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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Kein Verstoß der Kostenregelung für das gerichtliche Verfahren über Jagd- und Wildschäden gegen den Gleichheitssatz und gegen das durch Art6 Abs1 EMRK gewährleistete Gebot der Waffengleichheit der Verfahrensgegner; Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht durch die Jagdausübungsberechtigten innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsfreiraumes des Gesetzgebers; Annahme der wirtschaftlichen Überlegenheit der Jagdausübungsberechtigten gegenüber dem Grundeigentümer innerhalb einer verfassungsrechtlich zulässigen Durchschnittsbetrachtung; sachliche Rechtfertigung aufgrund der Eröffnung eines tatsächlichen Rechtsschutzes für die wirtschaftlich schwächere ParteiSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Den beteiligten Parteien werden die begehrten Kosten nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Der Abschnitt H (§§64 bis 77) des Oberösterreichischen Jagdgesetzes, LGBl. 32/1964, i.d.F. der O.ö. Jagdgesetz-Novelle 1989, LGBl. 2/1990, (im folgenden kurz: Oö. JagdG), hat die Behandlung von Jagd- und Wildschäden zum Gegenstand. (Die O.ö. JagdG-Novelle 1993, LGBl. 28, hat den Abschnitt H nicht geändert).
Dem §70 leg.cit. zufolge entscheidet über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden, sofern eine gütliche Einigung nicht zustandekommt, die beim Gemeindeamt einzurichtende Jagd- und Wildschadenskommission (im folgenden kurz: Kommission).
§77 des Oö. JagdG lautet (die zur Aufhebung beantragte Wortfolge - s. I.2.a und II.1.a - ist hervorgehoben):
"§77.
Verfahrens- und Durchführungsbestimmungen.
(1) Gegen den Bescheid der Kommission über Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden ist eine Berufung an die Bezirksverwaltungsbehörde nicht zulässig. Der Bescheid der Kommission tritt außer Kraft, soweit eine Partei innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides die gerichtliche Entscheidung der Sache im Verfahren außer Streitsachen beantragt. Zuständig ist jenes Bezirksgericht, in dessen Sprengel sich das Gebiet befindet, für dessen Bereich der Eintritt eines Jagd- oder Wildschadens geltend gemacht wird. Im gerichtlichen Verfahren ist das Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, BGBl. Nr. 71, sinngemäß anzuwenden. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung kann nur mit Zustimmung des Gegners zurückgezogen werden. Wird der Antrag zurückgezogen, so gilt mangels anderweitiger Vereinbarungen die ursprünglich von der Kommission festgesetzte Entschädigung als vereinbart.
(2) Dem Obmann gebührt für seine Tätigkeit eine angemessene Aufwandsentschädigung.
(3) Kosten, die einer Partei aus ihrer eigenen Teilnahme sowie aus der Teilnahme eines Vertreters oder eines Rechtsbeistandes erwachsen, sowie jene Kosten, welche sich aus der Teilnahme ihres Vertrauensmannes ergeben, mag dieser in die Kommission von der Partei entsendet oder an deren Stelle vom Obmann berufen worden sein, hat die Partei selbst zu tragen (Parteikosten).
(4) Für alle übrigen Kosten, die aus dem Verfahren vor der Schiedskommission erwachsen (Amtskosten), gelten folgende Bestimmungen:
a) Der zur Leistung einer Entschädigung verpflichtete Jagdausübungsberechtigte hat vorbehaltlich der Bestimmungen der litb und c die Amtskosten zu tragen.
b) Hat die Kommission entschieden, daß der Anspruch auf Schadenersatz dem Grunde nach nicht zu Recht besteht, so hat die den Anspruch erhebende Partei die Amtskosten zu tragen, sofern der Jagdausübungsberechtigte nicht einer anderen Kostenentscheidung zustimmt.
c) Wird der den Anspruch erhebenden Partei eine Entschädigung zuerkannt, die nicht höher ist als der ihr bei dem Versuch eines Übereinkommens (§70 Abs2) oder eines Vergleichsversuches (§75) vom Jagdausübungsberechtigten fruchtlos angebotene Betrag, so sind auf Verlangen des Jagdausübungsberechtigten die Amtskosten zu gleichen Teilen auf die Parteien aufzuteilen.
(5) Im übrigen gelten für das Verfahren über Ansprüche, über die gemäß §70 Abs2 von der Kommission zu entscheiden ist, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG. 1950.
(6) ..."
b) Vom bezogenen EisenbahnenteignungsG ist hier insbesondere dessen §44 von Bedeutung:
"§44. Die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung sind, soweit sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen wurden, vom Eisenbahnunternehmen zu bestreiten."
2.a) Das Landesgericht (LG) Wels als Rekursgericht stellt mit Beschluß vom 11. Oktober 1995, 23R 115/95, (aus Anlaß eines bei ihm wegen Festsetzung einer Wildschadens-Entschädigung nach §77 Oö. JagdG anhängigen Außerstreitverfahrens) gemäß Art89 Abs2 und Art140 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, "§77 Abs1 4. Satz Oö. Jagdgesetz ('Im gerichtlichen Verfahren ist das Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, BGBl. Nr. 71, sinngemäß anzuwenden') als verfassungswidrig aufzuheben".
b) Der Aufhebungsantrag wird wie folgt begründet:
"Die Antragstellerin (d.i. die im gerichtlichen Verfahren antragstellende Partei) ist Eigentümerin forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke im Gemeindegebiet W. Die Antragsgegner waren Gesellschaft(er) der Jagdgesellschaft W, die diese Grundstücke bis 31.3.1993 bejagte. Mit Schreiben vom 25.3.1993 machte die Antragstellerin gegenüber dem Jagdleiter dieser Jagdgesellschaft den Ersatz eines Wildschadens in Höhe von S 135.000,-- geltend. Mangels gütlicher Einigung leitete sie mit Schreiben vom 6.4.1993 das Verfahren vor der Jagd- und Wildschadenskommission gemäß §70 Oö. Jagdgesetz ein, die der Antragstellerin mit Bescheid vom 7.6.1993 eine Entschädigung von S 5.000,-- zuerkannte. Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 11.6.1993 zugestellt, die Antragsgegner bezahlten am 30.6.1993 die festgesetzte Entschädigungssumme.
Mit am 5.7.1993 beim Erstgericht eingelangten Antrag begehrte die Antragstellerin die 'Neufestsetzung des Wildschadens', den sie im weiteren gerichtlichen Verfahren wiederum mit S 135.000,-- (eingetreten bis zum 31.3.1993) bezifferte.
Die Antragsgegner anerkannten zunächst einen Wildschaden der Antragstellerin von S 5.000,--, widerriefen dieses Anerkenntnis jedoch in der Folge und begehrten gänzliche Antragsabweisung.
Mit Beschluß vom 5.5.1995, ON 36, setzte das Erstgericht den auf den Grundstücken der Antragstellerin bis zum 31.3.1993 eingetretenen Wildschaden mit S 5.000,-- fest und verpflichtete die Antragsgegner, der Antragstellerin S 6.777,-- an Verfahrenskosten (das sind die von ihr getragenen anteiligen Sachverständigengebühren und Kosten ihrer rechtsanwaltlichen Vertretung) zu tragen.
Gegen diesen Beschluß erhoben die Antragsgegner rechtzeitig Rekurs mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung (ersatzlos) aufzuheben bzw. dahin abzuändern, daß der Antrag auf Neufestsetzung einer Entschädigung abgewiesen werde, in eventu eine Antragsab-(Zurück-)weisung gegen die Zweit- bis Neuntantragsgegner ausgesprochen werde, in eventu die Antragstellerin zum Ersatz der Kosten der Antragsgegner (verzeichnet auf Basis von S 135.000,--) verpflichtet werde.
Bei der Entscheidung über dieses Rechtsmittel hat das Rekursgericht §77 Abs1 4. Satz Oö. Jagdgesetz anzuwenden; es hat aber gegen die Anwendung dieses Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit folgende Bedenken:
Nachdem mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28.9.1988, G69/88-11 u.a., diejenigen Bestimmungen des Oö. Jagdgesetzes, die eine verwaltungsbehördliche Alleinzuständigkeit zur Festsetzung der Entschädigung für einen Jagd- oder Wildschaden vorsahen, wegen Verstoßes gegen Art6 Abs1 EMRK aufgehoben worden waren, schuf der Landesgesetzgeber mit der Neufassung des §77 Abs1 Oö. Jagdgesetz in LGBl. 1990/2 die Möglichkeit, zur Feststellung eines Jagd- und Wildschadens und zur Entscheidung über den Anspruch auf Schadenersatz nach dem Verfahren vor der Jagd- und Wildschadenskommission das Außerstreitgericht anzurufen. Dieses in §70 Abs2 und §77 Abs1 Oö. Jagdgesetz idF LGBl. 1990/2 eingerichtete, eine sukzessive Kompetenz der ordentlichen Gerichte bestimmende Verfahren genügt nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 506/95 den gemäß Art6 Abs1 EMRK zu gewährleistenden Verfahrensgarantien.
Nach der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes umfaßt der im §77 Abs1 Oö. Jagdgesetz enthaltene Verweis auf das EisbEG auch dessen §44, nach welcher Bestimmung die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung, soweit sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen wurden, vom Eisenbahnunternehmen zu bestreiten sind. Der Oberste Gerichtshof begründete dies damit, daß die Eigentümer von Liegenschaften, die zu einem genossenschaftlichen Jagdgebiet gehören, nach den gesetzlichen Bestimmungen die Jagdausübung zu dulden haben. Als Ausgleich wird lediglich ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch für entstandene Jagd- und Wildschäden gewährt. Die Ausübung des Eigentumsrechtes wird also partiell beschränkt, was nach der vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Absicht als enteignungsgleicher Eingriff anzusehen ist.
Die Anwendung des §44 EisbEG im Verfahren nach §77 Abs1 Oö. Jagdgesetz bedingt nach der zu dieser Bestimmung ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofes (1 Ob 506/95;
SZ 60/269; SZ 60/17) eine einseitige Kostenersatzpflicht des Jagdausübungsberechtigten. Bei nur teilweisem Obsiegen des Grundeigentümers gebühren ihm - unter Ausschluß der Kostenteilung - volle Kosten vom obsiegten Betrag. Auch ein ungerechtfertigtes Einschreiten des Enteigneten, welches nicht mit Erfolglosigkeit gleichgestellt werden darf (vgl. Korinek-Pauger-Rummel, Handbuch des Enteignungsrecht, 309 f; Kühne, JBl. 1985, 698 f; Kerschner, JBl. 1993, 679; gegenteilig: SZ 60/17?), führt nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes nur dazu, daß der Enteignete keinen Anspruch auf Ersatz der auf solche Weise entstandene Kosten hat, ihn aber keine Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Enteigners trifft (gegenteilig: Korinek-Pauger-Rummel, a.a.O. 310; Dullinger, JBl. 1984, 648).
Die Auswirkungen dieser kostenrechtlichen Judikatur führ(t)en das gerade in mehreren beim Rekursgericht anhängigen Verfahren nach §77 Oö. Jagdgesetz zu dem Ergebnis, daß bei Anwendung des §44 EisbEG die Jagdausübungsberechtigten trotz eines nur mit einem Bruchteil der Ersatzforderung bestehenden Ersatzanspruches Sachverständigengebühren bzw. (eigene) Vertretungskosten in beträchtlicher Höhe übernehmen mußten:
Z.B. hg. R 697/93 (Verfahren 1 Nc 73/90 des Bezirksgerichtes Eferding)
geltend gemachter Schaden S 82.650,--
festgestellter Schaden S 0,--
Sachverständigengebühren S 129.103,--
Vertretungskosten der Jagdgesellschaft S 110.134,66
hg. 22 R 325/95 (Verfahren Nc 27/93 des Bezirksgerichtes Haag a. H.; Antragstellerin E B)
geltend gemachter Schaden S 224.050,--
festgestellter Schaden S 91.400,--
Sachverständigengebühren S 109.583,--
Vertretungskosten der Jagdgesellschaft S 559.165,96
Nach Ansicht des Rekursgerichtes handelt es sich bei diesen Fällen, aber auch beim vorliegenden (Vertretungskosten der Jagdgesellschaft S 52.392,--) nicht bloß um vereinzelte Härtefälle, sondern um das Ergebnis einer dem Gleichheitsgebot des Art7 B-VG widersprechenden Regelung, die bewirkt, daß derartige Fälle nicht nur ausnahmsweise, sondern nach den bisherigen Erfahrungen gehäuft auftreten (werden):
Nach den bei Dullinger, a.a.O., und im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.2.1993, 90/06/0211, zitierten Materialien zu §44 EisbEG wurde die prinzipielle Belastung des Enteigners mit den (gesamten) Verfahrenskosten damit gerechtfertigt, daß das Verfahren zu dessen Gunsten und auf dessen Veranlassung durchzuführen ist. Lehre und Rechtsprechung (Rummel-Schlager, 171 ff; Korinek-Pauger-Rummel, a.a.O. 309; VwGH, a.a.O.) fügten dem auch das Argument hinzu, daß der Enteignete als in der Regel finanziell Schwächere, in dessen Eigentumsrecht eingegriffen wurde, ohne weitere materielle Einbußen befürchten müssen, in die Lage versetzt werden soll, sein Recht auf angemessene Entschädigung bei Gericht zu verfolgen, zumal das enteignende Unternehmen dem betroffenen Eigentümer nicht nur an finanziellen Mitteln, sondern auch an einschlägiger Rechts- und Sachkenntnis bei weitem überlegen ist.
Diese Erwägungen lassen sich nach Ansicht des Rekursgerichtes noch nicht ohne weiteres auf das Verfahren zur Feststellung eines Jagd- oder Wildschadens übertragen. Das Jagdrecht ist grundsätzlich ein aus dem Eigentum an Grund und Boden fließendes Privatrecht, das der Eigentümer allerdings erst ab einer bestimmten Größe seines Grundbesitzes selbst ausüben darf. Anderfalls ist das Jagdrecht von der Gesamtheit der Grundeigentümer zu verpachten oder durch einen Jagdverwalter auszuüben. Inhaltlich umfaßt das Jagdrecht sowohl Befugnisse als auch Verpflichtungen; auch Schutzmaßnahmen zugunsten des Grundeigentümers durch den Jagdausübungsberechtigten sind vorgesehen.
Bei dieser Rechtslage kann nicht gesagt werden, daß die Jagdausübung und die damit verbundenen Eingriffe in das Grundeigentum lediglich zugunsten der Jagdausübungsberechtigten erfolgen bzw. die Eingriffe in das Grundeigentum so schwerwiegend sind, daß der Eigentümer in die Lage versetzt werden muß, ohne weitere materielle Einbußen auch ungerechtfertigte Entschädigungsansprüche aus der Ausübung des Jagdrechtes erheben zu können. Es trifft hier auch keinesfalls zu, daß der Grundeigentümer in der Regel der finanziell Schwächere oder an Rechts- und Sachkunde unterlegene Teil ist, dem weitere Kostenbelastungen nicht zugemutet werden können. Aus diesen Erwägungen hält das Rekursgericht die vom Landesgesetzgeber verfügte Übertragung der Kostenregelung des §44 EisbEG auf das Verfahren nach §77 Abs1 Oö. Jagdgesetz und die damit in diesem Verfahren gegebene einseitige Kostenersatzpflicht des Jagdausübungsberechtigten - obwohl eine typische Enteignungssituation nicht vorliegt - als dem Gleichheitsgebot des Art7 B-VG widersprechend. Aber auch im Hinblick auf Art6 Abs1 EMRK bestehen Bedenken gegen die Bestimmung des §77 Abs1
4. Satz Oö. Jagdgesetz, weil auf Grund der sachlich nicht zu rechtfertigenden einseitigen Kostenbelastung des Jagdausübungsberechtigten die durch diese Bestimmung zu gewährleistende Waffengleichheit der Verfahrensgegner in Frage gestellt scheint, welchen Aspekt auch der Oberste Gerichtshof bisher nicht geprüft hat."
3. Die Oberösterreichische Landesregierung (Oö. LRg.) begehrt in der (in ihrer Sitzung vom 22. Jänner 1996 beschlossenen) Äußerung, der Verfassungsgerichtshof möge
"1. den Antrag des Landesgerichtes Wels auf Aufhebung des §77 Abs1 4. Satz Oö. Jagdgesetz als unzulässig zurückweisen,
in eventu
2. aussprechen, daß §77 Abs1 vierter Satz des O.ö. Jagdgsetzes, LGBl. Nr. 32/1964, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 28/1993, nicht als verfassungswidrig aufzuheben ist,
3. für den Fall einer Aufhebung gemäß Art140 Abs5 B-VG die Frist für das Außerkrafttreten zumindest mit 12 Monaten bestimmen, um die erforderlichen legistischen Maßnahmen zu ermöglichen."
Sie begründet dies wie folgt:
"1. Einleitend darf bemerkt werden, daß dem Antrag des Landesgerichtes Wels möglicherweise ein formaler Mangel insoweit anhaftet, als begehrt wird, '§77 Abs1 4. Satz Oö. Jagdgesetz' ohne genaue Bezeichnung des Gesetzes unter Angabe der konkreten Fundstelle im Landesgesetzblatt als verfassungswidrig aufzuheben.
Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festgestellt hat, sind '(Gerichts-)Anträge nach Art140 B-VG, die nicht begehren, das - nach Auffassung des antragstellenden Gerichtes verfassungswidrige - Gesetz seinem 'ganzen Inhalte' nach oder in 'bestimmte(n) Stellen' aufzuheben (§62 Abs1 Satz 1 VerfGG) (... ) nicht verbesserungsfähig (§18 VerfGG) und als unzulässig zurückzuweisen. Um die strengen Formerfordernisse des ersten Satzes des §62 Abs1 Satz 1 VerfGG zu erfüllen, müssen (...) die bekämpften Stellen des Gesetzes genau und eindeutig bezeichnet werden. Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschriften nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich der Aufhebung verfallen sollen (VfSlg. 12062/1989)' (vgl. VfGH vom 2. März 1995, G279/94, sowie ua. VfSlg. 11802/1988).
Ein Antrag, der sich damit begnügt, die angefochtene Norm bloß mit der Wortfolge '§77 Abs1 4. Satz Oö Jagdgesetz' zu umschreiben, ohne eine genaue Fundstelle des Landesgesetzes und die angefochtene Fassung zu bezeichnen, scheint den strengen Formerfordernissen des ersten Satzes des §62 Abs1 VerfGG letztlich nicht gerecht zu werden. Dabei wird nicht übersehen, daß das antragstellende Gericht die - seiner Ansicht nach verfassungswidrige - Bestimmung im Antrag in Klammern wörtlich wiedergibt. Die problematische Undeutlichkeit könnte man nämlich darin erblicken, daß gerade die angefochtene Bestimmung sich (erst) seit der (aus Anlaß des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 11826/1988 beschlossenen) O.ö. Jagdgesetz-Novelle 1989, LGBl. Nr. 2/1990, im O.ö. Jagdgesetz, LGBl. Nr. 32/1964, findet. Vor dieser Novelle enthielt das O.ö. Jagdgesetz im §77 Abs1 keinen vierten Satz. Gerade deswegen scheint es nicht denkunmöglich, der genauen Bezeichnung der angefochtenen Fassung durch die Nennung der Fundstelle im Landesgesetzblatt entscheidende Bedeutung beizumessen.
2. Der angefochtene vierte Satz des §77 Abs1 des O.ö. Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 32/1964, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 28/1993 (in der Folge: O.ö. Jagdgesetz), verweist hinsichtlich der Verfahrensbestimmungen für das Verfahren vor den Gerichten, die zur Entscheidung über den Ersatz von Jagd- und Wildschäden nach der Jagd- und Wildschadenskommission angerufen werden können, auf das Eisenbahnenteignungsgesetz 1954, BGBl. Nr. 71 (in der Folge: EisenbEntG 1954), das im gerichtlichen Verfahren 'sinngemäß' anzuwenden ist. Dieser - schon aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendigerweise - statische Verweis umfaßt nach Ansicht des antragstellenden Gerichts auch §44 des EisenbEntG (anzumerken ist, daß §44 leg. cit. in der Zwischenzeit durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995 geändert wurde), wonach die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung, soweit sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen wurden, vom Eisenbahnunternehmen zu bestreiten sind. Auf Grund der zu dieser Bestimmung ergangenen Judikatur ergibt sich nach Ansicht des antragstellenden Gerichts eine verfassungswidrige sachlich nicht zu rechtfertigende, einseitige Kostenbelastung des Jagdausübungsberechtigten, die Art7 B-VG und Art6 Abs1 EMRK widerspreche.
3. Diesem Vorbringen sind aus der Sicht der o.ö.
Landesregierung folgende Überlegungen entgegenzuhalten:
3.1. Der 'sinngemäße' Verweis im §77 Abs1 vierter Satz des O.ö. Jagdgesetzes auf das EisenbEntG 1954 hat nicht zwingend den vom antragstellenden Gericht unterstellten Inhalt: Fraglich scheint nämlich, ob und in welchem Umfang sich der Verweis inhaltlich auch auf §44 des EisenbEntG 1954 bezieht. Nach Ansicht der o.ö. Landesregierung kann der Verweis so verstanden werden, daß die Regelungen des EisenbEntG 1954 ausschließlich dort Anwendung finden sollen, wo nicht das O.ö. Jagdgesetz eigene (spezielle) Bestimmungen enthält und die Regelungen des EisenbEntG 1954 dem Wesen des O.ö. Jagdgesetzes nicht widersprechen (§77 Abs1 vierter Satz des O.ö. Jagdgesetzes normiert ja lediglich die 'sinngemäße' Anwendung des EisenbEntG 1954).
Jedenfalls hinsichtlich der fraglichen Kostentragung für die Parteikosten enthält aber §77 Abs3 des O.ö. Jagdgesetzes eine solche besondere Regelung, die §44 des EisenbEntG 1954 vorgeht:
Demnach 'hat die Partei' die 'Kosten, die einer Partei aus ihrer eigenen Teilnahme sowie aus der Teilnahme eines Vertreters oder Rechtsbeistandes erwachsen (...) selbst zu tragen (Parteikosten)'.
Daß diese Bestimmung auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar ist, kann aus ihrer historischen Entwicklung geschlossen werden:
Wie bereits angemerkt wurde, wurde §77 Abs1 des O.ö. Jagdgesetzes durch die O.ö. Jagdgesetz-Novelle 1989, LGBl. Nr. 2/1990, geändert. Die Kostentragungsregelungen des §77 Abs3 des O.ö. Jagdgesetzes aus der Stammfassung blieb jedoch unverändert. Vor der Novelle bestand gemäß §77 Abs1 des O.ö. Jagdgesetzes in seiner Stammfassung die Möglichkeit, gegen den Bescheid der Kommission bei der Bezirksverwaltungsbehörde Berufung zu erheben. Die Kostenregelungen der folgenden Absätze bezogen sich dabei - mangels besonderer Regelungen - (wie schon im O.ö. Jagdgesetz, LGBl. Nr. 10/1948; vgl. den dortigen §78 Abs1 ('Verfahrenskosten. Die von den Vertrauensmännern etwa beanspruchten Kosten sowie die Kosten für rechtskundigen Beistand hat jede der streitenden Parteien selbst zu tragen') iVm. §§84 (Verfahren. Für das Verfahren in Anwendung dieses Gesetzes, außer in den Fällen des Ersatzes von Jagd- und Wildschäden, gelten die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 21. 7. 1925, BGBl. Nr. 274 (AVG.). Sonderheiten im Verfahren über Jagd- und Wildschäden enthalten die Bestimmungen unter Abschnitt III B. Der Rechtsmittelzug endet bei der Landesregierung') und 85 (Kosten. Außer in Verfahrensfällen betreffs Ersatzes von Jagd- und Wildschäden sind hinsichtlich der Tragung der Kosten die Bestimmungen des V. Teiles des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) in Anwendung zu bringen.')) auch auf das seinerzeitige Verfahren vor der Bezirksverwaltungsbehörde (§76 O.ö. Jagdgesetz, LGBl. Nr. 10/1948). §77 Abs3 und 4 des O.ö. Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 32/1964, übernahmen inhaltlich diese Bestimmungen über die Kostentragung bei etwas differenzierter Formulierung.
Wenn nun mit der O.ö. Jagdgesetz-Novelle 1989 (im Hinblick auf die sich aus Art6 EMRK ergebenden Notwendigkeiten) im fraglichen Regelungsbereich (organisatorisch) eine Zuständigkeit der Gerichte anstatt der Bezirksverwaltungsbehörde normiert wurde und die entsprechenden Regelungen über die Parteikosten unverändert blieben, kann daraus der Schluß gezogen werden, daß die bereits bestehenden Bestimmungen über die Kostentragung auch für das gerichtliche Verfahren Anwendung finden sollen.
Daraus folgt, daß §77 Abs3 des O.ö. Jagdgesetzes auch für die Parteikosten im gerichtlichen Verfahren gilt, sodaß auch in diesem Verfahren der Grundsatz der Selbsttragung der Vertretungskosten gilt. §44 des EisenbEntG 1954 kommt daher im gerichtlichen Verfahren allenfalls dann zur Anwendung, wenn über bloße Parteikosten (oder bereits nach §77 Abs4 des O.ö. Jagdgesetzes zu tragende Kosten, vgl. 3.2) hinausgehende Kosten anfallen.
Eine solche Aufteilung der Kosten, scheint insgesamt - auch unter den im folgenden darzustellenden Gesichtspunkten - sachlich gerechtfertigt, wobei auch der Umstand zu berücksichtigen ist, daß im gerichtlichen Außerstreitverfahren kein Anwaltszwang besteht.
3.2. Selbst wenn man den 'sinngemäßen' Verweis im §77 Abs1 vierter Satz (im vollen Umfang) auf §44 des EisenbEntG 1954 bezieht sowie im Hinblick auf die über die Parteikosten hinausgehenden Kosten, scheint folgende Auslegung möglich: Der fragliche Verweis bedeutet zunächst, daß (nur) die Kosten des gerichtlichen Verfahrens betreffend die Ansprüche auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung, soweit sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen wurden, vom Jagdausübungsberechtigten zu bestreiten sind. Die Bestimmung scheint daher ausschließlich jenen Teil des Verfahrens auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden zu regeln, der von den Gerichten wahrzunehmen ist.
Hinsichtlich der Verfahrenskosten im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens enthalten insbesondere die Abs3 und 4 des §77 des O.ö. Jagdgesetzes spezielle und differenzierte Regelungen. Dies zeigt einerseits, daß sich der Landesgesetzgeber durchaus der Problematik der Bestimmungen über die Kostentragung bewußt war, wenn er für den Regelfall der Entscheidung vor der Jagd- und Wildschadenskommission Vorsorge traf. Andererseits ergibt sich aus dieser Systematik, daß die Kostentragungsregelung des §44 des EisenbEntG 1954 nur für jenen Teil der Kosten gelten kann, der sich auf das - nach der Konzeption des O.ö. Jagdgesetzes den Ausnahmefall bildenden - gerichtliche Verfahren bezieht und vom gerichtlichen Verfahren verursacht wird. Demnach wären nach §77 Abs1 vierter Satz des O.ö. Jagdgesetzes iVm. §44 des EisenbEntG 1954 etwa nur jene Kosten für einen Rechtsbeistand des Geschädigten vom Jagdausübungsberechtigten zu tragen, die ursächlich mit dem Verfahren vor Gericht im Zusammenhang stehen. Eine ähnliche Unterteilung und Abgrenzung muß auch für andere Kosten (etwa die von Gutachten, die bereits im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden) gelten.
Die die Parteien treffenden Verfahrenskosten sind daher je nachdem in welchem Verfahren (vor der Jagd- und Wildschadenskommission (§77 Abs3 und 4) oder vor dem Gericht (§77 Abs1 vierter Satz)) sie anfallen, streng getrennt zu sehen und zu tragen. Dies zeigt, daß der Gesetzgeber durchaus bemüht war, eine sachlich gerechte Lösung der Kostenfrage zu erreichen. Wenn er dabei davon ausgegangen ist, daß im Verfahren vor dem Gericht, dessen Inanspruchnahme für die Parteien nicht regelmäßig notwendig ist, um zu einer Entscheidung zu kommen, der auf dieses Verfahren entfallende Teil der Kosten einer anderen Regelung unterworfen wird, wie der Teil der Kosten, die ihren Grund im Verwaltungsverfahren vor der Jagd- und Wildschadenskommission haben, so kann darin nach Ansicht der o.ö. Landesregierung keine verfassungsrechtlich problematische unsachliche Differenzierung erblickt werden.
3.3. Nach Ansicht der o.ö. Landesregierung hängen die Fragen der Kostentragung im Verfahren betreffend die Entschädigung von Jagd- und Wildschäden nicht unwesentlich mit den grundsätzlichen Haftungsbestimmungen des O.ö. Jagdgesetzes und den sich daraus ergebenden Zielen dieser Bestimmungen zusammen. Die Haftung des Jagdausübungsberechtigten für Jagd- und Wildschäden hat ihre sachliche Rechtfertigung darin, daß der Jagdausübungsberechtigte der einzige ist, der auf das Wild im Wege der Jagdausübung Einfluß nehmen kann. Aus den §§1 Abs2 und 64 Abs3 des O.ö. Jagdgesetzes ist zu ersehen, daß die Jagdausübungsberechtigten die Jagd und die Wildhege so auszuüben haben, daß Interessen der Landeskultur, wozu auch der Schutz land- und forstwirtschaftlicher Kulturen zählt, nicht verletzt werden. Sollte der Grundeigentümer, der keinen Einfluß auf den Schadensverlauf und die Schadenshöhe hat, mangels Einigung mit dem durch das Gesetz zur möglichsten Hintanhaltung von Schäden verpflichteten Jagdausübungsberechtigten daher gezwungen sein, seine Ersatzansprüche bei Gericht gelten zu machen, so sollte ihm nicht auch das darauf entfallende Kostenrisiko aufgebürdet werden. Auch das antragstellende Gericht räumt im übrigen ein, daß das Jagdrecht auch Schutzmaßnahmen zugunsten des Grundeigentümers umfaßt. Die Normierung eines erhöhten Schutzes des Grundeigentümers gegenüber dem Jagdausübungsberechtigten scheint daher nach Ansicht der o.ö. Landesregierung eine verfassungsrechtlich geradezu notwendige Maßnahme darzustellen, hat dieser doch einen Eigentumseingriff durch die Jagdausübung (und allfällige damit im Zusammenhang stehende Schäden) zu dulden. Die Ausübung seines Eigentumsrechts wird partiell beschränkt, was nach der vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Absicht als enteignungsgleicher Eingriff anzusehen ist (vgl. OGH vom 27. Februar 1995, 1 Ob 506/95). Auch ist durch §44 des EisenbEntG 1954 ohnehin sichergestellt, daß ein Grundeigentümer bei ungerechtfertigtem Einschreiten die Kosten des Verfahrens selbst zu tragen hat.
3.4 Dieser besondere Schutz des Grundeigentümers scheint im übrigen auch anderen Landesjagdgesetzen zugrunde zu liegen. So entscheiden etwa im Burgenland, in Wien und Niederösterreich über Jagd- und Wildschadensangelegenheiten als letzte Instanz weisungsfreie Schieds- und Landeskommissionen und in Kärnten der unabhängige Verwaltungssenat. Während etwa in Tirol zur Entscheidung über Jagd- und Wildschäden sofort die ordentlichen Gerichte (im Streitverfahren) berufen sind, gibt es in den Bundesländern Salzburg, Steiermark und Vorarlberg eine sukzessive Gerichtszuständigkeit, wobei hier ebenfalls im Streitverfahren zu entscheiden ist, sodaß sich auch die Kostentragung nach den Regeln der Zivilprozeßordnung bestimmt. Für die Verfahren vor den Schlichtungsstellen oder Schiedskommissionen enthalten die genannten Landesgesetze zT jeweils eigene Kostentragungsregeln. So sind etwa im Burgenland, in Wien und in der Steiermark die Kosten für die Kommission und die beigezogenen Sachverständigen, wenn ein Schadenersatz (und zwar unabhängig von der Höhe der ursprünglich gestellten Forderung des Geschädigten) zugesprochen wird und abgesehen von wenigen speziellen Ausnahmefällen von den Jagdausübungsberechtigten zu tragen. Die Kostentragungsregelung in Vorarlberg geht sogar einen Schritt weiter und sieht vor, daß die als erste Instanz eingerichtete Schlichtungsstelle die gleichen Gebühren wie Sachverständige im gerichtlichen Verfahren verlangen kann, wobei diese Gebühren von der Jägerschaft in voller Höhe zu bezahlen sind. Lediglich im Fall der Abweisung des Antrages kommt es hier zu einer Kostenteilung. Auch hieraus ist letztlich ein erhöhter Schutz des geschädigten Grundeigentümers zu erkennen.
Dieses auch der angefochtenen Gesetzesbestimmung innewohnende Prinzip eines besonderen Schutzes des geschädigten Grundeigentümers scheint sachlich gerechtfertigt und nicht gegen das Prinzip der Waffengleichheit der Verfahrensparteien zu verstoßen, zumal in einem genossenschaftlichen Jagdgebiet ein Grundeigentümer, insbesondere durch die Jagdausübung und allfällige Jagd- und Wildschäden, permanent Beeinträchtigungen seines Eigentums erfährt. Diese Überlegungen werden im übrigen auch vom Obersten Gerichtshof seinen Entscheidungen zugrunde gelegt, der sich bisher nicht veranlaßt sah, die fraglichen Bestimmungen des O.ö. Jagdgesetzes wegen allfälliger verfassungsrechtlichen Bedenken beim Verfassungsgerichtshof anzufechten (vgl. etwa OGH vom 27. Februar 1995, 1 Ob 506/95).
3.5. Die Eigentumseingriffe scheinen im übrigen in keinem Verhältnis zu dem auf den einzelnen Grundeigentümer letztlich entfallenden Anteil der vom Jagdausübungsberechtigten zu leistenden Pacht zu stehen. Wenn der Landesgesetzgeber daher im Rahmen des ihm von verfassungs wegen grundsätzlich zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiraums (vgl. zuletzt etwa VfGH vom 28. September 1995, G208/94, G14/95, sowie vom selben Tag G249-254/94) zusätzlich einen gewissen Ausgleich für die Eigentumseingriffe dadurch schafft, daß er für den von ihm als Ausnahme konzipierten Fall einer Nichteinigung im Verfahren vor der Jagd- und Wildschadenskommission, den Teil der Kosten, der sich auf Grund der Anrufung des Gerichtes ergibt, grundsätzlich dem begünstigten Jagdausübungsberechtigten auferlegt, so kann - insbesondere bei einer Gesamtbetrachtung des Verhältnisses zwischen Grundeigentümer und Jagdausübungsberechtigtem - darin nach Meinung der o.ö. Landesregierung keine Unsachlichkeit und kein Verstoß gegen die Waffengleichheit der Verfahrensparteien gesehen werden.
Dabei wird nicht übersehen, daß die fragliche Regelung in Einzelfällen uU zu, insbesondere für den betroffenen Normadressaten unerwünschten und aus seiner Sicht unbilligen Ergebnissen führen kann. Daraus kann jedoch nicht eine Verfassungswidrigkeit der Regelung abgeleitet werden, weil dem Gesetzgeber ein solcher Vorwurf nicht gemacht werden kann, wenn er - wie im vorliegenden Fall - bei der Konzeption seiner Regelungen von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht und auf den Regelfall abstellt (vgl. zB VfGH vom 3. Oktober 1994, G98/94, VfSlg. 13299/1992).
3.6. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß ein nicht unwesentlicher Aspekt der vom antragstellenden Gericht kritisierten Rechtssituation nämlich die Frage der Tragung der Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung des Enteigungsgegners im Rahmen des §44 des EisenbEntG 1954 - letztlich auf eine Änderung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu §44 des EisenbEntG 1954 zurückzuführen ist, die sich erst nach der Beschlußfassung der O.ö. Jagdgesetz-Novelle 1989 ergeben hat (vgl. VwGH vom 11. Februar 1993, 90/06/0211 (verst. Senat) sowie die dazu ergangene Anm. von KERSCHNER, JBl. 1993, 677; diese Rechtsprechung führte im übrigen mittlerweile auch zu einer Änderung des §44 des EisenbEntG 1954 durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1994 (vgl. die EB zur RV 134. BlgNR XIX. GP, 77)). Dies bedeutet zwar nicht, daß deswegen eine (objektive) Verfassungswidrigkeit der fraglichen Bestimmung von vornherein ausgeschlossen ist, doch kann daraus geschlossen werden, daß der Landesgesetzgeber bei der Konzeption dieser Regelung durchaus um eine verfassungsrechtlich einwandfreie Lösung bemüht war.
4. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, daß die vom Landesgericht Wels im Gesetzesprüfungsantrag aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken nach Meinung der o.ö. Landesregierung im Ergebnis nicht zutreffen. Die angefochtene Bestimmung scheint im Rahmen des dem Gesetzgeber zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums sachlich gerechtfertigt und entspricht - wie gezeigt - den verfassungsrechtlichen Vorgaben."
4. Die beteiligten Parteien dieses Gesetzesprüfungsverfahrens (nämlich einerseits die - Entschädigung für an ihren Grundstücken entstandene Wildschäden begehrende - Antragstellerin im Gerichtsverfahren und andererseits die - in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Jagdgesellschaft auftretenden - Antragsgegner) erstatteten Stellungnahmen. Während die Grundeigentümerin begehrt, den Gesetzesprüfungsantrag des LG Wels abzuweisen, schließen sich die Mitglieder der Jagdgesellschaft diesem Antrag an. Beide Seiten begehren Kostenzuspruch. In erster Linie bringen beide Seiten rechtspolitische Argumente vor, indem sie jeweils aus ihrer Sicht die maßgebenden Lebenssachverhalte, insbesondere die durchschnittliche wirtschaftliche Stärke einerseits der Waldbesitzer und andererseits der Jäger darstellen; dies allerdings mit konträren Behauptungen und damit auch einander widersprechenden Ergebnissen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.a) Die Oö LRg. bringt gegen die Zulässigkeit des Antrages des LG Wels vor, diesem sei nicht mit hinlänglicher Deutlichkeit zu entnehmen, in welcher Fassung das Oö. JagdG dessen §77 Abs1 vierter Satz angefochten werde.
Der Verfassungsgerichtshof pflichtet dem nicht bei. Im Antrag des LG Wels wird nämlich der Text der zur Aufhebung beantragten Gesetzesstelle wörtlich zitiert. Dazu kommt, daß §77 Abs1 des Oö. JagdG id Stammfassung gar keinen vierten Satz enthielt; dieser wurde durch die JagdG-Nov. 1989 angefügt. Damit ist eindeutig zu erkennen, daß das Begehren des LG Wels darauf gerichtet ist, §77 Abs1 vierter Satz des Oö. JagdG idF der Novelle 1989 aufzuheben.
b) Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen - so jene der Präjudizialität - vorliegen, ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat daher in der Sache zu entscheiden.
a) Vorerst ist der Inhalt der angefochtenen landesgesetzlichen Bestimmung zu klären.
Der Wortlaut der Absätze 3 und 4 des §77 Oö. JagdG läßt eindeutig erkennen, daß die darin normierte (spezielle) Kostenregelung nur für das Verfahren vor der Kommission gilt, während die Kostenregelung für das gerichtliche Verfahren ausschließlich aus §77 Abs1 herzuleiten ist. Diese Regelung erfolgt technisch derart, daß sie das Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 (insgesamt) als sinngemäß anwendbar erklärt, also auch dessen in §44 enthaltene Kostenvorschrift (Texte s.o. I.1.).
Das bedeutet, daß die Jagdausübungsberechtigten die Kosten des gerichtlichen Verfahrens (dazu zählen auch die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung und jene des Sachverständigen) selbst zu tragen haben und dem Grundeigentümer - unter Ausschluß der Kostenteilung - der Ersatz voller Kosten gebührt; dies allerdings mit der Einschränkung, daß diese Regel dann nicht gilt, wenn die Kosten durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten des Grundeigentümers hervorgerufen wurden. Davon kann jedenfalls dann gesprochen werden, wenn der Grundeigentümer im Gerichtsverfahren zur Gänze unterliegt (vgl. OGH 27.2.1995 Zl. 1 Ob 506/95, 26.3.1996 Zl. 1 Ob 507/96, und die neuere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes z.B. VwGH 11.2.1993, Zl. 90/06/0211). Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, unter welchen sonstigen Voraussetzungen ein vom Grundeigentümer zu vertretendes Verhalten (etwa das Stellen von Ersatzforderungen, die leicht erkennbar (wesentlich) überhöht sind, oder das Setzen von geradezu mutwilligen Verfahrenschritten) die Anwendung der geschilderten grundsätzlichen Kostentragungsregel ausschließt.
b) Bei diesem Inhalt des Gesetzes teilt der Verfassungsgerichtshof die vom LG Wels gegen die in Prüfung gezogene Bestimmung vorgebrachten Bedenken nicht:
Der Landesgesetzgeber hat sich im Rahmen des ihm von Verfassungs wegen eingeräumten rechtspolitischen Gestaltungsfreiraumes gehalten, wenn er im gerichtlichen Verfahren über einen Anspruch auf Ersatz von Jagd- und Wildschäden den Grundsatz der Einseitigkeit der Kostenersatzpflicht verankert hat.
Der OGH begründet im Beschluß vom 27. Feber 1995, 1 Ob 506/95, seine Ansicht, daß eine solche Regelung nicht unsachlich sei, wie folgt:
"Die Eigentümer von Liegenschaften, die zu einem genossenschaftlichen Jagdgebiet gehören, haben nach den gesetzlichen Bestimmungen die Jagdausübung zu dulden. Als Ausgleich wird lediglich ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch für entstandene Jagd- und Wildschäden gewährt. Die Ausübung des Eigentumsrechtes wird also partiell beschränkt, was nach der vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Absicht als enteignungsgleicher Eingriff anzusehen ist."
Wenngleich auch eine andere Kostenregelung sachlich begründbar sein könnte, widerspricht doch auch die vom oberösterreichischen Landesgesetzgeber gewählte Lösung nicht dem Gleichheitsgrundsatz:
Der Verfassungsgerichtshof schließt sich den zutreffenden Überlegungen des OGH an und fügt ihnen nachstehende Argumente für die Sachlichkeit der getroffenen Kostentragungsregelung bei. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß - wie oben dargelegt - die im §44 Eisenbahnenteignungsgesetz enthaltene Regel nicht absolut ist, sodaß sie - richtig verstanden - einen Mißbrauch durch den Grundeigentümer ausschaltet.
Der Sinn der Bestimmung ist es offenkundig, der wirtschaftlich schwächeren Partei die Möglichkeit zu eröffnen, den formal vorgesehenen Rechtsschutz auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen; diese Partei soll davon nicht durch ein für sie unerträgliches Kostenrisiko abgehalten werden. Wenn der Gesetzgeber - ausgehend von einer verfassungsrechtlich zulässigen Durchschnittsbetrachtung - bei Beurteilung des Lebenssachverhaltes zum Ergebnis gelangt ist, daß (in der Regel) der Jagdausübungsberechtigte dem Grundeigentümer oder sonst Nutzungsberechtigten wirtschaftlich überlegen ist (so wird ein Großgrundbesitzer meist über eine Eigenjagd verfügen - vgl. §6 Oö. JagdG), kann ihm zumindest nicht vorgeworfen werden, es sei ihm dabei eine in die Verfassungssphäre reichende Fehleinschätzung der Lage unterlaufen. Dazu kommt, daß die Ausübung der Jagd durch den Berechtigten im genossenschaftlichen Jagdgebiet (§7 leg.cit.) auch gegen den Willen des Grundeigentümers oder Nutzungsbefugten erfolgen kann und daß dieser auf den Eintritt des Jagd- und Wildschadens häufig keinen Einfluß nehmen kann; ist er doch oft nicht in der Lage, etwa die Größe und die Art des Wildbetriebes (mit) zu bestimmen.
c) Unter diesen Voraussetzungen sind die Vorwürfe des antragstellenden Gerichtes verfehlt, das Gesetz verstoße sowohl gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG) als auch gegen das sich - angenommenerweise - aus Art6 EMRK ergebende Gebot, den Verfahrensgegnern Waffengleichheit zu gewährleisten.
Die vorgebrachten Bedenken treffen sohin nicht zu. Der Gesetzesprüfungsantrag war infolgedessen abzuweisen.
3. Den von den beteiligten Parteien gestellten Anträgen auf Zuspruch der ihnen in diesem verfassungsgerichtlichen Gesetzesprüfungsverfahren für die Erstattung von Stellungnahmen und für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung erwachsenen Kosten war keine Folge zu geben. Der Ersatz dieser Kosten ist vielmehr in dem beim antragstellenden Gericht anhängigen Verfahren geltend zu machen (vgl. zB VfSlg. 10832/1986, 12063/1989 und VfGH 10.10.1995 G216/94 u.a.Zlen.).
Schlagworte
VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Formerfordernisse, Auslegung eines Antrages, Jagdrecht, Jagdschaden, Eisenbahnrecht, Rechtspolitik, Rechtsschutz, VfGH / Kosten, VfGH / Beteiligter, Waffengleichheit, Kostentragung (Gericht)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:G1374.1995Dokumentnummer
JFT_10039070_95G01374_00