Entscheidungsdatum
08.10.2019Norm
AsylG 2005 §57Spruch
G311 2223820-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch RA Dr. Wolfgang KUNERT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2019, Zahl XXXX:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I). In den übrigen Spruchpunkten II. bis V. wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG über den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist und einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Weiters wurde über ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.
In der Bescheidbegründung wurden folgende Sachverhaltsfeststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer sei serbischer Staatsbürger und mittellos. Der Beschwerdefüher sei von der LPD XXXX beim unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet betreten worden. Bei der Durchsicht des Reisepasses, sei ein Aufenthalt im Schengenraum von mindestens 112 Tagen in den letzten 180 Tagen festgestellt worden. "Mindestens deswegen, da im Reisepass nötige Ausreisestempel fehlen". Er sei von 26.06.2018 bis 27.06.2019 behördlich in XXXX gemeldet gewesen. Die Behörde gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer in Österreich einer illegalen Arbeit nachgegangen sei, seine Sohn habe eine Firma in Österreich. Ein Aufenthalt sei aufgrund fehlender eigener Existenzmittel nicht möglich. Er gehe mit ziemlicher Sicherheit illegaler Arbeit nach, dies habe er zwar nicht zugegeben, sei aber anhand der widersprüchlichen Angaben während der Niederschrift eindeutig. Seine Angaben seien nicht der Wahrheit entsprechend gewesen. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wurde auf das "bereits mehrfach zitierte Gesamtfehlverhalten" hingewiesen.
Im vorgelegten Verwaltungsakt liegt eine Anzeige der Landespolizeidirektion XXXX vom 09.07.2019 ein. Darin wurde unter der Rubrik "Tatbeschreibung" Folgendes festgehalten:
Im Rahmen einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle habe der Beschwerdeführer angegeben, bei seinem Sohn zu nächtigen und in ein paar Tage nach Hause zu fahren. Nach Durchsicht des Reisepass sei unter Zuhilfennahme des Schengen-Kalkulators ein Aufenthalt von mindestens 112 Tagen in den letzten 180 Tagen festgestellt worden.
Kopien des Reisepass des Beschwerdeführers sind ebenfalls aktenkundig.
Der Beschwerdeführer wurde am 22.08.2019 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, er bleibe immer ein bis zwei Monate in Österreich. Seitens der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer dann darauf hingewiesen, dass er verpflichtet sei, die Wahrheit zu sagen. Der Beschwerdeführer gab an, er habe die Stempeln nicht bekommen und wisse nicht, wie man sich richtig berechne. Sein Sohn habe eine Baufirma und habe der dem Sohn nur geholfen, wenn er einen Arbeiter wohin fahren musste. Er habe Euro 70,--. Wenn er etwas brauche, bekomme er von seinem Sohn Geld.
Gegen den im Spruch angeführten Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich nur auf Besuch gewesen sei und nie irgendwelche Tätigkeiten ausgeübt habe. Die Übersetzung der Aussagen des Beschwerdeführers sei großteils fehlerhaft. Die Schwiegertochter habe es verabsäumt, den Beschwerdeführer abzumelden, der Beschwerdeführer habe sich nie länger als drei Monate im Bundesgebiet aufgehalten.
II. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
"13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015,
Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).
14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN)."
Das Bundesverwaltungsgericht anerkent, dass nach den vorliegenden Umständen ein unrechtmäßiger Aufenthalt vorgelegen sein könnte.
Der Beschwerdeführer bestritt dies jedoch, bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 09.07.2019. Die Behörde hätte daher weitere Erhebungen zu Frage, ob tatsächlich unrechtmäßiger Aufenthalt vorlag, vornehmen müssen, und- bei Fehlen sonstiger Beweismittel - den Sohn des Beschwerdeführers und dessen Lebensgefährtin ausforschen und einvernehmen müssen. Im Rahmen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung hätte die Behörde dann ausgehend von all diesen Beweismitteln darlegen müssen, warum sie der Verantwortung des Beschwerdeführers folgt oder nicht.
Es liegen somit gravierende Ermittlungslücken der belangten Behörde vor.
Die belangte Behörde wird daher zunächst alle zur Ergänzung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und allenfalls - je nach Ausgang des Ermittlungsverfahrens - einen neuen Bescheid zu erlassen haben.
Es hat sich nicht ergeben, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen wäre, zumal nichts darauf hindeutet, dass die erforderliche Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst, verglichen mit der Feststellung durch die belangte Behörde nach Zurückverweisung der Angelegenheit, mit einer wesentlichen Zeitersparnis und Verkürzung der Verfahrensdauer verbunden wäre.
Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dahingehend vor, dass die Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Vergleich zur Feststellung durch die Verwaltungsbehörde mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre.
Festzuhalten ist weiters, dass sich die Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf jene bezogen, mit dem bereits die Erlassung des Einreiseverbotes begründet wurde.
Dabei ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden es nicht genügt, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053 mwN).
Eine derartige Begründung ist im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht enthalten und waren dem Akteninhalt keine diesbezüglichen Anhaltspunkte zu erkennen.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G311.2223820.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.01.2020