TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/12 W102 2180668-1

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Veröffentlicht am 12.09.2019
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Entscheidungsdatum

12.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W102 2180668-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX ) geb. am XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 28.11.2017, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 01.10.2018 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 57 AsylG, § 10

Abs. Z 3 AsylG i.V.m. § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2, Abs. 9 FPG und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volkgruppe der Tadschiken, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 22.11.2017 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 23.11.2017 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, Vater und Bruder hätten als Polizisten gearbeitet. Der Vater habe über das Telefon Drohungen von Taliban-Kämpfern erhalten. Sie hätten dem Vater auch gesagt, er solle ihnen den Beschwerdeführer übergeben, damit dieser an ihrer Seite kämpfe oder sie würden den Beschwerdeführer umbringen.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.01.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, Vater und Bruder hätten als Polizisten im Innenministerium gearbeitet und seien von den Taliban aufgefordert worden, für sie zu spionierten oder die Arbeit bei der Regierung zu beenden. Die Taliban hätten dem Vater gesagt, sie würden den Beschwerdeführer entführen. Ein Nachbar sei auch als Polizist tätig und die Taliban hätten das Nachbarhaus angegriffen. Dabei sei auch ihr Haus zerstört worden. Die Taliban hätten den Vater angerufen und ihm mitgeteilt, als nächstes würde ihr Haus drankommen und sie würden den Beschwerdeführer entführen.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28.11.2017, zugestellt am 30.11.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, die Schilderungen des Beschwerdeführers seien vage und nicht glaubhaft. Der Beschwerdeführer verfüge über Schul- und Zusatzausbildungen und habe Familienangehörige in Kabul. Er könne in den Herkunftsstaat zurückkehren.

3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.11.2017 richtet sich die am 16.12.2017 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der ausgeführt wird, die Angaben des Beschwerdeführers seien glaubhaft. Zur Beschäftigung des Vaters hätte die belangte Behörde auch die beiden Onkel einvernehmen können und müssen und stellte der Beschwerdeführer einen diesbezüglichen Antrag.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 01.10.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigter Rechtsvertreter und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde wegen der Tätigkeit von Vater und Bruder als Polizisten von den Taliban verfolgt, im Wesentlichen aufrecht.

Mit Schreiben vom 23.07.2019 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab der belangten Behörde und dem Beschwerdeführer die Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers langte am 08.08.2019 am Bundesverwaltungsgericht ein.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Tazkira des Beschwerdeführers samt englischer Übersetzung

* Deutschkursbestätigungen

* Mehrere Empfehlungsschreiben

* Diverse Kursbestätigungen aus dem Herkunftsstaat (Mathematik, Computer, Englisch)

* Afghanische Schulzeugnisse

* Kopien der Polizeidienstausweise von Vater und Bruder

* Diverse Fotos

* Kursbesuchsbestätigungen für Pflichtschulabschluss

* Pflichtschulabschlussprüfungszeugnis

* Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX in XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.

Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer lebte mit seiner Familie, bestehend aus Vater, Mutter und älterem Bruder in Kabul. Dort besuchte er zwölf Jahre die Schule sowie diverse zusätzliche Kurse.

Im Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer nicht gearbeitet.

Die Mutter des Beschwerdeführers ist mittlerweile verstorben. Der Vater des Beschwerdeführers und sein älterer Bruder leben in Kabul. Der Beschwerdeführer hat fünf Schwestern, sie sind verheiratet und leben mit ihren Familien in Kabul. Ein Onkel väterlicherseits lebt ebenso in Kabul. Der Beschwerdeführer verfügt über Kontaktmöglichkeiten zum Vater.

Im Bundesgebiet leben drei Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers - einer davon österreichischer Staatsbürger - mit ihren Familien. Der Beschwerdeführer lebt nicht mit ihnen im gemeinsamen Haushalt und wird von ihnen nicht finanziell unterstützt, steht aber mit ihnen in regelmäßigem Kontakt.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit er am 22.11.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, im Bundesgebiet auf. Er hat einen Deutschkurs und einen Pflichtschulabschlusskurs besucht und den Pflichtschulabschluss nachgeholt. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse. Seit 04.07.2018 verfügt der Beschwerdeführer über eine Gewerbeberechtigung im Gewerbe Botendienst. Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Einreise in das Bundesgebiet bis auf eine Unterbrechung in der Dauer von etwa zwei Wochen Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ob er das seiner Gewerbeberechtigung entsprechende Gewerbe auch ausübt, kann nicht festgestellt werden. Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer neben dem Kontakt zu seinen Onkeln soziale Kontakte geknüpft und auch Freundschaft mit zwei österreichischen Staatsbürgern geschlossen. In seiner Freizeit spielt er Fußball und besucht seine im Bundesgebiet aufhältigen Verwandten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Vater und Bruder des Beschwerdeführers sind als Polizisten im Innenministerium der afghanischen Regierung tätig. Dem Beschwerdeführer drohen deshalb im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Übergriffe durch die Taliban. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers von den Taliban bedroht wurde und ihm auch die Entführung des Beschwerdeführers angedroht wurde.

1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Hauptstadt Kabul ist von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen. Neben den Taliban ist auch der IS in Kabul (Stadt) aktiv. Das Vorgehen der Aufständischen in Kabul ist von asymmetrischer taktischer Kriegsführung gekennzeichnet, es kommt zu Selbstmordanschlägen und gezielten Tötungen, unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen kommen zum Einsatz. Zu direkten Kampfhandlungen um die territoriale Kontrolle kommt es nicht. Die Stadt steht unter der Kontrolle der afghanischen Regierung, die auf die aktuellen Entwicklungen mit einem neuen Sicherheitsplan reagiert und die Präsenz der Sicherheitskräfte, Personenkontrollen und geheimdienstliche Aktivitäten erhöht, sowie eine "Green Zone" errichtet hat. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen. Die Erreichbarkeit der Stadt ist für den Beschwerdeführer gewährleistet.

Für den Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul (Stadt) kann nicht festgestellt werden, dass ihm die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul (Stadt) ist zu erwarten, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen können. Die grundlegende Gesundheitsversorgung sowie die Versorgung mit Lebensmitteln ist in Kabul grundsätzlich gewährleistet.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinen Sprachkenntnissen, seinen Lebensumständen und seinem Lebenswandel im Herkunftsstaat ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Zu Schul- und Kursbesuch im Herkunftsstaat hat der Beschwerdeführer überdies Zeugnisse und Zertifikate vorgelegt, an deren Echtheit zu zweifeln sich im Lauf des Verfahrens keine Gründe ergeben haben.

Zu den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde, aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Übersetzung der Tazkira gehe ein anderer Nachname hervor (angefochtener Bescheid S. 45, AS 251), als der Beschwerdeführer im Verfahren angegeben habe, darf darauf hingewiesen werden, dass die belangte Behörde offenbar den in der Tazkira eingetragenen Namen des Großvaters für den Nachnamen des Beschwerdeführers hält. Diesbezüglich wäre zu erwarten, dass einer Spezialbehörde wie dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bekannt ist, dass Afghaninnen und Afghanen traditionell nur den Vornamen führen und üblicherweise keinen Nachnamen haben und Personen anhand von Stammeszugehörigkeiten, Geburtsort, Beruf oder Ehrentiteln unterschieden werden. Es handelt sich um eine "Ein-Namen-Kultur", in der der Vorname der offizielle Name ist, während der Nachname gewählt und auch selbst geändert werden kann (ACCORD Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Ist es in Afghanistan üblich, Doppelnamen zu führen, im Sinne, dass einer der Namen nur der Familie und vertrauten Personen bekannt ist und man nach außen einen anderen Namen führt?; Nach welchen Kriterien bestimmt sich der zweite Name (wird er vom Namen des Vaters abgeleitet?)? [a-8788-v2]). Damit wäre es zumindest überraschend, wenn in der Tazkira des Beschwerdeführers ein Nachname eingetragen wäre.

Weiter darf die belangte Behörde darauf hingewiesen werden, dass männliche afghanische Vornamen meist zweiteilig sind und einen der dabei häufiger vorkommende Name den "untergeordneten" darstellt, während die andere Komponente als "Eigenname" betrachtet wird (siehe die bereits zitierte ACCORD Anfragenbeantwortung). Zum Namen " XXXX " ist auszuführen, dass sich dieser aus den Komponenten " XXXX " (arabisch für XXXX ) und XXXX (dem vom Beschwerdeführer angegebenen Nachnamen) zusammensetzt, wobei " XXXX " die untergeordnete Komponente darstellt. Somit ergibt sich, dass der vom Beschwerdeführer angegebene Nachname tatsächlich mit der übergeordneten Komponente des zweiteiligen Namens des in der Tazkira genannten Namens des Großvaters übereinstimmt. Die beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde zu vermeintlich widersprüchlichen Namensangaben des Beschwerdeführers sind - auch auf Grundlage der Länderinformationen - folglich nicht geeignet, Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Identität hervorzurufen.

Zu den Bedenken der belangten Behörde hinsichtlich des Geburtsdatums des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung höchstwahrscheinlich nicht - wie die belangte Behörde vermeint (angefochtener Bescheid S. 45, AS 251) - angegeben hat, dass er am XXXX geboren ist, sondern dass dies - wie bekanntermaßen üblich - anhand des von ihm angegebenen Alters oder Geburtsjahres mit 01.01. protokolliert wurde. Wie es dagegen zur Änderung des Geburtsdatums im Zuge des Altersfeststellungsverfahrens gekommen ist, lässt sich im Akt nicht nachvollziehen. Ersichtlich ist in jedem Fall, dass das geänderte Geburtsdatum vom in der Erstbefragung protokollierten Datum um nur ein halbes Jahr abweicht, sowie, dass die jeweils angegebenen Daten nach dem in Afghanistan gebräuchlichen Kalender im selben Jahr - nämlich dem Jahr XXXX - liegen. Gleichzeitig ist amtsbekannt, dass Afghaninnen und Afghanen ihr Geburtsdatum häufig nicht kennen und dass in der Tazkira meist ein geschätztes Alter im Jahr der Ausstellung eingetragen wird. Vor diesem Hintergrund erscheint die Angabe des Beschwerdeführers, er wisse sein Geburtsdatum nicht genau, sei jedoch XXXX Jahre alt (Einvernahmeprotokoll S. 5. AS 107) einerseits plausibel und sind die beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde zur persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers wegen "widersprüchlicher" persönlicher Angaben vor dem eben erläuterten Hintergrund nicht plausibel.

Im Ergebnis teilt das Bundesverwaltungsgericht die Zweifel der belangten Behörde an den Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Identität und der Echtheit der vorgelegten Tazkira nicht, weswegen die Identität des Beschwerdeführers entsprechend festgestellt wurde. Damit ist die beantragte Einvernahme der Onkel des Beschwerdeführers zur Identität des Beschwerdeführers nicht erforderlich (siehe die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Ablehnung von Beweisanträgen, wenn die Beweistatsache als wahr unterstellt wird; etwa VwGH 05.06.2019, Ra 2019/18/0192).

Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass ein anderslautendes Vorbringen nicht erstattet und im Lauf des Verfahrens auch keine ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, die eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers nachweisen würden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellung zum Tod der Mutter des Beschwerdeführers ergibt sich aus dessen wiederholten diesbezüglichen Angaben, denen im Übrigen auch die belangte Behörde gefolgt ist. Die Feststellung zum Verbleib der verheirateten Schwestern in Kabul und des weiteren Onkels väterlicherseits beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers.

Zur Feststellung, dass Vater und Bruder des Beschwerdeführers in Kabul leben, ist auszuführen, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu Verbleib und Kontakt zum Vater widersprüchlich und unplausibel sind. In der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer befragt zum Kontakt zum Vater an, er habe keinen Kontakt. Dieser sei abgebrochen, weil die beiden Telefonnummern, die er gehabt habe, gesperrt worden sein (Einvernahmeprotokoll S. 6, AS 109). Dies scheint schon für sich genommen vor dem Hintergrund der Länderinformationen, denen zufolge in Europa aufhältige Afghanen üblicherweise Kontakt zu ihren im Herkunftsstaat aufhältigen Angehörigen haben (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand:

29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019 [in der Folge Länderinformationsblatt], Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen) als nicht plausibel. Demgegenüber gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch an, sein Vater habe sieben Monate zuvor den Onkel angerufen und ihm mitgeteilt, sie hätten Afghanistan verlassen (Verhandlungsprotokoll S. 3). Dies passt wiederum nicht zur Angabe des Beschwerdeführers, er habe über seine in Österreich aufhältigen Onkel im Wesentlichen nichts gewusst, außer dass diese in Europa aufhältig sind, bis er sie zufällig in Wien getroffen habe (Einvernahmeprotokoll S. 5, AS 107 und S. 11 AS 119), nachdem zwischen Onkeln und Vater offenbar Kommunikationskanäle bestehen. Insbesondere die Geschichte des Beschwerdeführers, der zufolge er in Wien, obwohl er in diesem Zeitpunkt in XXXX gelebt hat, völlig zufällig in das Lebensmittelgeschäft des Onkels gegangen und von diesem erkannt worden sein will, erscheint höchst unrealistisch. Demnach ist wahrscheinlich, dass zwischen Onkeln und Vater seit langem im Wesentlichen Kontakt besteht bzw. dass Kommunikationskanäle durchgehend vorhanden waren. Angesichts dieser Kommunikationskanäle, die der Beschwerdeführer erst zum Zweck seiner Behauptung einer Flucht seiner Angehörigen aus Kabul offenlegte, ist auch die obige vorhergehende Behauptung, der zufolge kein Kontakt besteht, wiederum nicht glaubhaft.

Nachdem wiederum Kontaktmöglichkeit zum Vater bestehen, ist wiederum nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zum Verbleib der Angehörigen befragt weitgehende Ahnungslosigkeit hinsichtlich ihres Verbleibes vorgibt. Insgesamt erwecken die inkonsistenten Angaben des Beschwerdeführers zu diesem Themenbereich den Eindruck, er würde jeweils tatsachenunabhängig die nach seiner Meinung für seinen Verfahrensgang günstigste Angabe machen, weswegen das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass Vater und Bruder des Beschwerdeführers unverändert in Kabul leben und ihrer bisherigen Berufstätigkeit nachgehen, sowie, dass der Beschwerdeführer Kontakt bzw. zumindest Kontaktmöglichkeiten zum Vater hat.

Die Feststellung zu den drei im Bundesgebiet aufhältigen Onkeln väterlicherseits beruht auf den diesbezüglichen durchgehenden Angaben des Beschwerdeführers, wobei der Beschwerdeführer auch Kopien von Ausweisdokumenten zweier Onkel sowie Auszüge aus dem Zentralen Melderegister über deren Wohnsitze vorgelegt hat. Zur österreichischen Staatsangehörigkeit eines Onkels ist auszuführen, dass zu diesem Onkel ein österreichischer Personalausweis vorgelegt wurde, für dessen Ausstellung die österreichische Staatsbürgerschaft Voraussetzung ist. Dass der Beschwerdeführer mit einem seiner Onkel im gemeinsamen Haushalt leben würde oder sonst wie von diesen unterstützt werde, hat er nicht angegeben. Diesbezüglich befragt gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 12.01.2017 auch an, seine Onkel würden ihm nur Geschenke machen (Einvernahmeprotokoll S. 6, AS 109), er bekomme kein Geld von ihnen. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.10.2018 machte der Beschwerdeführer keine Angaben, die auf eine spezifische und notwendige Unterstützung seiner Person durch seine Onkel hindeuten würden. Insbesondere bezieht der Beschwerdeführer auch Leistungen aus der Grundversorgung, verfügt über eine Gewerbeberechtigung und ist gesund.

Die Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben und den im Akt einliegenden Bestätigungen. Zur Aufenthaltsdauer in Österreich ist auszuführen, dass das Datum der Asylantragstellung aktenkundig ist und Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zwischenzeitig verlassen hätte, nicht hervorgekommen sind. Dass der Beschwerdeführer Deutschkurse und einen Pflichtschulabschlusskurs besucht und den Pflichtschulabschluss nachgeholt hat, ergibt sich aus den dazu vorgelegten Teilnahmebestätigungen sowie dem vorgelegten Pflichtschulabschlusszeugnis. Zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass er zwar kein Zertifikat für ein bestimmtes Niveau des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen in Vorlage gebracht hat. Allerdings geht aus seinem Pflichtschulabschlusszeugnis hervor, dass er im Fach Deutsch mit "Genügend" bestanden hat und über grundlegende Allgemeinbildung verfügt. Damit und dadurch, dass der Beschwerdeführer den Pflichtschulabschluss in deutscher Sprache erfolgreich nachgeholt hat, steht außer Zweifel, dass er über Deutschkenntnisse verfügt, weswegen eine entsprechende Feststellung getroffen wurde. Die Feststellung zur Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem vorgelegten Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer über die Gewerbeberechtigung verfügt. Aus dem aktuellen im Akt einliegenden Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem lässt sich allerdings entnehmen, dass der Beschwerdeführer abgesehen von einer kurzen Unterbrechung (29.04.2019 bis 08.05.2019, Entlassungsgrund: unselbstständ. Erwerbstätigkeit, etc.) seit seiner Einreise in das Bundesgebiet Grundversorgung bezieht. Dass ein eventuell erwirtschaftetes selbstständiges Einkommen auf den Grundversorgungsbezug angerechnet würde, ist nicht ersichtlich. Zwar hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass er das angemeldete Gewerbe auch ausübt. Aus dem Speicherauszug geht allerdings eindeutig hervor, dass der Beschwerdeführer über kein Einkommen verfügt, weswegen nicht festgestellt werden konnte, ob der Beschwerdeführer das seiner Gewerbeberechtigung entsprechende Gewerbe auch ausübt. Nachdem der Beschwerdeführer allerdings Grundversorgung bezieht, konnte wiederum festgestellt werden, dass er nicht selbsterhaltungsfähig ist. Seine Freizeitaktivitäten sowie seine Kontakte auch zu österreichischen Staatsbürgern hat der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.10.2018 lebendig und plausibel beschrieben.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Die Feststellung zur Tätigkeit von Vater und Bruder als Polizisten beruht auf den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers. Auch brachte der Beschwerdeführer aus eigenem ehestbaldig im Verfahren Fotos der Dienstausweise von Vater und Bruder sowie Fotos von Vater und Bruder im Dienst in Vorlage. Zwar lässt sich nicht verifizieren, dass auf den Fotos tatsächlich Vater und Bruder abgebildet sind, sowie, dass es sich bei den Fotos von den Dienstausweisen um Fotografien von Originalen handelt. Allerdings sind in Zusammenschau mit den sonstigen Angaben des Beschwerdeführers und vorgelegten Dokumenten keine Inkonsistenzen ersichtlich. So stimmen etwa die im Dienstausweis des Vaters eingetragenen Vornamen (eigener Name und Name des Vaters) mit den in der vorgelegten Tazkira eingetragenen Namen (Namen von Vater und Großvater) überein. Den im Dienstausweis eingetragenen Namen des Vaters hat der Beschwerdeführer auch in der Erstbefragung bereits angegeben, wo er auch den Namen des Bruders (allerdings nur den Eigennamen, siehe dazu bereits oben), so wie er im Dienstausweis eingetragen ist, nennt, wobei auch im vorgelegten Zeugniskonvolut stets der gleiche Name des Vaters eingetragen ist. Damit geht das Bundesverwaltungsgericht auf Grundlage der Konsistenz der Angaben des Beschwerdeführers zum Beruf von Vater und Bruder in Zusammenschau mit den vorgelegten Unterlagen davon aus, dass Vater und Bruder tatsächlich für die afghanische Polizei arbeiten. Damit ist die beantragte Einvernahme der Onkel des Beschwerdeführers zur Tätigkeit des Vaters bei der Polizei nicht erforderlich (siehe die bereits zitierte ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Ablehnung von Beweisanträgen, wenn die Beweistatsache als wahr unterstellt wird; etwa VwGH 05.06.2019, Ra 2019/18/0192).

Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, nämlich, dass ihm aus der Tätigkeit des Vaters und des Bruders im Innenministerium bzw. für die Polizei eine Gefahr von Seiten der Taliban drohe, teilt das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen die Auffassung der belangten Behörde, deren beweiswürdigenden Ausführungen zufolge die Fluchterzählung des Beschwerdeführers vage, unsubstantiiert und widersprüchlich ist.

Die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) berichten zwar, dass regierungsfeindliche Kräfte bereits Familienangehörige von Regierungsmitarbeitern und Polizeibediensteten nach dem Prinzip der Sippenhaft als Vergeltungsmaßnahme angegriffen haben. Diese könnten Opfer von Schikane, Entführung, Gewalt und Tötung werden (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe k) Familienangehörige von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind, oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, S. 54). Aus dieser allgemeinen Information lässt sich eine konkrete Betroffenheit des Beschwerdeführers von der Problematik jedoch noch nicht ableiten. Insbesondere differenzieren die UNHCR-Richtlinien etwa nicht nach beruflicher Position und Wohnort. So berichtet etwa der EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan: Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 von Druck, Drohung und Strafen, die sich gegen Angehörige richten. Allerdings findet darin auch Erwähnung, dass davon insbesondere Gebiete mit Talibanpräsenz betroffen sind. Auch die EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge EASO Country Guidance; Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 1. Members of the security forces and pro-government militias, S. 49), die ein den UNHCR-Richtlinien vergleichbares Risikoprofil anführt, verlangt bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Bedrohung die Berücksichtigung der Herkunftsregion und der dortigen Präsenz aufständischer Gruppierungen. Daneben sind nach der EASO Country Guidance außerdem die Sichtbarkeit der Person, ihr Arbeitsbereich, persönliche Feindschaften etc. zu berücksichtigen.

Befragt zur genauen Tätigkeit von Vater und Bruder zog sich der Beschwerdeführer stets auf die Aussage zurück, dies nicht zu wissen. Er wisse nur, sie würden im Innenministerium für die Polizei arbeiten. Abgesehen davon, dass die völlige Unwissenheit des Beschwerdeführers angesichts dessen, dass er Zeit seines Lebens mit Vater und Bruder in einem Haushalt gelebt hat und daher etwa aus Gesprächen dieser beiden miteinander Spuren dessen, was ihre Tätigkeit ist, mitbekommen haben müsste, geht auch aus den Dienstausweis-Fotografien hervor, dass Vater und Bruder die Ränge eines Ober- bzw. Unterleutnants bekleiden, woraus sich eine spezifisch hohe oder exponierte Position nicht entnehmen lässt.

Weiter ordnet der Beschwerdeführer die geschilderte Bedrohung zeitlich in den Oktober 2015 und örtlich in Kabul ein. Hierzu ist anzumerken, dass Kabul in diesem Zeitpunkt und auch aktuell unter Regierungskontrolle stand bzw. steht (Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul) und dass die Stadt erst seit kurzem aufgrund öffentlichkeitswirksamer Angriffe der Taliban nicht mehr als relativ sicher betrachtet wird. Die Betonung, dass die Taliban in Kabul insbesondere öffentlichkeitswirksame bzw. high-profile Angriffe durchführen, lässt eine aktuell oder in der Vergangenheit gegen den Beschwerdeführer gerichtete, konkrete Bedrohung angesichts der bereits ausgeführten geringen Bedeutung des Vaters und des Bruders des Beschwerdeführers als wenig wahrscheinlich (wenn auch nicht ausgeschlossen) erscheinen. Insbesondere, dass die Taliban ihre Zugriffsmöglichkeiten in Kabul ausgerechnet dafür nutzen würden, den Beschwerdeführer anzugreifen, erscheint angesichts der Gefahr, in die sie sich für einen Angriff in Kabul begeben müssen, wenig wahrscheinlich und lässt sich auch den etwa im Länderinformationsblatt genannten Taliban-Angriffen in Kabul entnehmen, dass diese zwar grundsätzlich auch gezielt und individuell gegen Einzelpersonen vorgehen, die allerdings eine hohe oder wichtige Position bekleiden, während andere "normale" Zivilisten zwar ebenso von Anschlägen betroffen sind, in die sie aber - ungeachtet der nicht zu bestreitenden Brutalität dieser Vorgehensweise und der Tragik ihrer Folgen - durch unglücklichen Zufall geraten. Damit ist die vom Beschwerdeführer behauptete konkrete und individuelle Gefährdung seiner Person durch die Taliban vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht plausibel.

In Zusammenschau mit den vagen Angaben des Beschwerdeführers zu den konkreten Drohungshandlungen der Taliban - er kann hierzu kaum mehr angeben, als, dass die Taliban seinen Vater mehrmals angerufen hätten - erachtet das Bundesverwaltungsgericht das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft.

Das Bundesverwaltungsgericht übersieht dabei nicht, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt, als sich die fluchtauslösenden Vorfälle zugetragen haben sollen, noch minderjährig war. Allerdings war der Beschwerdeführer bereits 17 Jahre alt, weswegen in seinem Fall von für einen Minderjährigen relativ ausgeprägten kognitiven und reflektiven Fähigkeiten ausgegangen werden kann. Auch von einer bereits umfassend ausgeprägten Erinnerungsfähigkeit kann ausgegangen werden. Auch vor dem Hintergrund der (gerade noch vorliegenden) Minderjährigkeit des Beschwerdeführers, stellt sich das Fluchtvorbringen als ein vages, inkonsistentes Konstrukt ohne Detailvortrag und -tiefe dar. Der Beschwerdeführer beschränkte seine Angaben im Wesentlichen auf die Behauptung, der Vater habe Drohanrufe von den Taliban erhalten, der Vater und der Bruder sollten für die Taliban spionieren oder die Arbeit bei der Regierung beenden.

So reduziert sich das vom Beschwerdeführer geschilderte Bedrohungsszenario im Wesentlichen auf oberflächliche Beschreibungen, die der Beschwerdeführer erst auf widerholte Nachfrage hin um einige wenige Details anreichert, wobei er sich in Widersprüche verstrickt. So gab der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde zuerst an, der Vater habe ihm erst in der letzten Nacht vor der Ausreise von der Bedrohung erzählt, um kurz später zu behaupten, er sei zwei Tage nachdem sein Vater ihm mitgeteilt habe, dass sein Leben in Gefahr sei, ausgereist (Einvernahmeprotokoll S. 10, AS 117). Wiederum kurz später gibt der Beschwerdeführer plötzlich an, der Vater habe ihm nach den Drohungen gesagt, er solle nicht mehr zur Schule gehen und dann sei der Beschwerdeführer zwei bis drei Wochen vor der Ausreise nicht mehr in die Schule gegangen (Einvernahmeprotokoll S. 12, AS 121). Auch gibt der Beschwerdeführer erst auf Nachfrage an, dass der Vater Angst gehabt habe, weil die Taliban gedroht hätten, den Beschwerdeführer zu entführen (Einvernahmeprotokoll S. 8, AS 113). Gleiches gilt für den behaupteten Angriff auf das Nachbarhaus, den der Beschwerdeführer ebenso erst auf nochmalige Nachfrage oberflächlich schildert (Einvernahmeprotokoll S. 8, AS 113), während er ihn in seiner freien Fluchterzählung völlig unerwähnt lässt, obwohl es sich um das einzige mit dem Bedrohungsszenario in Zusammenhang stehende Ereignis handelt, dass der Beschwerdeführer selbst unmittelbar erlebt haben will. Details zu diesem Vorfall liefert der Beschwerdeführer wiederum erst auf Nachfrage (Einvernahmeprotokoll S. 9, AS 115), während seine ursprüngliche Schilderung detailarm und oberflächlich bleibt.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01.10.2018 gab der Beschwerdeführer schließlich erstmals an, die Taliban hätten dem Vater bei der zweiten Kontaktaufnahme Fotos vom Beschwerdeführer auf dem Schulweg übermittelt (Verhandlungsprotokoll S. 4). Diese Fotos hatte der Beschwerdeführer zuvor im Verfahren noch nie erwähnt und auch stets nur von Drohanrufen an den Vater gesprochen, nicht aber von Kontaktaufnahmen über andere Kommunikationskanäle. Weiter ordnet der Beschwerdeführer plötzlich konkrete Drohanrufe und Kontaktaufnahmen in einen (bisher nicht geschilderten) Ereignisablauf ein und erzählt, sein Vater habe zunächst einen Anruf bekommen und dem Beschwerdeführer nichts gesagt. Bei der zweiten Kontaktaufnahme seien schließlich die Fotos übermittelt worden, woraufhin der Vater dem Beschwerdeführer gesagt habe, er solle nicht zur Schule gehen, weswegen er zwei bis drei Wochen zuhause geblieben sei und in dieser Zeit sei es zum Angriff auf das Nachbarhaus gekommen. Ein paar Tage später schließlich habe der Vater noch einen Anruf mit der Drohung erhalten, dass der nächste Angriff auf sein Haus sein würde und sie den Beschwerdeführer mitnehmen würden, wenn er ihren Forderungen nicht Folge leiste). Demgegenüber gab der Beschwerdeführer in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde auf Nachfrage, wann der Vater von den Taliban angerufen und bedroht worden sei an, sein Vater habe ihm nichts davon erzählt. Der Frage, wie viele Drohanrufe der Vater erhalten habe, wich der Beschwerdeführer dagegen wieder aus, indem er behauptete, sein Vater habe ihm nicht erzählt, wann er Anrufe erhalten habe und bedroht worden sei (Einvernahmeprotokoll S. 10, AS 117). Wie er zwischen Einvernahme vor der Behörde und mündlicher Verhandlung jene Details, die er in der mündlichen Verhandlung schließlich erzählte, erfahren haben soll, bleibt angesichts des behaupteten fehlenden Kontaktes unklar.

Weiter ist in Relation zur behaupteten akuten Bedrohung inkonsistent, dass Vater und Bruder des Beschwerdeführers erst sieben Monate vor der Verhandlung und damit etwa drei Jahre nach der erstmaligen Bedrohung durch die Taliban wegen dieser Bedrohung aus Kabul und Afghanistan ausreisten, wobei der Beschwerdeführer detaillierten Angaben wiederum mit einem Verweis auf sein vermeintliches Nichtwissen ausweicht. Zusätzlich wird auch auf die Beweiswürdigung unter 2.1. zu Verbleib von und Kontakt zum Vater verwiesen.

Insgesamt ergibt sich sohin keine konsistente, im Kern gleichbleibende Fluchterzählung, sondern viel mehr der Eindruck, dass der Beschwerdeführer eine Fluchtgeschichte auf einigen wenigen realen Fakten (Tätigkeit von Vater und Bruder für die Polizei) aufbaut und diese dann tatsachenunabhängig nach Bedarf so variiert und um Details anreichern, dass sein Verfahrensausgang nach Möglichkeit günstig beeinflusst wird.

Sein Fluchtvorbringen konnte der Beschwerdeführer sohin nicht glaubhaft machen, sondern geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr aufgrund der Tätigkeit von Vater und Bruder keinen Übergriffen oder Bedrohungen durch die Taliban ausgesetzt wäre und dies auch in der Vergangenheit nicht war. Insbesondere wurde oben in Auseinandersetzung mit den Länderberichten bereits ausgeführt, dass die Taliban in Kabul insbesondere öffentlichkeitswirksame Angriffe ausführen und dass der Beschwerdeführer angesichts der wenig bedeutsamen Positionen von Vater und Bruder höchstwahrscheinlich in Kabul nicht angegriffen würde.

Zur beantragten Einvernahme der Onkel des Beschwerdeführers zum "Fluchtgrund" ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer das Beweisthema damit nicht in einer Weise konkretisiert, dass ersichtlich wäre, zu welchen konkreten und sachbezogenen Behauptungen die Einvernahme der Onkel des Beschwerdeführers erforderlich sein soll (Auf die konkret in der Beschwerde genannten Sachverhaltselemente "Identität" und "Tätigkeit des Vaters" wurde bereits eingegangen). Die Unterlassung einer Beweisaufnahme ist allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Verfahrensmangel, wenn das von der Partei im Beweisantrag genannte Beweisthema unbestimmt ist (VwGH 05.09.2019, Ra 2019/18/0192). Folglich durfte das Bundesverwaltungsgericht fallgegenständlich von der Einvernahme der Onkel absehen.

2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf der UNHCR-Richtlinie (siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel

2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019 (In der Folge: Länderinformationsblatt), Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul (Stadt) beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.1. Kabul, der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Artikel 15 (c) QD, Unterabschnitt Kabul, S. 101-102), sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 2. Regional description of the security situation in Afghanistan, Unterkapitel 2.1. Kabul city, S. 67 ff. und 2.15 Kabul Province, S. 162 ff.). Alle drei Quellen berichten übereinstimmend von öffentlichkeitswirksamen Angriffen in Kabul, wobei die Feststellungen über die Art der Kriegsführung insbesondere dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 entnommen sind, wo im Detail berichtet wird, dass es nicht zu direkten Kampfhandlungen kommt, sondern zu asymmetrischer taktischer Kriegsführung, Selbstmordanschlägen, Einsatz von unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielten Tötungen (Kapitel

2.1.2. Conflict background and actors in Kabul city, S. 68 und 2.1.3 Recent security trends and impact on the civilian population, S. 69 ff.). Dass die Stadt unter Kontrolle der afghanischen Regierung steht und diese mit einem neuen Sicherheitsplan auf die Vermehrten Aktivitäten Aufständischer in der Hauptstadt reagiert, ist ebenso allen drei Quellen entnommen, wobei der EASO COI Report:

Afghanistan. Security situation von Juni 2019 in seiner Übersicht zur territorialen Kontrolle der Akteure in der Provinz Kabul die Stadt als nach den meisten Angeführten Quellen als unter Kontrolle der Regierung stehend ausweise (Tabelle S. 164-165). Zum Sicherheitsplan berichtet das Länderinformationsblatt von 52 Maßnahmen und zählt unter anderem die Erhöhung der Präsenz der Sicherheitskräfte, von Personenkontrollen und der geheimdienstlichen Aktivitäten sowie die Errichtung einer "Green Zone" auf (Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.1. Kabul, Abschnitt Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul). Die Feststellung zum Flughafen basiert auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.35. Erreichbarkeit) und ergibt sich daraus, dass die Erreichbarkeit der Stadt für den Beschwerdeführer gewährleistet ist.

Die EASO Country Guidance schätzt die willkürliche Gewalt in Kabul Stadt nicht auf einem so hohen Niveau ein, dass bei jedem Rückkehrer davon ausgegangen werden müsste, dass er in Kampfhandlungen oder Angriffe verwickelt würde und ernsthaften Schaden nehmen würde, weswegen im Fall der Rückkehr von Zivilisten individuelle Elemente für eine substantiierte Gefährdungseinschätzung großen Ausschlag geben (Kabul, der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel

Artikel 15 (c) QD, Unterabschnitt Kabul, S. 102). Die UNHCR-Richtlinien sehen Gefährdungspotenzial insbesondere für Antragsteller, die aus vom Konflikt besonders betroffenen Gebieten stammen oder dort aufhältig waren und fordern eine Berücksichtigung der einzelfallbezogenen Umstände zur Abschätzung der individuellen Gefährdung im Fall einer Rückkehr (UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel

2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU (Richtlinie 2011/95/EU), S. 117 ff.). Insbesondere relevante Faktoren für die Bedrohung eines Antragstellers durch willkürliche Gewalt im Kontext des bewaffneten Konfliktes in Afghanistan sind nach Einschätzung des UNHCR die Kontrolle über die Zivilbevölkerung durch regierungsfeindliche Kräfte (sowie der damit einhergehenden Risiken, z.B. parallele Justizstrukturen, Bedrohung und Einschüchterung etc.), Zwangsrekrutierung, Auswirkung von Gewalt und Unsicherheit auf die humanitäre Situation (Ernährungsunsicherheit, Armut, Vernichtung von Lebensgrundlagen und Verlust von Eigentum), organisierte Kriminalität, straflose Tätigkeit von lokalen Machthabern, Warlords, etc., systematische Zugangsbeschränkung zu grundlegender Gesundheitsversorgung und Bildung sowie die systematische Beschränkung der Teilhabe am öffentlichen Leben, insbesondere für Frauen.

Nachdem Kabul unter Regierungskontrolle steht und Aufständische in der Hauptstadt keine territoriale Kontrolle ausüben, ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer den von UNHCR genannten, Gebiete unter Aufständischen-Kontrolle betreffenden Risiken im Fall seiner Rückkehr nicht ausgesetzt wäre. Hinsichtlich einer möglichen Zwangsrekrutierungsgefahr ist auszuführen, dass den UNHCR-Richtlinien auch zu entnehmen ist, dass Rekrutierungen durch regierungsfeindliche Kräfte im Wesentlichen auf jene Gebiete beschränkt sind, die unter deren tatsächlicher Kontrolle stehen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, Buchstabe a) Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs), S. 59 f.), während hinsichtlich Zwangsrekrutierungen durch regierungsnahe Kräfte zwar von Fällen berichtet wird, dass Familien von regierungsnahen bewaffneten Gruppen gezwungen worden seien, junge Männer für den Kampf gegen die Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte bereitzustellen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel

3. Männer im wehrfähigen Alter und Kinder im Kontext der Minderjährigen- und Zwangsrekrutierung, Buchstabe b) Zwangsrekrutierung und Rekrutierung Minderjähriger durch regierungsnahe Kräfte , S. 61 f.). Allerdings hat der Beschwerdeführer ein spezifisches diesbezügliches Risiko seine Person betreffend nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich, warum gerade der Beschwerdeführer - nachdem in Kabul direkte Kampfhandlungen nicht stattfinden - zum Kampf gegen die Taliban rekrutiert werden sollte.

Hinsichtlich der allgemeinen Menschenrechtslage in von der Regierung kontrollierten Gebieten berichtet UNHCR, dass auch in diesen Gebieten regelmäßig Menschenrechtsverletzungen durch staatliche und staatsnahe Akteure stattfinden, die straflos bleiben. Insbesondere Misshandlung und Folter gegenüber Inhaftierten sei verbreitet und erfolge durch alle afghanischen Sicherheitskräfte. Tatsächlicher Zugang zu Rechtsschutzmechanismen bestehe für Inhaftierte nicht (UNHCR-Richtlinien, Abschnitt II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Kapitel C. Die Menschenrechtssituation, S. 26 ff.). Auch das Länderinformationsblatt berichtet von regelmäßigen Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan durch private und staatliche Akteure insbesondere durch die Sicherheitskräfte. Der Beschwerdeführer hat allerdings nicht dargetan, dass ihm im Fall der Rückkehr strafrechtliche Verfolgung bzw. Inhaftierung droht und kehrt er auch nicht in ein von direkten Kampfhandlungen betroffenes Gebiet zurück. Folglich ist die Verwirklichung eines dieser Risiken für den Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Kabul nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.

Die UNHCR-Richtlinien berichten hinsichtlich der humanitären Situation von kritischen Zuständen (Abschnitt II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Kapitel D. Die humanitäre Situation, S. 35 ff.). Zu den konkret zu berücksichtigenden Themenkreisen ist dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019 zu entnehmen ist zum Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung zu entnehmen, dass, dass dieser für die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung grundsätzlich gewährleistet ist. Von problematischen Zugangsbeschränkungen wird nur für ländliche Gebiete berichtet (Kapitel 8. Health care, Unterkapitel 8.2 Access and availability, S. 45 f.). Demnach ist in diesem Bereich für den gesunden Beschwerdeführer keine spezifische Gefahr ersichtlich. Zur Ernährungssicherheit in Kabul berichtet der EASO COI Report:

Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019, dass die Lebensmittelversorgung grundsätzlich gewährleistet ist. Von einer akut angespannten Situation wird nicht berichtet (Kapitel 6.3. Food security in the three cities, S. 37 f.).

Im Fall des Beschwerdeführers ist weiter individuell zu berücksichtigen, dass er in Kabul aufgewachsen ist und folglich mit den infrastrukturellen Gegebenheiten und örtlichen Gepflogenheiten bestens vertraut ist. Er kann auf einen in genau dieser Stadt erworbenen Lebenserfahrungsschatz zurückgreifen. Spezifische Hinweise auf eine zu erwartende besondere Betroffenheit des Beschwerdeführers von Angriffen durch regierungsfeindliche Kräfte sind im Lauf des Verfahrens nicht hervorgekommen (siehe dazu auch die Beweiswürdigung zum Fluchtvorbringen). Insbesondere gehört er als sunnitischer Muslim der im Herkunftsstaat überwiegend vertretenen Glaubensgemeinschaft an (Länderinformationsblatt, Kapitel 15. Religionsfreiheit) und ist auch aus der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Volksgruppe der Tadschiken nicht mit spezifischen Gefährdungsmomenten zu rechnen (Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.3. Tadschiken). Weiter sind für den Beschwerdeführer als Mann auch geschlechtsspezifische Gefährdungsmomente nicht zu erwarten und ist angesichts dessen, dass er volljährig und gesund ist, auch sonst keine konkrete und individuelle Vulnerabilität ersichtlich.

Vater und Bruder des Beschwerdeführers leben und arbeiten unverändert in Kabul, sodass eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Haushalt seiner Familie angesichts nicht hervorgekommener gegenteiliger Anhaltspunkte im Verfahren gesichert erscheint, wobei der Beschwerdeführer schon während seiner Schullaufbahn in Kabul von seinem Vater versorgt wurde. Demnach kann erwartet werden, dass der Beschwerdeführer abermals bei seinem Vater Aufnahme und Unterstützung finden wird. Weiter kann der Beschwerdeführer bedingt durch sein Aufwachsen in Kabul über seinen 17. Geburtstag hinaus neben seinen bestehenden familiären Anknüpfungspunkten (auch fünf verheiratete Schwestern des Beschwerdeführers und ein Onkel väterlicherseits leben in Kabul) auf das bis dahin geknüpfte soziale Netzwerk zurückgreifen und verfügt auch der Vater des Beschwerdeführers zweifellos über ein soziales Netzwerk, auf das er zur Unterstützung des Beschwerdeführers etwa bei der Arbeitssuche zurückgreifen kann. Damit verfügt der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Kabul über für die Anpassung und Reintegration in Afghanistan besonders ausschlaggebende positiven Voraussetzungen (Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen). Weiter verfügt der Beschwerdeführer mit zwölf Jahren in Kabul erworbener Schulbildung, nunmehr auch ergänzt um den österreichischen Pflichtschulabschluss, und einigen zusätzlich im Herkunftsstaat erworbenen Zertifikaten über eine relativ umfassende und gute Schulbildung, sodass es unter Rückgriff auf seine sozialen Netzwerke und die seines Vaters gesichert erscheint, dass er ein angemessenes Beschäftigungsverhältnis wird finden und seine Lebensgrundlage wird erwirtschaften können, mag er auch zunächst mit anfänglichen Startschwierigkeiten konfrontiert sein. Sohin ist im Fall des Beschwerdeführers, wenn er nach Kabul zurückkehrt, von einer spezifisch geringeren Betroffenheit von der angespannten humanitären Lage auszugehen, als im Fall von Rückkehrer, die nicht in Kabul aufgewachsen sind und dort nicht über ein soziales Netzwerk verfügen. Dementsprechend wurde festgestellt, dass im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul (Stadt) zu erwarten ist, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen können.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114), wobei auch EASO in den vom Verwaltungsgerichtshof zitierten Normen durch explizite Nennung als Quelle für Herkunftslandinformationen besonders hervorgehoben wird. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

"Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (zuletzt VwGH 31.07.2018 mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156).

Der VwGH hat in seiner Rechtsprechung den Familienverband als "soziale Gruppe" gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anerkannt. Verfolgung kann daher schon dann Asylrelevanz zukommen, wenn ihr Grund in der bloßen Angehörigeneigenschaft des Asylwerbers, somit in seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe iSd Art. 1 Z 2 GFK, etwa jener der Familie liegt (Vgl. VwGH vom 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 mwN).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm aufgrund der Tätigkeit des Vaters und des Bruders als Polizisten im Innenministerium der afghanischen Regierung die Gefahr droht, Opfer von Übergriffen der Taliban zu werden. Damit konnte er für den Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat eine ihn betreffende asylrelevante Verfolgungsgefahr nach der oben zitierten Judikatur nicht glaubhaft machen und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides sohin abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei - obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt - nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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