TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/20 W205 2171082-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.09.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §33 Abs1

Spruch

W205 2171082-1/5E

W205 2171082-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria,

I. gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2017, Zl. 1145458110, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 26.07.2017 gemäß § 33 Absatz 1 VwGVG abgewiesen wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.06.2017, Zl. 1145458110/170318334, beschlossen:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet

zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 13.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde am selben Tag dazu von einem Organ der zuständigen LPD befragt.

2. Am 19.06.2017 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde statt, in der der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen im Beisein seines Vertreters unter Beiziehung eines Dolmetschers einvernommen wurde. Im Zuge dieser Einvernahme gab der Beschwerdeführer ua. an, freiwillig nach Italien zurückkehren und auf Rechtsmittel verzichten zu wollen.

3. Mit Bescheid vom 20.06.2017, Zl. 1145458110/170318334, wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz (Spruchpunkt I.) gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück, ordnete gem. § 61 Abs.1 FPG, eine Außerlandesbringung an und stellte fest, dass gem. § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung nach Italien zulässig sei. In der Rechtsmittelbelehrung wurde angeführt, dass die Rechtsmittelfrist für die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zwei Wochen betrage.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich am 20.06.2017 zugestellt.

4. Am 26.07.2017 brachte der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 71 AVG und eine Beschwerde ein. Vorgebracht wurde, dass der Beschwerdeführer zunächst in einem Quartier in XXXX untergebracht worden sei, als er den Bescheid vom 20.06.2017, zugestellt am selben Tag, erhalten habe. Noch während der Rechtsmittelfrist sei der Beschwerdeführer in ein neues, näher genanntes Quartier überstellt worden. Dort sei dem Beschwerdeführer von seiner Sozialbetreuerin ein Rechtsberatungstermin in der ARGE XXXX organisiert worden. Diesen hätte der Beschwerdeführer nicht wahrnehmen können, da er krank gewesen sei und zudem kein Busticket kaufen habe können, da er kein Geld gehabt habe. Der Beschwerdeführer sei über den Ersatz von Fahrtkosten aufgeklärt worden und habe dies in dem Sinne missverstanden, dass er vor dem Termin ein Ticket ausgehändigt bekommen würde. Dies sei unrichtig und entspreche nicht der Praxis der Betreuungseinrichtung des Beschwerdeführers, da die Fahrtkosten jeweils erst nach dem entsprechenden Termin ausgezahlt würden.

In der neuen Unterkunft des Beschwerdeführers gebe es nur eine sehr schlechte Telefonverbindung. Der Beschwerdeführer selbst habe kein Telefon und sei sohin auf andere angewiesen. Von der Unterkunft aus sei es dem Beschwerdeführer nicht vor dem Besuch seiner näher genannten Sozialbetreuerin am 13.07.2017 möglich gewesen, einen neuen Termin für die Rechtsberatung zu vereinbaren. Diesen Termin habe der Beschwerdeführer durch seine Sozialbetreuerin am 20.07.2017 zugewiesen bekommen. An diesem Tag habe der Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung aufgesucht. Das Hindernis, niemanden kontaktieren zu können, um Zugang zur Rechtsberatung zu erhalten, sei für den Beschwerdeführer mit 13.07.2017 weggefallen. Daher sei der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen der nach § 71 AVG geforderten 14-täggen Frist eingebracht worden. Die Beschwerde sei im Folgenden angeschlossen.

5. Am 29.08.2017 wurde der Beschwerdeführer nach Italien überstellt.

6. Mit Bescheid vom 04.09.2017, Zl. 1145458110, wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Absatz 1 AVG ab. Zusammenfassend begründete das BFA diese Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht habe, durch ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis verhindert gewesen zu sein, die Beschwerdefrist einzuhalten und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe.

Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers am 05.09.2017 zugestellt.

7. Mit Schriftsatz vom 15.09.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Vertreter, Beschwerde gegen den Bescheid vom 04.09.2017. Abermals wurde ausgeführt, dass in der Unterkunft des Beschwerdeführers eine extrem schlechte Netzabdeckung herrsche. Zudem gebe es kein Festnetztelefon. Die Bewohner müssten nach draußen gehen und nach einer Netzverbindung suchen, wenn sie telefonieren wollten. In Zusammenschau mit der Tatsache, dass der Beschwerdeführer krank gewesen sei und kein eigenes Telefon habe, könne daher durchaus nachvollzogen werden, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, die zuständige Rechtsberatungsstelle bzw. seinen Sozialbetreuer zu kontaktieren. An beiden treffe den Beschwerdeführer kein Verschulden bzw. liege, wenn doch, nur ein minderer Grad des Versehens im Sinne leichter Fahrlässigkeit vor. Unter Verweis auf ausgewählte VwGH Judikatur werde festgehalten, dass der Beschwerdeführer nicht auffallend sorglos gehandelt habe. Er habe vielmehr versucht, umgehend zu einem Rechtsberatungstermin für eine Beschwerde zu kommen. Über das Asylverfahren hinausgehende Erfahrungen im Umgang mit Behörden sowie solche mit Bescheidzustellungen und Beschwerdefristen habe der Beschwerdeführer zudem nicht erworben. An ihn sei daher ein äußerst geringer Sorgfaltsmaßstab anzulegen.

8. Am 20.09.2017 langte die Beschwerdevorlage beim BVwG ein.

9. Mit Erkenntnis vom 26. September 2017, G 134/2017 ua., hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "2, 4 und" sowie den zweiten Satz in § 16 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 24/2016, als verfassungswidrig auf und sprach aus, dass diese Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Bescheid vom 20.06.2017, Zl. 1145458110/170318334, wurde dem Beschwerdeführer persönlich am 20.06.2017 zugestellt.

In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides, die auch in die dem Beschwerdeführer verständliche Sprache Englisch übersetzt war, wurde auf eine zweiwöchige Rechtsmittelfrist verwiesen.

Die Beschwerde samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden mit Email vom 26.07.2017 versendet und langte am selben Tag bei der belangten Behörde ein.

Es kann nicht festgestellt werden, dass Umstände vorliegen, die den Beschwerdeführer im Laufe der Rechtsmittelfrist - zwischen Zustellung des Bescheides und Ablauf der (letztlich vierwöchigen) Frist - an der Einbringung der Beschwerde gehindert hätten bzw. er Maßnahmen zur Einbringung der Beschwerde gesetzt hätte. Der Beschwerdeführer wurde am 29.08.2017 nach Italien überstellt.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der Zustellzeitpunkt des Bescheides vom 20.06.2017 ist unbestritten.

Dass nicht festgestellt werden konnte, dass konkrete, die rechtzeitige Einbringung des Rechtsmittels hindernden Umstände vorlagen, ist aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers abzuleiten: Zwar trifft es zu, dass der Beschwerdeführer etwa eine Woche nach Zustellung des Bescheides, nämlich am 28.06.2017 in ein anderes Quartier verlegt wurde, doch handelt es sich bei der neuen - im Rahmen der Grundversorgung bezogenen - Unterkunft um einen Gasthof in einer österreichischen Stadtgemeinde, der eine organisatorische Anlaufstelle für die Bewohner hat und in der sich die Bewohner frei bewegen können. Weder das Fehlen eines Festnetzes noch fallweise Schwierigkeiten bei der Netzabdeckung sind Umstände, die eine Kontaktaufnahme mit Rechtsberatern oder Sozialbetreuern oder die eigenständige Einbringung eines Rechtsmittels unmöglich machen, zumal es Post und Internet im Ort gibt. Dass der Beschwerdeführer so schwer erkrankt und es ihm deshalb unmöglich gewesen wäre, sich um die Einbringung des Rechtsmittels zu kümmern, etwa ein medizinischer Behandlungsbedarf vorgelegen wäre oä., hat er nicht einmal selbst vorgebracht und es besteht auch vor dem Hintergrund der Aktenlage hierfür kein Anhaltspunkt (etwa ärztliche Interventionen). Auch in Zusammenschau aller vorgebrachten Umstände, etwa iZm dem behaupteten Missverständnis im Zusammenhang mit der Finanzierung der Busfahrt zur Rechtsberatung, sind zwar organisatorische Schwierigkeiten einzuräumen, aber keinesfalls sind darin konkrete Hinderungsgründe für die Einbringung eines Rechtsmittels ersichtlich (s. dazu näher die rechtliche Beurteilung).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I.A)

§ 33 VwGVG lautet:

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt."

Vorauszuschicken ist, dass bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - entgegen der Auffassung der Behörde - auch bei Entscheidung durch die Verwaltungsbehörde nicht §§ 71ff AVG, sondern § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung ist, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (z.B. BVwG 24.01.2019, W 210 228573-2/3E ua, unter Hinweis auf VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0441), wobei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 71 AVG grundsätzlich auf Verfahren gemäß § 33 VwGVG anzuwenden ist (VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0086 mit weiteren Nachweisen).

Dementsprechend war die anzuwendende Norm im Spruch des angefochtenen Bescheides betreffend die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages zu berichtigen.

Die durch VfGH 26. 09. 2017, G 134/2017 ua. (s. oben Punkt I.8.) erfolgte Aufhebung einzelner Wortfolgen in § 16 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I 87/2012 idF BGBl. I 24/2016, und der Ausspruch, dass die aufgehobenen Bestimmungen nicht mehr anzuwenden sind, hat im Beschwerdefall die Wirkung, dass die betreffenden Bestimmungen (auch vom BVwG) nicht mehr anzuwenden sind (vgl. etwa VfSlg. 12.954/1991, 15.401/1999; VfGH 14.12.2005, B 1025/04; 29.6.2011, B 308/11; 9.6.2016, E 543/2016, VfGH 11.10.2017, E 373/2017, ua). An die Stelle der aufgehobenen Bestimmung tritt - im hier maßgeblichen Zeitraum zwischen Zustellung des Bescheides und Einbringung des Rechtsmittels vor Inkrafttreten des FrÄG 2018 am 01.09.2018 - die für Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten allgemein geltende Beschwerdefrist von 4 Wochen nach § 7 Abs. 4 VwGVG. Auch gemessen an der anzuwendenden vierwöchigen Beschwerdefrist erfolgte die Beschwerdeeinbringung verspätet (zur Verspätung s. unten näher Punkt 3.2.), weswegen sich der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - aufgrund der tatsächlichen Versäumung der letztlich geltenden Beschwerdefrist - nicht als unzulässig erweist.

Als Ereignis im Sinne des § 71 AVG bzw. § 33 VwGVG ist jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen. Gehindert wird eine Person ebenso durch eine alltägliche Erkrankung wie durch eine Naturkatastrophe, durch eine eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie durch Gewalteinwendungen von außen. Unvorhergesehen ist aber ein Ereignis dann, wenn die Partei es tatsächlich nicht einberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme von zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (vgl. VwGH 26.08.1998, 96/09/0093).

Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfasst jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodass nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (vgl. VwGH 15.09.2005, 2004/07/0135).

Eine krankheitsbedingte Säumnis erfüllt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann, wie der Verwaltungsgerichtshof in einem Judikat vom 25.04.2018 erneut festhält (VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0057), "wenn die Krankheit zu einer Dispositionsunfähigkeit des Betroffenen geführt hat oder die Dispositionsfähigkeit so stark beeinträchtigt hat, dass das Unterbleiben der fristwahrenden Handlung in einem milderen Licht - nämlich als bloß minderer Grad des Versehens - zu beurteilen ist (VwGH, 22.07.2004, 2004/20/0122, mwN). Für die Wiedereinsetzung reicht es nicht aus, wenn die Partei gehindert war, die fristwahrende Handlung selbst zu setzen. Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt nur vor, wenn die Partei auch gehindert war, der Fristversäumung durch andere geeignete Dispositionen - im Besonderen durch Beauftragung eines Vertreters - entgegen zu wirken (VwGH, 29.11.2007, 2007/21/0308) bzw. ihr auch insofern nur ein leicht fahrlässiges Fehlverhalten vorgeworfen werden könnte."

Im vorliegenden Fall wurde bereits oben ausgeführt, dass eine die Dispositionsfähigkeit maßgeblich beeinträchtigte konkrete Erkrankung nicht dargetan wurde. Dazu ist ergänzend festzuhalten, dass prinzipiell bereits im Antrag jenes unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben ist, das die Versäumnis hervorgerufen hat, an diese Gründe ist die belangte Behörde bei ihrer Prüfung gebunden (Hengstschläger/Leeb, AVG, §71, Rz 115). Demnach hat die Partei die Umstände glaubhaft darzulegen "und bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel zu ihrer Glaubhaftmachung anzuführen (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71, Rz 116 mit Verweis auf VwGH 21.03.1997, 97/02/0093; 25.02.2003, 2002/10/2002). Zudem ist auch darzulegen und allenfalls zu bescheinigen, "dass zwischen dem die Wiedereinsetzung begründenden Ereignis und der Fristversäumnis ein Kausalzusammenhang besteht" (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 71, Rz 116 mit Verweis auf Stoll, BAO III 2975).

Aus dem im gegenständlichen Antrag erstatteten lapidaren Vorbringen, der Beschwerdeführer wäre krank gewesen, ergibt sich keine maßgeblich eingeschränkte Dispositionsfähigkeit. Auch wurde bereits oben ausgeführt, dass auch in der Zusammenschau aller vorgebrachten Umstände (Netzprobleme, Missverständnis bei der Finanzierung des Bustickets, uä) zwar organisatorische Schwierigkeiten einzuräumen seien, insgesamt sind diese aber keinesfalls geeignet, als unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis qualifiziert zu werden.

Im Beschwerdefall ist in keinster Weise ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer auch nur ansatzweise versucht hätte, geeignete Dispositionen, die bei zumutbarer Aufmerksamkeit und Vorsicht zu erwarten gewesen wären - etwa durch Beauftragung eines Vertreters zB nach Verbindungsherstellung durch Aufsuchen eines Internetcafes oder einem Telefonat in der Postfiliale im Ortsgebiet, Anfragen um Hilfestellung beim Unterkunftgeber, ....) - zu treffen, um die Einbringung des Rechtsmittels zu bewerkstelligen bzw. den Beschwerdeführer an der Versäumung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers ist daher - worauf die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht verweist - nicht geeignet, ein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligendes unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis aufzuzeigen.

Da die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht abgewiesen hat, war die dagegen gerichtete Beschwerde - mit der Maßgabe der Anführung der heranzuziehenden Bestimmung des § 33 Abs. 1 VwGVG - abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II.A.:

Gemäß - dem im Beschwerdefall nach dem Erkenntnis VfGH 26. 09. 2017, G 134/2017 ua heranzuziehenden (s.o. unter Punkt 3.1.) - § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.

§ 32 AVG bestimmt:

"5. Abschnitt: Fristen

§ 32. (1) Bei der Berechnung von Fristen, die nach Tagen bestimmt sind, wird der Tag nicht mitgerechnet, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll.

(2) Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats."

Der Bescheid vom 20.06.2017 wurde dem Beschwerdeführer zuhanden seines Vertreters unbestrittenermaßen am selben Tag, nämlich am Dienstag, dem 20.06.2017, rechtswirksam zugestellt. Die vierwöchige Rechtmittelfrist nach § 7 Abs. 4 VwGVG endete daher am Dienstag, dem 18.07.2017.

Die gegenständliche Beschwerde wurde aber erst am 26.07.2017 eingebracht. Sie erweist sich daher als verspätet und war zurückzuweisen.

Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

3.3. Zu den Spruchpunkten I.B und II.B zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Voraussetzungen, Wegfall der Gründe, Wiedereinsetzung,
Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W205.2171082.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten