nawur, Jaghori/Jaghuri, Malistan/Malestan, Rashidan, Ab Band/Abband, Khugiani, Nawa, Jaghato/Jaghato, Zankhan/Zanakhan, Ajeristan/Ajrestan und Khwaja Omari/Khwajaumari. Ghazni ist eine der Schlüsselprovinz im Südosten, die die zentralen Provinzen inklusive der Hauptstadt Kabul mit anderen Provinzen im Süden und Westen verbindet.
Nach mehr als zwei Jahrzehnten ohne Mohnanbau in der Provinz Ghazni (seit 1995), wird nun wieder Mohn angebaut. Mit Stand November 2017 wurden 1.027 Hektar Mohn angebaut: Opium/Mohn wurde insbesondere im Distrikt Ajrestan angebaut, in dem die Sicherheitslage schwach ist.
5.2.2. Allgemeine Information zur Sicherheitslage
Im Februar 2018 wurde verlautbart, dass die Provinz Ghazni zu den relativ volatilen Provinzen im südöstlichen Teil des Landes zählt; die Provinz selbst grenzt an unruhige Provinzen des Südens. Die Taliban und Aufständische anderer Gruppierungen sind in gewissen Distrikten aktiv. In der Provinz kommt es zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Aufständischen.
Wie in vielen Regionen in Südafghanistan, in denen die Paschtunen die Mehrheit stellen, konnten die Taliban in Ghazni nach dem Jahr 2001 an Einfluss gewinnen. Die harten Vorgehensweisen der Taliban - wie Schließungen von Schulen, der Stopp von Bauprojekten usw. - führten jedoch auch zu Gegenreaktionen. So organisierten Dorfbewohner eines Dorfes im Distrikt Andar ihre eigenen Milizen, um die Aufständischen fernzuhalten - auch andere Distrikte in Ghazni folgten. Die Sicherheitslage verbesserte sich, Schulen und Gesundheitskliniken öffneten wieder. Da diese Milizen, auch ALP (Afghan Local Police) genannt, der lokalen Gemeinschaft entstammen, genießen sie das Vertrauen der lokalen Menschen. Nichtsdestotrotz kommt es zu auch bei diesen Milizen zu Korruption und Missbrauch.
Im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) (15.12.2017-15.2.2018) haben regierungsfeindliche Elemente auch weiterhin Druck auf die afghanischen Sicherheitskräfte ausgeübt, indem koordinierte Angriffe auf Kontrollpunkte der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte unter anderem in der Provinz Ghazni verübt wurden.
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 163 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Die meisten im Jahr 2017 registrierten Anschläge fanden - in absteigender Reihenfolge - in den Provinzen Nangarhar, Faryab, Helmand, Kandahar, Farah, Ghazni, Uruzgan, Logar, Jawzjan, Paktika und Kabul statt.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 353 zivile Opfer in Ghazni (139 getötete Zivilisten und 214 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten/willkürlichen Tötungen. Dies deutet einen Rückgang von 11% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.
5.2.3. Militärische Operationen in Ghazni:
Militärische Operationen werden in der Provinz Ghazni durchgeführt; Aufständische werden getötet und festgenommen. Luftangriffe werden ebenso durchgeführt, bei denen auch Taliban getötet werden.
Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften finden statt.
5.2.4. Regierungsfeindliche Gruppierungen in Ghazni:
Sowohl das Haqqani-Netzwerk, als auch die Taliban sind in manchen Regionen der Provinz aktiv. Sicherheitsbeamte sprechen von mehreren Gruppierungen, die in der Provinz aktiv sind, während die Taliban selbst behaupten, die einzige Gruppierung in der Provinz Ghazni zu sein.
Basierend auf geheimdienstlichen Informationen, bestritt das afghanische Innenministerium im Jänner 2018, dass der IS in der Provinz Ghazni aktiv sei. Für den Zeitraum 1.1.-15.7.2017 wurden IS-bezogene Vorfälle in der Provinz gemeldet - insbesondere an der Grenze zu Paktika. Zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden hingegen keine Vorfälle registriert.
(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Abschnitt 3.10. "Ghazni")
5.3. Lage in der Stadt Mazar-e Sharif:
5.3.1. Allgemeines:
Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt der Provinz Balkh, die sich im Norden Afghanistans befindet. Die Bevölkerung von Balkh ist heterogen, wobei Tadschiken und Paschtunen die größten Gruppen bilden, gefolgt von Usbeken, Hazara, Turkmenen, Arabern und Belutschen. Die Bevölkerung Mazar-e Sharifs wurde im Jahr 2017/2018 auf rund 428.000 geschätzt und zeichnet sich durch ihre ethnische und sprachliche Vielfalt aus.
Mazar-e Sharif ist als Wirtschaftszentrum des Nordens bekannt und zieht Wirtschaftsmigranten aus ländlichen Gebieten mit seinen Arbeitsmöglichkeiten und seiner relativen Sicherheit an. Als "regionaler Anziehungspunkt im Norden" nahm die Provinz Balkh Migranten vor allem aus den Nordprovinzen Samangan, Sar-e Pul, Jawzjan und Faryab auf. Laut Daten des IOM hatte die Provinz bis Juni 2018 109 845 Rückkehrer, was die fünftgrößte Zahl unter den afghanischen Provinzen war. Laut einer CSO-Umfrage von 2015 sind etwa 38% der Bevölkerung von Mazar-e Sharif Migranten, die überwiegend aus anderen afghanischen Provinzen stammen und nur 17 % Rückkehrer aus dem Ausland. Laut einer UNHCR-Feldstudie von 2018 war die Zahl der Rückkehrer aus dem Iran und anderen Ländern in Mazar-e Sharif sehr gering. Die meisten derjenigen, die aus dem Iran zurückkehrten, waren Berichten zufolge Studenten, die für einen kurzen Zeitraum zurückkehrten, um die notwendigen Unterlagen zu erhalten, und dann in den Iran zurückkehrten, um ihre Ausbildung fortzusetzen. Der UNHCR dokumentierte 466 Flüchtlingsrückkehrer in die Provinz Balkh im Jahr 2018.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem ACCORD-Bericht "Afghanistan: Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mazar-e Sharif (Provinz Balkh) und Kabul 2010-2018" vom [in Folge:
"ACCORD-Bericht Versorgungs- und Sicherheitslage"], abrufbar unter:
https://www.ecoi.net/en/document/2001546.html#alert, abgerufen am 09.09.2019, S. 6 und 13 und dem EASO Country of Origin Information Report Afghanistan, Key socio-economic indicator. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City, April 2019 [in Folge:
"EASO-Bericht Sozioökonomie"], abrufbar unter:
https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/EASO_COI_Afghanistan_KSEI_April_2019.pdf, abgerufen am 29.08.2019, Abschnitt 1.1.3. und 1.2.3.)
Mazar-e Sharif gilt als regionaler Handelsplatz für Nordafghanistan und auch als Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, die Kunsthandwerk, Teppiche und Teppiche anbieten. Mazar-e Sharif war laut Analyst Foschini relativ stabiler als Herat oder Kabul. Die größte Gruppe der Beschäftigten in der Stadt waren Service- und Vertriebsmitarbeiter (23,1 %), gefolgt von Managern/Berufstätigen/Technikern und Kaufleuten (20,9 %). Mazar-e Sharif ist auch eine der Städte in Afghanistan, in denen das Afghanistan New Market Development Project (ANMDP) durchgeführt wird. Das Projekt, das sich auf Herat, Kabul und Jalalabad erstreckt, unterstützt auch kleine und mittlere Unternehmen und Wirtschaftsverbände beim Zugang zu Dienstleistungen der Unternehmensentwicklung. Von seinem Start im Jahr 2013 bis September 2016 umfasste es 145 Organisationen in der Provinz Balkh, darunter eine lokale Pasteurisierungsfabrik in Mazar-e Sharif.
(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem EASO-Bericht Sozioökonomie, Abschnitt 4.2.1.)
5.3.2. Sicherheitslage:
Die Balkh-Provinz liegt im nördlichen Teil Afghanistans, an der internationalen Grenze zu Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan und grenzt an Kunduz, Baghlan, Samangan, Sar-e Pul und Jawzjan. Es besteht aus 15 Bezirken. Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Das Machtmonopol auf dem Balkan lag lange Zeit bei dem ehemaligen Kriegsherrn Atta Mohammed Noor, der später Gouverneur des Balkans wurde, aber im Dezember 2017 nach einem Streit mit Präsident Ghani zurücktrat. Die Mehrheit der Bezirke auf dem Balkh wird vom LWJ als unter staatlicher Kontrolle oder unbestimmt eingestuft, wobei zwei Bezirke als umstritten und ein Bezirk als unter talibanischer Kontrolle eingestuft werden. Laut GIM wurden im Zeitraum Januar 2018 bis Februar 2019 131 Vorfälle im Zusammenhang mit Aufständischen gemeldet (durchschnittlich 2,2 Vorfälle pro Woche). Während der Balkan angeblich eine der stabilsten Provinzen Afghanistans ist, sind in der Provinz regierungsfeindliche Elemente aktiv und es wurden 2018 und Anfang 2019 Sicherheitsvorfälle gemeldet. Taliban-Kämpfer haben während des gesamten Jahres 2018 und Anfang 2019 ALP-Personal, Mitglieder regierungsfreundlicher Milizen und Sicherheitsdienste in den Bezirken Sholgareh, Chahrbulak, Chemtal und Dawlatabad angegriffen. Die ANSF führte mehrere Clearing-Operationen in Balkh durch. Darüber hinaus führte die US-Luftwaffe im April 2018 einen Luftangriff im Bezirk Charbulak durch. Weitere Beispiele für Vorfälle sind eine Bombenexplosion am Straßenrand im Bezirk Sholgareh, die Entführung von Reisenden durch die Taliban, die Entführung und Ermordung von Wahlbeobachtern. UNAMA dokumentierte 2018 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte), was 16 zivile Opfer pro 100.000 Einwohner entspricht. Das ist eine Steigerung von 76 % gegenüber 2017. 99 zivile Opfer wurden durch Bodenverpflichtungen in der Balkh-Provinz verursacht, was einem Anstieg von 296% gegenüber 2017 entspricht. Die Hauptursachen für die zivilen Opfer waren Bodenverbände, gefolgt von (Selbstmord-)IEDs und gezielten Morden. Im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 28. Februar 2019 wurden 1 218 Personen aus der Provinz Balkh vertrieben, alle innerhalb der Provinz selbst. Im gleichen Zeitraum wurden 17 539 Personen in die Provinz Balkh vertrieben, hauptsächlich aus den Provinzen Faryab und Sar-e-Pul. In der Karte zur Darstellung der Konfliktstärke 2018 stuft UNOCHA die Bezirke Chemtal, Charbulak, Balkh und Mazar-e Sharif in die zweithöchste Kategorie ein. Die übrigen Bezirke werden in die unteren Kategorien eingeordnet.
Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt von Balkh. Seine Bevölkerung wird offiziell mit 454 457 gemeldet. Balkh - und genauer gesagt Mazar-e Sharif - wird als Kreuzung der Seidenstraße bezeichnet und ist ein Import-/Exportzentrum sowie ein regionales Handelszentrum. In Mazar-e Sharif befindet sich ein Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen.
Der Rücktritt von Atta Mohammed Noor als Gouverneur von Balkh im Dezember 2017 soll zu einer Zunahme krimineller Aktivitäten wie bewaffneter Raubüberfälle, Mord, Zusammenstöße und Entführungen in Mazar-e Sharif geführt haben. Der Bezirk der Hauptstadt wird von der LWJ als staatlich kontrolliert eingestuft. Im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis 28. Februar 2019 wurde keine konfliktbedingte Vertreibung von Mazar-e Sharif gemeldet, und 3 108 Personen wurden in die Stadt verlegt. UNOCHA ordnet den Bezirk Mazar-e Sharif in die zweithöchste Kategorie der Konfliktstärke ein.
(Zusammenfassung aus EASO, Afghanistan: Security Situation [Juni 2019], Abschnitt 2.5)
Die UNAMA dokumentiert in seinem im Februar 2018 erschienenen Jahresbericht für das Jahr 2017 in der Provinz Balkh 129 zivile Opfer (52 Getötete und 77 Verletzte). Dies komme einem Rückgang von 68 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gleich. USBVs, Bodeneinsätze und Blindgänger bzw. Landminen seien bezüglich dieser Opferzahlen für die Provinz Balkh die häufigsten Arten von Vorfällen.
UNHCR gibt in einem Gespräch vom November 2018 zur Lage in Mazar-e Sharif und der Provinz Balkh an, dass die afghanischen Sicherheitskräfte stark an sogenannten Räumungsoperationen beteiligt seien. Derzeit richte sich die laufende Räumungsaktion gegen die Präsenz der regierungsfeindlichen Elemente in den nahe der Hauptstraße von Mazar-e Sharif liegenden Dörfern, die die einzige Verbindung zwischen der Stadt und den anderen Provinzen sei. Es gebe einen sich ändernden Trend in der üblichen Vorgehensweise der regierungsfeindlichen Elemente. In den Jahren 2016 und 2017 hätten sie diese Gebiete im Frühjahr und Sommer kontrolliert, hätten sich jedoch in der Regel im Winter wieder aus dem Distrikt Chimtal zurückgezogen. Nun würden sie ihr Möglichstes tun, um ihre Präsenz im zuvor dazugewonnenen Gebiet in der Nähe Mazar-e Sharifs beizubehalten.