Entscheidungsdatum
10.10.2019Norm
BFA-VG §22aSpruch
W117 2220756-1/38E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA:
Pakistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2019, Zl. 601893502 - 190648533 /BMI-BFA_WIEN_RD_TEAM_09 und die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF, § 52 Abs. 6 FPG idgF stattgegeben und der Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 28.06.2019 bis 05.07.2019 für rechtswidrig erklärt.
II. Der Bund hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von € 1.659,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Der Antrag der Verwaltungsbehörde auf Ersatz der Aufwendungen wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer - ein pakistanischer Staatsangehöriger - stellte am 27.8.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 4.12.2012, Zl. E13 429.357-1/2012-10E rechtskräftig abgewiesen wurde.
Der Beschwerdeführer verfügt seit dem 4.8.2015 über einen asylrechtlichen Aufenthaltstitel in Italien, nämlich eine sog. "Permesso di Soggiorno Motivi Humanitare".
Der Beschwerdeführer wurde am 22.8.2017 abermals im Bundesgebiet aufgegriffen und gab der Beschwerdeführer damals an, er wolle am 23.8.2017 ausreisen. Der Beschwerdeführer übernahm am 30.1.2018 die Verständigung, dass er das Bundesgebiet zu verlassen habe und werde eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen. Am 2.2.2018 wurde der Beschwerdeführer abermals einvernommen und wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben, nach Italien auszureisen. Dieser Verpflichtung sei der Beschwerdeführer am 8.2.2018 nachgekommen.
Der Beschwerdeführer wurde am 27.6.2019 durch Beamte der LPD Wien in einem Lokal kontrolliert. Dabei wies der Beschwerdeführer ein Flugticket vor, wonach er am 25.3.2019 nach Österreich eingereist sei.
Der Beschwerdeführer wurde am 28.6.2019 durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab dort - soweit für das Verfahren von Bedeutung - an, er sei nach Österreich, weil hier Freunde von ihm seien. Er sei in Österreich nicht gemeldet und würde bei Freunden wohnen. Er habe ca. € 200,- Bargeld bei sich. Er sei zuletzt im Dezember 2018 in Pakistan gewesen, er habe dort seine Familie besucht. Er arbeite in Italien als Reinigungskraft. Er verfüge über einen Reisepass, einen Personalausweis, eine italienische Identitätskarte und eine Aufenthaltsbewilligung. Er habe noch Kleidungsstücke und persönliche Sachen in der Wohnung, in der er sich während seines Aufenthaltes aufgehalten habe.
Mit Bescheid vom 28.6.2019 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung (nach Pakistan) gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 AVG angeordnet. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (hg. GZ W117 2220756-1). Die Verwaltungsbehörde legte die Akten vor, erstattete eine Stellungnahme, mit welcher sie ihre Entscheidung rechtfertigte und begehrte schließlich nebst der Bestätigung ihrer Entscheidung Kostenersatz.
Mit dem nunmehr gegenständlichen Bescheid des BFA vom 1.7.2019 erteilte das BFA keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.) und wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein zweijähriges Einreiseverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer wurde am 5.7.2019 um 18:54 via Schwechat aus dem Bundesgebiet nach Pakistan abgeschoben.
Der Beschwerdeführer erhob auch gegen diese negative Entscheidung der Verwaltungsbehörde Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom 07.08.2019, L525 2221828-1/2E, statt und behob den Bescheid der Verwaltungsbehörde ersatzlos. Gleichzeitig sprach es aus, dem Beschwerdeführer gemäß § 21 Abs. 5 BFA-VG die Wiedereinreise zu gestatten ist.
Das Bundesverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung entscheidungswesentlich wie folgt:
"1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, dessen Identität feststeht, verfügt in Italien einen Aufenthaltstitel, welcher bis 19.12.2019 gültig ist (Permesso di Soggiorno Motivi umanitari). Der Beschwerdeführer reiste am 25.3.2019 in das Bundesgebiet ein. Der gegenständliche Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 1.7.2019 zugestellt. Der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 28.6.2019 in Schubhaft genommen und am 5.7.2019 nach Pakistan abgeschoben. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 6 FPG aufgefordert wurde das Bundesgebiet zu verlassen. Der Beschwerdeführer verfügte bei seiner Anhaltung am 27.6.2019 über €
200,-. Der Beschwerdeführer war in Österreich an der Adresse Zwölfergasse 9/6, 1150 Wien vom 30.11.2017 bis zum 29.7.2019 gemeldet. Der Beschwerdeführer war während seines Aufenthaltes in Österreich nicht dort aufhältig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt des Aufgriff am 27.6.2019 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt gründet sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und dem Protokoll des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8.7.2019 zur hg GZ W117 2220756-1/33Z. Dass der Beschwerdeführer in Italien über einen aufrechten Aufenthaltstitel verfügt ergibt sich eindeutig aus dem Verwaltungsakt ebenso wie die restlichen Feststellungen. Dass der Beschwerdeführer aus am 5.7.2019 aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde, ergibt sich aus dem seitens des erkennenden Gerichtes eingeholten Protokoll vom 8.7.2019 zur hg GZ W117 2220756-1/33Z. Dass der Beschwerdeführer am 27.6.2019 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war, ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer - unbestritten - am 25.3.2019 in das Bundesgebiet eingereist ist um daher sein 90-tägiger sichtvermerksfreier Aufenthalt am 22.6.2019 endete. Dies wird nicht bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
(...)
§ 52. (...)
(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
(...)
(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
(...)
Die Beschwerde bringt zunächst vor, der Beschwerdeführer hätte gemäß § 52 Abs. 6 FPG zur sofortigen Ausreise verpflichtet werden müssen. Da dies nicht geschehen sei müsse davon ausgegangen werden, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ansehe. Dies sei verfehlt, der Beschwerdeführer habe bereits in der Einvernahme erklärt, er sei ausreisewillig. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer schon im Jahr 2018 aufgefordert worden aus dem Bundesgebiet auszureisen und sei dieser seiner Ausreiseverpflichtung auch nachgekommen. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung stelle der Beschwerdeführer nicht dar.
Damit zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf.
§ 52 Abs. 6 FrPolG 2005 ist vor dem Hintergrund von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2008/115/EG zu lesen. Dort wird angeordnet, dass ein nicht rechtmäßig aufhältiger Drittstaatsangehöriger mit einem Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates zunächst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Nur wenn dieser Verpflichtung nicht entsprochen wird, hat es zu einer Rückkehrentscheidung zu kommen. Demnach bedarf es also vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung einer "Verpflichtung" des Drittstaatsangehörigen, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Die Frage der "Unverzüglichkeit" stellt sich dann in Bezug auf die Zeitspanne, die seit Ausspruch der "Verpflichtung" ergangen ist. Wird ihr "unverzüglich" entsprochen, hat eine Rückkehrentscheidung zu unterbleiben, andernfalls ist sie zu verhängen (vgl. VwGH vom 21.12.2017, Zl. Ra 2017/21/0234, mwN). Im Kontext des § 52 Abs. 6 FPG kommt es nicht schlichtweg auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an, sondern darauf, ob angesichts einer solchen Gefährdung die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus dem Bundesgebiet erforderlich ist (vgl. den Beschluss des VwGH vom 3.7.2018, Zl. Ro 2017/21/0007).
Fallbezogen argumentiert die belangte Behörde zum einen mit dem rechtswidrigen Aufenthalt des Beschwerdeführers, andererseits mit der festgestellten Mittellosigkeit und der Annahme, dass der Beschwerdeführer angesichts dieser Mittellosigkeit wohl rechtswidriges Verhalten an den Tag legen würde. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer nicht ordentlich gemeldet gewesen.
Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die Feststellung, der Beschwerdeführer werde aufgrund seiner Mittellosigkeit in Österreich wohl zur Finanzierung seines Aufenthaltes entsprechende Handlungen setzen, spekulativ ist und seitens der belangten Behörde keine Umstände aufgezeigt wurden, die derartige Rückschlüsse zulassen würden. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten und geht nach eigenen Angaben in Italien einer Beschäftigung als Reinigungskraft nach. Ebenso würdigte die belangte Behörde - wie die Beschwerde richtig aufzeigt - in keiner Weise den Umstand, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2018 nachweislich nach Aufforderung wieder nach Italien gereist ist und auch in der niederschriftlichen Einvernahme am 28.6.2019 eindeutig angegeben hat, dass er ausreisewillig wäre. Warum dies nicht zutreffen sollte oder nicht glaubhaft sei, führte die belangte Behörde indes nicht aus. Ebenso verfügte der Beschwerdeführer zumindest über so viel Bargeld, dass er - nach allgemeiner Lebenserfahrung - nach Italien hätte zurückreisen können. Soweit die belangte Behörde den Umstand des illegalen Aufenthalts in Österreich heranzieht um von einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszugehen, so ist dem entgegenzuhalten, dass bei einer derart kurzen Überschreitung des legalen Aufenthaltes § 52 Abs. 6 FPG ja offensichtlich anordnet, dass sich der Drittstaatsangehörige wieder in das Land, in welchem er einen Aufenthaltstitel hat, zurückzubegeben hat. Dies ergibt sich schon aus der oben angeführten Rechtsprechung, wonach ein nicht rechtmäßig aufhältiger Fremder im Anwendungsbereich des § 52 Abs. 6 FPG zunächst zur Ausreise in den Mitgliedstaat zu verhalten ist, in welchem er über ein Aufenthaltsrecht verfügt. Das erkennende Gericht übersieht dabei nicht, dass illegale Aufenthalte in Österreich regelmäßig eine massive Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen. Allerdings können derart kurze illegale Aufenthalte (gegenständlich: ganze fünf Tage!) im Rahmen des § 52 Abs. 6 FPG regelmäßig nicht dazu führen, dass von einer Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgegangen werden kann, sondern löst dies ja erst das Vorgehen nach § 52 Abs. 6 FPG und der Aufforderung an den Drittstaatsangehörigen das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen aus. In derartigen Konstellationen kann wohl nicht von der Notwendigkeit einer sofortigen Ausreise zur Wahrung öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausgegangen werden. Auf jeden Fall unterließ die belangte Behörde derartige Umstände, die eine sofortige Ausreise und daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung notwendig gemacht hätten, aufzuzeigen. Da aber eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und einer sofortigen Ausreise nicht aufgezeigt wurden hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 6 FPG zunächst zur unverzüglichen Ausreise auffordern müssen, weswegen die gegenständliche Rückkehrentscheidung und die damit zusammenhängenden anderen Spruchpunkte ersatzlos zu beheben waren. Auf § 21 Abs. 5 BFA-VG wird hingewiesen.
(...)"
Im gegenständlichen Schubhaftbeschwerdeverfahren wurde am 08.07.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers - er wurde in der Verhandlung aber rechtsfreundlich vertreten - durchgeführt.
Da die Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 1.7.2019, Zl. 601893502-190648541/BMI-BFA_WIEN_RD_TEAM_09 eine unabdingbare Vorfrage für den gegenständlichen Fall darstellte - "zu klären bleibt nämlich, ob die Rückkehrentscheidung nach Pakistan rechtmäßig ergangen ist oder ob nicht doch in Anlehnung nach § 52 Abs. 6 FPG der BF angehalten werden hätte müssen, sich unverzüglich nach Italien zu begeben" - wurde das gegenständliche Verfahren bis zum rk. Abschluss des angeführten Vorverfahrens ausgesetzt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen:
Der Verfahrensgang und die vom Bundesverwaltungsgericht im obzitierten Erkenntnis 07.08.2019, L525 2221828-1/2E, getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden - in Bindung an die (Rechts)ansicht des angeführten Vorfragenerkenntnisses - zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.
Beweiswürdigung:
Hinsichtlich der vom angeführten Vorerkenntnis übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche zutreffende Beweiswürdigung zu verweisen. Der Verfahrensgang ist (ohnedies) unbestritten.
Rechtliche Beurteilung
Zuständigkeit:
Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) idgF erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;
2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;
3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;
4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.
Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012 idgF, lautet:
(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,
2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,
3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,
4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und
5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2
Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.
Da sich die gegenständliche - zulässige - Beschwerde gegen einen Schubhaftbescheid des BFA bzw. gegen eine dem BFA zurechenbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Anhaltung in Schubhaft (vgl. VfSlg. 10.982/1986) richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls für die Entscheidung zuständig.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt I.: (Schubhaftbescheid, Anhaltung)
Die maßgeblichen Normen des FPG in der geltenden Fassung lauten wie folgt:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
§ 52 (6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.
Wie dem angeführten Vor(fragen)erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 07.08.2019 unzweifelhaft zu entnehmen ist, hätte der BF aufgrund seines gültigen Aufenthaltstitels für Italien richtigerweise gem. § 52 Abs. 6 FPG zur Rückreise nach Italien bewegt werden müssen, statt in Schubhaft genommen zu werden; da wie im Rahmen der Sachverhaltsfeststellungen festgehalten, keine derartigen Sachverhaltselemente zum Zeitpunkt der Schubhafterlassung bestanden, die "aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" die sofortige Ausreise und damit Rückkehrentscheidung (nach Pakistan) erforderlich machten - im Gegenteil: Das Bundesverwaltungsgericht sprach im angeführten Vorfragenerkenntnis zusätzlich sogar noch aus, dass dem Beschwerdeführer die Wiedereinreise (!!) zu gestatten sei -, widerstreitet die Schubhaftanordnung zur "Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung" (nach Pakistan) daher der von Rechtswegen gebotenen Vorgangsweise und hat sohin die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der darauf basierenden Anhaltung vom 28.06.2019 bis 05.07.2019 zur Folge.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt II und III. (Kostenbegehren):
In der Frage des Kostenanspruches - beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen - sind gemäß § 56 (3) leg. cit. die §§22
(1a) leg. cit. und § 35 VwGVG die maßgeblichen Normen - diese lauten:
§22 (1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(1) Dem Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. (3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Da der Beschwerdeführer vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu.
Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind §35 Abs. 4 und 5 iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich:
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."
§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 lautet:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
(...)
In diesem Sinne war dem Beschwerdeführer Kostenersatz im Umfang des § 1 Z 1 und Z 2 VwG-Aufwandersatzverordnung, also in der Höhe von €1.659,60 zuzusprechen.
In logischer Konsequenz zu Spruchpunkt II. war daher das Kostenbegehren der Verwaltungsbehörde als unterlegener Partei (im Sinne des § 35 Abs. 3 VwGVG) auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 VwGVG zu verwerfen (Spruchpunkt IV.).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aufenthaltstitel, Mitgliedstaat, Rechtswidrigkeit,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W117.2220756.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.01.2020